Bildung: Ruhe statt Kampagnen

Bevor man die einzelnen Bildungsstudien liest, hier mal eine Faustregel:

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

Etwa ein Fünf­tel aller Schü­ler ver­sagt in den wich­tigs­ten Anfor­de­run­gen. Sie wer­den häu­fig ihre Aus­bil­dung abbre­chen und im Leben wie Beruf mit Her­aus­for­de­run­gen, vor allem aber mit sich selbst erheb­li­che Pro­ble­me haben. Mitt­ler­wei­le also eine kul­tu­rel­le Kon­stan­te: Zwan­zig Pro­zent poten­ti­el­le För­der­fäl­le für Maß­nah­me­kar­rie­ren in Ver­ant­wor­tung der Ämter und nach Sozi­al­ge­setz­bü­chern. Die meis­ten davon übri­gens männlich.

Die „Bil­dungs­for­schung“ stellt die desas­trö­sen Wer­te jedes Mal aufs neue kon­ster­niert fest, emp­fiehlt dann nach so hef­ti­ger wie kur­zer Auf­re­gung fata­ler­wei­se aber genau jene Metho­den, die mit­ten in das Desas­ter hin­ein­führ­ten, oder sieht das Unver­mö­gen als pri­mär sozi­al ver­ur­sacht an.

Eher noch könn­te man dar­über nach­sin­nen, ob nicht Benach­tei­lig­te – mit „Han­di­cap“ – oder Antriebs­schwa­che rela­tiv sogar bes­se­re Chan­cen haben als Talen­tier­te und Enga­gier­te, gehört jenen doch die gan­ze Auf­merk­sam­keit der Schu­le, wäh­rend die­se für sich selbst sor­gen müssen.

Die neu­er­lich im natio­na­len Bil­dungs­be­richt im IQB-Bil­dungs­trend und im Schul­ba­ro­me­ter der Robert-Bosch-Stif­tung fest­ge­stell­te Bil­dungs­mi­se­re ist zwar system‑, soll aber als pan­de­mie­be­dingt dar­ge­stellt wer­den. Genau damit ver­sucht sich das Sys­tem selbst über sein jahr­zehn­te­lan­ges Ver­sa­gen hin­weg­zu­trös­ten. Erfor­dert wäre, end­lich den Blin­den Fleck zu bezeich­nen, der nicht erken­nen läßt, was ganz sub­stan­ti­ell und wesent­lich nicht stimmt:

Schu­le und Bil­dung sind Pro­jek­ti­ons­flä­chen sozi­al­po­li­ti­scher Wunsch­vor­stel­lun­gen der Ber­li­ner Repu­blik. Sie sol­len juris­tisch garan­tie­ren, was sie inhalt­lich nicht mehr erar­bei­ten können.

Die der­zei­ti­ge Bil­dungs­bü­ro­kra­tie, allein ideo­lo­gi­schen Vor­ga­ben fol­gend, wird nicht in der Lage sein, kri­ti­sche Distanz zur selbst­ver­ur­sach­ten Fehl­ent­wick­lung ein­neh­men zu kön­nen. Refor­men, die prin­zi­pi­el­le Ver­bes­se­run­gen erwar­ten las­sen, sind daher undenk­bar; es wird bei unge­len­ken poli­ti­schen Kam­pa­gnen und den übli­chen Phra­sen bleiben.

Ganz abge­se­hen davon, daß ein Bil­dungs­sys­tem zunächst mal sein Men­schen­bild und damit sei­nen genau­en Begriff von Bil­dung klä­ren bzw. revi­die­ren müß­te, hier jen­seits bereits beschrie­be­ner Ursa­chen nur ein Aspekt, weil sich dar­an eine ganz augen­fäl­li­ge kul­tu­rel­le Ver­än­de­rung bemer­ken läßt:

Her­an­wach­sen­den gelingt es immer weni­ger, a) sich für Unter­richts­ar­beit zu moti­vie­ren, b) sich dar­auf zu kon­zen­trie­ren oder zu fokus­sie­ren und c) dabei Aus­dau­er zu entwickeln.

Leh­rern fällt es daher immer schwe­rer, über­haupt einen kom­mu­ni­ka­ti­ven Zustand her­zu­stel­len, mit dem ein wirk­sa­mer päd­ago­gi­scher Pro­zeß begin­nen könn­te. Offen­bar wird bereits früh zu wenig ein­ge­übt, daß mög­lichst nur einer spricht, und zwar zunächst der­je­ni­ge, der etwas zu sagen hat, bei­spiels­wei­se die Mut­ter oder eben die Lehrerin.

Es wird viel­fach zum Gegen­teil erzo­gen: Du bist wich­tig, äuße­re dei­ne Bedürf­nis­se, tei­le dring­lich mit, was du jetzt brauchst.  Auf die­se Wei­se wird Impuls­kon­trol­le gera­de nicht erlernt.

Als Men­tor im Inter­nat begeg­ne­ten mir viel­fach neu ankom­men­de Fünft­kläß­ler, die es von ihren Eltern­häu­sern her über­haupt nicht gewohnt waren, daß jemand ihr hek­tisch-hilf­lo­ses Geplap­per über­haupt unterbrach:

„Halt, Jun­ge. Du bist jetzt nicht dran. Bit­te höre mir auf­merk­sam zu. Bin ich fer­tig, fra­ge ich dich. So her­um, nicht anders.“

Der­glei­chen hat­ten sie noch nie gehört. Sie sahen erstaunt zu mir auf. Ich trös­te­te: „War­te ab. So läuft es bes­ser. Erst bin ich dran, dann höre ich dir zu.“ Wir übten das so ruhig wie kon­se­quent ein. Die Klei­nen mach­ten die Erfah­run­gen, daß ihnen das Sicher­heit gibt.

Der Men­tor stellt klar, was er wahr­nimmt und dar­auf­hin vor­hat, er setzt die Regeln, aber er hört gleich­falls sehr auf­merk­sam zu und steht in vol­ler Ver­ant­wor­tung. Ver­spricht er etwas, hält er es; Ver­bind­lich­keit ist das Wich­tigs­te, für ein Kind wie über­haupt. Nur diri­giert der Men­tor den Ablauf. Er ist nun mal der Boss. Das ist er, weil er die Über­sicht hat und als Erwach­se­ner die Mit­tel, jedem Kind ver­läß­lich hel­fen zu können.

Mit 24 Kin­dern auf dem Inter­nats­flur ging’s nicht anders. Das hat nichts mit „Yes, Sir!“-Pädagogik zu tun, wenn Erzie­hung von Ein­füh­lungs­ver­mö­gen gelei­tet ist. Sich ein­füh­len zu kön­nen heißt jedoch nicht, jedem Bedürf­nis reflex­ar­tig zu ent­spre­chen. Wich­ti­ger ist‘s, Kin­der hel­fend zu beglei­ten, ihre Ange­le­gen­hei­ten bald weit­ge­hend selbst zu regeln – in Wahr­neh­mung ihres Teils der Verantwortung.

Ist ein­gangs nicht klar, wer spricht und wer dann zuhört, quatscht ein­fach jeder rein. Das wird in Klas­sen mit 30 Schü­lern zum Pro­blem. Daher die mas­si­ve Unru­he und die damit ver­bun­de­ne zap­peln­de Ner­vo­si­tät vie­ler, die Kol­le­gen wie ruhi­ge­re Kin­der am Reiz­feld Schu­le so irre wer­den läßt.

Wäh­rend ich in den Neun­zi­gern mit Schü­lern noch kraft­vol­le Aus­ein­an­der­set­zun­gen zu füh­ren hat­te, es also durch­aus um die Durch­set­zung von Dis­zi­plin ging und dies­be­züg­lich Sträu­ße aus­zu­fech­ten waren, fehl­te den Jun­gen in den Nuller- und Zeh­ner­jah­ren dazu bereits der Mumm. Vita­le Reni­tenz schwand. Viel­mehr fiel es schwer, die fla­chen Lei­den­schafts­am­pli­tu­den zu ver­stär­ken, also Schü­ler selbst für inter­es­san­te Ange­bo­te über­haupt zu mobi­li­sie­ren und sie dann bei der Stan­ge zu hal­ten. Sie schie­nen zuneh­mend, nun ja, amorph und der Entro­pie hilf­los aus­ge­setzt. Wie­der­um erwie­sen sich die Mäd­chen als ver­gleichs­wei­se ener­gi­scher; eher die Jun­gen ver­lo­ren an Form. Immer mit Aus­nah­men, klar, aber die Aus­nah­men sta­chen deut­li­cher heraus.

Auch des­we­gen galt bald jeder, der über­haupt in Gang kam, der sich inter­es­sier­te und etwas leis­te­te, als immens begabt. Und wir lob­ten sol­che Kin­der, bis es denen schon pein­lich war, weil sie nicht als uncool gel­ten woll­ten. Cool war man, wenn man durchchillte.

Aber selbst die ansons­ten Sedier­ten wähn­ten sich mit ihren augen­blick­li­chen Bedürf­nis­sen vor­dring­lich wich­tig und waren oft genug mit einer Affek­tiert­heit unter­wegs, als hät­ten sie eine Rund­um­leuch­te auf dem Kopf. Jeder will sofort gehört und in sei­nen Bedürf­nis­sen sogleich bedient wer­den – selbst­ver­ständ­lich vor allen ande­ren. Ich, ich, ich ich! Das Phä­no­men des kind­li­chen Nar­ziß­mus wird im Feuil­le­ton gera­de viel­fach beschrie­ben. Kei­nen Impus zurück­stel­len zu kön­nen erhöht in Sum­me enorm den Geräusch­pe­gel an Schu­len. Es stellt sich eine hek­ti­sche Kon­kur­renz um Auf­merk­sam­keit ein.

Jun­ge Kol­le­gen wol­len dann „demo­kra­tisch“ irgend­wel­che „Gesprächs­re­geln“ aus­han­deln, die trotz der dann geschlos­se­nen „Ver­ein­ba­rung“ nicht funk­tio­nie­ren, selbst wenn sie auf einem bun­ten Pos­ter vorn ange­pinnt werden.

Sol­che Regeln müs­sen ein­gangs nicht aus­ge­han­delt, son­dern gesetzt wer­den. Eine Aus­spra­che, die bei Kin­dern eine Ver­nunft vor­aus­setzt, die so kaum Erwach­se­nen zukommt, führt unwei­ger­lich ins Cha­os. Schon dabei möch­te jeder der Aller­wich­tigs­te sein, um sich dann häu­fig nicht an die eige­nen Vor­schlä­ge zu halten.

Erst wenn die gesetz­ten Regeln akzep­tiert und ein­ge­übt sind, kann sogar eine freie Aus­spra­che funk­tio­nie­ren. Alles bedarf der Übung, sogar die Art und Wei­se, in der man sei­ne Ängs­te, Nöte und Wün­sche klar for­mu­lie­ren kann.

Ver­hal­tens­auf­fäl­li­ge Kin­der, die neu­er­dings ver­nied­li­chend als „ver­hal­ten­so­ri­gi­nell“ bezeich­net und ent­spre­chend einer viel­fach attes­tier­ten Pau­schal­dia­gno­se im Sin­ne eines „För­der­schwer­punkts emo­tio­nal-sozia­le Ent­wick­lung“ geführt wer­den, gewin­nen Sicher­heit über eine Klar­heit der Kom­mu­ni­ka­ti­on, für deren Gewähr­leis­tung es an sich kei­ner außer­or­dent­li­chen Stren­ge bedarf.

Natür­li­che Auto­ri­tät reicht aus, ermög­licht Ori­en­tie­rung und sichert Ver­bind­lich­keit. Nur ver­trü­ge die moder­ne Päd­ago­gik nicht mal die­sen ein­fa­chen Satz, son­dern ver­stün­de ihn wegen der Begrif­fe Auto­ri­tät und Ori­en­tie­rung (Gar noch Füh­rung!) ver­mut­lich als quasifaschistisch.

Zum ande­ren muß der Leh­rer oder Erzie­her in Ergeb­nis eige­ner per­sön­li­cher Rei­fung sei­ne natür­li­che Auto­ri­tät über­haupt erst aus­ge­bil­det haben. Auto­ri­tät aber ist so ver­pönt, daß immer weni­ger dar­über ver­fü­gen. Ohne Auto­ri­tät auch kein Cha­ris­ma. Und umge­kehrt. Daher sind die soge­nann­ten Erwach­se­nen mit­un­ter so hilf­los wie die Kin­der. Oft wer­den sie von ihnen diri­giert, was letzt­lich wie­der­um die Kin­der im Stich läßt.

Offen­bar wur­den Kin­der noch nie vor einem so pro­ble­ma­ti­schen Hin­ter­grund groß. Sie sind sehr früh von Medi­en ver­ein­nahmt, die sie – im Wort­sin­ne – in den Bann zie­hen. Star­ke Rei­ze, schnel­le Rei­ze, Reiz­stei­ge­rung, Reiz­ab­wechs­lung – und das alles in for­cier­ter Fre­quenz, also als Reizüberflutung.

Galt frü­her das Fern­se­hen als kul­tur­ge­fähr­dend, dürf­te es jetzt bereits als hohe kul­tu­rel­le Anfor­de­rung gel­ten, über­haupt Spiel­fil­me, selbst frag­wür­di­gen Niveaus, in vol­ler Län­ge anzusehen.

Sogar Face­book und Insta­gram wir­ken gegen­über Tik Tok bereits anti­quiert. Denn bei Tik Tok ist ADHS selbst zum Pro­gramm gewor­den. Sekun­den­lan­ge Film­chen, das meis­te davon wert­los und flach­wit­zig, aber selbst bei Vide­os von fünf­zehn oder sech­zig Sekun­den Län­ge erscheint häu­fig der Unter­ti­tel: „Bit­te bis zum Ende schau­en!“ Den meis­ten reißt schnel­ler der Faden. Aber sie kön­nen end­los weiterzappen.

Digi­ta­le Gerä­te sind famo­se Werk­zeu­ge. Sie avan­cie­ren jedoch zu Feti­schen. Und ihre Hand­ha­bung, das Kli­cken und Wei­ter­kli­cken und Weg­kli­cken, die schnel­len Wech­sel, das Auf­plop­pen von Fens­tern, die beweg­ten Bil­der, zudem die Mög­lich­keit, kurz­fris­tig dort aus- und da wie­der ein­zu­stei­gen, immer­fort also unter­bre­chen zu kön­nen und hin und her zu swit­chen, etwas flott hin­schrei­ben, es aber eben­so schnell ver­sen­ken zu kön­nen, die­se Spe­zi­fi­ka also ver­stär­ken die inne­re Unru­he des kind­li­chen Nut­zers. Ruhi­ge Ste­tig­keit kann über Digi­tal­ge­rä­te kaum ver­mit­telt wer­den, erst recht nicht, wenn neben dem Lap­top, Tablet oder PC noch das Smart­phone liegt und sei­ner­seits per­ma­nent Signa­le gibt.

Schul­un­ter­richt hat­te in den Neun­zi­gern wohl Mühe, mit RTL II zu kon­kur­rie­ren, aber gegen­über vie­len Apps und Spie­len hat er von vorn­her­ein verloren.

Wenn er sich nicht selbst als das heil­sa­me Gegen­pro­gramm zu all dem netz­ge­stütz­ten Miß­brauch neu zu eta­blie­ren ver­steht. Anstatt sich einem für kind­lich und jugend­lich gehal­te­nen Geschmack wür­de­los anzu­bie­dern und damit sogar Tik Tok top­pen zu wol­len, soll­te die Schu­le in anti­zy­kli­scher Wei­se dar­auf set­zen, ech­te Erfah­run­gen erleb­bar zu machen, die durch­aus heil­sam sind:

Siche­rung ruhi­ger Abläu­fe jen­seits der Dau­er­ner­vo­si­tät, Wahr­neh­mun­gen zu Ver­tie­fung und sogar Ver­in­ner­li­chung, Aus­bil­dung von Aus­dau­er, Befä­hi­gung zur Gründ­lich­keit, zur Impuls­kon­trol­le und end­lich, end­lich zu einer Selbst­re­gu­la­ti­on, die Kin­dern – zu deren eige­ner Frus­tra­ti­on – häu­fig fehlt, ihnen aber spä­ter den Spiel­raum von Frei­heit ermög­licht, die im Ver­mö­gen liegt, zu sich selbst und andrän­gen­den Impul­sen auf Distanz zu gehen.

Daß ver­meint­lich moder­ne Grund­schul­päd­ago­gik als ers­tes auf die Pfle­ge der gebun­de­nen Hand­schrift ver­zich­te­te, erscheint sym­pto­ma­tisch, war doch das Schrei­ben­ler­nen über Jahr­hun­der­te eine Art Ein­wei­hungs­akt: Das Kind übte Gra­phe­me sei­ner Mut­ter­spra­che als Sym­bo­le des Welt­den­kens ein, mit denen es spä­ter sein Erle­ben, Emp­fin­den und Den­ken abbil­den und ihm so Dau­er ver­lei­hen konn­te. Die eige­ne Schrift wies einen aus.

Die eige­nen Gedan­ken gin­gen durch die eige­ne urver­trau­te Hand, die in indi­vi­du­el­ler Wei­se die Feder führ­te. Was für ein kon­zen­trier­ter und kon­tem­pla­ti­ver Akt, die­se Feder­füh­rung, die in Gestalt der Schrift zum Aus­druck der Per­sön­lich­keit wur­de, unver­wech­sel­bar wie das eige­ne Gesicht.

Die­se Kul­tur­tech­nik wur­de mit ver­schie­de­nen Begrün­dun­gen ver­krüp­pelt, ja, sie ist wei­test­ge­hend bereits ver­lo­ren. Erst lern­ten Kin­der die hand­ge­schrie­be­ne Druck­schrift vor der gebun­de­nen Schreib­schrift, so daß sie immer unge­len­ker schrie­ben; mitt­ler­wei­le wird argu­men­tiert, die Hand­schrift brau­che in „Tablet-Klas­sen“ ohne­hin nie­mand mehr. Auch ein Feder­hal­ter ist Tech­nik, nur ver­än­dert der nicht Rhyth­mus und Eigenart.

Mit­un­ter hat­te ich den Ein­druck, man­che Kin­der müß­ten im Leben über­haupt erst­ma­lig zu einem ruhi­gen Atem fin­den, sie bräuch­ten etwas Hil­fe bei der Rhyth­mi­sie­rung ein­fa­cher Abläu­fe. Frü­her spiel­ten die Mäd­chen Gum­mi-Twist. Wir Jun­gen auf dem Pau­sen­platz hat­ten unse­re Spie­le; das har­mo­nier­te uns.

Kin­der mit Auf­merk­sam­keits­de­fi­zi­ten und hyper­ki­ne­ti­schem Syn­drom sind oft im Stich gelas­se­ne Kin­der. Völ­lig atem­los von einem Streß­fak­to­ren-Wirr­sal, zu dem durch­aus die Eltern zäh­len kön­nen, müs­sen sie gewis­ser­ma­ßen neu und tief Luft schöp­fen, auf daß sich ihr see­li­scher Innen­raum ver­tieft und etwas ordnet.

Erst dem Sen­so­ri­um ein­drück­li­che sinn­li­che Wahr­neh­mun­gen ver­mit­teln, dann den Intel­lekt entwickeln.

Statt ADHS-Kin­der und Hyper­ki­ne­ti­ker mit Psy­cho­phar­ma­ka zu sedie­ren oder ihnen über „För­der­plä­ne“ und „Nach­teils­aus­glei­che“ Boni zuzu­schie­ben, bedarf es einer Art Selbst­fin­dung, für die eine gestei­gert stres­si­ge Schu­le immer weni­ger der geeig­ne­te Ort ist. Sie könn­te und soll­te es wie­der wer­den. Insti­tu­tio­na­li­sier­te Bil­dung begann immer­hin im Kloster …

Wenn die Schu­le aus zwei­fel­haf­ten poli­ti­schen Grün­den nun unbe­dingt eine ganz­tä­gi­ge Schu­le sein will, dann hat sie vor allem dar­auf zu ach­ten, nicht ganz­tags ihre Schü­ler zu trig­gern. Was in den über­vol­len Klas­sen und Grup­pen aber unwei­ger­lich geschieht. Soll ganz­tags gewirkt wer­den, dann bedarf es der Kon­tem­pla­ti­on, des Spor­tes, der Werk­statt, der Musik und der Küns­te weit mehr als der blo­ßen „Betreu­ung“.

Die Wal­dorf­päd­ago­gik etwa weiß das, dank ihres anthro­po­so­phi­schen Hin­ter­grun­des. Sie ist aller­dings um ihr trag­fä­hi­ges Kon­zept her­um lan­ge und dicht gewach­sen, bedarf also kei­ner hek­ti­schen Pro­jekt­in­sze­nie­run­gen oder gar poli­ti­schen Kam­pa­gnen. Im Gegen­teil, sie hält sich raus, mit Bedacht; man kann dort noch her­an­wach­sen wie Par­zi­val. Des­sen Mut­ter Her­zeloy­de zog ihn eigens fern­ab vom rit­ter­li­chen Leben in der Ein­sam­keit von Sol­ta­ne auf.

Schu­le war mal der letz­te Ent­wick­lungs­ort des Men­schen, der noch nicht ganz zur zweck­ge­bun­de­nen Welt der Erwach­se­nen gehör­te. Sie über­schlug sich nicht dabei, das zu kopie­ren, was die Kin­der erwar­te­te; sie woll­te sie dafür eher stär­ken, im Bewußt­sein, daß das, was noch früh genug auf Kin­der zukommt, sehr dra­ma­tisch und meist tra­gisch wird.

Heu­te poli­ti­siert, digi­ta­li­siert, öko­no­mi­siert sich Schu­le mehr denn je. Sie will nicht anders sein als die Welt der Erwach­se­nen, sie möch­te noch bes­ser, noch demo­kra­ti­scher, noch gerech­ter sein als die. Noch erwach­se­ner also, mit­hin noch frag­wür­di­ger. Und dabei hek­ti­scher als die Gesell­schaft drau­ßen, wo man sich bes­ser abset­zen kann als im engen Schul­haus. Aber sie, die Schu­le, ver­säumt dabei eines – ein Refu­gi­um zu bie­ten, einen Schutz­raum, in dem ein Kind sich in Ruhe aus­pro­bie­ren kann, bevor es erwach­sen wird.

Es geht eben nicht zuerst um „Kom­pe­ten­zen“; es geht um die Schu­lung der Sin­ne und des Ver­stan­des im Ein­klang mit der Ent­wick­lung anwen­dungs­be­rei­ter Befä­hi­gun­gen, die jeder nach sei­ner Art und sei­nem Maß lebens­prak­tisch und lebens­taug­lich erlernt. Um dabei her­aus­zu­fin­den, was zu ihm paßt – und was gar nicht zu ihm pas­sen will. Ein Her­an­wach­sen­der soll­te in der Schu­le neben­her ler­nen kön­nen, wer er über­haupt ist. Erspürt er das, fin­det er auch zu sei­nen „Kom­pe­ten­zen“, die aller­dings nicht alle­samt nütz­lich oder kar­rie­re- und kon­junk­tur­för­dernd sein müssen.

Bei allen Frus­tra­tio­nen und Ver­let­zun­gen, die Schu­le – als Men­schen­werk – ihre Schü­ler stets ja erlei­den ließ, erin­ner­ten sich frü­he­re Absol­ven­ten der Schul­zeit doch eher gern, weil sie ihre Schu­le durch­aus noch als eine Art Klos­ter, als einen Hort, als absei­ti­ge Sol­ta­ne erlebt hat­ten, bevor all die Fähr­nis­se und Wirr­nis­se des Lebens in der Welt begannen.

Schu­le stärkt gegen­wär­tig zu wenig; sie macht kir­re, indem sie immer eili­ger „inno­va­ti­ven“ Metho­den hin­ter­her­rennt und in sich das ver­stärkt, was schon drau­ßen die Men­schen erschöpft und krank wer­den läßt.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

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Kommentare (36)

AndreasausE

23. Juli 2022 10:20

Zu den Kinderspielen: Zu meiner Grundschulzeit ermahnte Konrektor und zugleich mein Klassenlehrer "Panzerspiele auf dem Schulhof sind verboten!"

Mehr oder minder hielten wir uns daran, aber das Spiel wurde natürlich weitergespielt, nur anders genannt.

Worum ging es dabei? Man rammte sich dabei mit eingezogenen Armen aus dem Weg, im Grunde so Vorsportart für Karriere bei Rugby.

Weiß gar nicht, weshalb ich das für erwähnenswert halte, fiel mir eben so ein. 

Der Gehenkte

23. Juli 2022 11:31

In einer noch funktionierenden Welt gehörte dieser kurze Text als Informationsblatt des Bildungsministerium an alle Schulen und Lehrer verschickt. Wer Einsicht in die Praxis hat, kann jedes Wort unterschreiben. Großartiger Text - unfaßbar traurige Zustände.

Maiordomus

23. Juli 2022 11:34

"Die meisten davon übrigens männlich." Keine Kleinigkeit, dass die spezifischen Begabungen von Jungen aus einheimischen Familien nicht mehr abgeholt werden, wobei aber einige der begabtesten Jungmänner meiner Erfahrung Chinesen u.Vietnamesen waren. Daran ist nicht einseitig das Schulsystem schuld mit der sog. Förderung Benachteiligter, wozu absurderweise das weibliche Geschlecht gezählt wird. Ist mal ein Junge ein bald mal unterforderter Schnell-Lerner, lässt man demselben durch einen Psychologen schnell mal den Stempel "hochbegabt" auf das Hinterteil knallen. Hatte selber mal Kontakt mit einem Verein der Eltern hochbegabter Kinder, welchem Eltern aus unserer Vätergeneration wohl nie nie beigetreten wären, wo ich, ohne dafür Spezialist zu sein, flächendeckend neurotische Familienverhältnisse vermutete. Es bleibt aber wahr, dass vielfach als begabt gilt, wer dank Einfühlung in die Lehrerschaft und das System schnell die richtigen Antworten gibt, während ein Denker wie Kepler schon  damals nur auf Rang 52 seines Baccalaureus-Jahrgangs kam. Auch klar, dass im heutigen System Mädchen die besseren Noten machen, weil sie das einfach besser können, immerhin ein realer Intelligenzfaktor, echte Lebensintelligenz, wie sie nicht nur Hesse abging.   

quarz

23. Juli 2022 11:37

"äußere deine Bedürfnisse, teile dringlich mit, was du jetzt brauchst"

Hierin offenbar sich des Pudels Kern: in der Umkehrung der Richtung der Maßgabe. Nach Aristoteles ist das Ziel aller Erziehung, den Zögling dazu zu bringen, dass er das will, was er soll. Mittlerweile hingegen gilt der Wille des Edukanden als Zentralgestirn aller pädagogischen Bemühungen, dem sich alle Normen zu beugen haben.

Aber da hinterlässt im schulischen Feld nur seine Spuren, was geistesgeschichtlich in der gesamten Kultur seit längerem im Gange ist. Wer die Geschichte der Ethik in den letzten 150 Jahren betrachtet, dem sollte auffallen, dass darin ein stetiges Bemühen zu verzeichnen ist, Interessen auf den Willen und Bedürfnisse auf Wünsche zu reduzieren.

Bei sehr kleinen Kindern ist uns allen noch klar, dass dies ein Holzweg ist. Das Kleinkind möchte zwar in die attraktive Kerzenflamme greifen, aber es wäre nicht in seinem Interesse. Erwachsenen wird ein „aufgeklärter“ Zustand unterstellt, in dem diese Differenz verschwindet. Es lässt sich aber leicht zeigen, dass sie das selbst im fiktiven Fall eines allwissenden Subjekts nicht tut. Aber eben: Im Schulwesen ist der Irrweg inzwischen zum Dogma geronnen.

RMH

23. Juli 2022 12:53

In Männern steckt immer noch ein großer Anteil Jäger, Krieger, Wächter. Damit dürfte es teilweise (!) erklärbar sein, dass bereits Knaben sehr wachsame Menschen sind, denen es schwer fällt, sich auf etwas wirklich so auf den Punkt zu konzentrieren, dass sie quasi in die Aufgabe versinken und die Umgebung ausblenden können, da sie immer wachsam und damit offen für Ablenkungen sind. Aber gerade das sich voll in eine Aufgabe vertiefen können, ist ein Schlüssel zum Erfolg in der Schule und auch später auf einer Hochschule. Die "Streber" waren früher oft auch die, die man "Mädchen" gehänselt hat - kein Wunder. In den virtuellen Spielen an Playstation & Co ist das anders, hier bietet die virtuelle Welt die Möglichkeit, mit allen Sinnen einzutauchen, so dass man meinen könnte, warum klappt das in einem PC-Spiel aufgehen problemlos, aber bei schulischen Aufgaben nicht. Ich persönlich denke, unsere Welt ist mittlerweile massiv männerfeindlich und damit knabenfeindlich ist. Wenn ein Knabe heutzutage nicht noch zusätzlich irgendeine "Race-Card", wie eben PoC, MiHiGru, attestierte Behinderung, Transgender etc. vorweisen kann und eben schlicht nur ein kleiner weißer Junge ist, dann wird er gnadenlos der Auslese ohne jede Entschuldigungsmöglichkeit unterzogen.

Ein Fremder aus Elea

23. Juli 2022 13:16

"Cool war man, wenn man durchchillte."

Und sonst ein Streber.

"Es stellt sich eine hektische Konkurrenz um Aufmerksamkeit ein."

Alle melden sich und wollen drankommen.

"Ohne Autorität auch kein Charisma. Und umgekehrt."

Ich pflege meine Klasse vor die Wahl zu stellen: Krieg oder Frieden. Die Klasse hat sich für Frieden entschlossen - sie fährt ganz gut dabei.

"Oft werden sie von ihnen dirigiert, was letztlich wiederum die Kinder im Stich läßt."

Heute in der Chemie zum Beispiel komm ich an die alkoholische Gärung. Und da bringe ich jedes Jahr - meine Schüler wissen das - eine Literflasche Heidelbeerwein, den ich selbst hergestellt habe, mit in den Chemieunterricht, damit sich jeder von dem Wohlgeschmack des Getränkes überzeugen kann.

"Offenbar wurden Kinder noch nie vor einem so problematischen Hintergrund groß."

Ganz meine Rede.

Maiordomus

23. Juli 2022 13:25

Das Abholen des Intelligenz-Potentials zumal der begabten Jungen, die nicht sogleich als "Hochbegabte" zu verklären sind, gilt aus meiner Sicht als eine der heute bedeutsamsten Aufgaben, will man beispielsweise mit deutschsprachigen oder französischen Gymnasialklassen vor 100 Jahren und überhaupt mit der Nachziehung wirklicher "Fachkräfte" und Intellektueller auf Spitzenniveau ernst machen. Wer die Bildungsgeschichte des Personals des Wiener Kongresses im einzelnen durchgesehen hat, kann gegenüber allzu vielen Mitgliedern der gegenwärtigen deutschen Bundesregierung und des Schweizer Bundesrates nur tiefgefühltes Mitleid empfinden. Die sind mit den Russen u. Chinesen möglicherweise nicht auf Augenhöhe. War nicht selber Mitglied eines oben genannten Elternvereins sog. hochbegabter Kinder. Man traute mir indes zu, solche fördern zu können. Die mir bekannten wahren Hochbegabten in Geschichte und Gegenwart waren aber keine gehätschelten Familiengenies, sondern schlicht solche, die wegen Interesse an der Sache gar nicht dazu kamen, über ihre eigene, von den Eltern selten überschätzte Hochbegabung nabelschaumässig zu reflektieren. 

Ein Fremder aus Elea

23. Juli 2022 13:28

"Galt früher das Fernsehen als kulturgefährdend, dürfte es jetzt bereits als hohe kulturelle Anforderung gelten, überhaupt Spielfilme, selbst fragwürdigen Niveaus, in voller Länge anzusehen."

Selbst? Selbst?!?!?!? Es ist nicht weiter schwierig, sich Lawrence von Arabien in voller Länge anzusehen, aber bei so Filmen wie Shallow Hal, also "Cringefest" (Peinlichkeitsfeier) genannten Filmen, ist es in der Tat schwierig.

"Das Kind übte Grapheme seiner Muttersprache als Symbole des Weltdenkens ein, mit denen es später sein Erleben, Empfinden und Denken abbilden und ihm so Dauer verleihen konnte. Die eigene Schrift wies einen aus."

Weshalb die deutsche Schrift von Sütterlin vereinfacht und normiert wurde?

Gustav Grambauer

23. Juli 2022 13:34

Aus der Rubrik "Auf der Couch von Grambauer":

Was sich für eine Intoleranz darin offenbart, Kinder nicht als Kinder sondern als kleine Erwachsene zu nehmen! Motto: Weil wir uns für erwachsen halten, halten wir auch alle Kinder für erwachsen. (Psst: Weil wir unterbewußt ahnen, daß wir alles andere als erwachsen sind, übersteigern wir die all-gemeine Fiktion des Erwachsenseins, indem wir sogar alle Kinder mit in diese Fiktion hineinziehen. Wir müssen alles Kindliche abspalten, buchstäblich ermorden, auch im Außen, weil wir (!) unser eigenes inneres Kind hassen und ihm nie zu leben erlauben.) Auch dies ist eine Ausdrucksform des grassierenden Autismus, sie merken`s nur nicht. (Weil sie eben Autisten sind.)

- G. G.

Gustav Grambauer

23. Juli 2022 13:34

Die Lehrerinnen meines Kindes schwadronieren zwar unentwegt von "Kreativität" daher, aber mit meinem Instrumentarium ist mir klar, daß sie nicht mal ahnen, wovon sie da überhaupt reden und daß dieser Begriff für sie lediglich eine Schablone für die schlimmsten Eumel ist. Am augenfälligsten zeigt sich mir dies am Mathematikunterricht, dem jedes Herangehen von den Wurzeln (wie z. B. Axiomen) der Mathematik her, damit jede Dimension der inneren Freiheit und damit auch jede Freude fehlt (und nebenbei gesagt auch jede tiefere Psychologie). Reine Dressur zum kaufmännischen Rechnen.

So tief ist der Absturz: man ist ja irgendwie vergleichsweise noch froh, wenn die Schweiz die von ihr verwalteten Sklaven wenigstens noch für den "Arbeitsmarkt" (hier: Bankensektor ...) trimmt, während die BRD nicht mal mehr das tut.

- G. G.

Gustav Grambauer

23. Juli 2022 13:35

Lieber Heino Bosselmann, eigentlich steht es mir als Leser nicht zu, hier irgendjemand zu bewerten und erst recht nicht Sie. Aber heute soll es einmal sein:

Sie veröffentlichen hier i. d. R. drei Kategorien von Texten.

1. Ihre Bußpredigten; diese sind in meinen Augen, Entschuldigung bitte, haarsträubend, und dies in vielfacher Hinsicht.

2. Ihre großteils phänomenologischen, großteils deskriptiven Privatstudien wie z. B. neulich über Ihr Wohnumfeld sowie

3. Ihre Analysen zur Bildungsmisere.

M. E. kommen Sie nur mit den - superben - (2.) und (3.), wenn ich Ihnen das einmal sagen darf, zu Ihrem eigentlichen Stil und auch zu Ihrer eigentlichen Form. Bemerken Sie selbst, daß Sie bei (1.) selbst amorph sind, bis in die Logik bzw. Gedankenführung und Ausdrucksweise hinein und erst bei (2.) und (3.), wie etwa hier, kristallklar, stringent und messerscharf werden? Ihre neulichen Beobachtungen vom Großen Dreesch habe ich mehrmals gelesen, sie waren zusätzlich vom Herzen her tief berührend.

Wir sehen uns am Hegel-Imbiß!

- G. G.

Utz

23. Juli 2022 14:48

Danke für diesen wichtigen Text, allem was Sie sagen, stimme ich sehr zu.

Ein Satz ist mir aufgefallen:

>daß möglichst nur einer spricht, und zwar zunächst derjenige, der etwas zu sagen hat, beispielsweise die Mutter oder eben die Lehrerin.<

Warum eigentlich nicht Vater oder Lehrer? Ich denke viele der Mißstände, die Sie beschreiben, liegen auch daran, daß im Bildungssystem zu wenig Männer und zu viele Frauen unterwegs sind. Den Jungen fehlen adäquate Vorbilder. Nun mag man einwenden (eine Kollegin von mir brachte dies auch gestern so vor), daß vor 50 Jahren ja die Mädchen in den weiterführenden Schulen keine gleichgeschlechtlichen Vorbilder hatten. Das stimmt, hat aber damals bei weitem nicht den Schaden angerichtet wie im umgekehrten Fall jetzt. Zum einen weil damals zumindest zuhause eine Mutter da war, während der Vater heute oft fehlt und zum anderen, weil es das Hauptproblem, den fehlenden Mut zur Autorität, damals nicht gab.

heinrichbrueck

23. Juli 2022 14:56

Wer sich mit einem Betrüger an einen Spieltisch setzt, dabei anständig bleibt, wird jedes Spiel verlieren. Dem System Versagen vorzuwerfen, wenn man sich die weltgeschichtlich einmalige Ausblutung unserer Nation ansieht, scheint eine Art konservativer Autismus zu sein. Das System hat Trost nicht nötig, es arbeitet sehr effektiv und seine Absichten sind sichtbar. Wenn man nur reagieren kann, führt man nicht. Ein Konservativer versteht die Kriegserklärung erst dann, wenn er eingezogen wird. Sind Fehlentwicklungen Absicht, besteht kein Grund, eine "kritische Distanz" einnehmen zu müssen. 
Machtanteile zu generieren, im erlaubten Diskursrahmen, setzt eine ganz andere Sprache voraus. Eine logische Sprache, irgendwie auch mit den Naturgesetzen vereinbar. Man will schon demokratisch bleiben, aber die Demokratie der Feindübertragung soll zu anderen Ergebnissen führen. Das Interessante an der Situation, Kompromißbereitschaft unterliegt, und wenn sie nicht sofort bestraft wird, dann etwas später. 

heinrichbrueck

23. Juli 2022 14:57

Was für "interessante Angebote"? Arbeit und Geldverdienen. Ausblutung und Ausgeraubtwerden. Gibt es noch andere Ziele? Das Rädchen im System. Was soll denn erobert werden? Wie sehen die Vorgaben aus, die Schutzmaßnahmen gegen übergriffige Ausnutzung? Leistung für die EZB? Exportweltmeister für wen? Ein bißchen Bildung für den Hausbutler, den zukünftigen Talentabwanderungsgehilfen? Humankapitalflucht, schöne Bildung! Ruhe ist ein guter Ansatz. Die Leute müßten einmal gefragt werden, was Freiheit ist, nicht wahr? Demokratisierte Freiheit ist Massenegoismus. Dabei nicht zu vergessen, brav seine Steuern zu zahlen. Diese Räuberbande besteuert Eigentum (Grundsteuer), dagegen die sozialistischen Länder echte Anfänger waren. Mit dieser Räuberbande wird es keine Versöhnung geben können. 
Der zweite Teil, Lehrer und Verständis des Berufs, Schule und Vermittlung, grandios beschrieben. Nicht für den Verfassungsschutz geeignet. 

Umlautkombinat

23. Juli 2022 15:46

"Am augenfälligsten zeigt sich mir dies am Mathematikunterricht, dem jedes Herangehen von den Wurzeln (wie z. B. Axiomen) der Mathematik her, damit jede Dimension der inneren Freiheit und damit auch jede Freude fehlt"

Also "von den Axiomen her" koennen Sie einen der mechanistischsten, unerspriesslichsten und unerfreulichen Begriff von Mathematik aufbauen. Der entspricht einem der beiden hauptsaechlichen Zugaenge der professionellen Mathematik als dessen haesslicher Schatten. Diese bestehen darin, dass die einen gern Gebaeude bauen, die anderen wollen eher Probleme loesen und entwickeln frameworks als Werkzeuge dazu. Keine Sache allein ist ueberlegen und das gilt auch schon im Anfang, der schulischen Lehre der breiteren Masse.

Man kann mit Axiomen schon etwas tun, das fruchtbar sein. Lobatschewski z.B. variierte das Parallelenaxiom - mit dem ausdruecklichen Ziel, einen Widerspruch zu finden - und musste eher lange gegen seinen Willen(!) feststellen, dass sich neue Laender eroeffneten (hyperbolische Geometrie u.a.m.). Aehnliches koennte man vom Entschluss sagen, die nicht ziehbare Wurzel aus -1 einfach einmal als i zu bezeichen und zu sehen, was passiert. Fuehrt alles in sehr kreative Landschaften, wie auch der genannte Problemloesungsansatz. Aber der muss eben dem Namen genuegen und nicht dem Bekakeln von Thorbens Buntstiftzeichnungen durch seine Muddi entsprechen. 

 

Maiordomus

23. Juli 2022 16:18

Betr, "mit deutschsprachigen oder französischen Gymnasien vor 100 Jahren mithalten und überhaupt mit überhaupt mit der Nachziehung von 'Fachkräfte' und Intellektueller wirklich ernst machen", Möchte in diesem Zusammenhang dann das alte Humboldtsche Gymnasium doch nicht überbewertet haben, wiewohl es im Allgemeinen als Leistungsschule gewiss bedeutend war. Zu denken gibt mir zum Beispiel bei der Generation von Ludwig Klages das zweimalige Repetieren des diesem zumindest ebenbürtigen Klassenkameraden Theodor Lessing, unter dessen Arbeiten, auch Aufsätzen, nicht selten das Prädikat "nicht schulgerecht" stand und dessen Lehrer später behaupteten, er hätte "den Knopf eben erst spät aufgetan". Auch Brecht beklagte sich nicht zu Unrecht zwar etwas ironisch, seine Lehrer am Gymnasium hätten, sinngemäss zitiert, "wenig von ihm profitieren können". Trotz Auswüchsen der bekannten Pedanterie war aber das Gymnasium eine Leistungsschule mit hohem Standard und einem kulturell achtbaren Bildungskanon, wobei die europ. Antike u. Philosophie mit Sicherheit z.B. mit den besten chinesischen und jap. Überlieferungen usw. gewiss Schritt hält. Ohne Kulturhintergrund bleibt man nun mal Bildungsanalphabet. 

Maiordomus

23. Juli 2022 16:43

@Grambauer. Gut, dass Sie noch die Mathematik ansprechen. In diesem Zusammenhang möchte ich bei allen Komplimenten an das später als "unmenschlich" verlästerte Humboldtsche Gymnasium warnen, dasselbe zu überschätzen. Der Höhepunkt in der Weltgeschichte des Mathematikunterrichts war mutmasslich der Privatunterricht im 17. und 18. Jahrhundert mit diesbezüglichen Vorläufern schon im Iran (Avicenna), im Mittelalter und in der griechisch-orientalischen Antike. Was in Basel, Bern, Genf im Umfeld der Familien Euler, Bernoulli und noch anderen geleistet wurde, freilich kein Schleck für die involvierten Jungen und zum Teil sogar Mädchen, so in der Familie Reinhard  in Winterthur und Bondeli in Bern ist aus heutiger Sicht fast unvorstellbar. Mit in diese Bildung gehört auch die musikalische Privatbildung etwa der Familie Bach von Eisenbach bis Leipzig, die Mozart inbegriffen, wobei im Hinblick auf den Schwerpunkt Musik einschliesslich einzigartiger Allgemeinbildung das Leben des Bachbiographen und Organisten Albert Schweitzer, der nebenbei in Lambarene noch ein "Rassismus"-Diplom abholte, auch nicht zu unterschätzen ist. In diesem Sinne bleiben auch die gymnasialen Curriculum-Programme relativ.

Hajo Blaschke

23. Juli 2022 16:46

Grambauer, ich finde "Rezensionen" abscheulich, in denen man dem Verfasser Abscheulichkeit vorwirft, aber kein Argument aufzeigt. Ich gehe in solchen Fällen davon aus, dass der "Rezensent" sich wichtig machen will, aber nicht begründen kann, warum man ihn wichtig nehmen sollte.

Carsten Lucke

23. Juli 2022 18:17

Mensch, @ Grambauer, so einen Mist habe ich hier noch nie gelesen !

Stieg Ihnen kürzlich hier etwas zu Kopf ?!

Halten Sie bitte - um Gottes Willen - den Ball flach !

Laurenz

24. Juli 2022 09:43

@Ein Fremder aus Elea

Weshalb die deutsche Schrift von Sütterlin vereinfacht und normiert wurde?

Die Frage scheint mir berechtigt.

Mutmaßlich beruht die Harmonisierung von Schriften in Europa & Kleinasien aber auf politischen -, weniger auf bildungspolitischen Entscheidungen, so, wie sich die Kroaten freiwillig vor den Habsburgern bückten, indem sie den Katholizismus annahmen. Auch die Einführung der kyrillischen Schrift, bis auch Rumänien, war doch auch eine oppositionelle politische Entscheidung.

Ich besitze noch handschriftliche Karten & Briefe meiner innig geliebten Großmutter, welche mehr oder weniger deutsch, mit ein paar lateinischen Buchstaben eingemischt, geschrieben sind. Meine Großmutter ist Jahrgang 1909.

Imagine

24. Juli 2022 11:18

@HB

Empfehle die Lektüre von Neil Postman „Das Verschwinden der Kindheit“.

Das Buch ermöglicht, sich vom konkretistischen Tunnelblick zu lösen und größere Zusammenhänge zu verstehen. Und warum wir uns inmitten einer Zivilisationskatastrophe befinden.

tearjerker

24. Juli 2022 12:34

„Heranwachsenden gelingt es immer weniger, a) sich für Unterrichtsarbeit zu motivieren, b) sich darauf zu konzentrieren oder zu fokussieren und c) dabei Ausdauer zu entwickeln.“

Man sollte Jugendliche nicht unterschätzen. Es wird instinktiv den Anforderungen ausgewichen, weil verstanden wird, dass Schule nicht den Interessen der Schüler dient. Da wird dann auch den ambitionierten Lehrkräften keine Begeisterung entgegengebracht.

Volksdeutscher

24. Juli 2022 13:22

1.

- "Als Mentor im Internat begegneten mir vielfach neu ankommende Fünftkläßler, die es von ihren Elternhäusern her überhaupt nicht gewohnt waren, daß jemand ihr hektisch-hilfloses Geplapper überhaupt unterbrach..."

Erziehung beginnt normalerweise nicht in der Schule und sie sollte auch nicht dort beginnen, sondern in der Familie. Gerade dort findet sie jedoch so gut wie nicht mehr statt. Der schulische Erzieher tritt meistens zu spät in das Leben der Kinder. Was Herr Bosselmann in diesem Beitrag beschreibt, kann jeder, der wachen Auges durch die Welt geht, im Alltagsleben beobachten: Kinder werden zwar materiell versorgt, sie sind jedoch geistig und seelisch unterentwickelt, weil vernachlässigt, in Folge dessen verhaltensgestört. Was in Alexander Mitscherlichs Buch "Der vaterlose Gesellschaft" beschrieben ist, sind immernoch gültig: der Weg zur Abschaffung und Eliminierung der väterlichen Autorität und seiner Herauslösung aus der Erziehung der Kinder. Das ist die Welt, in der wir uns befinden. Mutti ist alles - alles ist Mutti.

Volksdeutscher

24. Juli 2022 13:26

2.

Gleich in welcher europäischen Nation man unterwegs ist, begegnet man dem Typus der überforderten, zur Kindererziehung vollkommen unfähigen antiautoritären, liberalen Mutter und ihrer nerventötenden Hilflosigkeit: "Kannst du damit nicht aufhören? Hab ich dir das nicht schon tausendmal gesagt? Jetzt laß das mal, bitte! Jetzt hör doch mal damit auf, bitte!" Das Kind tanzt ihr auf der Nase herum und sie könnte sich nicht gegen es durchsetzen, auch wenn sie tausend Jahre lebte. Vielleicht will sie das auch nicht. Kommunikation der Kommunikation halber, Kommunikation ohne Ziel und Zweck. Ein Kind, das so aufwächst, lernt nicht das Allerwesentliche von klein auf, nämlich zwischen einer Bitte und einem Befehl zu unterscheiden und sich ihnen in seinem Benehmen instinktiv selbstbewußt zu entsprechen. Statt dessen wachsen Kinder mehrheitlich im familiären Chaos (quasi "demokratisch") auf. Darin gelten jedoch andere "Gesetze" als in der familiären Ordnung: im ersteren müssen sie ihren Platz erst noch finden, sich darin behaupten und jedes Mal neu erkämpfen ("aushandeln"), z.B. durch Übertönen seiner Mitkonkurrenten, die da sind: Vater, Mutter, Bruder, Schwester; im letzteren haben sie ihren Platz, der ihnen aufgrund der herrschenden Familienhierarchie zugeordnet wird. Es gibt keine Freiheit ohne Grenzen.

Volksdeutscher

24. Juli 2022 13:31

3.

Denn ohne die Wiedererrichtung der männlichen Autorität und in deren Folge die Wiedererrichtung der väterlichen Autorität wird sich nichts an den Problemen ändern, die in Heino Bosselmanns Beitrag sehr plastisch beschrieben worden sind. Liberlismus macht krank. Nicht an neuen Erziehungsidealen sollte gebastelt werden, sondern zunächst sich konsequent daran machen, die gegenwärtig herrschenden liberalen Erziehungsideale abreißen. Dazu gehört an vorderster Stelle die Verinnerlichung der überkommenen Erkenntnis: Mit der Aufrichtung einer neuen Autorität geht der Sturz der alten Autorität einher, in unserem Falle wäre das der Sturz alles Weiblichen, das die traditionell männlichen Domäne usurpiert hat. Dies wäre die letzte Station in der Emanzipation der Frau, nämlich die Befreiung der Frau vom Feminismus selbst. Diese Leistung müßte von Männern erbracht werden. Der Rest ergibt sich wie im Mythos von Perseus und Medusa, den ich wohl niemandem hier extra vorzustellen brauche.

Volksdeutscher

24. Juli 2022 14:45

4.

Ich möchte daher das Buch "Frau und Mythos" des ungarischsprachigen jüdischen Geisteswissenschaftlers Georges Devereux empfehlen, das nur wenigen hier bekannt sein dürfte. Es ist nicht neueren Datums (© Femmarion, Paris, 1982), was die darin erhaltenen Erkenntnisse jedoch nicht schmälert. Er arbeitete lange Zeit in der ethnopsychiatrischen Feldforschung, bevor er eine Professur an der École Pratique/Paris für Ethnopsychiatrie erhielt. Im obigen Buch geht es um strukturale Mytheninterpretationen mittels einer psychoanalytischen Methode. Devereux prägte zu seiner Zeit den Begriff "Bionegativität", den er anhand des damals in Mode gekommenen Unwortes "unisex" erörtert. Das ist der Begriff der Leugnung der Differenz der Geschlechter - damit wäre eine Brücke zum Thema unserer Zeit, der Einebnung der Geschlechterdifferenz durch die Genderideologie geschlagen. Zitat:

"Wenn wir uns zu verstehen weigern, daß die Liebesbeziehung zwischen den Geschlechtern kein einfaches "Kräfteverhältnis" ist, und es ablehnen, die Lektion zu lernen, die uns die in diesem Werk studierten Mythen erteilen, wenn wir der goldenen Aphrodite erlauben, "willenlos umherzutreiben" - dann verdienen wir alles, was uns zustoßen kann."

Gracchus

24. Juli 2022 15:22

Kein Widerspruch diesmal. Sehr gut dargelegt. 

Aus meiner "Jungs"-Warte: Es fehlte und fehlt insgesamt an väterlicher Autorität. Über die Ursachen kann man lange reden. 

Der "Denkfehler" besteht womöglich darin, die Schule solle Schülern als Refugium dienen; sie dient aber LehrerInnen als Refugium - oder diente. Die Schulen werden von der sozialen Realität eingeholt. Eltern vermögen Ihre Erziehungsleistungen nicht mehr zu erbringen; wenn man in die Schule kommt, ist es dann meist zu spät. Man müsste also schon viel früher ansetzen.

 

Utz

24. Juli 2022 15:30

@ tearjerker

> Man sollte Jugendliche nicht unterschätzen. Es wird instinktiv den Anforderungen ausgewichen, weil verstanden wird, dass Schule nicht den Interessen der Schüler dient. <

Ich widerspreche! In der Regel dient Schule schon den Interessen der Schüler. Zumindest für meine Schulart (Gymnasium) stelle ich das fest. Daß es ihren Interessen dient, ist vielleicht nicht gleich sichtbar. Der große Schaden wurde immer dann angerichtet, wenn Schule versucht hat modern zu werden.

Ein Beispiel mag das verdeutlichen. Neulich kam eine Grundschulklasse an unserem Grundstück vorbei. Die Mehrheit der Schüler hat lauthals geschrieen, ohne Grund, wie am Spieß, und das auf Dauer. Meine Stimme wäre da am nächsten Tag weg. Anscheinend muß man in dieser Klasse andere übertönen, um noch gehört zu werden. Das Ideal war vermutlich, daß man die Kinder sich entfalten lassen muß. Die Realität ist Horror.

Lausitzer

24. Juli 2022 15:44

Vielen Dank für diesen sehr gut geschriebenen Text. 

heinrichbrueck

24. Juli 2022 16:03

"Mit der Aufrichtung einer neuen Autorität geht der Sturz der alten Autorität einher, in unserem Falle wäre das der Sturz alles Weiblichen, das die traditionell männlichen Domäne usurpiert hat. Dies wäre die letzte Station in der Emanzipation der Frau, nämlich die Befreiung der Frau vom Feminismus selbst. Diese Leistung müßte von Männern erbracht werden."
Mir beschreibt dieser Gedankengang eine Falle. Es ist nicht meine Aufgabe, die Geheimnisse des Weiblichen lückenlos enträtseln zu können, in diesem Wollen in jedem Fall Scheitern vorprogrammiert wäre, 
Feministinnen wollen doch keine männlichen Dömänen usurpieren, sie bekämpfen die wohlgeratenen Frauen. In diesem Frauenbürgerkrieg gibt eine Minderheit den Ton an, medienwirksam unterstützt, zum Zwecke der Beseitigung. 
Das Weibliche muß nicht gestürzt werden. Die feindlichen Bestrebungen müssen erkannt werden. 

Laurenz

24. Juli 2022 18:42

@Heinrichbrück

Mit der Aufrichtung einer neuen Autorität geht der Sturz der alten Autorität einher, in unserem Falle wäre das der Sturz alles Weiblichen

Alte weiße (und sicher auch alte schwarze) Männer, denken sich, am Arsch die Waldfee & klinken sich aus.

Das Weibliche Element ist längst exekutiert. Frauen spielen heute Mann & das, offensichtlich, nicht mal mehr schlecht als recht.

 

Imagine

24. Juli 2022 20:24

Leider scheint das Buch von Neil Postman hier nicht bekannt zu sein.

Kindheit war menschheitsgeschichtlich ein besondere Lebenssphäre und geschützter Raum. Dessen Verschwinden stellt historisch ein Symptom für eine Barbarisierung der Gesellschaft dar.

Es geht um das Verschwindesn dieser besonders geschützten Lebenssphäre durch die Interessen der Erwachsenen. Es geschieht eine „Vergewaltigung“ der Kinder aus ökonomischen, politischen und sexuellen Motiven.

So werden Kinder schon ganz früh mittels der Medien zu Objekten der Werbung.
Und es werden ihnen aus wirtschaftlichen Gründen die Mütter entzogen.

ADHS ist zu 90-95% ein Verwahrlosungssymptom.

Imagine

24. Juli 2022 20:49

Mitscherlichs „vaterlose Gesellschaft“ wird medial falsch dargestellt und offensichtlich nicht gelesen.

Thema ist nicht das veränderte Macht- und Autoritätsgefälle zwischen Mann und Frau als Resultat von ideologischem und psychologischem Geschlechterkampf. Sondern der Vater hat objektiv seine Autorität als Vorbild und Modell für seine Kinder durch seine veränderte ökonomische Stellung verloren.

Mitscherlich argumentiert soziologisch und psychologisch auf Basis der objektiven Veränderungen in der Gesellschaft.

Zuvor war die Zukunft und das Wohlergehen der Familie vom Wissen und Können des Vaters abhängig, der als selbstständiger Bauer, Unternehmer oder Freiberufler für die erfolgreiche Existenz und Sicherheit der Familie sorgte.

Heute ist der Vater meistens ein Angestellter und abhängig Arbeitender, ein fremdbestimmter „kleiner Mann“, der sich anpassen muss und nichts mehr entscheiden muss und kann. Als Lohnarbeiter und Dienstleister ist er im Prinzip ein moderner Sklave. Entsprechend ist er psychologisch strukturiert.

Also nicht mehr der starke Vater, der seine Autorität aus seinem Wissen, Können und seinem selbständigem Handeln erhält. Auch nicht mehr der Beschützer der Familie mittels Kampfkunst und Waffengewalt oder als Soldat.

Volksdeutscher

24. Juli 2022 22:39

"Das Weibliche muß nicht gestürzt werden."

Es gibt laute und lautlose Umstürze und Verdrängungen. Zu letzteren gehört die Absetzung und Verdrängung des Mannes aus den traditionellen geschlechtsspezifischen Domänen. Aber was nutzten all die richtigen Erkenntnisse über gesellschaftliche Prozesse, die eh erst möglich wurden, nachdem die nämlichen Prozesse bereits zum Abschluß kamen? Was nutzen die besten Theorien und all ihre Erkenntnisse, wenn keiner bereit war, sie in Handlungen umzusetzen? Der Erfolg des Feminismus wie der meisten linken Ideen ist das beste Beispiel dafür, daß Veränderungen willentlich, erfolgreich und unblutig herbeigeführt werden können, wenn man nur will. Aber ob laute oder lautlose Umstürze: nichts wird geschehen, nichts sich verändern, wenn jeder sagt, er müsse nichts am Bestehenden ändern, die Theoriebildung reiche aus. Klar, man kann ob der Tat die Nase rümpfen. Aber dann bitte kein Gejammer mehr über 1933. Es ist freilich einfacher, mit wehenden Fahnen zu jenen zu wechseln, die den Kopf hingehalten hatten, damit Deutschland nicht vor die Hunde geht, als selber auch nur einen Finger dagegen zu rühren, aber sich dann hinterher kratzen, distanzieren und dann auch noch dillettantisch mit Bomben zündeln. Sehr unvornehm war das damals von den konservativen Herren. Die intellektuelle Fehlleistung des Konservatismus besteht weiterhin darin, zu sagen, der Kaffee werde davon süß, daß man darin rühre...

Maiordomus

24. Juli 2022 22:57

 Wortmeldungsverschrieb von gestern @16. 43 "Eisenbach" statt Eisenach im Zusammenhang mit Joh. Seb. Bach bitte ich nicht als Irrtum eines 550 Kilometer entfernt wohnenden Nichtswissern betreffend jene Region einzuschätzen, umso weniger als mir Luther schon 1965 eine Deutschlandreise wert war, zu schweigen von der heiligen Elisabeth, über die ich in Thüringen und Dresden auch schon mal gesprochen habe. Ändert aber nichts daran, dass das oben empfohlene Buch von Neil Postman wohl nicht nur für mich noch über neue und neueste Belletristik hinaus von wirklichem Orientierungwert sein dürfte. Dies bei vielleicht aus kulturhistorischer Sicht zum Teil unterschiedlicher Einschätzung dessen, was @imagine unter wissenschaftlich "objektiven" Veränderungen versteht. Vor Postman hat der konservative Psychologe Joachim Bodamer in "Der Mann von heute" die technischen Veränderungen, etwa das Auto und überhaupt die Technisierung der Zivilisation schon als Basis eines stark veränderten Selbstverständnisses des homo faber auch im Privat- und Familienleben dargestellt. Noch was: Für das Russische Reich war der Liturgiereform des 17. Jhds. mit der Beseitigung der traditionellen Kreuzzeichensymbolik auch schon eine Art Kulturrevolution, vgl. in der westlichen katholischen Kirche das 2. Vatikanische Konzil mit dem Untergang der traditionellen Messe. Auch an solchen Befunden drücken sich sehr tiefgreifende objektive Veränderungen aus, selbst wenn das sogar von Betroffenen kaum bemerkt wird.   

Franz Bettinger

25. Juli 2022 03:18

"Leider scheint das Buch Das Verschwinden der Kindheit von Neil Postman hier nicht bekannt zu sein." @Imagine: Doch, ich kenne das Buch und kann es, ganz wie Sie, nur empfehlen. Auch Neil Postmans 2. Buch Wir amüsieren uns zu Tode ist bzw. war ein Augenöffner.

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