Veranstalter ist das Institut für Staatspolitik. Beginn des Vortrags zum Thema “Nach dem Parteitag – die AfD und ihr Wählerpotential” ist um 19 Uhr, Einlaß ist ab 18.30 Uhr, Veranstaltungsort eine Lokalität unmittelbar am U‑Bahnhof Lichterfelde Ost. Bitte melden Sie sich an unter anmeldung(at)staatspolitik.de, Sie erhalten dann eine Bestätigung und die Adresse des Lokals. Ein Beitrag wird nicht erhoben, 20 Hörerplätze sind noch frei.
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Wie ist die Lage und Zukunft der AfD vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Parteientwicklung zu betrachten? In der AfD dürften derzeit die Telefone und Chatgruppen heiß laufen. Viel wird über Personalien, Mehrheiten, Listen und Schiedsgerichtsurteile debattiert und gestritten. Inzwischen haben die Delegierten ein recht umfangreiches Vorabangebot von ambitionierten Parteikadern, die innerhalb der kommenden zwei Jahre die AfD führen werden.
Der kommende Bundesvorstand wird dann unter anderem noch in diesem Jahr die niedersächsische Landtagswahl mitverantworten und ab dem kommenden Jahr mindestens drei weitere Landtagswahlen in Westdeutschland, die Europawahlen 2024, zehn Kommunalwahlen und vermutlich auch die Weichen für drei entscheidende Ost-Wahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen stellen.
Manche Mitglieder sehen diesen Parteitag in seiner historischen Bedeutung ähnlich richtungsweisend, wie jenen 2015, als der Mitgründer und damalige Vorsitzende Bernd Lucke abgewählt wurde. Ob derartige Absolutionen und zwanghafte Schicksalsanlehnungen weiterhelfen, müssen andere beurteilen. Wir wollen an dieser Stelle lediglich einen generellen Lageüberblick und Ausblick geben.
Die sächsischen Kommunalwahlen am letzten Sonntag haben gezeigt, daß die aktuelle Krise der AfD ein Phänomen der Gesamtpartei ist. Auch wenn die Wählergesetze (niedrige Wahlbeteiligung, stärkerer Kandidatenfaktor, regionale Spezifika) auf der Kommunalebene anders funktionieren als bei Landtags- oder Bundestagswahlen, so kann nicht darüber hinweggetäuscht werden, daß im Vergleich zu den letzten Wahlen in Sachsen, die AfD in den Landkreisen teilweise über die Hälfte ihrer Wähler verliert, obwohl die Wahlbeteiligung selbst nicht über die Hälfte eingebrochen ist.
Sachsen gilt in der AfD noch immer als Erfolgslaboratorium der Partei, welches auch als Blaupause für den Rest der Republik dienen sollte.
Die starken Ergebnisse bei den letzten Wahlen drängen auch mittelfristige Fragestellungen von realpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten auf. Ein Ergebnis bei der kommenden Landtagswahl 2024, welches ungefähr an das Niveau und die Konstellation der Stimmenverteilung von der Bundestagswahl 2021 anknüpft, würde in Sachsen sowohl der CDU als auch der SPD ernsthafte Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung bereiten.
Für eine solidere Ausgangsposition, stärkere Verwurzelung und grundsätzliche politische Druckerhöhung im Freistaat, wäre ein Ausrufezeichen bei den sächsischen Kommunalwahlen durchaus von Bedeutung gewesen. Nun gilt es genau zu analysieren, in die Wahlkreise zu schauen, Wählerabwanderungsbewegungen zu identifizieren und die Wahrnehmungseffektivität der eigenen Kampagnen zu evaluieren.
Auf Bundesebene hört man aus vielen Lagern blumige Worte von der Besinnung der AfD auf die eigenen Kernkompetenzen und das eigene Grundsatzprogramm, dessen Vermittlung je nach Lagersympathie grundsätzlicher und konsequenter oder sensibler und anschlussfähiger kommuniziert werden müsse. Die Wähler werden in diesem Denken zum rationalen Subjekt, welches im richtigen Momentum auf die richtigen Inhalte stößt und zu Einsichten der faktischen Wahrheit kommt.
Was folgt, sind die großen Luftschlösser, die manche Funktionäre ausmalen, von Stimmenpotentialen um die 25–30%, die aktuell nur aufgrund des Öffentlichkeitsauftritts und der medialen Wahrnehmung nicht aktiviert werden können.
Dieses Denken ist jedoch auch mit einer Erkenntnislücke verknüpft, die die festgefügten und milieuspezifischen Strukturen des deutschen Parteiensystems ignoriert. Die AfD hat ihre Rolle und historische Identität innerhalb des bundesrepublikanischen Parteiensystems noch nicht abschließend gefunden.
Die einen sehen die AfD als Lückenfüller eines Bürgerblocks, der Union und FDP als vormalige Repräsentationskraft des konservativen Bürgertums ablöst. Andere sehen in der AfD-Wählerzusammensetzung wiederum das Auftreten einer neuen Klassenfrage, in der die ökonomischen Zuspitzungen und Transformationen der Globalisierung auch in einem deutschen Momentum des Rechtspopulismus münden. Der Blick auf die Studienlage zur AfD-Wählerstruktur und Potentiale verdeutlicht zumindest eine inhomogene Identität der Partei, in der beide Pole aufeinandertreffen.
Unproblematisch ist diese Milieudifferenzierung im Hinblick auf ihre kulturellen Wertemuster und ihre politisch-emotionale Verfassung. Der AfD fiel es leicht, im Zuge der Euro- und Migrationskrise ein skalierungsfähiges Wählerpotential zu mobilisieren, welches die Partei in alle deutschen Landesparlamente und den Deutschen Bundestag trug. Es waren die Unzufriedenheit, der Verdruß und auch die Wut, die als verbindende Klammer und lagerübergreifend in verschiedene soziale Milieus ausstrahlte und die AfD erfolgreich machte.
Seit zwei Jahren scheint dieses Potential jedoch ausgeschöpft zu sein. Bei der Bundestagswahl 2021 verlor die AfD in Summe knapp zwei Millionen Wähler. Ähnliche Verluste sind bei den Landtags- und Kommunalwahlen zu beobachten. Corona und die Ukraine-Krise ließen sich nur schwer in die eigene programmatische Themenklaviatur integrieren.
Die AfD ist nun an dem Punkt, an dem schon viele erfolgreiche Protestparteien, links wie rechts, vor ihr standen. Ihr Vorteil ist jedoch ihre komfortable Position, die sie sich durch die einzigartige Erfolgsdynamik aufgebaut hat. Der Maßstab eines möglichen „Scheiterns“ der AfD würde sich vermutlich nicht, wie bei ihren Vorgängern unterschiedlicher Protestparteien, anhand einer totalen politischen Bedeutungslosigkeit und ausbleibenden Repräsentation in den Parlamenten äußern. Dafür aber in einer Sackgasse, in der sie zwar weiterhin auf die Ressourcen des Parlamentsbetriebs zugreifen kann, aber politisch unwirksam bleibt und lediglich die Projektionsfläche ihrer Gegner ist, um damit stets neue verschärfende Maßnahmen im „Kampf gegen Rechts“ zu legitimieren.
Protestparteien lebten immer von politischen Initialzündungen und Impulsen aus dem Nichtwählerlager und Absetzbewegungen ihrer weltanschaulichen Parteipendants. Die Politologie geht für den Erfolg von rechtspopulistischen Parteien von einem Modell der politischen Gelegenheitsstrukturen aus, in denen rechte Parteien anhand verschiedener gesellschaftlicher Konstellationen Erfolge erzielen können. Diese Gelegenheitsstrukturen können sowohl diskursiver (Resonanzfähigkeit eines polarisierenden öffentlichen Themas), aber auch institutioneller Natur sein (Unterstützung von gesellschaftlichen oder politischen Eliten).
Zwei entscheidende Merkmale dieser Gelegenheitsstrukturen liegen einerseits in der jeweiligen Regierungskonstellation, wonach die konkurrierende Protestpartei gegenüber der etablierten Partei auf ähnlich soziostrukturelle Milieus zurückgreifen kann. Insbesondere in Vertrauens- und Legitimationskrisen der Unionsparteien konnten auch rechte Parteien Erfolge erzielen.
Dies war bspw. 1983 bei der Gründung der Republikaner der Fall, als Helmut Kohls beschworene „geistig-moralische Wende“ als Gegenpart zum 68er-Geist sich als leere Wahlkampffloskel abzeichnete. Oder 1969, als die NPD fast in den Bundestag einzog, da die CDU in der Großen Koalition mit der SPD völlig ausgezehrt war.
Hinzu kommt ein strategisches Momentum, in dem gesellschaftliche Diskurse nicht mehr in ihrer Pluralität über die etablierten Parteistrukturen abgebildet werden. Die bereits 2010 angestoßene Sarrazin Debatte wurde vom Establishment diffamiert und ignoriert, wodurch die Nachfrage eines parteipolitischen Repräsentationsangebotes stieg. Schon damals prognostizierten Demoskopen ein mögliches Wählerpotential von knapp 20%.
Doch Potentiale allein reichen nicht aus. Sie müssen auch organisatorisch, logistisch und strategisch über Parteien aktiviert werden und korrespondieren dabei, mit den beschriebenen Vertrauens- und Legitimationskrisen des etablierten Parteienblocks.
Diese Vertrauenskrisen haben sich in der bundesdeutschen Geschichte der (rechten) Protestparteien jedoch zumeist nur als temporäre Mobilisierungszyklen gezeigt. Mittel- und längerfristige Abwärtsbewegungen führten zu Ungeduld und innerparteilichen Richtungskämpfen, in denen man zumeist als nicht wahrnehmbare Kopie des etablierten Angebots endete, oder in zunehmenden Selbstradikalisierungstendenzen, an dessen Ende nur noch ein sektenhaftes Dasein übrigblieb.
Diese Wege müssen für die AfD keine Zwangsläufigkeit sein. Sie steht durch ihre regionalen Stärken und gesamtelektorale Stammwählerschaft von gut 7–8 % vor ganz anderen Bedingungen. Möglicherweise durchschreitet die Partei zunächst eine Talsohle, die ihr die Möglichkeit der eigenen Strukturstärkung und Milieubildung gibt.
Entscheidend ist jedoch, daß sie genau diese Erfordernisse der Professionalisierung, Kampagnenfähigkeit, Vorfeldstrukturbildung, Graswurzelarbeit, Analysestrukturen als Großprojektaufgaben verstanden werden und die Befähigung ihres künftigen Führungspersonals genau an diesen Punkten auch gemessen wird.
Laurenz
So reagiert eine SPD-Größe auf schlechtere Werte.
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/schwesig-popularitaet-sackt-ab-politikerin-heuert-neue-pr-kraefte-an/
Das erinnert mich an die letzte Kandidatur von Curio zum Parteisprecher. Der hatte als elementaren Inhalt Seiner Kandidatur den öffentlichen Auftritt der Partei im Fokus. Natürlich hat das immer 2 Seiten. Auch ein Curio könnte für Kleinigkeiten einen Mode-Berater gebrauchen.
An der parlamentarischen Oppositionsarbeit gibt es eigentlich wenig zu mäkeln. Momentan haben die Bürger andere Sorgen als die AfD. Die Nummer mit der Graswurzel kommt dann von selbst, wenn man erfolgreich ist. Um erfolgreich zu sein, braucht man öffentliche Wahrnehmung. Das sieht Frau Schwesig wohl genauso. Herzerweichende Geschichten abseits von Covid & der Ukraine, eher mal gerettete Inflationsopfer oder glückliche Jugendliche, die vor einer dämlichen Geschlechtsumwandlung bewahrt wurden, bringen mehr, als Lippenbekenntnisse, vor allem dann, wenn man keine Sahra Wagenknecht oder einen Robert Redford für Arme in den eigenen Reihen hat.