Armut und Verengung

Es wird spürbar enger.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

In jeder Hin­sicht: Finan­zi­ell der­ar­tig, daß es end­lich jeder bemerkt, sowohl der „Ver­brau­cher“ als auch der Staat, der wie­der­um von Volks-Ver­tre­tern und Funk­tio­nä­ren diri­giert wird, die sich aus sei­nem Rest­ver­mö­gen unver­dien­ter­wei­se luxu­ri­ös bedie­nen kön­nen. Für alle ande­re wird je nach Kal­kül kli­en­tel­po­li­tisch umverteilt.

Die eigent­li­che neue Armut ist aber weni­ger am Ver­lust von „Kauf­kraft“ abzu­le­sen, son­dern viel­mehr an der fort­schrei­ten­den Ver­ödung von Natur und Land­schaft, also am Arten­ster­ben und so am Schwund eins­ti­ger Leben­dig­keit rundum.

Radi­kal­re­ak­tio­när gedacht:

Wie reich erschien hin­ge­gen das Leben und Erle­ben auf einem mär­ki­schen Guts­dorf um 1900. Man war zwar weni­ger welt­läu­fig, aber das Dorf selbst war – eine Welt, wirt­schaft­lich, öko­lo­gisch, kul­tu­rell, reli­gi­ös. Und sen­su­ell dürf­te mehr und Viel­fäl­ti­ge­res zu ver­spü­ren und zu emp­fin­den gewe­sen sein als bei moder­nen „Events“, abge­se­hen davon, daß die Rei­se häu­fi­ger nach innen ging, als daß man sich in die Welt und an die Welt verlor.

Zurück ins Heute:

Poli­tisch zeigt sich die Ver­en­gung in der Redu­zie­rung eins­ti­ger Dis­kus­si­ons- auf eine nur­mehr selbst­re­fe­ren­ti­el­le Bekennt­nis­kul­tur. Wo einst lei­den­schaft­li­che Dis­kur­se geführt wur­den, blie­ben Beschwö­rungs­for­meln übrig.

Wenn sich etwa „Viel­falt“ bzw. „Diver­si­tät“ so ein­dring­lich beschwo­ren fin­den, ist dies gera­de ein Zei­chen dafür, daß es sie in der Poli­tik leben­dig so nicht mehr gibt. Per­ma­nen­tes Bezeich­nen und Benen­nen zeigt das Feh­len des Bezeich­ne­ten sicher an, min­des­tens den Schwund an Qua­li­tät. Wer­bung wirbt ja gleich­falls mit Attri­bu­ten, die sich am Bewor­be­nen nicht bestä­tigt finden.

Dies offen­bart eben­so der Dau­er­ge­brauch der immer glei­chen Agit­Prop- und Life­style-Begrif­fe: Tole­ranz, Respekt, Empa­thie, Authen­ti­zi­tät, Iden­ti­tät, auch Cou­ra­ge und neu­er­dings Resi­li­enz gehö­ren dazu – fort­lau­fend benannt, eigent­lich aber vermißt.

Die Seman­tik erscheint dabei ver­un­klart, selbst bei frü­her ker­ni­gen Begrif­fen – Bil­dung zum Bei­spiel. Eigent­lich wären die­se Pro­pa­gan­da-Wor­te bes­ser durch­weg apo­stro­phiert zu schreiben.

Wo alles lang­wei­lig fade wird, müs­sen die noch zum Mit­ma­chen Bestell­ten ihre Tris­tesse ganz auf­ge­dreht „total span­nend“ fin­den. Auch so eine Phra­se: „Das ist total span­nend!“  Man weiß sogleich, es ist – im Gegen­teil – öde; man soll es nur gefäl­ligst span­nend finden.

Je wei­ter Begriff­lich­kei­ten zu Slo­gans, zum blo­ßen „Wor­ding“ schrump­fen, um so weni­ger kön­nen oder wol­len sie etwas Sub­stan­ti­el­les bezeich­nen; viel­mehr sug­ge­rie­ren sie ein poli­ti­sches Als-ob:

Als ob noch von Demo­kra­tie die Rede sein könn­te, wenn nur gut die Hälf­te der dazu Berech­tig­ten an Wah­len teil­nimmt. Die nicht mehr mit­ma­chen, ent­zie­hen sich bewußt der Far­ce oder füh­ren eine weit­ge­hend apo­li­ti­sche Exis­tenz in der neu­en Nischen­ge­sell­schaft. Die in sich durch­aus niveau­voll sein kann. Und wirk­lich total spannend.

Gewis­ser­ma­ßen wer­den die Wor­te ähn­lich wie Din­ge durch fort­dau­ern­den Gebrauch abge­grif­fen, schä­big und schmud­de­lig. Man beginnt weg­zu­hö­ren, wenn von Demo­kra­tie, Welt­of­fen­heit und Viel­falt die Rede ist, hat man doch längst die Erfah­rung gemacht, daß ein selbst­re­fe­ren­ti­el­les Sys­tem die­ses Voka­bu­lar eben allein für die eige­ne Selbst­re­fe­renz nutzt und selbst kaum mehr weiß, was es damit zu for­mu­lie­ren versucht:

Im Bei­spiel:

„Schu­le gegen Ras­sis­mus – Schu­le mit Cou­ra­ge!“ – Selbst­ver­ständ­lich gibt es kei­ne Schu­le für Ras­sis­mus. Und ob jene, die pla­ka­tiv gegen ihn auf­zu­tre­ten meint, obwohl ja Anti-Ras­sis­mus imma­nen­ter Bil­dungs­be­stand­teil ist, nun tat­säch­lich zu ech­ter Cou­ra­ge erzieht und nicht doch eher zum tum­ben Nach­spre­chen von Gebo­ten, erscheint frag­lich. Und auch die Seman­tik von „Ras­sis­mus“ ist unklar, wenn etwa „Onkel Toms Hüt­te“ und die „Moh­ren-Apo­the­ke“ als ras­sis­tisch gelten.

Man kli­cke sich durch die zitier­te Web­site, lese auf­merk­sam und aus­dau­ernd alles und voll­zie­he die Bild­spra­che nach. Dann weiß man, wie es lau­fen soll. Und wie die Ber­li­ner Repu­blik sich selbst insze­niert. Die „urba­nen Milieus“ spre­chen das Souf­flier­te nach. Sie bil­den das Neu­bür­ger­tum, auf das sich die Hege­mo­nen der Mei­nungs­füh­rer­schaft stützen.

Je wei­ter ihre Poli­tik ideell ver­armt, um so auf­ge­reg­ter gebär­det sie sich, um so lau­ter tritt sie auf, was unfrei­wil­lig komisch wirkt – etwa wenn Figu­ren der Staats- und Par­tei­füh­run­gen bemüht sind, cha­ris­ma­tisch zu erschei­nen und „Stel­lung zu bezie­hen“. Wenn sie sich „cou­ra­giert“ auf­zu­bau­en ver­su­chen gegen neue Feind­bil­der – das „dre­cki­ge“ Koh­len­di­oxid, Putins „Ver­nich­tungs­krieg“ und vor allem die ver­fas­sungs­feind­li­che und ter­ro­ris­ti­sche „Gefahr von rechts“, jene Schi­mä­re, mit der der poli­tisch-ideo­lo­gi­sche Umbau der Gesell­schaft legi­ti­miert wird.

Dafür braucht es kei­nen Putsch, noch nicht mal eine Grund­ge­setz­än­de­rung. Prin­zi­pi­el­le poli­ti­sche Kurs­wech­sel voll­zie­hen sich durch­aus evo­lu­tio­när, nicht unbe­dingt revo­lu­tio­när, dafür aber mit durch­schla­gen­der Eigen­dy­na­mik. Hier­zu­lan­de bereits mit dem Ergeb­nis, daß die Gleich­schal­tung des Gedank­li­chen und Publi­zis­ti­schen spür­bar funk­tio­niert. Selbst die Bür­ger ver­in­ner­li­chen bereits wie­der offi­zi­el­le Sprach­re­ge­lun­gen, die sie nur im ver­traut Pri­va­ten noch über­schrei­ten. Wer die­sen Regeln nicht folgt, ist längst mit Sank­tio­nen, etwa einem De-fac­to-Berufs­ver­bot bedroht.

Einst offe­ne Gesell­schaf­ten kön­nen fata­ler­wei­se in vor­mund­schaft­li­che hin­über­wach­sen, gelingt es Kräf­ten, kul­tu­rell, also sozu­sa­gen im Über­bau­li­chen die Hege­mo­nie zu errin­gen. Es lie­ße sich beschrei­ben, wie das in der Ber­li­ner Repu­blik geschah. Unter ande­rem ver­lei­te­te ein jahr­zehn­te­lang sta­bi­ler Lebens­kom­fort bestimm­te Neu-Eli­ten zu der Annah­me, der gewohn­te Stan­dard wäre so sicher, daß nun der Mensch nur noch poli­tisch im Sin­ne bestimm­ter Idea­le erzo­gen wer­den müs­se und eine leben­di­ge Aus­ein­an­der­set­zung um Zie­le und Mit­tel sich nicht nur erüb­ri­ge, son­dern sogar schäd­lich wäre.

In Ergeb­nis ideo­lo­gi­scher Bevor­mun­dung füh­len sich mitt­ler­wei­le fast ein Drit­tel aller Deut­schen wie in einer Schein­de­mo­kra­tie. Dies ergab eine Umfra­ge des Allens­bach-Insti­tuts, deren Ergeb­nis­se als „erschüt­ternd“ emp­fun­den wurden.

Wenn ins­be­son­de­re die Stö­rungs­mel­der „Gesicht zei­gen“, sys­tem­kon­form ange­paßt, ist das eben gera­de kein Zei­chen für Cou­ra­ge, inso­fern die­se „Stö­rungs­mel­der“ im Sin­ne einer Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on des Staa­tes agie­ren, inspi­riert und pro­te­giert vom Appa­rat und dem ihm nach­ge­ord­ne­ten und aus Steu­er­mit­teln finan­zier­ten Behör­den und Stiftungen.

Das Pro­gramm sol­cher „Initia­ti­ven“ wird von Auto­ri­tä­ten ver­ord­net und in Schu­len über „Pro­jekt­ar­beit“ zum Erzie­hungs­be­stand­teil eines neu­en Staats­bür­ger­kun­de­un­ter­richts. Ein Blick ins Impres­sum offen­bart schnell, wer lenkt und lei­tet – meist direkt Exe­ku­tiv­or­ga­ne, also Minis­te­ri­en oder die von ihnen gespon­ne­nen Netz­wer­ke, bei­spiels­wei­se unterm Dach der Bun­des­zen­tra­le und der Lan­des­zen­tra­len für poli­ti­sche Bil­dung. Für nach­wach­sen­de und abge­half­ter­te Kader gibt’s da fes­te Ver­sor­gungs­stel­len. Stets fra­ge man seman­tisch: Was genau ist bei­spiels­wei­se mit einer bun­ten und offe­ne Gesell­schaft gemeint?

Mag sein, die Pose, die Auf­füh­rung, die „Per­for­mance“ und die „Prä­sen­ta­ti­on“ waren schon immer wich­ti­ger als die Tat; jetzt aber blieb allein die Show übrig und gilt für sich schon als „ziel­füh­rend“. Funk­tio­niert etwas nicht, heißt es sogleich, man hät­te es noch nicht rich­tig zu ver­mit­teln ver­stan­den, nicht „nie­der­schwel­lig“ genug, also vor­zugs­wei­se in „leich­ter Sprache“.

Zurück zur Verarmung:

Die gan­ze Welt wird enger. Welch eine Fül­le schien sich einem noch in den Sech­zi­gern und Sieb­zi­gern zu bie­ten, blick­te man als Kind gedan­ken­ver­lo­ren in den Atlas. Alles Fer­ne wun­der­voll – gera­de weil es nicht umstands­frei zu errei­chen schien. Man schrieb noch Luft­post­brie­fe auf sei­den­leich­tem Papier …

Aber eine Whats­App-Mes­sa­ge fliegt schnel­ler, nicht nur weil sie meist nich­tig ist. Und die Anti­po­den dürf­te man mit Bil­lig­flie­gern flott errei­chen, abge­se­hen davon, daß es im Super­markt ganz selbst­ver­ständ­lich alles von sonst­wo gibt, klar, auch fri­sche Kiwis und pin­ke Äpfel aus Neuseeland.

Daß wir die Welt leer­fres­sen und ver­brau­chen dür­fen wie ein Super­markt-Regal, avan­cier­te zum aller­ers­ten Men­schen­recht, so wie sich der eins­ti­ge Bür­ger heu­te pri­mär als Ver­brau­cher ver­steht. Von den Links­öko­lo­gen wird ver­hei­ßen, der Glo­bal­ver­brauch wäre wei­ter­hin garan­tiert, wenn man nur auf tech­nisch-inno­va­ti­ve Wei­se die Pro­duk­ti­on und Ver­tei­lung neu rege­le. Neu und gerecht, was bedeu­tet: Für jeden noch mehr, nur jetzt unter ethi­schen Labeln.

Ver­bo­ten ist wei­ter­hin nur eines – die Ein­schrän­kung. Denn wer sich – zumal aus mora­li­schen, reli­giö­sen oder ein­fach ver­nünf­ti­gen Grün­den – ein­schränkt, also der grund­le­gen­den Tugend des Maß­hal­tens folgt, der ver­sün­digt sich am wesent­lichs­ten Glau­bens­be­kennt­nis zur Tri­ni­tät von Pro­duk­ti­on, Ver­brauch und Wachstum.

Auch grün soll die Mensch­heit auf Wachs­tums­kurs blei­ben, dies sogar for­ciert – nur eben nicht mehr durch böse „fos­si­le“ Ener­gie­trä­ger abge­si­chert, son­dern etwa durch „grü­nen“ Was­ser­stoff und „sau­be­re“ Antrie­be. Dies, wird ver­kün­det, kön­ne man regeln, wachs­tums­ori­en­tiert, klar: Die Bevöl­ke­rung möge wei­ter wach­sen, auf daß noch mehr Mil­li­ar­den in den Genuß der Welt kämen, und die Pro­duk­ti­ons­gü­ter in mil­li­ar­den­fa­cher Ton­na­ge auf inno­va­ti­ve Wei­se mit­wach­sen. Alles end­lich „fair trade“, alles „Bio“, alles mit Ethik-Siegel.

Der Krieg gegen den ver­meint­li­chen Unmen­schen Putin wird auch ver­stan­den als der Kampf der öko­lo­gisch ori­en­tier­ten Demo­kra­ten und inno­va­tiv-krea­ti­ven Men­schen­ret­ter gegen das fos­si­le Gaz­prom-Mons­ter, das die Welt an „Kli­ma­ga­sen“ zu ersti­cken droht und der Smart­heit neu­er Mensch­lich­keit so bru­tal wie plump­blö­de entgegensteht.

Läuft erst alles nach den Maß­ga­ben des neu­öko­lo­gisch, neu­li­be­ra­len und neu­lin­ken Wes­tens, dann, so die Ver­hei­ßung, wer­den wir alle geret­tet sein, ohne uns irgend­wie ein­schrän­ken zu müs­sen. Nur bit­te das nicht – kein Maß­hal­ten, kei­ne Ein­schrän­kung, son­dern dyna­mi­sier­tes grü­nes Wachstum.

Aber alles, was der Mensch aus­löst, ob fos­sil oder grün, zei­tigt unwei­ger­lich Fol­gen, da der Mensch auf der Welt eben kei­ne blei­ben­de Stadt hat. Für die ihn zeit­wei­se ber­gen­de Kunst­welt, in der er allein lebens­fä­hig ist, muß er die Natur tech­no­lo­gisch ver­brau­chen und wird an ihr zwangs­läu­fig schuldig.

Das war sei­ne Erb­sün­de als fos­si­ler Mensch, das wird sie blei­ben, wenn er rund­um grün all sei­ne Bedürf­nis­se mit grü­nem Was­ser­stoff, Wär­me­pum­pen und Solar­zel­len zu befrie­di­gen ver­steht. Aus sei­ner Son­der­rol­le in und gegen­über der Natur kommt er nicht her­aus. Nicht als der ers­te Adam, der er blieb und als der er den zwei­ten Adam ans Kreuz schlug, weil ihm des­sen Auf­for­de­rung zur Umkehr nicht paßte.

Wei­ter­hin ist der Mensch erlö­sungs­be­dürf­tig unter­wegs und hat alles an sich Gute ins Tran­szen­den­te gehoben. –

Nur pre­digt die Poli­tik ihm mehr denn je eine Erlö­sung, die es so nicht geben kann: Sich zur Befrie­di­gung längst maß­lo­ser Bedürf­nis­se legi­ti­miert fin­den und dafür das gro­ße Tech­nik-Besteck benut­zen, neben­bei doch noch die Welt ret­ten und wäh­rend­des­sen die anthro­po­lo­gi­sche Unwucht har­mo­ni­sie­ren, das funk­tio­niert nicht. Wir unter­mi­nie­ren per­spek­ti­visch unse­re natür­li­che Lebens­grund­la­ge, die sich erst wie­der rege­ne­riert, wenn wir, der Sün­den­fall, getilgt sein werden.

Aber kei­ne Sor­ge, bis dahin geht es für Wohl­ha­ben­de wei­ter wie bis­her – erst Teil­ha­be am Super-Markt, von dort dann, gut „ein­ge­stellt“, in den medi­zi­nisch-phar­ma­ko­lo­gi­schen Kom­plex, der das Stoff­wech­seln noch ver­län­gert, bis die Maschi­nen abge­stellt werden.

Wem das zu bit­ter ist:

Man soll­te dar­an nicht ver­zwei­feln, denn man kann nicht aus sei­ner Haut, also nicht aus sei­ner Art, aber: Man kann es als Pro­blem auf­ge­faßt wis­sen und die Ursa­chen der Welt­ver­ar­mung durch Über­ver­brauch kennen.

Wenn die „Gre­at Acce­le­ra­ti­on“ zwei­fels­oh­ne das Pro­blem ist, dann sehe man sich ver­glei­chend die Zeit davor an. Das mär­ki­sche Guts­dorf um 1900 … – Alles hat sei­nen Preis. Nicht immer ist der mit Geld zu mes­sen, oft eher mit Verlust.

Es gibt kein Zurück? – Nein. Genau das ist das Problem.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (20)

MARCEL

2. Juni 2022 16:01

Der letzte Satz trifft es!

 

Gracchus

2. Juni 2022 17:05

Ja, es wird enger, und das kann man seit einigen Jahren spüren, zugleich war es vorher schon eng genug. 

Und es werden auch die richtigen Stichworte genannt: Lebendigkeit und Sprache. Der gegenwärtige Sprachgebrauch entleert und verkehrt die Wörter, sie verlieren jeden Bezug zur Wirklichkeit. Lebendigkeit der Sprache: Poesie. 

Stimmt der letzte Satz? Ich habe wenig Neigung dazu, mich in irgendein ein Früher zurückzusehnen. Alles hat seine Zeit, auch die Klage über reale oder eingebildete Verluste. Aber führt nicht die Klage vielmehr zur Hoffnung? Was an früherer Zeit wertvoll war, ist nun aufgehoben im Mythos - und kann wiederkehren. Wieso also nicht hoffen? 

Dies sind eben langfristige Prozesse. Was verloren ist, was man sozusagen frei Haus geliefert bekam, muss man sich jetzt erarbeiten, dazu zählen Dinge, die keine Dinge sind, wie Familie, Gemeinschaft, Freundschaft. 

quarz

2. Juni 2022 18:01

"neuerdings Resilienz"

Das ist  mir noch nicht aufgefallen und wundert mich einigermaßen. Es wäre ja durchaus wünschenswert, wenn die Leute lernten, mehr auszuhalten. Aber die Zielsetzung, eine solche Disposition zu fördern, steht in auffallendem Kontrast zur woken Gewohnheit, über alles zu jammern und nach Sündenböcken zu suchen, die den Anlass des Jammerns durch Unterdrückung und Diskriminierung verschuldet haben.

Vielleicht ist die Resilienz ja nur als spezifisches Tuning für die Kartoffeldeutschen gedacht, die all die bunten Visionen ohne Widerworte schlucken und mit dem Ertrag ihrer Arbeitskraft finanzieren sollen, während all den zugereisten Opfergruppen weiterhin ihre wehleidigen Klagelieder als angemessener Ausdruck ihres mühseligen Daseins zugbilligt wird.

Maiordomus

2. Juni 2022 18:06

@Bosselmann. Vom Eindruck her wirken Sie als Rechtsgrüner, siehe auch die Wachstumskritik, der gegenüber zumindest aus Sicht einer konservativen Gesichtspunkt wenig Einwände zu erheben sind, sofern sich nicht gerade die Bevölkerungszahl ins Unermessliche vermehrt, siehe z.B. die Masseneinwanderung, wobei allein schon die in der Schweiz bis Jahresende erwarteten mehr oder weniger ukrainischen Flüchtlinge die Alemanneneinwanderung in der Völkerwanderung zwischen 250 und 600 zahlenmässig übertrifft. Usw.

Was Sie indes über das märkische Gutdorf ausführen, erinnert mich das etwas an die Verhältnisse sagen wir mal von Theodor Fontanes "Unterm Birnbaum", in Amerika an Millers Hexenjagd, oder in der Schweiz an Inglins Roman "Die Welt in Ingoldau": Als Leser solcher Literatur kennen Sie die Denkzwänge in solchen Gesellschaften, die zwar immerhin lange gegen schnelle Trends immun waren, was eher positiv als negativ zu werten ist. Finde die von @Gracchus ausgesprochenen Differenzierungen sehr angebracht. Natürlich aber haben Sie mit der selbstreferentiellen Bekenntniskultur und dem von oben verordneten "Gesicht zeigen" gegen das Nonkonforme recht, letzteres ist eigentlich "voll Nazi" oder auch kulturrevolutionär maoistisch. 

Niekisch

2. Juni 2022 18:34

"wir, der Sündenfall,"

Nein, Gefallene sind wir nicht, sondern wir haben uns einst von allen Vieren erhoben, unser Gehirn hat sich zur Wahlmöglichkeit entwickelt. Vor  annähernd 2000 Jahren wurde uns unsere Wahl gewaltsam genommen, vor 77 Jahren ebenfalls, heutzutage verwerfen wir unsere Wahl selber in submissiver Art und Weise.

 

Maiordomus

2. Juni 2022 19:30

Korr. an @Bosselmann: aus einer konservativen Perspektive spricht nichts Grundsätzliches gegen Ihre Wachstumskritik, siehe die Problematik der Masseneinwanderung. Die Schweiz richtet sich auf 200 000 ukrainische Flüchtlinge ein, was, sofern diese bleiben, die Alemannen-Völkerwanderung von 250 bis 600 übertrifft, z.B. auch den Anteil der seinerzeit durch die Alemannen zurückgedrängten Rätoromanen um ein Vielfaches übertrifft. Dieser Befund, über den niemand spricht, schon gar nicht die Regierung, ist der wahre Elefant im Raum. 

Nordlicht

2. Juni 2022 21:01

"Die eigentliche neue Armut ist aber weniger am Verlust von „Kaufkraft“ abzulesen, sondern vielmehr an der fortschreitenden Verödung von Natur und Landschaft, also am Artensterben und so am Schwund einstiger Lebendigkeit rundum."

Was für ein Durcheinander in diesem Text! 

Dass es auf der Erde enger ist mit 8 Mrd. Menschen als mit 1 Mrd. vor 200 Jahren, ist eine Binse. Dass es im Durchschnitt jedem einzelnen Menschen heute besser geht als damals, dass Ernährung, Krankenbehandlung und Bildung angeboten werden, scheint mit doch nicht unerheblich zu sein.

Ja, aber die Artenvielfalt und die romatischen Gutshöfe. Der Gutbesitzer wird das bedauern, bei den Knechten, deren Nachkommen nun Berufe lernen und frei ihr Leben gestalten können, sieht es anders aus.

Statt dieser grün-rechten Weltsicht wäre mir eine sozial-rechte wichtiger. Als mehr als 40 Jahren in Natur- und Umweltschutz Tätiger verrate ich mal: Die Erde geht nicht unter, der Zustand der natürlichen Umwelt ist anders, aber nicht durchweg schlechter als zB um 1800.  

Die Menschen werden voraussichtlich in 100 Jahren besser leben als heute - wenn nicht eine totalitäre verbrecherische Weltregierung die Menschheit verklavt.  Das halte ich für ein grösseres Problem als die Artenvielfalt von Flora und Fauna.

 

RMH

2. Juni 2022 21:05

Guter Text, der einmal wieder erinnert, dass das, was es eigentlich nicht gibt, am meisten propagiert wird. Ganz im Sinne des orwellschen Newspeak: "Courage" =  Füg Dich ein (= "fit for"), gegen Rassismus (= Rassismus gegen Deutsche), "Resilienz" (= Spring oder Schluck Pillen) etc.

Einziger, kleiner Kritikpunkt: Man kann gegen diese Tristesse, diese "Eloi-isierung" des weißen Menschen nur schwer eine andere Epoche als "idealere" setzen. Alle Zeiten hatten ihre Herausforderungen, heutzutage verengt es sich aber in der Tat. Die Flucht- und Exilkorridore werden schmaler - zumindest für Deutsche. Unsere Migranten haben längst ihre eigenen Welten etabliert und zeigen all dem, was von Deutschen gefordert wird (und was diese auch noch mehrheitlich brav mitmachen), gepflegt den Mittelfinger. 

Gracchus

2. Juni 2022 22:29

Dass mir bei Bosselmann wieder kanonische Zitate einfallen:

"Woraus aber ihnen die Geburt ist, dahin geht auch ihr Sterben nach der Notwendigkeit. Denn sie zahlen einander Strafe und Buße für ihre Ruchlosigkeit nach der Zeit Ordnung" (Anaximander)

"Mensch, werde wesentlich." (Angelus Silesius)

Gracchus

2. Juni 2022 22:45

Da liegen Sie, @quarz, vermutlich richtig. Das ist auch eine mehr als nur vernünftige Arbeitsteilung. Wer keine Empathie verdient hat, muss eben Resilienz ausbilden. 

@Nordlicht: Habe den Text etwas anders und vielleicht meine Ansichten hineingelesen. Enge habe ich als geistige Enge verstanden, Verlust an Vielfalt mehr noch bezogen auf die Konsumkultur. Vorweg sollte man sich bei solchen Texten die Einleitung von Straußens Bocksgesang in Erinnerung rufen. Man kann modernen Gesellschaften durchaus Bewunderung zollen. Dennoch sollten Verluste nicht verschwiegen werden, und die sind eklatant. Nicht umsonst haben sich Depressionen zur Volkskrankheit ausgewachsen. Und was ist gutes Leben? Ist gutes Leben, wenn ich mich möglichst lange selbst erhalten kann? Ist gutes Leben also Selbsterhaltung? 

Bei 8 Milliarden Menschen sind Verteilungskämpfe vorprogrammiert, das heißt sie haben längst schon begonnen. 

Mag sein, dass die Natur viel aushält, aber die massenhafte Tötung von Tieren ... ist doch pervers.

Lausitzer

3. Juni 2022 02:10

"Es gibt kein Zurück? – Nein. Genau das ist das Problem."

Doch, den gibt es. Das ist der Weg der Buße, der Rückkehr zu Gott. Dafür ist Christus ans Kreuz gegangen. 

Laurenz

3. Juni 2022 03:14

@Niekisch

Herzlichen Dank!

@HB (1)

Mit den platten Sprüchen unseres Neo-Sozialismus liegen Sie, in meinen Augen, richtig. Aber das war's auch schon. Meine kleinbürgerliche Urgroßeltern-Generation hatte es vergleichsweise gut. Sandsteinmetz in Unterfranken, ehemaliger Chemiefacharbeiter in Höchst, ausgestiegen, der nach Steiner einen ärmlichen Hof betrieb, ein Reichsbahner in Düsseldorf & wie sein Vorbild Jesus, ein Zimmermann & Prediger auch in der Perle des Ruhrgebiets. Alle 4 hatten natürlich gute Frauen.

Die Mutter einer Ex-Liebschaft (Vorstandssekretärin bei Volkswagen) stammte aus Westpreußen, dort aus einer Tagelöhner-Familie auf dem Land. Deren Leben war ganz sicher nicht so romantisch, wie Sie es beschreiben. Gerade in der Kaiserlichen Marine, HB, zeigte sich der Nachteil der sozialen Abgrenzung, dem erst die Nationalsozialisten entgegen wirken konnten. Auch das widerspricht Ihrem Idyll.

Laurenz

3. Juni 2022 03:17

@HB (2)

Heute kosten handgenähte Lederschuhe aus Ungarn, sehr gute Qualität 500 Euro, vom deutschen Schuhmacher über 1.000. Kann man gut finden oder auch nicht. Mit 7 Kindern würde das auch für einen kleinen, aber großen rechten Verleger schwierig.

Die Wegwerfgesellschaft begann in meinem Hinterkopf bereits am Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Osram-Syndikat. Stimmt aber nicht, das  https://de.wikipedia.org/wiki/Phoebuskartell entstand erst 1924. Hier muß ich Ihnen zustimmen, die Obsoleszenz ist ein globales Trauerspiel. Hier wäre ein grundlegendes Umdenken erforderlich. Hier dazu eine ARTE-Doku https://youtu.be/3azlyOCrssY

Da werden auch DDR-Produkte angesprochen, die keine Obsoleszenz kannten.

Gibt auch sonst Ausnahmen. Meine hervorragende AEG-45cm-Spülmaschine ist bereits 26 Jahre alt & zeigt erst kleine Verschleißerscheinungen.

Old Linkerhand

3. Juni 2022 07:17

Respekt war gestern, heute heißt das Respect. Das von mit gegründete Institut für Resilienzforschung hilft Menschen sich in unübersichtlichen Zeiten zurecht zu finden. Wir werden mit EU-Mitteln  und vom Familienministerium (FaMini) gefördert. Sie wurden gruppenvergewaltigt? Kopf hoch, das Leben geht weiter!

frdnkndr

3. Juni 2022 08:17

"Permanentes Bezeichnen und Benennen zeigt das Fehlen des Bezeichneten sicher an, mindestens den Schwund an Qualität. Werbung wirbt ja gleichfalls mit Attributen, die sich am Beworbenen nicht bestätigt finden."

Volle Zustimmung Herr Bosselmann - aber bitte gestatten Sie mir die Frage, weshalb ihnen Obenstehendes nicht auch bei den sgnt. Coronamaßnahmen und hier konkret der 'Impfung' aufgefallen ist, so dass Sie noch vor gerademal ein paar Monaten sogar der Meinung waren, einen ganz offen für eine allgemeine Impfpflicht (kleiner ging es nicht?) eintretenden Artikel veröffentlichen zu müssen?

Kennen Sie den Hashtag '#ichhabemitgemacht'?

Umlautkombinat

3. Juni 2022 10:03

aber bitte gestatten Sie mir die Frage, weshalb ihnen Obenstehendes nicht auch bei den sgnt. Coronamaßnahmen und hier konkret der 'Impfung' aufgefallen ist

Ohne natuerlich eine persoenliche Antwort ersetzen zu koennen: Weil harte Propaganda aufgesetzt auf einem menschlich grundlegenden Thema etwas Anderes ist. Behaelt man Ihre Assoziation im Sinn weitgehender Gleichheit bei, koennte man auch jede Propaganda einfach durch Werbung ersetzen. Das geht deswegen nicht, weil sie halt ein paar Alleinstellungswerte besitzt (generell und zum konkreten Themengebiet welches sie beackern soll noch einmal speziell). Fasst sie den richtigen Haken, faellt auch intelligenten Leuten u.U. eben nichts auf.

Nemo Obligatur

3. Juni 2022 11:06

Ganz starker Text! Bitte irgendwo abdrucken.

Kommt in meine persönliche "HB-Top-Liste" auf der ganz oben stehen "Mach doch mal 'nen Waldlauf" und ein Beitrag, in dem Männer in Mecklenburg erst den Grünstreifen abgesenst und dann gemeinsam ein Bier aus der Flasche getrunken haben.

Jetzt können von mir aus wieder zwei misslungene Texte aus dem Plattenbau folgen :-)

Gotlandfahrer

3. Juni 2022 15:01

Es gibt kein Zurück? – Nein. Genau das ist das Problem.

Wieso Problem?

https://www.youtube.com/watch?v=7sn-Mdo0BD8

Kositza: Dachte kurz, GK steht für Götz K. und wollte mich schon beschweren.

Gracchus

3. Juni 2022 18:43

Heute habe ich einen Blick in die Zukunft erhascht: Und ja, es wird enger. In vollgestopften Zügen, die mit 2 Stunden Verspätung nirgendwo ankommen. Dafür aber billig.

Volksdeutscher

3. Juni 2022 22:49

@Laurenz - "Heute kosten handgenähte Lederschuhe aus Ungarn, sehr gute Qualität 500 Euro, vom deutschen Schuhmacher über 1.000. Kann man gut finden oder auch nicht."

So ab 600,- €uro aufwärts bekommt man meines Wissens jene Schuhe. Dieser Preis ist freilich nur der Eintrittspreis, denn es handelt sich dabei nicht um individuell angefertigte, sondern um halbseriell gefertigte Schuhe. Sollte Ihnen das zu billig sein, kein Problem, die im Pariser Hof, Budapest residierende Schuhmachermanifaktur wird nach Ihren Füßen Gipsabdrücke und nach denen wiederum die Holzleisten anfertigen. Ich habe jetzt keine exakte Kalkulation aufgestellt, aber wir haben inzwischen die tausend €uro Grenze überschritten und Sie stehen da immernoch ohne Schuhe barfüßig im Laden herum.... Natürlich gibt es auch andere Schuhmanufakturen in Budapest, aber die Arbeitsmethoden evozieren überall ungefähr die gleichen Preisvorstellungen. Es gibt auch deutsche Hersteller halbserieller Schuhe, so z.B. Shoepassion mit sehr guter Qualität und Auswahl, den ich Ihnen unbedingt empfehlen möchte (diese Schuhe werden im Ausland hergestellt).