Ihre Aktion weist auf eine fertiggestellte Infrastruktur hin und zeigt, wie einfach es wäre, die Ventile der neun Milliarden Euro schweren Leitung zu öffnen und damit nicht nur Rußland, sondern vor allem die Regierung Deutschlands in Zugzwang zu bringen. Was nämlich wäre besser geeignet, um für Entspannung nicht nur im Energiesektor, sondern auch in den Beziehungen zu Rußland zu sorgen, wenn nicht die Öffnung einer Röhre, deren Planung und Inbetriebnahme Rußlands Konkurrenten von Anbeginn an torpedierten?
SELLNER: Genau diese Frage ist der Kern unserer Botschaft. Ziel war es, die vielen Argumente und Worte, die lähmende Debatte endlich mit einer klaren und unmißverständlichen Tat zu beantworten. Milliarden an Volksvermögen, die auf dem Meeresgrund verrotten sollen, Millionen fleißiger Menschen, die schuldlos in den Ruin getrieben werden – es mußte endlich etwas getan werden. Das Ziel lautete, Nordstream 2 aufzudrehen. Wir boten der Regierung quasi kostenfrei unsere Mithilfe an. Und wir zeigen jedem Bürger, wie leicht es gehen könnte – wenn man nur wollte.
SEZESSION: Ich nehme an, wir alle hätten es mitbekommen, wenn Ihre Klempner den Hahn aufgedreht bekommen hätten. Rauscht es zumindest symbolisch? Gibt es ein Echo?
SELLNER: Ja, wie seit langem nicht mehr bei einer Aktion aus dem regierungs- und gobalisierungskritischen Lager. Es erinnert ein wenig an frühere Zeiten, Anfragen und Berichte häufen sich, das Echo ist groß. Wir haben damit den ersten Stein gesetzt, haben das Gelände um Nordstream 2 besetzt – inhaltlich und wortwörtlich. Tatsächlich sind wir nach einer thematisch ambivalenten Phase nun wieder in einer Lage, in der – vorausgesetzt Kreativität, Training und Glück sind gegeben – unsere Nadelstiche wieder sitzen können.
SEZESSION: Zeigen Sie uns Beispiele aus Ihrer Pressemappe?
SELLNER: Die Berliner Zeitung titelt “Martin Sellner besetzt mit Aktivisten Terminal von Nord Stream 2”. Interessant ist die Formulierung: “Die Störer wollten die Pipeline öffnen.” Etwas seiner eigentlichen Funktion zuzuführen, wird hier schärfer kritisiert als die wirren Sprengungsfantasien einer Luisa Neubauer.
Die Ostsee Zeitung verfällt in typischen Pressesprech wenn sie “Rechte Aktivisten” “stürmen” sehen. Interessant ist, daß man hier und im NDR von “Aktivisten” und nicht “Extremisten” spricht. Mal sehen, ob diese neue Sprachregelung anhält.
SEZESSION: Wir nehmen auf Twitter und anderswo Sympathiebekundungen wahr, und zwar solche, die sich nicht auf Sie als Kreativmaschine beziehen, sondern auf das Thema und Ihren Vorschlag. Beispielhaft: “Mir ist es egal, wer die Pipeline aufdreht, Hauptsache sie ist auf.” Hinter solchen Äußerungen wird Potential sichtbar. Haben Sie im Verlauf Ihrer Aktion und danach etwas davon bemerkt?
SELLNER: Ja, das Thema überspielt die Dämonisierung von Organisation und Person. Letztlich agieren wir hier ja auch als ausführendes Organ von Höcke, Kubicki und Wagenknecht. Sie alle wollen das Terminal öffnen. Wagenknecht wurde dafür am Tag der Aktion von einer linken Montagsdemo ausgeladen.
Es scheint sich im Land eine neue Bruchlinie zwischen den “Blockierern” und den “Öffnern” zu bilden. In letzterem Lager kandidieren wir mit dem heutigen Tag für die Funktion der aktionistischen Avantgarde. Wir sind gespannt, was sich daraus ergibt.
SEZESSION: Schildern Sie bitte kurz den Verlauf der Aktion und ihr Ende. Wie ist die Stimmung der Truppe? Wird es ein Nachspiel geben?
SELLNER: Die Stimmung ist hervorragend, da erneut ein Coup gelungen scheint. Das, obwohl die Behörden wieder einmal sehr schikanös agierten. Die Aktion begann am frühen Nachmittag. Mit einem Kastenwagen transportierten wir rund 15 Aktivisten zum Tor des Terminals. Die Gegend wurde vorher genau aufgeklärt und alles intensiv geübt. Ein Banner, Rauchtöpfe, ein letztes Wort – dann betrat unser “Ingenieurteam”, ausgestattet mit Werkzeugen, das Gelände.
Die Sicherheitskräfte reagierten sehr rasch und verhinderten unseren Arbeitseinsatz im Terminal. Polizeisirenen wurden hörbar. Um Festnahmen und ihre meist kostspieligen Folgen zu verhindern, zogen wir uns in ein Wäldchen am Gelände zurück. Teils harrten Aktivisten stundenlang im Regen im Gebüsch aus, um den Suchtrupps zu entgehen.
Am Ende schafften es die meisten, nur vier wurden geschnappt. Man wirft ihnen eine unangemeldete Kundgebung (Lappalie) und Hausfriedensbruch (haltlos) vor und hat ihnen die Mobiltelefone weggenommen. Ein Anwalt ist bereits in den Startlöchern. Hier geht es aber wohl, wie so oft, nur um schikanöse Repression durch “Ermittlungen”.
SEZESSION: Mit so etwas rechnen Sie aber, nicht wahr? Wir gehen davon aus, daß die Aktivisten gestärkt aus der Sache herausgehen werden, oder? Dennoch: Wie kann man Ihnen und Ihren Leuten jetzt konkret helfen? Die Bilder verbreiten, klar; aber wie noch?
SELLNER: Natürlich, wir bedenken alle denkbaren Konsequenzen. Deswegen treten viele Aktivisten unter anderem auch mit Schlauchschals auf, die ihre Gesichter nicht leicht erkennen lassen. Anders wären die immensen Kosten, die man gerne uns und seltener den linksökologischen “Straßenklebern” aufbürdet, nicht stemmbar.
Für einige Aktivisten war es wieder eine Feuerprobe. Adrian, ein 21jähriger Bayer, war sofort bereit, sein Gesicht zu zeigen und auf das Gelände zu gehen. Er hat nun sein Handy eingebüßt und ein langwieriges Verfahren vor sich. Wer ihn dabei unterstützen will, kann das hier auf der Seite der Identitären Bewegung Deutschland tun.
Entscheidend ist aber, daß die Aktion ihren wahren Zweck erfüllt. Sie soll unser Lager inspirieren und es für die kommenden Schlachten und Herausforderungen mobilisieren. Es gibt keine Atempause und keinen Schlaf. Der heiße Herbst ist eröffnet!
Rheinlaender
Die Idee, kritische Infrastrukturen vor staatlicher Sabotage zu schützen bzw. deren Folgen zu beheben, finde ich sehr sympathisch. Da gibt es übrigens auch noch Kernkraftwerke, die auf dem Höhepunkt einer Energiekrise abgeschaltet werden sollen...