Wiedervorlage (6): Was ist Freiheit?

Die fünf AfD-Fraktionsvorsitzenden der östlichen Bundesländer haben einen "Erfurter Freiheitsappell" veröffentlicht.

Sie stär­ken mit die­sem Appell den Pro­test­spa­zier­gän­gern den Rücken und machen den Kampf um die “Frei­heit” des Bür­gers zum zen­tra­len Anlie­gen und Wort. Die Erklä­rung gip­felt in der Paro­le: “Die Frei­heit der Bür­ger ist unse­re rote Linie”, die wie­der­um an das anschließt, was auf etli­chen Spa­zier­gän­gen als Ban­ner vor­an­ge­tra­gen wird: “Wir sind die rote Linie”.

Was aber ist Frei­heit? Rech­te ver­wen­den die­sen Begriff nie uto­pisch und los­ge­löst, son­dern meist mit dem Zusatz, daß es sie nur “in Bin­dung” gebe. Karl­heinz Weiß­mann hat im Band Leit­be­grif­fe des Staats­po­li­ti­schen Hand­buchs den Begriff Frei­heit defi­niert – wie legen ihn hier wie­der vor.

– – –

Frei­heit bezeich­net sei­nem Ursprung nach den Zustand des­je­ni­gen, der nicht bezie­hungs­wei­se nicht voll­stän­dig vom Wil­len ande­rer abhän­gig ist.

Inso­fern kann Frei­heit nur nega­tiv bestimmt wer­den, ohne daß damit etwas gegen ihren Wert gesagt wäre: „Die Frei­heit wird etwas Posi­ti­ves nur durch den Gebrauch, den wir von ihr machen“ (Fried­rich August von Hayek).

Ver­su­che, die Frei­heit von vorn­her­ein auf einen bestimm­ten Inhalt zu bezie­hen, ohne ihren Cha­rak­ter als Frei­heit zu zer­stö­ren, haben noch jedes Mal ihr Ziel ver­fehlt. Weder läßt sich eine undis­ku­tier­ba­re Bin­dung an sitt­li­che Gehal­te errei­chen, noch eine Fixie­rung auf eine Ziel­set­zung, deren Ein­seh­bar­keit angeb­lich für alle Men­schen guten Wil­lens gege­ben ist.

Sicher­lich ent­stand das Emp­fin­den von und der Wunsch nach Frei­heit aus dem Kon­trast zur Wahr­neh­mung von Zwang. Das darf man viel­leicht als all­ge­mein-mensch­li­che Mög­lich­keit betrach­ten, ohne damit zu bestrei­ten, daß his­to­risch gese­hen bestimm­te Völ­ker – vor allem die euro­päi­schen – einen stär­ke­ren Frei­heits­drang auf­ge­wie­sen haben und auf­wei­sen als andere.

In der Anti­ke galt der Nicht-Skla­ve als Frei­er, wobei von vorn­her­ein klar war, daß es Abstu­fun­gen von Frei­heit gab: ein Kind konn­te nicht im glei­chen Maße frei sein wie ein Erwach­se­ner, eine Frau nicht im glei­chen Maße wie ein Mann, ein Schwa­cher nicht im glei­chen Maße wie ein Star­ker, ein Armer nicht im glei­chen Maße wie ein Rei­cher. Frei­heit war nur durch ein gewis­ses Maß an Selb­stän­dig­keit zu begrün­den, das im all­ge­mei­nen auf die waf­fen­fä­hi­gen Män­ner mit Besitz an Grund und Boden beschränkt blieb. Aus den geschil­der­ten Umstän­den ergibt sich auch, daß Frei­heit ursprüng­lich im Plu­ral auf­ge­faßt wur­de, man also von Frei­hei­ten zu spre­chen hat. Die­se Viel­heit kam auch in der Unter­schei­dung einer indi­vi­du­el­len und einer kol­lek­ti­ven Frei­heit zum Aus­druck, letz­ter war auf das Selbst­be­stim­mungs­recht des Stam­mes, des Vol­kes, der Polis, des Staa­tes bezogen.

Unbe­rührt davon blieb die Fra­ge, in wie­weit die Göt­ter, das Schick­sal, die Natur die Frei­heit des Men­schen begren­zen. Die Men­ge der Ant­wor­ten konn­te je nach reli­giö­sem, phi­lo­so­phi­schem oder welt­an­schau­li­chem Stand­punkt sehr ver­schie­den aus­fal­len. Wenn es um Frei­heit im gesell­schaft­li­chen Sinn ging, bestand aber ein weit­ge­hen­der Kon­sens, daß sie das Ergeb­nis der Ver­ge­mein­schaf­tung und ihrer Rechts­ord­nung sei, nicht deren Voraussetzung.

Der Sach­ver­halt blieb auch durch das Chris­ten­tum unbe­strit­ten, trotz der Bedeu­tung, der man der Wür­de jedes Men­schen als Geschöpf und der Befrei­ung des Sün­ders durch die Erlö­sungs­tat Chris­ti zusprach. Die irdi­sche Frei­heit galt als davon deut­lich getrennt und die all­mäh­li­che Auf­he­bung der Ver­skla­vung ande­rer Chris­ten, spä­ter von Men­schen über­haupt, stand erst am Ende eines lang­wie­ri­gen Pro­zes­ses ethi­scher Durchdringung.

In ers­ter Linie teil­te die kirch­li­che Leh­re mit der phi­lo­so­phi­schen die Skep­sis gegen­über einem Zuviel an Frei­heit. Pla­ton hat­te schon im Zusam­men­hang mit sei­ner Ver­fas­sungs­theo­rie die Ansicht ver­tre­ten, daß Frei­heit grund­sätz­lich zum Miß­brauch ver­füh­re und →Demo­kra­tien dazu neig­ten, im Namen der Gleich­heit und Frei­heit in einen anar­chi­schen Zustand über­zu­ge­hen, der zwangs­läu­fig die Tyran­nis heraufbeschwöre.

Seit der Auf­klä­rung wur­den gro­ße intel­lek­tu­el­le und prak­tisch-poli­ti­sche Anstren­gun­gen gemacht, um die­sem Pro­blem zu begeg­nen und Gleich­heit mit Frei­heit har­mo­nisch zu ver­knüp­fen. Das ist um so schwie­ri­ger, als der moder­ne Mensch nicht nur von der For­de­rung nach Ega­li­tät ange­zo­gen wird, son­dern auch einen so mas­si­ven Indi­vi­dua­li­sie­rungs­pro­zeß durch­läuft, daß er neben der Gleich­heit eine Frei­heit ver­langt, die ihm die unbe­schränk­te Ent­fal­tung sei­ner Per­sön­lich­keit erlaubt. Die bei­den For­de­run­gen sind nicht har­mo­ni­sier­bar, stel­len aber nach der Zer­stö­rung der alt­eu­ro­päi­schen Gesell­schaft mit ihrer stän­di­schen Frei­heit einen Fix­punkt aller mög­li­chen poli­ti­schen Pro­gram­me dar.

Es hat sich aus die­sem Grund auf kon­ser­va­ti­ver Sei­te früh eine prin­zi­pi­el­le Kri­tik der neu­zeit­li­chen Frei­heits­ideo­lo­gie erge­ben, die deren uto­pi­schen Cha­rak­ter her­vor­hebt, die not­wen­di­ge Span­nung von Frei­heit und „Ent­frem­dung“ (Arnold Geh­len) oder deren zer­stö­re­ri­sche Kon­se­quenz betont. Eine Schlüs­sel­be­deu­tung kom­men Alexis de Toc­que­vil­les Beob­ach­tun­gen im Nord­ame­ri­ka des 19. Jahr­hun­derts zu, die erst­mals das Neben­ein­an­der von unge­glie­der­ter Mas­sen­ge­sell­schaft und außer­or­dent­li­chem Kon­for­mi­täts­druck zeig­ten. Hier wur­de deut­lich, daß die ent­schie­de­ne Pro­pa­gan­da der Frei­heit kei­nes­wegs ein siche­res Indiz dafür ist, daß es tat­säch­lich Frei­heit gibt.

Soweit die Aus­ein­an­der­set­zung nicht mit der Vor­stel­lung ver­bun­den war, die kor­po­ra­ti­ve Ord­nung wie­der­her­zu­stel­len bezie­hungs­wei­se zu erneu­ern, beton­te sie die Not­wen­dig­keit einer gemisch­ten Ver­fas­sung, die auch den Klas­si­kern der poli­ti­schen Theo­rie als bes­tes Gegen­gift für den Miß­brauch der Frei­heit erschien. Dane­ben gibt es den Ver­such, durch die Erzie­hung der Per­sön­lich­keit einen indi­vi­du­el­len Wider­stands­kern zu bil­den, um auch den Ver­lust ech­ter Frei­heit zu überstehen.

– – –

Den Erfur­ter Frei­heits­ap­pell kann man hier in vol­lem Wort­laut ein­se­hen.

Alle fünf Bän­de sind für einen guten Paket­preis hier erhält­lich.

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Kommentare (37)

brueckenbauer

17. Februar 2022 19:14

Tja. Mit Weißmann ist zwar ein Staat zu machen, aber keine Opposition - in einer Zeit , wo die deutsche Minderheit Opposition treiben muss.

Was bei Weißmann zu kurz kommt, ist die enorme Bedeutung von Freiheit für die Entwicklung der eigenen Person: Dass man die Möglichkeit hat, seine eigenen Erfahrungen zu machen, sie in eigene Worte zu fassen (und so zu memorieren), daran seine eigenen Gefühle zu knüpfen und daraus seine eigenen Verhaltensmaximen abzuleiten - anstelle bloß fremdgesteuert zu werden -, das macht doch den Menschen und seine Würde erst aus. Und darum müssen wir doch täglich gegen  eine gesellschaftliche Übermacht kämpfen.

RMH

17. Februar 2022 19:43

Vergleichsweise schwacher Text von Kh. W., dem ein philosophischer Tiefgang fehlt. In der aktuellen Zeit, gerade vor dem Hintergrund, dass die AfD Fraktionsvorsitzenden der mitteldeutschen Länder sich hinter die Protestbewegung stellen, sei an folgenden Ausspruch Richard Wagners erinnert:

"Freiheit ist nicht Willkür, sondern Wahrhaftigkeit"

Und ich möchte aus den Lehren der letzten 2 Jahre ergänzen, dass am Anfang jeder Willkür, der Verlust der Wahrhaftigkeit der Akteure steht. Von Anfang der sog. Corona Krise an wurde gelogen, geschönt, Fakten "gecheckt", ge-"nudged", mal mit Zuckerbrot, am Ende immer häufiger mit Peitsche, Gerichte haben offizielle "Wahrheiten" einfach ungeprüft übernommen und dann eben ihr Subsumtionshandwerk abgespult (und das oft auch noch nicht einmal das wirklich gut). Zeitungen haben Linien verfolgt, als ob jedes Zulassen anderer Ansichten zum Versterben der eigenen Großmutter führen würde. Wissenschaftler haben ohne Prüfung der Argumente in teilweise ehrabschneidender Weise den Ruf anderer Kollegen unterminiert, statt gemeinsam um Wahrhaftigkeit zu ringen. Viele Menschen ließen sich von Angst, statt von Wahrhaftigkeit leiten und begaben sich damit selber in die Unfreiheit. Die an den Satz R. Wagners anknüpfenden Gedanken lassen sich noch fortsetzen.

Mitleser2

17. Februar 2022 19:59

Aus welchem Jahr ist denn der Band 1 des Staatspolitischen Handbuchs. Das muss doch schon älter sein, vor dem Zerwürfnis Kubitschek/Weißmann?

2009

Franz Bettinger

17. Februar 2022 23:59

Ich bin 1955 geboren. Wir Kinder genossen eine unglaubliche Freiheit. Unser Aktionsradius betrug rund 5 km. Innerhalb dieses Areals kannten wir jede Höhle, jeden Baum, jeden Meter Bach. Ich denk inzwischen, dass Freiheitsstreben genetisch bedingt ist. Wer freiheitsliebend gestrickt ist, wird sich in jedem System so viel wie möglich Freiheit nehmen. Und wer sie gekostet hat, ist danach für immer 'verdorben' für die Sklaverei & die Tretmühlen. Oh doch, hart arbeiten und sich viele Freiheiten nehmen, das geht gut zusammen. Es bedingt sich nicht selten sogar. Die Freiheit in Deutschland war wohl nach dem Krieg am größten. Dann wurde sie immer weiter eingeengt, ha, angeblich zum Besten des großen Ganzen: Luft, Wasser, Umwelt, Frauen, Fremde, Fürze jeder Art. Die übliche Lüge. Und die eüblichen Schwachköpfe fallen darauf rein.

Laurenz

18. Februar 2022 00:40

Auch, wenn ich den Beitrag von

@RMH

hervorragend finde, weil dieser das Emotionale in der Freiheit anspricht, einen Kampfeswillen um diese selbst, welcher der Weißmann-Abhandlung fehlt. 

Allerdings finde ich die analytische Methodik von Weißmann auch sehr gut gelungen.

Der aus dem Kampfruf (LibertéÉgalité & Fraternité) der französischen Revolution entnommene diametrale Widerspruch zwischen Gleichheit & Freiheit ist in meinen Augen noch kontroverser, als er in der Abhandlung bearbeitet ist.

Mit Brüderlichkeit hatten Deutsche die meiste Zeit ihrer Existenz sowieso Schwierigkeiten & sie entsteht für Deutsche, wenn, nur in expliziten gesellschaftlichen Zuständen.

Ich kann die 5 AfD-Fraktionsvorsitzenden zu Ihrem Schulterschluß zugunsten aller Deutschen nur beglückwünschen.

Ich, persönlich, wäre in einem totalitären System längst tot. Mein Charakter hat extreme Schwierigkeiten, sich von anderen einen fremden Willen aufzwingen zu lassen. Ich denke, das ist deutsch, mit allen Vor- & Nachteilen, die Sturheit mit sich bringt.

Luisman

18. Februar 2022 03:20

All diese konstruierten Rechte beruhen auf der Bereitschaft der Menschen, sich auf der Grundlage der Gegenseitigkeit zu verteidigen, insbesondere gegen andere Stämme, die möglicherweise andere Rechte vereinbart haben, aber auch gegen Abweichler im eigenen Stamm. Die Europäer waren die ersten, die die Institutionen des Rechts, der Richter und der Polizei erfanden, um Konflikte zu lösen, anstatt endlose Stammeskriege zu führen. Gesetze, die den Abweichlern die Freiheit (oder das Leben) nehmen, um die Freiheiten, das Eigentum und das Leben des größeren Volksstammes zu schützen. Dies ist eine Optimierung, ein Grad an Effizienz, der Sie von der alltäglichen Pflicht entbindet, Ihre Nachbarn zu verteidigen, im Austausch für einen kleinen Beitrag an die Experten, die Recht, Eigentum und Leben verteidigen.

Aber in diesem Optimierungsprozess ist die grundlegende Vereinbarung vergessen worden. Die Pflicht, sich auf Gegenseitigkeit zu verteidigen. Dies ist der Preis der Freiheit.

Die Institutionen haben ihre Pflicht aufgegeben, unsere Rechte zu verteidigen, für die wir sie bezahlen. Sie gehören nicht mehr zu unserem Stamm, sie sind zum feindlichen Stamm geworden. Wenn wir unsere Rechte zurückhaben wollen, müssen wir uns auf der Grundlage der Gegenseitigkeit wieder verteidigen. Und die Institutionen haben Sie dazu verleitet, Ihre Verteidigungsmittel aufzugeben. Vielleicht denken Sie das nächste Mal lange und gründlich über solche Vorschläge nach.

Ordoliberal

18. Februar 2022 03:22

Es freut mich, dass die Sezession Hayeks berühmte Freiheitsdefinition als Abwesenheit von Zwang übernimmt. In einem Rechtsstaat kann mich kein Kunde, kein Arbeitgeber, kein Verkäufer, kein Vermieter, kein Ehepartner und kein Geschäftspartner zu etwas zwingen, zu dem ich mich nicht vorher freiwillig verpflichtet habe. Das kann nur ein Verbrecher. Oder eben ein Politiker.

Deswegen ist der Staat (auch der Verfassungsstaat!) immer die größte Gefahr für die Freiheit. Das "kälteste aller Monster" muss durch Gewaltenteilung, Subsidiarität und Ämterwahl gezähmt und durch niedrige Steuern schlank und gesund gehalten werden. Denn jeder Beamte mehr ist ein Stück Freiheit weniger.

Hier im Forum wird oft einem Etatismus das Wort geredet, der mich befremdet. Konservativ zu sein heißt für mich, sein eigener Herr zu sein und freiwillig einer Sache zu dienen. Wie ein Ritter. Ein Liberaler dagegen will frei sein ohne zu dienen. Wie ein Kind.

Ein Armer ist übrigens nicht weniger frei als ein Reicher. Diogenes war freier als Marc Aurel, wie letzterer nicht müde wurde zu beklagen. Gerade die Neue Rechte mit ihrer anti-materialistischen und stoischen Moral sollte nicht den linken Fehler machen, Besitzverhältnisse mit Machtverhältnissen zu verwechseln. Ich war als mittelloser Student freier als ich es jetzt als Familienvater bin, obwohl ich heute die zehnfache Summe im Monat zur Verfügung habe. Wer mit Armut nicht umgehen kann, hat die Freiheit nicht verdient.

Mitleser2

18. Februar 2022 08:45

@Bettinger:"Die Freiheit in Deutschland war wohl nach dem Krieg am größten. Dann wurde sie immer weiter eingeengt, ha, angeblich zum Besten des großen Ganzen: Luft, Wasser, Umwelt, Frauen, Fremde, Fürze jeder Art. Die übliche Lüge."

Im Prinzip richtig, mein Jahrgang ist 1953. Man sollte aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. 1960 im Main zu baden war schon grenzwertig. Der grüne Beginn war m.E. nötig. Das Problem ist, dass zu viele heute mit den Grünen immer noch so etwas verbinden, obwohl es sich nur noch um eine totalitäre Verbots- und Lobbyisten-Partei handelt, deren eigentliche Klientel viel Geld hat und SUV fährt. Mit Fremden, Frauen und Fürzen haben Sie natürlich recht.

Laurenz

18. Februar 2022 08:49

@Ordoliberal

Den Terminus

"Freiheit"

haben Sie in meinen Augen gründlich mißverstanden, das wird aus Ihrem Beitrag offensichtlich. Das eine ist persönliche Freiheit, die in der Fakedemie von Impflamisten massiv eingeschränkt wurde, wie Mobilität, Gewerbebetrieb etc.pp. Das andere ist die Freiheit, welche sich mit der Staatlichkeit verbindet. Es stellt sich zB in der Steuerpolitik nicht zuerst die Frage, wie viele Steuern zahle ich, sondern für was werden die Steuern ausgegeben? Es kann durchaus sinnvoll sein, für Verteidigung, etc.pp., mehr Geld, also mehr Steuern aufzuwenden. In der Stammespolitik @Luismans zahlte man nur freiwillig, aber das in in einer staatlichen Organisation nicht möglich.

Ihre verminderte Freiheit als Familienvater hat nichts mit irgendeinem Staat zu tun, sondern mit Ihrer persönlich gewählten Verantwortung. Kinder stehlen einem den Schneid, nehmen damit Freiheiten.

Mit Hayeks illusorischer Ökonomie landen wir wieder im letzten viertel des 19. Jahrhunderts. Das können Sie haken. Dafür finden sich keine Mehrheiten. Außerdem sind "Freie Märkte" reine Utopie, quasi Science Fiction. Hayek kann man nur zur persönlichen Freiheit hernehmen, in der Ökonomie war Hayek ein Phantast, der es selbst nie nötig hatte, sich irgendeinem Markt auszusetzen. Das erinnert fatal an Meuthen. Neoliberalismus endet grundsätzlich im Totalitarismus.

Maiordomus

18. Februar 2022 11:08

Oben ist mal die Rede von @"Gleichheit oder Freiheit", notabene der Titel des vor ca. 70 Jahren erschienenen Standardwerkes meines zur Studentenzeit interessantesten Bekannten aus Österreich, Erik von Kuehnelt-Leddihn, eines hochphantasievollen, genial vielsprachigen Reaktionärs, den man auch als "rechtsradikalen Antifaschisten" bezeichnen könnte, wenn letzterer Begriff heute nicht abgenutzt wäre. Noch gut, dass man mal endlich an Hayek hier ein "gutes Haar" lässt, sogar ein Haarbüschel. Sonst bin ich wie meist vom gedruckten Heft angetan, erquickte mich an EKs Besprechung eines universitären Geschwätzwissenschaftlers unter dem Titel "Sei du selbst. Total!" Lehnerts Jünger-Brief-Rezension zeigt auf, dass Gattin Gretha wohl weit "systemnaher" dachte als deren "Gebieter". Trefflich EK als Rezensentin zum Thema Hausfrau, auch sind Besprechungen betr. Hobbes, Kunstgeschichte, Konservatismus, sowie der überzeugende Verriss von Byung-Chul-Han informativ, ersparen sogar Viellesern z.T.  die Lektüre. 

Monika

18. Februar 2022 11:18

„Für mich war Corona, diese Plandemie, nur eine Generalprobe für etwas Größeres. Nach der Corona-Diktatur kommt die Klima-Diktatur. Man wollte austesten, wie weit man gehen kann mit seinen obrikeitsstaatlichen Maßnahmen und von daher dürfen wir nicht nachlassen.“ ( Björn Höcke)    Wenn es „nur“ gegen obrikeitsstaatliche Maßnahmen geht, dann verstehe ich nicht, dass ausgerechnet Karl-Heinz Weißmann als Kronzeuge für konservative  Freiheiten aufgeführt wird, ist gerade er in der Pandemie zum Befürworter des Obrigkeitsstaates geworden. ( Lichtmesz: „Weißmann heult mit den Wölfen“) . Um welche Freiheit geht es den Rechten/Konservativen? Und wenn es um etwas Größeres geht, was bedeutet das in existentiellem Sinne für die Freiheit? Gerade auch, wenn der Hauptfeind bisher der Liberalismus war ? Hier würde ich gerne Genaueres hören.

Niekisch

18. Februar 2022 12:44

Ein Medienhinweis zum jüdischen Witz: Upcoming Events at the Center for Jewish History (cjh.org)

Maiordomus

18. Februar 2022 12:55

Ja, @Monika, noch so gerne würde man diesbezüglich "Genaueres" hören.

Und selbst wenn es Höcke mit der Solidarität betreffend Spaziergänger ernst meinen mag, man wird ihn dort immer als Trittbrettfahrer, A-Dabei-Seinwoller, wahrnehmen. Meuthen sprach Höcke im Zusammenhang mit "Alles für Deutschland" als Historiker an, dem man eine "vor 1000 Jahren" verwendete Losung nicht durchgehen lassen dürfe. Das bleibt wohl zu beantworten, immer wieder, wenngleich differenziert. Totalitarismustheoretisch dürfte ja dann wohl der Text der Internationalen und weitere nicht minder missbrauchbare Schlagworte nicht mehr öffentlich zitiert werden, was heute als proportionaler Vergleich aber in den Wind gesprochen bleibt. Inhaltlich bezogen ist "Alles für Deutschland" nicht demagogischer als z.B. "America first" oder "Wer hat uns verraten - Sozialdemokraten", was ich 1968 in Berlin als Schlagwort der damaligen Linken hörte, übernommen von Liebknecht/Luxemburg. Höckes Hauptanliegen müsste indes der Kampf gegen die Kriminalisierung seiner "Gesinnung" sein; de facto  d e r Hauptvorwand für die Verteufelung seiner Partei bis hin zu Friedrich Merz. Dies müsste mal ausdiskutiert werden!

Maiordomus

18. Februar 2022 13:11

@Laurenz. Ausser Hayek gibt es noch jede Menge Gedanken, zumal rechte, wofür man "keine Mehrheiten" findet; klar: was heutige sog. Neo-Liberale von Hayek verwenden, ist und bleibt in der Tat kaum verkäuflich. Ausser dass er dort, wo er recht behält, recht hat. Dafür muss freilich gründlicher schürfen als hier auf Blog-Niveau. 

PS. Kein auch nur von einem Hauch Liberalismus Angewehter könnte zum Beispiel die Vorstellungen der gegenwärtigen deutschen Bundesregierung von Einwanderungspolitik, übrigens auch Asylpolitik, als schlicht koalitionsfähig einschätzen. Es wäre schlicht illiberaler Extremismus. Auch kamen bei den hartgesottenen Hayekianern die Keynesianer im Feld des unmittelbar zur Bekämpfung ausgerufenen Feindbildes noch vor den herkömmlichen Roten!  

RMH

18. Februar 2022 13:49

"Die schönsten Träume von Freiheit werden ja im Kerker geträumt." (Friedrich Schiller)

Das jetzt wieder über Freiheit diskutiert und um diese auf den Straßen gerungen werden muss, ist Ausdruck des Knastes, in den uns unsere schöne neue Welt gebracht hat.

 

Gracchus

18. Februar 2022 17:21

Ist diese WV die neue Schnellroda'sche Ironie?

Es ist von individuellem Freiheitsmissbrauch die Rede, was es zweifelsohne gibt; was bei Weißmann fehlt: staatlicher Macht- und Gewaltmissbrauch, welcher doch das 20. Jhd geprägt hat und auch die Jetztzeit prägt. Es stellt einen Widerspruch dar, wenn Weißmann dieselben Menschen, die zu einem vernünftigen Freiheitsgebrauch nicht fähig sind, zu Wächtern über den Freiheitsgebrauch anderer Menschen bestellen will, ohne darin ein Problem zu sehen. (Wahrscheinlich soll das über Elitenbildung etc. gehen - aber wenn man sich nur das 20. Jhd, ist das diese Vorstellung guter Eliten absolut naiv und utopisch.)

Daher mein ubgefragter Rat: Für die Neuauflage umschreiben.

Eo

18. Februar 2022 18:51

La liberté
existe toujours. Il suffit d'en payer le prix.
Montherlant

Gibt's bei mir
übrigens als Karte.

Nath

18. Februar 2022 20:19

@Gracchus

"Es stellt einen Widerspruch dar, wenn Weißmann dieselben Menschen, die zu einem vernünftigen Freiheitsgebrauch nicht fähig sind, zu Wächtern über den Freiheitsgebrauch anderer Menschen bestellen will, ohne darin ein Problem zu sehen."

Dies ist nicht nur ein wichtiger, sondern d e r entscheidende Punkt. Das Argument der begrenzten Perfektibilität des Menschen, aus der die Schädlichkeit eines unbeschränkten Freiheitsgebrauch abgeleitet wird, hebt sich selbst auf. Denn diese Unfähigkeit berifft dann ja gerade auch diejenigen, denen die konkreten Maßnahmen zur Einschränkung der Freiheit (von wem?) anvertraut werden. Diese "Wächter" selbst sind ja unfrei infolge ihrer Unvollkommenheit, die allem Menschlichen a priori zugesprochen wird. Ob es sich um eine staatliche Institution oder um Einzelne Individuen (Könige, Führer usw.) handelt, ist dabei gleichgültig.

Andreas Walter

18. Februar 2022 21:20

Freiheit ist, nicht nur die Wahrheit aussprechen zu dürfen, sondern jederzeit und überall auch seine Meinung. Die Freiheit, ob ich davon dann Gebrauch mache oder nicht, obliegt dann auch mir. So wie ich ja auch das Recht habe zu schweigen. Oder sogar zu lügen.

Die Freiheit zu Lügen und zu Flunkern ist ja auch nicht verboten, zum Beispiel in der Werbung oder Politik. Oder in einem oder über einen Krieg. Sogar menschenverachtende, ehrverletzende Geschichtsfälschung ist daher erlaubt, ohne dass dagegen jemand etwas unternimmt.

Folgender Artikel zum Beispiel ist auch eine Lüge, denn auch mir ist diese Information schon seit vielen Jahren bekannt, sogar schon seit Jahrzehnten. Das war nie geheim, das war offiziell so vereinbart:

https://www.welt.de/politik/ausland/article236986765/Nato-Osterweiterung-Archivfund-bestaetigt-Sicht-der-Russen.html

Die Russen sind daher, zumindest aktuell, nicht die Kriegstreiber. Die verlangen lediglich auch einen ausreichenden Sicherheitsabstand, wie ihn auch Kennedy gegenüber Kuba mit aller Macht eingefordert hat. Der hat damals sogar mit einem Atomschlag gedroht, falls sich die Sowjets nicht aus Kuba zurückziehen und mit ihren Schiffen (und U-Booten) (während einer Eskalation) sofort beidrehen.

 

RMH

18. Februar 2022 22:49

@Andreas Walter,

ich sehe das anders als Sie: Meinungsfreiheit ist ein gutes Recht, wenn man subjektiv von seiner Meinung überzeugt ist (und bereit ist, seine Meinung auch bei entsprechender Einsicht oder anderen Erkenntnissen zu ändern), aber bewusstes Lügen, Täuschen, Tricksen, Halbwahrheiten, Beschönigungen, Übertreibungen etc. sind Freiheiten, die am Ende dazu führen, dass andere sich nicht wirklich frei verhalten, weil deren Entscheidungsentschluss dann nicht mehr frei stattgefunden hat sondern eben von anderen manipuliert wurde (übrigens wird das zu einem großen Teil von unserer Rechtsordnung auch sanktioniert, siehe Betrug, siehe arglistige Täuschung, siehe Haftung für falsche Zusagen etc.). Freiheit komplett ohne Ethik und Verantwortung hat hier - so habe ich das bislang verstanden - noch keiner gefordert. Zum Thema Ukraine/Russland wurde gerade ein anderer Debattenbeitrag eingestellt und damit eine Debatte eröffnet - diesen Punkt dann bitte dort weiterdiskutieren.

Ordoliberal

18. Februar 2022 23:14

@Laurenz. Teil 1.

Ich gebe Ihnen Recht, dass ich in meinem Beitrag an einer Stelle Freiheit mit Pflichtlosigkeit verwechsle. Natürlich habe ich als Familienvater mehr Pflichten als als Student. Aber diese Pflichten bin ich freiwillig eingegangen, insofern bin ich nicht in meiner Freiheit beschränkt.

Mir ging es um den urlinken Gedanken, dass Armut unfrei macht. Das ist falsch. Die Menschen in den Favelas sind nicht unfrei, weil sie arm sind. Sie sind unfrei, weil sie rechtlos sind. Gangs herrschen mit Willkür über sie und machen es ihnen unmöglich, ihr Los zu verbessern.

Hayek wird meines Erachtens bei den Neuen Rechten nicht genau genug gelesen. Man glaubt hier eben wie Sie, "dass es darauf ankommt, wofür die Steuern ausgegeben werden".

Wie naiv! Steuern werden immer für den Wählerkauf ausgegeben. Jeder Politiker verspricht dem Wähler: "Ich beraube deinen Nachbarn und teile die Beute mit dir!" Gerade der Deutsche kann dazu nicht nein sagen, rechtfertigt es doch seinen Argwohn, dass der Nachbar unverdient mehr hat als er selbst.

Auch Hayek glaubt an Staatsaufgaben. Der Staat muss die Grenzen sichern, das Recht stiften, auslegen und durchsetzen, und er muss das Gemeingut bewirtschaften. Diese Aufgaben hatten auch ein römischer Kaiser und ein mittelalterlicher Fürst zu bewältigen. Seit der Industrialisierung kommen noch steuerfinanzierte Schulen und staatlich organisierte Solidarversicherungen dazu. Dagegen hatte Hayek nichts einzuwenden. Er plädierte sogar für den Mindestlohn.

Ordoliberal

18. Februar 2022 23:16

@Laurenz. Teil 2.

Was bekämpft der Hayekianer denn nun eigentlich? Er bekämpft den Übergang von der Marktaufsicht zum Markteingriff, von der Setzung von Recht zur Setzung von Moral, von der Bewirtschaftung des Gemeinguts zur Förderung des Gemeinwohls.

Er bekämpft jede Art von Monopol, sei es die staatliche Geldschöpfung, die zu Inflation führt, sei es die Aufhebung der Gewaltenteilung, die zu Rechtswillkür führt, sei es die Verstaatlichung und Kartellisierung der Medien, die zu Zensur und Propaganda führt.

Gibt es von Seite der Rechten irgendetwas gegen dieses Programm einzuwenden? Je mehr die Menschen für sich selbst sorgen müssen, desto konservativer werden sie. Desto mehr organisieren sie sich in lokalen, privaten Solidargemeinschaften wie Vereinen, Kirchen und Gewerkschaften. Das ist der Humus, auf dem die ethnische Gemeinschaft gedeiht. Und übrigens auch die stoische Moral, die notwendig ist, um eine Nation resilient zu machen.

Ich gebe allerdings zu, dass Hayek auf dem kulturellen Auge blind war. Der Rechtsstaat kann seine Voraussetzungen eben nicht selbst garantieren. Der Rechtsstaat lässt sich nur im Rahmen einer Nation verwirklichen. Seine notwendige Voraussetzung ist eine gewisse ethnische Homogenität. Irgendwo gibt Hayek das sogar zu, in einem Nebensatz, quasi zähneknirschend. Und diese Homogenität, diese Gemeinsamkeit der Traditionen und Umgangsformen innerhalb eines Volkes, kann man nur durch ein vernünftiges Grenzregime erhalten. Da bin ich ganz auf der Seite der Rechten.

Laurenz

19. Februar 2022 08:23

@Andreas Walter

Selbst der Relotius bringt das 

https://www.spiegel.de/ausland/nato-osterweiterung-aktenfund-stuetzt-russische-version-a-1613d467-bd72-4f02-8e16-2cd6d3285295

Laurenz

19. Februar 2022 08:35

@Ordoliberal @L.

"Hayek"

Ich habe mich nur insoweit mit Hayek beschäftigt, wie es nötig war, um mir über ihn eine Meinung zu bilden. Natürlich ist Hayek Utopist. Alle "Terms of  Trade" basieren aktuell rein auf der militärischen Macht der US-Amerikaner. Und natürlich greifen diese permanent irgendwo ein, um ihre Interessen zu wahren, so, wie das die Russen seit 2007 auch wieder tun. Wenn man dagegen angehen wollte, hat man die Aufgabe, einerseits mehr als 11 Flugzeugträger zu bauen, die alleine schon eine Besatzung von 55k Mann haben & andererseits muß man dann auch die Logistik von 800 militärischen Überseestützpunkten aufbauen, um Paroli bieten zu können & zwar deswegen, weil alle Politiker des Westens nicht mal zu dritten Garnitur gehören. Die Russen sind hingegen gezwungen kreativ Paroli zu bieten, da sie nur über 1/10 des Militär-Budgets der USA verfügen. & weil das alles finanziert werden muß, löst man dann die USA als Ordnungsmacht schlicht ab & sorgt überall für Vasallen, damit die Kohle auch wieder reinkommt. Hayek umzusetzen, bedeutet auf jeden Fall Krieg & das nicht zu knapp.

Mitleser2

19. Februar 2022 08:39

@Gracchus/Nath: "Es stellt einen Widerspruch dar, wenn Weißmann dieselben Menschen, die zu einem vernünftigen Freiheitsgebrauch nicht fähig sind, zu Wächtern über den Freiheitsgebrauch anderer Menschen bestellen will, ohne darin ein Problem zu sehen."

Dies ist nicht nur ein wichtiger, sondern d e r entscheidende Punkt. Das Argument der begrenzten Perfektibilität des Menschen, aus der die Schädlichkeit eines unbeschränkten Freiheitsgebrauch abgeleitet wird, hebt sich selbst auf.

Wenn dem so ist - und ich stimme zu - warum ist dann für viele Rechte der Liberalismus der Hauptfeind? Liberalismus beinhaltet ja nicht mal unbeschränkten Freiheitsgebrauch. Das wollen eher die Grünen für ihre Klientel.

Volksdeutscher

19. Februar 2022 08:48

Ja, und wenn man sich über das Thema und Phänomen Freiheit Gedanken macht, erst recht, wenn es um unsere allerliebste Alternativlosigkeit für Deutschland (AfD) geht, fragt man sich, was in der Partei diesbezüglich los sei. Denn kaum ist Meuthen weg, schon wird seine ideologische Position in Stuttgart vom Landesvorstand besetzt, ich tippe mal, allen voran von Alice Weidel, die möglicherweise nur deshalb in Stuttgart stationiert wurde, um als Liberaler einen neuen "Fall Gedeon" zu verhindern. Geschehen ist Folgendes: Dr. Dirk Spaniel wurde vom Landesvorstand ohne Begründung untersagt, ein Interview mit dem schweizerdeutschen Blogger Ignaz Bearth zu machen. Begründung wurde nicht angegeben, dafür aber mögliche disziplinarische Maßnahmen angedroht. Soweit ist es schon mit der AfD: Die liebe Alice von Goldmann-Sachs mit ihrer gar nicht so konservativen Vorstellung von "Familie" verhängt Sprechverbot für ein unbescholtenes Mitglied ohne Begründung, die freilich für alle AfD-ler gelten sollen. Die Blamage für Weidel kann nicht größer sein, denn andere Mitglieder wie Dr. Christina Baum und die Europaabgeordnete Christine Anderson machten in Vergangenheit ebenfalls Interview mit Bearth. Der Kampf gegen rechts wird unter der Berufung auf die Beobachtung durch den "Verfassungsschutz" in der AfD neu aufgelegt.

https://www.youtube.com/watch?v=E9jWBsor6wE

https://odysee.com/@edyskynet:a/2022.01.06-Dr.-Christina-Baum--AfD--zu-Gast-bei-Ignaz-Bearth:8

 

Platon

19. Februar 2022 09:43

Alle Freiheit beginnt mit der Fähigkeit zu unterscheiden. Wer nicht unterscheiden kann, wird auch nicht den Unterschied zwischen Verantwortung und Verantwortungslosigkeit erkennen, der wird den Aufenthalt in einem Kerker (s. Schiller) mit einem Freilichtmuseum verwechseln. Nicht die Abwesenheit von Zwang ist eine schlüssige Definition von Freiheit, sondern die Fähigkeit zu unterscheiden.

RMH

19. Februar 2022 10:17

"Wenn dem so ist - und ich stimme zu - warum ist dann für viele Rechte der Liberalismus der Hauptfeind?"

Weil viele Rechte keinerlei Ahnung vom Liberalismus haben und gerade Rechte sich heute eigentlich als Fische betrachtet sollten, die in einem lebensnotwendigen liberalen Wasser schwimmen und die zwangsläufig ersticken werden, wenn das Wasser weg wäre. Liberalismus ist bei Rechten oft ein ähnlich zur Formel reduzierter Begriff, wie andernorts "Kapitalismus". Der Antiliberalismus alter Schule, also in der Tradition des Reaktionärs (nach 1789, bspw. Joseph de Maistre, J. Donoso Cortés, etc ) ist dabei anders, deutlich höher zu bewerten, als das zum Teil unreflektierte antiliberale Geblöke heutiger Zeit. Die damaligen "Rechten" hatten noch echte Macht, echte gesellschaftliche Rückbindung, da die alte Ordnung Allen entweder noch bekannt war oder aber noch in guten Teilen erhalten war, insbesondere was Sitten und Moral anging. Neurechte hingegen operieren beim antiliberalen Kampf vielfach auf dem Boden von Nichts, sind damit leider oftmals selbst nur eine Variante des Nichts, Ergebnisse des Nihilismus. Am geistreichsten kommt es noch bei Leuten wie A. Mohler daher (siehe seine kleine Polemik: "Gegen die Liberalen", aber Mohler wusste immerhin noch klar, was bereits unwiederbringlich verloren war).

Gerwald

19. Februar 2022 11:27

Freiheit und Interesse. Was Freiheit, Bindung, Wirtschaft und Gesellschaft angeht, würde ich das Prinzip Raiffeisen favorisieren. Zwar ist die Idee der Raiffeisengenossenschaften ursprünglich in der Landwirtschaft erwachsen, um einzelnen Bauern als Einzelwirtschaftseinheit in einem freiwillig gewählten und gemeinschaftlichen Konstrukt  eine Interessensgemeinschaft als Vorteilsgemeinschaft zu verschaffen, doch erscheint mir das Raiffeisenprinzip immer noch ein interessantes Modell, um das Thema "Freiheit" und "Bindung&Verantwortung" in einem regionalen Sinn auch in anderen Bereichen zu vereinen. Der Freiheitsbegriff bleibt leer, wenn er ohne Interessensbegriff formuliert ist. Freiheitsdefinitionen sind Interessensdefinitionen. Es gibt keine Freiheit, sondern nur Interessen.
Der ideale Staat wäre vielleicht ein Raiffeisenstaat, der aus lauter kleinen regionalen Raiffeisen-Interessengenossenschaften besteht, die sich untereinander locker und koorperativ verbinden. Das Prinzip ist ganz einfach: Menschen definieren gemeinsam ein bestimmtes Interesse, und daraus formuliert sich automatisch, was (bei Ihnen) Freiheit ist. Zwischen den kleinen Raiffeisenverbünden vermitteln dann Emissäre Handels- und Interessensbeziehungen.

Andreas Walter

19. Februar 2022 12:00

@RMH

“Freiheit komplett ohne Ethik und Verantwortung hat hier - so habe ich das bislang verstanden - noch keiner gefordert.“

Dann studieren Sie erstmal die beiden Religionen (und damit auch Kulturen) Judentum und Islam. Dort ist Lügen und Täuschung unter bestimmten Umständen nämlich explizit erlaubt.

Doch auch de jure und de facto sind zwei unterschiedliche Dinge, auch das sollten Sie eigentlich wissen. Dass es also die Welt der Jurisprudenz, die übrigens selbst das Recht (das Wort Recht hat auch etwas mit den Wörtern richtig und aufrecht zu tun) gelegentlich biegt und bricht wie es den Ministern gerade gefällt, und die Wirklichkeit gibt.

Selbst die ganz normale Welt ist daher jeden Tag voller Lügen, und das macht alles noch viel schwerer, als es auch so schon ist. Zumindest, wenn man Wahrhaftigkeit für eine Tugend hält, für den richtigen, den aufrechten Weg (aufrechter Gang).

Die Wahrheit wird euch frei machen sagte darum Jesus, nicht Moses und auch nicht Mohammed. Ich fordere daher nichts, sondern beschreibe lediglich wie es ist.

anatol broder

19. Februar 2022 19:36

@ platon 9:43

«alle freiheit beginnt mit der fähigkeit zu unterscheiden.»

das geht zu weit. wie wäre es damit:

– alle möglichkeit beginnt mit der fähigkeit zu unterscheiden;

– alle freiheit beginnt mit der fähigkeit zu irren.

JungspundF

19. Februar 2022 19:46

Die Enttäuschung betreffend Karlheinz Weißmann ist verständlich, dennoch ist sein Verhalten stringent. Ich würde nicht soweit gehen wie Kubitschek, und ein opportunes Verhalten darein interpretieren, stattdessen klassisch Arnold Gehlens Argumentationen folgend. Institutionen, Institutionen, Institutionen. 

Gehlen ist damals sogar soweit gegangen, Institutionen auch bei offensichtlichem Schaden gegenüber dessen Stiftern und Schäfchen weiterhin hochzuhalten.

Siehe bspw. https://www.youtube.com/watch?v=pmL2eztve2Y ca. Minute 50. Einem jeden steht es frei, parallel dazu die Coronaaktionen des Staates, oder sogar vieler (insbes. westlicher) Staaten, mitzudenken. Adornos Einwände dazu sind geradezu prophetisch mahnend.

Das Interessante an der Neuen Rechten ist, dass das bedingungslose (!) glauben, festhalten, dienen und verteidigen (wollen) unserer Institutionen, selbst bei immer tiefgreifenderem und grenzüberschreitendem Handeln, vorrüber ist, und nun eine, am besten originelle, Weiterentwicklung stattfindet/stattfinden muss. 

Offensichtlich müssen wir Bergbauarbeit in anderen nicht-rechten Schriften betreiben, um unsere Position weiter auszubauen.

Dass nun Weißmanns Hayek-Bezug teilweise gefeiert wird, ist nur ein Phänomen und Ausdruck dessen.

 

Kurativ

19. Februar 2022 19:54

Also, ich bin ja jetzt erst einmal froh, dass die AfD bei der Viren-Unterdrückung die Stimme der Bürger aufgenommen hat.

Alice Weidel hat dazu gute Beiträge geleistet.

Man stelle sich vor, wenn die AfD in diese Falle getappt wäre und diese unglaublichen Vorgaben von "ganz Oben" so angenommen hätte, wie es FDP, Grüne, SPD, Linke oder Union gemacht haben.

Das wäre das Aus gewesen!

Eine größere Änderung der politischen Wirklichkeit geht nur über einen gesamtgesellschaftlichen Wandel, der auch auf den Straßen stattfinden wird. Wer in der AfD das leugnet, der ist ein elitärer Snob welcher in einer eigenen Welt der Abgeordneten-Diäten lebt.

Ich habe jetzt mehrmals Martin Kohlmann von den Freie Sachsen gehört und gelesen. Der Mann ist gut. Wie kann man sich von den Freien Sachsen distanzieren? Das ist merkwürdig. Ich verstehe das nicht. Man könnte später ein Wahlbündnis eingehen.

Besteht die Gefahr, dass sich die AfD irgendwann selber als unvereinbar erklärt?

Laurenz

20. Februar 2022 00:28

@JungspundF

"Dass nun Weißmanns Hayek-Bezug teilweise gefeiert wird, ist nur ein Phänomen und Ausdruck dessen."

Ihre Wahrnehmung scheint getrübt zu sein. Hier, auf der SiN, sind die Neo-Liberalen (Weichspüler) in der absoluten Minderheit, oder zumindest verlieren sie jede Debatte. Siehe weiter oben meine Debatte mit Ordoliberal.) Die Neoliberalen sind entweder Deppen oder trojanische Pferde, wie Meuthen, der war beides. In der AfD sahen aufgrund der letzten Bundestagswahlen manche Neoliberale wohl ein, daß sie ein totes Pferd reiten. Die AfD kann aber, mangels Masse, nicht auf ein einziges Mitglied verzichten. Da muß man eben ab und an auch Kompromisse eingehen.

Und selbst die AfD tut doch kund, daß unsere staatlichen "Institutionen" häufig nur noch in einer pervertierten Form existieren.

Also was wollen Sie? Recht haben? Oder hier konkrete Vorschläge mit realistischer Perspektive machen?

Platon

20. Februar 2022 08:47

@ Anatol Broder

Sowohl die Möglichkeit als auch das Irren setzen die Unterscheidungsfähigkeit voraus.  Weniger Unterscheidungsfähigkeit führt zu mehr Unfreiheit, denn die Unterscheidungsunfähigkeit nivelliert: Der scheinbaren Vorteil wird zum wahrhaften Vorteil. Die unterschiedslosen Augenblickswünsche werden zur Dauerschleife ...

brueckenbauer

20. Februar 2022 13:37

Was hier ein wenig verlorengeht, ist die deutliche Unterscheidung von Begriffsbestimmung (Definition) und moralischer "These".  Man kann doch z.B. Hayeks Definition von Freiheit durchaus übernehmen und trotzdem der Meinung sein, Hayek habe den Wert der von ihm definierten Freiheit (in Relation zu anderen Werten) überschätzt (wie Weißmanndas wohl meinte).

Aus meiner Sicht ist Hayeks Definition zu eng. Besser wäre es, Freiheit als Wahlmöglichkeit (vielleicht geteilt durch Sanktionsbehaftetheit) zu definieren. Das würde, übrigens auch zugunsten Hayeks, deutlich machen, dass die heutigen Menschen schon durch die wirtschaftlich-technische Entwicklung sehr viel mehr Freiheit haben als die früheren. Es impliziert, dass diese Menschen unterschiedliche Auswahlen treffen werden. Und es führt zu der entscheidenden Folgerungen, dass Frieden nur möglich ist, wo Menschen einander zugestehen, unterschiedliche Lebensentwürfe zu realisieren. Da sind wir dann bei einem gesellschaftlichen -nicht nur staats- bzw. wirtschaftsbezogenen - Liberalismus. Und bei der Vorbedingung, unter der eine deutsche Minderheit in der BRD fortexistieren könnte.

brueckenbauer

20. Februar 2022 14:06

Empirisch ist es nun einmal so, dass Platons, Gehlens und Weissmanns Besorgnis sich nicht bestätigt hat: Die Gesellschaft ist nicht durch Missbrauch der Freiheit in eine Anarchie abgeglitten, die zuletzt vielleicht zur Tyrannis führen könnte (es sei denn, wir betrachten schon die "Spaziergänger" als Anarchie).

Sondern linke Gruppen und Movements haben sich zwar anfangs pseudoliberal gebärdet, haben aber schon weit vor Ansätzen einer Anarchie entdeckt, dass sie sich der Staatsgewalt zu ihren Gunsten bemächtigen können und dass sich die antiliberale Tradition der Konservativen und Großkirchen dafür ausschlachten lässt (es ist kein Zufall, dass die linksprotestantische Wertetrias lautet "Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung" - da ist die unordentliche und unchristliche Freiheit bereits verschwunden).

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