Alles, was wir an traditioneller Disziplin üben (Klassiker lesen, Instrumente spielen, Lieder singen, Museen besuchen, Landschaften erwandern, Gerichte genießen, Stile pflegen), wird von Millionen anderen ebenso gemacht, und dort, wo es zum Ausdruck kommt, sogar mit Ergebnissen von einer Qualität, an die unser überschaubares Milieu nicht heranreicht.
Jede Debatte über die nachahmende Kunst, also über das Tradieren durch Können, wird albern, sofern man sie ideologisch einengt und den Punkt nicht trifft. Über die zeitgeistabhängige Interpretation klassischer Stücke auf Theater- und Opernbühnen müssen wir kein Wort verlieren, bloß eines: Wird’s richtig ideologisch, ist’s unter jeder Fahne kaum zu ertragen – egal also, ob Sozis, Nazis oder Demokrazis Regie führen.
(Unempfindlicher sind Orchesterwerke: Was sollte besser am Gewandhausorchester oder an einer Mozart-Messe sein, wenn diejenigen, die sie zu Gehör zu bringen überhaupt im Stande sind, zusätzlich noch die aus unserer Sicht richtige Gesinnung mitbrächten oder aber das glatte Gegenteil?)
Wenn wir also über literarische und künstlerische Projekte des rechten Milieus nachdenken, dann geht es um “aufgeladene” Werke, um “engagiertes” Schaffen, nicht aber um die neutrale, neuerliche Ausformung einer tradierten Form auf hohem Niveau. Zweierlei Meßlatte also: Ist der Roman, den unser Milieu vorlegen könnte, erstens gut genug, um verlegt und empfohlen zu werden? Transportiert er zweitens eine Botschaft, die in unserem Sinne ist, die unser Engagement unterstützt?
Bevor das an einigen Beispielen konkret wird, sei noch folgende Überlegung vorausgeschickt: Da ich unsere eigene, kleine Verlagslandschaft überblicke, weiß ich, daß es darin keine Möglichkeit gibt, Werke von großer literarischer Qualität zu veröffentlichen, die ohne Botschaft auskommen. Uns fehlt zum einen der Zugang zu den Märkten, die notwendig sind, damit man so etwas plazieren könnte.
Zum anderen täte man einem solchen Werk keinen Gefallen mit seiner Verortung in unserem Raum, und kein lebender Autor würde sich zu uns begeben, wenn es für ihn eine Alternative gäbe. Eine solche Verortung wäre nämlich nur dann ein Vorteil, wenn unsere Richtung die ästhetisch und gesellschaftlich kommende Richtung wäre, eine von immer stärker werdenden Meinungsmacherkreisen getragene Richtung: Die Anrüchigkeit würde in das Gütesiegel vorstoßender, gewagter, befreiender Experimente umgeprägt.
Aber so ist es nicht, und von einer anderen Richtung her beschrieben bedeutet das: Jedes literarische Werk, das bei einem im weiteren Sinne zu unserer weltanschaulichen Richtung gehörenden Verlag erscheint, ist mit dem Stempel “Botschaft” markiert – ob es nun eine enthält oder nicht. Es wird als “rechtes” Buch gelesen, es wird nach seiner rechten Sicht auf die Dinge abgesucht.
Wir geben dieser Erwartung dadurch Nahrung, daß wir manchmal das Engagement eines Autors stärker gewichten als sein Können, die Botschaft also auf banaleren Wegen transportieren lassen. Dieser Vorgang ist Teil einer Aufbauphase. Selbst nach zwanzig Jahren verlegerischer Arbeit und Anstrengung ist es bei Antaios nicht ohne weiteres möglich, literarisch interessante und gelungene Werke solide zu kalkulieren: Jede Systemfrage scheint interessanter zu sein als eine blaue Insel.
Dennoch ist heute mehr möglich als vor zehn Jahren. Reihen wie Mäander, die sich an einen bei sechshundert Abonnenten ziemlich treffend abgeschätzten Leserkreis richten und dadurch literarisch hochwertige Nachdrucke und Neuerscheinungen verwirklichen können, sind seit Verlagsgründung virulent, sind Verlegertraum, konnten aber erst im letzten Jahr verwirklicht werden: Jetzt erst ist nämlich die Leserschaft für solche Projekte vorhanden.
Erfahrungen sammeln wir auch mit unseren online-Formaten, die der Kanal Schnellroda bündelt: Ellen Kositza ist eine der wenigen innerhalb der Publizistik der Rechten, die das literarische Deutsch- und Ausland ziemlich genau im Blick hat. Ihre Belletristik-Vlogs aber werden im Schnitt von zweieinhalbtausend Lesern geschaut, ihre Besprechungen zeitgeschichtlicher und politischer Literatur deutlich öfter.
Erik Lehnerts und meine literarischen Gespräche nutzen den Transmissionsriemen unserer weit jenseits der Schönen Literatur erworbenen Bekanntheit: Es scheint noch immer kurios für unsere Leser und Zaungäste zu sein, daß wir weit jenseits der Jüngers, Schmitts, Mohlers und Spenglers nicht nur zu lesen vermögen, sondern es seit Jahrzehnten tun, als Germanisten zumal, ohne diesen Ertrag je so explizit auf den Tisch gelegt zu haben, wie wir es jetzt tun.
Dies alles ist keine Kunst, sondern Rezeption und Präsentation. Aber der Exkurs war notwendig, um den Resonanzraum zu skizzieren, in dem sich Schöpferisches aus unseren Reihen ausbreiten könnte. Künstlerische Markierungen treffen nicht mehr auf Brachland, soviel ist sicher.
Um solche Projekte wird es im 2. Teil gehen, unter anderem um Volkoffs Erzählung Die Handgranate und um Volker Zierkes neues Buch: Ins Blaue.
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quarz
"Unempfindlicher sind Orchesterwerke ... "
Finde ich nicht. Auch abseits vom Plakativ-Programmatischen fungiert Orchestermusik oder allgemeiner Instrumentalmusik als Scheinwerfer, der in verschiedenen Ausrichtungen unterschiedliche Werte deutlich macht und andere im Dunkeln lässt (um ein Bild Nicolai Hartmanns zu bemühen). Bei aller "Qualität", die ein virtuoser Interpret einer Darbietung zu verleihen vermag, ist es stets ein Gesichtspunkt, den er hervorhebt. Und ein bestimmter Gesichtspunkt ist oft das, was einem Werk seinen Rang verleiht. Wenn ich dem Klavierspiel von Wilhelm Backhaus zuhöre, dann eröffnen sich mir völlig andere Einblickschneisen in Wertlandschaften und ganz andere Werte rufen zur Verwirklichung auf, als wenn ich Ohrenzeuge der akrobatisch eindrucksvollen aber auch seltsam leeren Kunststücke vieler heutiger Instrumentalisten werde.
antwort gk:
das stimmt schon, aber dazu brauchen Sie viel feinere ohren als im theater. ich weiß nicht aus dem stand, in welchem hesse-roman es um einen feingeist geht, der sich musik nicht durchs radio vorspielen lassen will: zuviel gerausche. er wird darüber belehrt, daß man ein wagner-vorspiel auch durch dieses rauschen erfassen könne. so ähnlich sollten Sie das sehen, und auf's theater ist es eben nicht übertragbar: dort kann der dramaturg alles in seinem sinne umschreiben (und das geschieht). eine symphonie jedoch kann man nicht kürzen.