Netzfundstücke (124) – Mythos, Mensch, Vad

»Alle aufbauenden Elemente menschlicher Existenz, alle wahre Humanität fußt nämlich auf einem gemeinschaftsstiftenden und erhaltenden Mythos«,

stell­te Dr. Thor v. Wald­stein in sei­nem wort­ge­wal­ti­gen Vor­trag auf der zurück­lie­gen­den Früh­jahrs­aka­de­mie des Insti­tuts für Staats­po­li­tik (IfS) in Schnell­ro­da fest. Wie man es von Wald­stein gewohnt ist, gehör­te sei­ne am Aka­de­mie-Sonn­tag dar­ge­leg­te Ana­ly­se zu den Höhe­punk­ten der Veranstaltung.

Auf 33 Minu­ten kom­pri­miert führt v. Wald­stein aus, inwie­fern sich das von Nietz­sche pro­phe­zei­te Zeit­al­ter der Bar­ba­rei, des­sen will­fäh­ri­ger Gehil­fe die moder­ne Wis­sen­schaft ist, Bahn gebro­chen hat. Hier geht es zum sehens­wer­ten Plä­doy­er für eine Wie­der­ver­zau­be­rung der Welt:


Sezes­si­on-Chef­re­dak­teur Götz Kubit­schek hat hier auf Sezes­si­on im Netz unter der Über­schrift »Wir, der Mensch, ich – ein Aka­de­mie­be­richt« sein Resü­mee zur Früh­jahrs­aka­de­mie des IfS bereits gezogen.

Als Teil der nach­wach­sen­den Gene­ra­ti­on jun­ger Refe­ren­ten, dem die Mög­lich­keit gege­ben wur­de, auf der wohl pres­ti­ge­träch­tigs­ten Tagung im rech­ten Milieu sei­ne Gedan­ken über den Nie­der­gang in unse­rer Zeit der Mas­sen dar­zu­le­gen, ver­folg­te ich die Vor­trä­ge mei­ner Alters­ko­hor­te mit regem Interesse.

Wie Kubit­schek schon rich­tig schrieb, sind Dirsch, v. Wald­stein und Leh­nert als Refe­ren­ten siche­re Bän­ke, gegen­über denen Erik Ahrens, Lorenz Bien, Mar­tin Sell­ner und mei­ne Wenig­keit eher im Bereich »Wun­der­tü­te« anzu­sie­deln sind.

Um so erfreu­li­cher war es zu sehen, daß die Refe­ren­ten auf Pro­be sich unver­zagt theo­re­ti­schen Bestecks bedien­ten, indem sie den Trans­hu­ma­nis­mus (Sell­ner), das Phä­no­men der »depres­si­ven Hedo­nie« (Bien) und die Soziobiologie/Biopolitik (Ahrens) aus einer dezi­diert rech­ten Per­spek­ti­ve zu erklä­ren und nach­fol­gend in rech­te Denk­ge­bäu­de ein­zu­fü­gen suchten.

Auf erfri­schen­de Wei­se näher­te man sich die­sen The­men, um sie sich von einem rech­ten Stand­punkt aus zu eigen zu machen. Es wur­den »genaue Lini­en und prä­zi­se Bezie­hungs­punk­te« (Benoist) her­aus­ge­ar­bei­tet: War­um ver­liert sich der moder­ne Mensch in »depres­si­ver Hedo­nie«? War­um wird der Trans­hu­ma­nis­mus unse­re Män­gel nicht über­win­den und wie wer­den die­se Män­gel von einer tech­no-digi­ta­len Welt noch ver­stärkt? Und in wel­cher Bezie­hung könn­te das zu den bio­lo­gi­schen Kon­stan­ten unse­res Daseins stehen?

All die­se Vor­trä­ge waren unter­füt­tert von den Grund­an­nah­men einer kon­ser­va­ti­ven, pes­si­mis­ti­schen Anthro­po­lo­gie: der Annah­me, daß man den Men­schen nicht belie­big zurich­ten kön­ne. Die Aka­de­mie wird posi­tiv als ein Wochen­en­de in Erin­ne­rung blei­ben, an dem die Nach­fol­gen­den die »tra­gi­sche Zustim­mung der Rech­ten zu die­ser Welt« und die Eigen­stän­dig­keit rech­ter poli­ti­scher Phi­lo­so­phie bekräftigten.


Die ZDF-Polit-Tal­ke­rin May­brit Ill­ner steck­te mit der Anmo­de­ra­ti­on ihrer jüngs­ten Sen­dung mit dem Titel »Putins Offen­si­ve – Deutsch­land wei­ter defen­siv?« gleich ein­mal das Feld ab, auf dem sich die Dis­kus­si­on zwi­schen Sig­mar Gabri­el (SPD), Mari­na Weis­band (Grü­ne), Rode­rich Kie­se­wet­ter (CDU), Clau­dia Major (Stif­tung Wis­sen­schaft und Poli­tik) und Erich Vad (Bri­ga­de­ge­ne­ral a. D.) im Sin­ne der Ill­ner-Redak­ti­on abspie­len soll­te: Im Don­bass gehe der »Ver­nich­tungs­feld­zug« der Rus­sen nun in sei­ne nächs­te Run­de, wäh­rend man wei­ter­hin auf die von Bun­des­kanz­ler Olaf Scholz ver­spro­che­ne »Zei­ten­wen­de« warte.

Im Ein­gang der Sen­dung knüpft man also direkt an die mili­tä­ri­sche Eska­la­ti­ons­de­bat­te an, die die deut­schen Medi­en domi­niert und die Erich Vad bereits mit sei­ner ers­ten Wort­mel­dung in der Sen­dung kritisiert.

In der Run­de betont Vad die Not­wen­dig­keit einer ver­ant­wor­tungs­ethi­schen Posi­ti­on, die die Mög­lich­keit für Frie­dens­ver­hand­lun­gen offen­läßt. Und unter­zieht man die außen­po­li­ti­sche Lage in Euro­pa einer genaue­ren Betrach­tung, so fällt auf, daß die Zurück­hal­tung von Scholz, schwe­re Waf­fen in die Ukrai­ne zu lie­fern – anders als von den kriegs­be­geis­ter­ten BRD-Wohl­stands­kin­dern sug­ge­riert – kei­nes­wegs eine iso­lier­te Hal­tung darstellt.

Viel­mehr sind es ledig­lich die Ukrai­ne und Polen, die der BRD die Rol­le des zag­haf­ten Brem­sers »not­wen­di­ger« mili­tä­ri­scher Unter­stüt­zung zuschie­ben wol­len und somit ver­su­chen, den Druck zu erhö­hen. Doch anstatt sich von einer kopf­lo­sen pol­ni­schen Außen­po­li­tik der Rache und des lang­ge­nähr­ten Grolls – die nun die Zeit gekom­men sieht, alte Rech­nun­gen mit Ruß­land zu beglei­chen – antrei­ben zu las­sen, wäre es ange­ra­ten, einen küh­len Kopf zu bewahren:

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Kommentare (37)

RMH

25. April 2022 10:06

Schon im anderen Strang geschrieben: Vads Position lässt sich mit C. Schmitt gut erklären. In den Kriegsvorstellungen eines C. Schmitt, die noch vom westfälischen Frieden und der Hager Landkriegsordnung etc. geprägt waren, war der Friedensschluss immer Teil des Geschehens. Dies setzte aber voraus, dass der Feind ein Feind auf Augenhöhe, ein souveräner Staat, ein "hostis" und kein "inimicus" ist. Putin selber hat in seiner Erklärung zur "militärischen Sonderoperation" der Ukraine den Status eines "hostis" und auch souveränen Staates abgesprochen, die Ukraine war zu entnazifizieren und zu demilitarisieren. Damit war klar, dass es keinen Krieg im klassischen Sinne gibt, sondern einen Krieg in den uneuropäischen, modernen Kategorien des "Gesichtsverlustes" und ähnlichem, wobei dann Begriffe wie "Vernichtung" naheliegend sind, zumal Nazis im gängigen Narrativ das genuin Böse sind, ja Vernichtung damit verdient haben. Aus dieser Gut- Böse Nummer (die von der Ukraine nach dem Angriff ebenfalls gespielt wird) wieder heraus zu kommen, ist die Frage der Zeit und ich habe selbstverständlich darauf keine passende Antwort.

RMH

25. April 2022 10:08

2.

Ich bin gegen die Lieferung von Waffen aus deutscher Produktion - aber aus deutschem, wirtschaftlichen Interesse: Der gute Ruf deutscher Rüstungsgüter würde zu sehr leiden, wenn auf einmal ein paar zerschossene Leopard oder Marder auftauchen würden. Die abgeschossenen alten Leo2 der Türkei bei deren Angriff auf die Kurden sind Bilder, die sich nicht wiederholen dürfen (evtl. ist das - neben dem Umstand, dass man in der Tat nichts zum Abgeben hat - auch ein weiterer Grund für die Zurückhaltung).

Laurenz

25. April 2022 10:48

@JS (1)

Ihr Vortrag ist auf den Kanal Schnellroda gestellt worden & ich habe ihn mir angehört. Das Thema ist, in meinen Augen, so komplex, daß es keine durchhaltbaren Wahrheiten & Schlußfolgerungen geben kann. Insofern war Ihre Aufgabe, dieses Themenfeld zu beackern, eher undankbar. Möchte Ihnen das anhand von 3 Punkten vermitteln. Ihr Beispiel des antiken Roms war historisch falsch. In den Hochzeiten lebten in Rom über 1 Mio. Einwohner. Die Stadt war bei Windstille durch die hunderttausenden Feuerstellen stark mit Smog belastet, ähnlich dem heutigen Bangkok, etc. Rom war auf Getreide-Importe, vor allem aus Nordafrika angewiesen. Die heutige Industrie stellte sich bis zum Krim- oder dem us amerikanischen Bürgerkrieg in Manufakturen dar. Das ist zwar ein Unterschied, aber in meinen Augen ist der zu vernachlässigen. Was Sie weiterhin im Vortrag übersehen haben, ist den eigentlichen Grund für den technischen Fortschritt seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte, den EL & GK längst benannt hatten, den Krieg. Das gilt bis zum heutigen Tage. Krieg ist der technische Motor der Welt, da nur die militärische Option politische Macht verbrieft.

Laurenz

25. April 2022 10:56

@JS (2)

Auch die Seßhaftigkeit führte dazu, mehr Menschen in einem begrenzten Raum ernähren zu können, was militärische Überlegenheit gegenüber Nomaden/Jägern/Sammlern unterstützt. Auch das wurde im Vortrag als Faktor nicht wirklich bemerkt. Gut fand ich Ihre Aufmerksamkeit bezüglich der begrenzten menschlichen Wahrnehmung. Sie nannten die Zahl 150, ich in den letzten Jahren 200-250. Im Prinzip ist der Mensch nicht in der Lage mehr als eine Dorfgemeinschaft, aufgeteilt in persönliche Individuen, einzeln als solche wahrzunehmen. Deswegen, da haben Sie Recht, funktionieren Massenmedien so gut.

Illner-Sendung

Mir ist der Irrsinn der vielen Kriegstreiber hier vollkommen unbegreiflich. Eine politische Parteinahme ist vollkommen absurd. Was macht man denn, wenn das Regierungsviertel im Kalkutta an der Spree in Schutt & Asche gelegt wird? Genau, nichts. Einfach nur wahnsinnig.

identitaer

25. April 2022 12:00

Klingt ja wirklich sehr interessant was auf der Akadamie alles für Vorträge gehalten wurden Schade dass ich selbst nicht dabei war. Ich hoffe die Referenten und ihre Vorträge werden alle auf den Schnellroda Youtube Kanal veröffentlicht.

Niekisch

25. April 2022 12:09

"Was Sie weiterhin im Vortrag übersehen haben, ist den eigentlichen Grund für den technischen Fortschritt seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte, den EL & GK längst benannt hatten, den Krieg".

@ Laurenz 25.4. 10:48: Auf diesem Gebiet ist wirklich Vorsicht geboten. Ich selber hatte zu einem Vorartikel auf die "neolithische Revolution" als stringenten Katalysator der menschlichen Kulturwentwicklung hingewiesen, was etwas unbedacht war:

Erstens  haben die Vorfahren schon vor 150000 Jahren ausweislich von Funden in Warburger Großsteingräbern Operationen am Gehirn mit Überlebenschancen der Patienten durchgeführt. Zweitens haben die Neandertaler verwundete Sippenmitglieder nicht liegengelassen, sondern trotz wideriger Umstände mitgeschleppt, bei Tod mitfühlend unter Ritualen  bestattet. Drittens gibt es ein neues, umwälzendes Buch von Graeber, David und Wengrow, David, Anfänge -eine neue Geschichte der Menschheit, Klett Cotta. Darin wird die These vertreten, dass der Mensch vom ersten Tage an innovativ in jeder Hinsicht war, andernfalls er garnicht erst hätte überleben können. 

heinrichbrueck

25. April 2022 14:16

Bevor Carl Schmitt ins Feld geführt wird, müßte klar werden, was die alttestamentarische Erbsünde meint. Unverstandene Unklarheiten sind keine Grundlage des Denkens. In der Politik müssen Entscheidungen getroffen werden, nachvollziehbar und durchsetzungsbereit. Sind Erkenntnisse erbsündig? Welches Problem konnte C. S. lösen? 
Was ist denn die pessimistische Anthropologie im Reich des Politischen? Ungeborenenmentalität, minderwertiges Personal, Gott als Witzfigur? Ideologiegesetz ersetzt eigenes Rechtssystem. Demographische Verschiebungen sind die Folge. 

Eo

25. April 2022 14:30

.»Alle aufbauenden Elemente
menschlicher Existenz, alle wahre Humanität fußt nämlich auf einem gemeinschaftsstiftenden und erhaltenden Mythos«

Fürwahr eine höchst
bedenkenswerte Aussage, die dieser unserer Zeit überaus nottut.

Mich hat sie übrigens
zu folgender Überlegung veranlaßt:

In der Kosmologie
gibt es neben der dunklen Materie (die postuliert wird) ja auch noch die dunkle Energie; wobei nicht so recht gesagt wird, wie diese so beschaffen ist, bzw. was es mit dieser letztendlich auf sich hat.

Doch immerhin taugt
eine solche Aufspaltung in 'helle', also 'normale' und 'dunkle' Energie dazu, etwas Analoges für den lebendigen Bereich zu denken und sich vorzustellen, nämlich daß es gleichsam positive und negative Energie(n) gibt, wobei die eine in 'positiven' dh. in Aufbauprozessen entsteht, bzw. generiert wird, während eine gegensätzliche, 'negative' Energie bei systematisch ins Werk gesetzten Auflösungs- und Zerschlagungsprozessen (wie etwa für Hedge Fonds typisch) eben mit Tricks und unlauteren Mitteln erzielt und konkret also abgesaugt wird.

 

Ein Fremder aus Elea

25. April 2022 15:36

Zu Waldstein,

was bringt es, den Mythos als Unbesiegbarkeit zu definieren, um dann zu fordern, daß wir wieder unbesiegbar werden sollen? Wir sind es nicht. Und Mythen sind nirgendwo in Sicht.

Komischerweise habe ich mir, bevor ich diese Seite hier aufgerufen habe, das hier angehört, aber ich würde empfehlen, es sich auch anzusehen: www.youtube.com/watch?v=ulHB2mNlovg

Entspringt offensichtlich einem Traum, so intelligent sind wache kulturelle Erzeugnisse heutzutage nämlich nicht. Und was sagt uns dieser Traum? Daß wir intellektuell gefüttert werden, ohne zu verstehen, wer mit uns sein Spiel treibt. Nicht weiter verwunderlich, daß eine empfindsame amerikanische Seele (genauer gesagt Alvin Risk's) so auf ihren ersten Parisbesuch reagieren sollte. Ich erinnere mich lebhaft daran, wie meine auf meinen New York-Besuch reagiert hat, nämlich indem sie sich an Hesekiel 22 erinnert hat (wiewohl ich Hesekiel 22 damals gar nicht kannte).

Man könnte auch mit Pike sagen, daß Magie echt ist und kein Betrug.

Laurenz

25. April 2022 16:07

@Niekisch @L.

Verstehe den Zusammenhang nicht, den Sie ziehen.

Einerseits stelle ich gar nicht in Abrede, was Sie schreiben, wie zB die sozialen Bindungen, andererseits hat das mit dem Krieg, dem militärischen Konflikt, nichts zu tun, sondern es befördert ihn.

Ich bin zB der Überzeugung, daß wir, gemäß der EDDA, die Neanderthaler ausgerottet haben, bis auf ein paar Neanderthal-Frauen, deren Gene in uns Europäern noch gegenwärtig sind.

Verblüffende Historie weise ich nicht von mir. Erinnern Sie Sich an den Pyramiden-Film, den ich mal gepostet hatte?

Haben Sie den JS-Vortrag gehört?

Der ist wirklich gut. Nur die Phänomene von menschlicher Masse werden, in meinen Augen, oft in der Schlußfolgerung zu absolut behandelt, was schwache Angriffspunkte zurückläßt/bietet.

GK spricht im EL-/GK-Vortrag die menschliche Eigenheit der Technisierung am Beispiel des Bogens an. In der Tierwelt gibt es nur Ähnlichkeiten, wie die schnellende Zunge, die zur Jagd benutzt wird. Insofern ist die menschliche Entwicklung zur Technisierung & damit zur Masse nur durch Katastrophen oder Degeneration aufzuhalten.

anatol broder

25. April 2022 17:07

@ eo 14:30

zur unterscheidung zwischen aufbau und auflösung empfehle ich jenseits des lustprinzips von sigmund freud. desweiteren behandelt er in totem und tabu gemeinschaftsstiftende mythen.

Pit

25. April 2022 17:36

Danke für den Thor v. Waldstein-Vortrag. Mein Zugang zu diesem Thema wäre Zen. Nicht denken, sondern spüren... bzw. wahrnehmen, bzw. erleben, bzw. zulassen... offen sein... usw. Diese Referenzen, die v. Waldstein nennt... finde ich zwar interessant... aber ich finde, daß Zen dieses Feld irgendwie grundsätzlich und komplett erschließt. Insofern meine Anregung.... Zen in solche Darstllungen miteinzubeziehen... vielleicht gibt es auch noch andere, die dadurch eher einen Zugang zu dem Thema finden.

Dazu noch eine lustige Bemerkung... falls man meint, daß Zen etwas abseitig sei für uns Europäer: ich stolperte zufällig über das Buch von Philip Kapleau, "Die drei Pfeiler des Zen", und war sehr beeindruckt, dort, im Vorwort, zu lesen: Martin Heidegger habe dies über Zen gesagt (Vorbemerkung: Dr. Suzuki war der erste, der Zen im Westen bekannt machte): "Wenn ich (Dr. Suzuki) recht verstehe, so ist es das, was ich in all meinen Schriften zu sagen versuchte". Sehr Ähnliches gilt für C. G. Jung. Übrigens wird in dem Vorwort, genau passend zu dem Vortrag von v. Waldstein, spekuliert, daß Zen gerade darum jetzt im Westen so ein Interesse fand, und findet, eben weil etwas mit der rationalistischen Herangehensweise nicht stimmt.

Laurenz

25. April 2022 18:36

@Niekisch @L.

Ok, nach 4x lesen, hab ich's.

Dietrichs Bern

25. April 2022 21:06

"Doch anstatt sich von einer kopflosen polnischen Außenpolitik der Rache und des langgenährten Grolls – die nun die Zeit gekommen sieht, alte Rechnungen mit Rußland zu begleichen – antreiben zu lassen, wäre es angeraten, einen kühlen Kopf zu bewahren"-

Nun ja, möglicherweise ist in Polen, wie bei den Balten und Tschechen, gar den Finnen,  auch die ziemlich nachvollziehbare Gefühlsregung als nächste dran sein zu können, eingekehrt -auch wenn die real existierende russische Armee deutlich weniger furchterregend wirkt, wie befürchtet. 

Ich finde, dass darf man auch mal wohlwollend zugestehen.

brueckenbauer

25. April 2022 21:36

Ich habe gar keinen Zweifel, dass Herr von Waldstein sich selbst und seine Anhänger wiederverzaubern kann. Ansonsten müssen wir wohl damit leben, dass eine große Menge von Mitmenschen gar nicht verzaubert werden möchte und ohne eigenes Zutun wohl auch nicht verzaubert werden kann.

Gracchus

25. April 2022 21:52

Der v. Waldstein-Vortrag ist sehr gut. Diese Not ist keine Unbekannte. Ist nicht jede Werbung ein Mini-Mythos, Hollywood nicht eine Mythenfabrik? Das Problem, wie Peguy gesagt hat: Der Moderne glaubt nicht, was er glaubt. 

@Fremder aus Elea

Meinten Sie nicht neulich, dass die Musik nach Pfitzner gescheitert sei? Und jetzt posten Sie so ein Video?

@Pit

Zen übt auf mich eine gewisse Fasziniation. Wer da auch immer wieder genannt wird: Meister Eckhart. 

Was sagt eigentlich Heidegger zum Mythos? Hüter des Seins klingt nach einem neuen Mythos. Aber aufgrund der Destruktion oder Dekonstruktion des Mythos - was man nicht als Zerstörung verstehen sollte, sondern als Freilegung des Wesentlichen. Es gibt auch kein Zurück in ein mythisches Weltbild oder Bewusstsein. 

Gracchus

25. April 2022 22:06

Die Illner-Sendung war mal halbwegs sachlich und stellenweise informativ. 

Mir erscheint die Informationslage zu dürftig, um mir eine Meinung zu bilden. 

Nordlicht

26. April 2022 00:01

Es wird den gelehrten Autoren und Lesern hier vielleicht albern vorkommen, aber:

Ich verstehe die andauernde Feindschaft zur Technikentwicklung nicht, vermischt mit dem  "Technisierung".  Leute, die in der Technikentwicklung, ja den Technikern überhaupt, das Urböse sehen, kommen akdemisch und beruflich wohl aus den sogenannten Humanistischen Studiengängen. 

Ok, ich bin Ingenieur, mein Beruf war, Produkte besser zu machen, dass sie mehr Nutzen und weniger Nachteile haben. Dazu gehört, die Schadstoffemissionen und den Kraftstoffverbrauch von Automotoren zu reduzieren, was mich dazu führte, weltweit in Großstädten Emissionskataster mit zu entwickeln und den Vorteile moderner Motoren aufzuzeigen.

Von den Sozialwissenschaftler_*Innen wird Ingenieuren gerne unterstellt, sich als Götter aufzuspielen, wozu der unglückliche deutsche Titel "Der göttliche Ingenieur" des 1986 von Neirynck erschienenen "Le Huitième Jour de la création" beigetragen hat.

Kurzum: Auch hier eine grundhafte Technikfeindlichkeit und - unterstelle ich - Ahnungslosigkeit. Oder gibt es hier einen Ingenieur in den Reihen?

 

Laurenz

26. April 2022 04:00

@Dietrichs Bern

Der Militärhistoriker & Direktor des Deutschen Panzermuseums Ralf Raths  https://de.wikipedia.org/wiki/Ralf_Raths gibt widerwillig in 4 Videos seine Sicht auf die in der Ukraine eingesetzten Panzer zum Besten aus einem militärischen Blickwinkel im aktuellen Bezug. Das 5. Video dieser Reihe ist das schwächste, weil es Bezug auf die Politik nimmt. Hier Video 1  https://youtu.be/qNw4AVATU34

auch wenn die real existierende russische Armee deutlich weniger furchterregend wirkt, wie befürchtet. 

Das ist alles relativ. Die Russen lassen sich doch Zeit, warum sollten sie sich beeilen? Wir haben zwar eine Armee mit Kitas & Kindergärten, aber keine Kampftruppen. Meinen Sie bei anderen NATO-Armeen sähe es besser aus? Schauen Sie Sich die Gefechte der türkischen Armee im Irak oder Syrien an, der Hesse sagt dazu, Schlappekicker. Die von Ihnen benannten Staaten provozieren geradezu einen Konflikt im Vertrauen auf den "Bündnisfall". Das ist in Anbetracht der Zustands der NATO quasi Suizid.

Ein Fremder aus Elea

26. April 2022 06:09

Gracchus,

ich meinte neulich, daß die klassische Musik seit Pfitzner versucht, dem Scheitern musikalisch Ausdruck zu geben, also daß es in Palestrina z.B. um die Gefühle geht, welche mit dem Scheitern zusammenhängen, mithin also das Scheitern die Muse, die inspirierende Idee der klassischen Musik des 20. Jahrhunderts ist, was sich im weitesten Sinne sogar von Strauss' Feuersnot sagen läßt, also daß die Oper Strauss' Minderwertigkeitskomplexen gegenüber Wagner entspringt, aber der Rosenkavalier z.B. ist nicht auf diese Weise angekränkelt, also durch Ironie, Koketterie, was heute im Hipstertum ausartet, aber in Anfängen schon bei Feuersnot sichtbar wird, und welcher Komponist des 19. Jahrhunderts hätte schon eine Oper wie Feuersnot geschrieben?

Wenn man so will ist die ganze Popmusik in ihrem Verzicht auf Größeres ein Eingeständnis des Scheiterns, aber nur, wenn man so will. Was Musik angeht, stimme ich in soweit mit Rousseau überein, als daß ich die Möglichkeit, sich musikalisch auszudrücken, höher schätze als das Beeindruckende, und damit sehe ich im Verzicht auf das Beeindruckende nicht unbedingt ein Eingeständnis des Scheiterns, sondern u.U. eine Konzentration auf das Wesentliche. Was das verlinkte Video angeht, es ist musikalisch nicht weiter interessant (abgesehen von der ersten paar Tönen, welche von Hayling von FC/Kahuna geklaut sind), ich hab's mir angehört, um wach zu bleiben, aber was das Video angeht: Ich halt's mit weitem Abstand für das beste Musikvideo, was je gemacht wurde.

brueckenbauer

26. April 2022 06:46

@Gracchus

Wir kommen hier doch an einen Scheideweg. Entweder ist der große Mythos verloren, und Herr von Waldstein fühlt sich berufen. ihn wiederherzustellen. Oder Hollywood ist schon eine Mythenfabrik und es geht nur darum, den falschen Mythen anderer Leute unseren richtigen Mythos entgegenzusetzen. (Dann müsste man Kriterien dafür haben, was richtige von falschen Mythen unterscheidet.)

Nun ist Hollywood sicherlich eine Traumfabrik, und also gibt es ein reales Bedürfnis nach Wunschträumen. Aber gibt es das Bedürfnis nach einem "Mythos"? Oder muss das Bedürfnis erst geweckt werden???

Laurenz

26. April 2022 07:56

@Pit

Ob man Zen, Shao-Lin, Tai-Chi, Tschigong, im heidnischen Europa Runentänze, im Islam die Derwische (also Sufis), den Schamanismus Afrikas oder Asiens zugrunde legt, so verfolgen alle diese Weltanschauungen im wesentlichen das, was Castaneda "Innere Stille" nennt, was in Seinen Worten nichts anderes als das Abschalten des "Inneren Dialogs" bezeichnet. Die Innere Stille hält quasi die Zeit an & gewährt erst absolute Freiheit. Auch Eckart Tolle empfiehlt die permanente Reduktion auf das hier & jetzt. Natürlich gibt es auch bei den Christen heutzutage noch verfälschte Reminiszenzen hierzu, das Beten. Beten war im Ursprung keine Ansprache zu Gott, sondern Innere Stille um tatsächlich zu hören, was die "Absicht" (Castaneda), die göttliche Allmacht (Germanen), oder "Gott" zu sagen hat. Wer das kann, ist laut Castaneda, ein Zauberer oder zumindest ein Krieger. Ein bekanntes historisches Beispiel für einen Zauberer oder in unserem Sprachraum Hexe, ist Hildegard von Bingen, seit 10 Jahren etwa eine Heilige. Das war sie natürlich schon vorher, zu Lebzeiten, denn Heilige werden nicht dadurch heilig, daß man sie heilig spricht.

X41X

26. April 2022 09:38

@Nordlicht

Nun, ich bin kein Ingenieur, sondern Architekt, und als jemand, der damit jeweils mit einem Bein in der Technik und der Kunst steht (was in meinem Fall überhaupt enorm kontrastiert), muss ich Ihnen bei Ihrer Beobachtung zustimmen.

Nun ist die Architektur sicherlich schon seit langer Zeit nicht mehr die Kulmination des höchsten Technikstandes - auch ein Burj Khalifa ist trivial im Vergleich zur Rüstungs- und Raumfahrtindustrie - aber die Berührungspunkte die ich von dort aus mit der Technik habe, lassen mich mit einer endlosen Faszination staunen. Weil ich erahne, wie unglaublich kompliziert das sein kann (man befasse sich mal mit dem Komplexitätsgrad allein des James Webb-Teleskops), meist durchaus mehr als ich über Geisteswissenschafter (minus Mathematiker) staune.

Und der Projektleiter des oben genannten Teleskops, Dr. John Mather, scheint nicht nur ein ausserordentlich kluger Mann, sondern auch noch ein Weiser zu sein. Durchaus  mit dem oben von @Pit erwähnten Zen vergleichbar. Wie er in folgendem Video erklärt, war er bereit den Misserfolg seines "Babys" hinzunehmen, denn er hätte ohnehin sein Bestes gegeben - und das zählt. Hier ab ca. Minute 25:40 zu sehen.

https://www.youtube.com/watch?v=4P8fKd0IVOs

Mitleser2

26. April 2022 09:51

@Nordlicht: Leider muss ich Ihnen zustimmen. Der rechte (und linke) Diskurs wird fast ausschließlich von Soziologen/Politologen geführt.

Man muss die Ablehnung der Geisteswissenschaften nicht so weit treiben wie Danisch, aber mit der Ablehnung von Technik kommt man unfreiwillig in die Nähe von WEF-Schwab. Ohne Technik und Industrialisierung für die Massen würde sich die Erdbevölkerung schnell auf eine Bevölkerungszahl von vielleicht 500 Mio zubewegen. Kann man natürlich so wünschen. Nur wie sieht der Weg dahin aus? Und für die oberen 1% würde natürlich alles bleiben wie gehabt, die würden schon für einen Restbestand an Technik für sich sorgen. Und genug Sklaven gäbe es immer noch.

Und wenn jetzt jemand mit der autarken Dritten Welt auf dem Subsistenzwirtschafts-Dorf kommt: Die Strukturen dort funktionieren auch nur noch durch Interaktion mit der Ersten Welt. Und die Verstädterung gerade in Afrika ist massiv (Lagos, Nairobi, ...)

/Provokation Ende

Niekisch

26. April 2022 09:52

"Ok, nach 4x lesen, hab ich's."

@ Laurenz 25.4. 18:36: Das erfreut mich. Mein erläuternder Kommentar wurde nämlich wieder einmal nicht eingestellt.

Dietrichs Bern

26. April 2022 09:57

@Laurenz: Ich kenne die Videos aus Munster und finde sie trotz der durchscheinenden Politisierung auch ganz informativ.

Das das russische Vorgehen planvoll und gesteuert sei - ich wurde hier ja auch belehrt, dass die Straßenkolonnen von der liebevollen Absicht keine Blümelein am Wegesrand zu zerdrücken, beseelt wären - ok, da bleibt es halt bei verschiedenen Ansichten.

Ich bewerte den Zustand der Bundeswehr gar nicht anders als Sie, glaube aber nicht, dass dieser allgemein für andere Armeen zu übertragen ist.

Dem -nicht zuletzt vor diesem Krieg - nachvollziehbaren Sicherheitsbedürfnis der genannten Staaten, quasi eine Provokation des Bündnisfalles zu unterstellen. halte ich aber für abwegig.

 

Ein Fremder aus Elea

26. April 2022 12:02

Nordlicht,

ich habe ein Vordiplom in Informatik und ein Diplom in Mathematik mit Nebenfach Informatik, meine Diplomarbeit ging um die Geometrie von Banachräumen und meine Absclußprüfungen um die Darstellungstheorie lokal kompakter Gruppen, lineare partielle Differentialgleichungen und künstliche Intelligenz.

Meine "Technikfeindlichkeit" läßt sich auf folgenden Gedanken zurückführen: Wäre es in der Steinzeit möglich gewesen, so etwas wie die Polizei einzurichten?

Antwort: Nein, denn wenn Keulen etc. die höchstentwickelten Waffen sind, ist es viel zu aufwendig, jemanden durch Gewaltmittel kontrollieren zu wollen. Hierarchien sind pyramidenförmig, und wenn Sie oben genauso viele brauchen wie unten, um über sie zu herrschen, dann haben Sie keine.

Nicht, daß ich grundsätzlich anarchistisch wäre, nur gibt es eben einen direkten Zusammenhang zwischen dem Grad der Technisierung einerseits und dem Grad der Vergewaltigung andererseits, und sobald die künstliche die natürliche Intelligenz überflügelt, wird es keine strukturellen Schranken mehr geben, welche uns noch so etwas wie einen Restfreiraum lassen werden. Das Seltsame ist ja, daß bereits in den '50ern davon gesprochen wurde, die Welt auf Knopfdruck zu regieren. Bloß, wenn Leute tatsächlich die Sonne ausschalten könnten, auf Knopfdruck, oder alle Menschen in einem bestimmten bereich in Salamander verwandeln, so richtig gut ließe es sich nicht in einer solchen Welt leben.

Laurenz

26. April 2022 15:09

Habe mir jetzt auch den "von-Waldstein"-Vortrag reingezogen, bis jetzt, in meinen Augen, der beste, den ich von Ihm gehört habe. Empfunden habe ich den Vortrag, wie eine säkulare, nicht-säkulare Predigt & fand es gut, daß Sich von Waldstein auf keine nähere Definition des Mythos eingelassen hat, das läßt Freiheit im Raum. 3 Punkte der Frage, des Verstehens, der Sicht auf den Mythos & Logos möchte ich gerne ansprechen.

1. Bin kein Sokrates-Fachmann. Kann daher jemand die negative Sicht von von Waldsteins auf Sokrates bitte näher erläutern? War es nicht Sokrates, der die Ratio seiner Mitbürger verhöhnte?

2. Der Wille. Mein Verständnis des Willens weicht augenscheinlich von der Definition von Waldsteins ab. Ist der Wille nicht meist unabhängig vom Denken? Spiegelt der Wille nicht das Tun des Menschen so ganz ohne Denken?

3. Logos & Mythos. Sehe darin eigentlich keinen Widerspruch. Persönlich kann ich damit auch nur auf unterschiedlichen Ebenen agieren, denen ich als Sterblicher ausgesetzt bin. Beides empfinde ich eher als sich bedingende Pole, wie Licht & Schatten. Castaneda definierte die Magie meist im Unbekannten beheimatet. Wenn wir das Unbekannte zum Bekannten machen, verlieren wir die dort beheimatete Magie. Aber ist um uns herum nicht genügend Unbekanntes, Universales welches als nicht erklärbar verbleibt?

Laurenz

26. April 2022 15:56

@Ein Fremder aus Elea @Nordlicht

Nein, denn wenn Keulen etc. die höchstentwickelten Waffen sind, ist es viel zu aufwendig, jemanden durch Gewaltmittel kontrollieren zu wollen

Dank einem Ihrer ebenso mathematikbegabten Vorfahren blieb es aber nicht bei den Keulen.

@Dietrichs Bern @L.

"dieser allgemein für andere Armeen zu übertragen ist."

Doch, ist er. Frankreich verfügt tatsächlich noch über eine Eingreiftruppe, die Fremdenlegion. Die ist aber nur knapp 10k Mann stark. Auch die Briten verfügen noch über sowas, aber mit weniger Truppenstärke. Damit können Sie irgendwo in Afrika für Ordnung sorgen, aber keinen Krieg führen. Das erkennen Sie auch an den aktuellen Lösungsansätzen, die sind eher gekleckert. https://www.zeit.de/politik/ausland/2014-08/eingreiftruppe-osteuropa-nato

Die Briten konnten im Falkland-Krieg gerade noch mal 11k Infanteristen einsetzen.  https://de.wikipedia.org/wiki/Falklandkrieg

Pit

26. April 2022 17:10

an Laurenz  26. April 2022 07:56
Vielen Dank für diese Darstellung, gefällt mir sehr, kann ich ganz mitgehen damit. Ich habe nur darum nichts weiter zu Zen gesagt, weil... naja eine Grundregel ist da sowieso: tun, nicht reden. Aber vor allem geht es eben darum, selber zu erfahren. Und jede Aussage macht dann eben, daß jemand sich im Kopf damit beschäftigt, statt eben... zu erfahren. Wenn ich denn aber etwas sagen würde... dann wäre es ziemlich genau das, was du gesagt hast. Es gibt überhaupt nichts zu tun, nur die "Innere Stille" zu erfahren, wenn man es denn schon benennen will.

Aber das hier... ist jetzt ein echter Glücksfund für mich ! : "Beten" wäre eben dies gewesen..."Innere Stille" erfahren! Denn seit jeher finde ich problematisch (und wohl nicht nur ich): mit welchem Recht "bittet" man denn Gott um etwas? Der Gläubige hat Gottes Willen zu akzeptieren, oder? Also ein für mich unverständliches, widersprüchliches Konzept. Mit der Stille aber... da gäbe es ja endlich irgendeinen Zusammenhang zwischen Zen, welches ich als so richtig empfinde, und Christlichem. Immer fragte ich mich: haben denn nicht auch wir irgendwo so eine gute Sache wie Zen? Also vielleicht haben wir da doch auch eigene Ansätze, Traditionslinien.

Gracchus

26. April 2022 18:52

@brueckenbauer:

Ich kann dem Vortrag nicht recht entnehmen, wie der Mythos wiederhergestellt werden kann und soll. Ist die - willentliche (wogegen Herr v. Waldstein ja ebenfalls Einspruch erhebt) - Wiederherstellung überhaupt möglich. Das müsste in einem Gespräch mit Herrn von Waldstein geklärt werden. M. E. sind das Mythische und Mystische nicht identisch, Zweckrationalität nicht identisch mit Vernunft, Geist und Seele nicht in einem Dauerkonflikt (nach Ludwig Klages). 

Vielleicht als Schichtenmodell: Das Mythische ist in unserer Seele noch als archetypisches Geschehen wirksam, wird vom Rationalen aber verdrängt oder verleugnet. Die Tiefenpsychologie nach C. G. Jung macht sich das zu eigen. Mit dem rationalen Weltbild ist die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins nicht abgeschlossen. Es gibt etwas Transrationales, das hilft, Mythisches und Rationales zu verbinden. Das wäre das Mystische.

 

Gracchus

26. April 2022 18:58

@Laurenz, Pit

Es gibt ganz unterschiedliche Terminologien. Es gibt im christlichen Bereich traditionell Gebet, Meditation und Kontemplation. Der Unterschied zu Zen oder anderen buddhistischen Praktiken (wobei es auch hier zu differenzieren gilt) besteht wohl darin, dass das Absolute im Christlichen ansprechbar ist. Wobei Meister Eckhart von dem (ansprechbaren) Gott wiederum die Gottheit absetzt. Deshalb macht es ihn zum Dialogpartner für Zen-Buddhisten. 

Laurenz

27. April 2022 09:38

@Gracchus @Brückenbauer

Die Ausblendung des Mythos durch Logos-Vertreter, lernte ich mal direkt bei einer Familienaufstellung vor 15 oder 20 Jahren kennen. Familienstellen ist übrigens, aus meiner persönlichen Sicht, die einfachste Methode für uns westliche Normalsterbliche, das Phänomenale der Magie kennenzulernen, beizuwohnen, nur aufmerksam zu sein & demütig zu werden. Ich traf damals einen Professoren, der Schwierigkeiten mit seiner Familie hatte & für 15 Jahre den Kontakt abgebrochen hatte. Er besuchte die Aufstellung mit seiner Schwester, weil es ihm, wohl so ohne Familie nicht wirklich gut ging, nachvollziehbar. Er fing mit der Aufstellerin einseitig das Debattieren seines Familienproblems an & hatte, intellektuell betrachtet, wohl auch Recht. In der nächsten Pause lächelte ich ihn an & sagte: "Ich habe auch immer Recht, trotzdem geht es mir nicht gut & es läuft nicht so, wie ich das gerne hätte. Deswegen bin ich hier." Er schaute mich groß an & ich hatte dann den Eindruck, daß er sich nun besser einlassen konnte. Ich denke, Gracchus, so ist das auch in größeren Maßstäben. Keine Armee, keine Gesellschaft kämpft für den Logos, nur für den Mythos. Man braucht historisch manchmal etwas Geduld, oft mehrere Menschenleben lang, bis sich was ändert. Schauen Sie einfach über unser eigenes Zeitfenster hinaus.

Gracchus

27. April 2022 20:05

@Laurenz

Ich habe auch schon gehört, dass bei solchen Familienaufstellungen Erstaunliches passiert. Ich weiss nicht, ob das mit Mythos vs Logos etwas zu tun hat. Logos ist auch nicht, was man als Rationalität bezeichnet. Das westliche rationale Weltbild ist offenbar zu eng. Vielleicht hängt tatsächlich das Überleben des sog. Westens davon ab, ob er eine rein rationale Sicht überwinden kann.

Kurativ

27. April 2022 23:32

Zu Waldstein: Als Jurist weiß er, wie etwas ausgehen kann. Es ist ein Vergnügen, jedes Wort zu hören. Ein großartiger Redner und Denker.

Kurativ

27. April 2022 23:36

Waldstein zeigt, wie die "Lust am Denken" eine philosophischer Lebensstil der neuen Rechten sein kann.

Laurenz

28. April 2022 08:16

@Kurativ

Das kann man zwar so schreiben. Aber von Waldstein trägt über das Nicht-Denken vor. Auch von Waldstein fühlt einen Mythos & denkt ihn nicht.