Netzfundstücke (140) – Lehnert, Fusaro

»Daß das Leben lebbar nur wird durch gültige Bindungen.«

Hugo von Hof­manns­thal for­mu­lier­te damit in sei­ner Schrift­tums­re­de das kon­ser­va­ti­ve Cre­do schlecht­hin. Dar­über hin­aus gab er dem Ahn­herrn der deut­schen Neu­en Rech­ten, Armin Moh­ler, eine Begriff­lich­keit an die Hand, die es Moh­ler ermög­lich­te, »eine der erfolg­reichs­ten Schöp­fun­gen der neue­ren Ideen­ge­schichts­schrei­bung« (Ste­fan Breu­er) zu eta­blie­ren: die Kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on (KR).

Moh­ler schuf damit eine ideo­lo­gi­sche Klam­mer, die für die Neue Rech­te bis heu­te prä­gend ist: die Ori­en­tie­rung an einem »revo­lu­tio­nä­ren Kon­ser­va­tis­mus« (Arthur Moel­ler van den Bruck), der die von Hof­manns­thal her­vor­ge­ho­be­nen »gül­ti­gen Bin­dun­gen« auf­grund ihres Zer­falls erst wie­der neu schaf­fen muß.

Fol­ge­rich­tig bie­tet die im Jahr 2021 gegrün­de­te Gegen­uni (sie­he »Netz­fund­stü­cke (115)«) in ihrem aktu­el­len Win­ter­se­mes­ter 2022/23 nun einen eige­nen, von IfS-Lei­ter Erik Leh­nert gelei­te­ten Kurs zur KR an.

Auf sechs Sit­zun­gen auf­ge­teilt gibt Leh­nert einen Über­blick über die Grund­ideen der KR, die größ­ten KR-Autoren, die Haupt­strö­mun­gen inner­halb der KR und ihrer Rele­vanz für die Neue Rechte.

Wer sich bei der Gegen­uni jetzt hier anmel­det (dafür ist noch kei­ne kos­ten­pflich­ti­ge Ein­schrei­bung not­wen­dig), bekommt das gesam­te Video-Semi­nar zur KR geschenkt.

Als Ent­schei­dungs­hil­fe hier die Einführungssitzung:


Mei­ne Fra­ge lau­tet: Gibt es neben die­sem grund­sätz­lich wirt­schaft­li­chen Kampf zwi­schen ›denen da oben‹ und ›denen da unten‹ nicht auch einen ande­ren Kon­flikt, der in einer trans­ver­sa­len Wei­se die Grund­la­gen unse­rer Zivi­li­sa­ti­on erschüttert?

Ich bezie­he mich auf den Kon­flikt zwi­schen den­je­ni­gen, die, durch­drun­gen von Mate­ria­lis­mus und Indi­vi­dua­lis­mus, ver­su­chen, den Sinn und die Schön­heit der Welt zu ver­nich­ten, und den­je­ni­gen, die dafür kämp­fen, sie zu ver­tei­di­gen und zu verbessern?

Der Fra­ge­stel­ler ist Javier Portel­la, ver­ant­wort­lich für den non­kon­for­men spa­ni­schen Blog El Mani­fies­to. Und sein Gegen­über, Die­go Fus­aro – unkon­ven­tio­nel­ler Mar­xist, gibt ihm dar­auf fol­gen­de Antwort:

Der Klas­sen­kampf exis­tiert und, wie die herr­schen­den Klas­sen selbst sagen, gewin­nen sie ihn in Form eines ein­sei­ti­gen Klas­sen­ge­met­zels. Der Klas­sen­kampf exis­tiert heu­te, aber nicht in der Form, wie Marx ihn sich vor­stell­te: Die neue Klas­sen­zu­sam­men­set­zung stellt in der Tat an der Spit­ze den kapi­ta­lis­tisch-finanz­olig­ar­chi­schen Block dar, an der Basis den Zusam­men­schluss der mitt­le­ren Bour­geoi­sie und der Arbei­ter­klas­sen. In Hegels Wor­ten: der eli­tä­re glo­ba­le Herr gegen den popu­lä­ren natio­na­len Leibeigenen.

Aber der unter­schied­li­che Klas­sen­kampf unse­rer Gegen­wart hat auch damit zu tun, dass es sich nicht nur um einen mate­ri­el­len und wirt­schaft­li­chen Kampf han­delt, wie es sicher­lich der Fall ist. Es ist auch ein kul­tu­rel­ler und geis­ti­ger Kampf, denn der eli­tä­re Glo­bal Mas­ter hat sei­ne Wur­zeln im post­mo­der­nen und nihi­lis­ti­schen Rela­ti­vis­mus, in der Kul­tur der Annul­lie­rung (d. h. ›Can­cel Cul­tu­re‹) und in der neu­en geis­ti­gen Ord­nung, die die Nich­tig­keit der glo­ba­li­sier­ten Waren­form widerspiegelt.

In die­sem kur­zen Inter­view, das Portel­la mit Fus­aro anläß­lich des Wahl­siegs Gior­gia Melo­nis – den Fus­aro kei­nes­wegs als einen faschis­ti­schen Erd­rutsch­sieg, son­dern viel­mehr als einen Erfolg rechts­li­be­ra­ler Kräf­te deu­tet –, führ­te, las­sen sich durch­aus Par­al­le­len zur Ideen­welt der oben ange­schnit­te­nen KR fin­den: Auf­bre­chen des links-rechts Gefü­ges, Fun­da­men­tal­kri­tik am Mate­ria­lis­mus, Ver­tei­di­gung der »Bin­dung« gegen­über der »Zivi­li­sa­ti­on des Nichts« u.a.

Robert Steu­ckers, Fla­me und ein Mann der ers­ten Stun­de in der Nou­vel­le Droi­te, hat das Inter­view auf sei­nem Blog Syn­er­gon-Info ins Deut­sche über­setzt. Hier geht es zum gesam­ten, lesens­wer­ten Stück:

DIEGO FUSARO: DER DENKER DES SOZIALPATRIOTISMUS

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Kommentare (9)

RMH

10. Oktober 2022 09:44

"dem Ahnherrn der deutschen Neuen Rechten, Armin Mohler,"

Ob man Mohler vom Hausaltar in Schnellroda auf einen derartigen, allgemeinen Sockel heben darf und kann, dazu hätte ich gerne einmal eine Einschätzung von Zeitzeugen, die seit den 60er Jahren dabei sind, bspw. von @niekisch oder maiordomus (für die konservative Seite und vor allem auch, weil er ebenfalls Schweizer ist).

Seine Verdienste um die Begriffsprägung "konservative Revolution" bleiben damit ungeschmälert. Ahnherr der deutschen neuen Rechte? Evtl. Pate und Hausheiliger von einigen ... die lagerübergreifende  und vor allem verbindende Wirkung fehlt (wie übrigens bei den meisten, der sog. "wichtigen" Denker).

PS: Den Gratis-Lehnert- Vortrag sehe ich mir auf jeden Fall an - was wären diese Seiten ohne Dr. Lehnert?

Niekisch

10. Oktober 2022 10:58

Aus dem Interview: "...besteht die wirklich revolutionäre Geste, die es zu vollziehen gilt, vor allem darin, die Dichotomie von rechts und links zu überwinden, die nur denen an der Spitze zugute kommt, um eine neue politische Geographie derer von unten zu schaffen, d.h. des Volkes der Arbeiterklassen der Mittelschichten."

Otto Strasser formulierte es treffend schon in "Aufbau des Deutschen Sozialismus", Lindner Leipzig, 1. Auflage 1932, S. 21: "Diese Drei-Einheit des Liberalismus, Kapitalismus= die Herrschaftsform des Liberalismus im Körperlich-Wirtschaftlichen; Individualismus= die H.f. d. Lib. im Geistig-Gesellschaftlichen ( Staalichen ); Materialismus= die H.f. d. Lib. im Seelisch-Kulturellen ( Religiösen! ) sehen wir als die Formenwelt des Liberalismus im gegenwärtig ablaufenden Altersstadium des Abendländischen Kulturkreises.

Demgegenüber äüßert sich die Wir-Idee des Konservativismus ...im Sozialismus im Körperlich-Wirtschaftlichen; im Nationalismus im Geistig-Gesellschaftlichen ( Staatlichen ) und im Völkischen Idealismus im Seelisch-Kulturellen ( Religiösen )".

Daraus läßt sich alles Erforderliche ableiten.

Niekisch

10. Oktober 2022 11:21

II.

"besteht die wirklich revolutionäre Geste, die es zu vollziehen gilt, vor allem darin, die Dichotomie von rechts und links zu überwinden, die nur denen an der Spitze zugute kommt, um eine neue politische Geographie derer von unten zu schaffen, d.h. des Volkes der Arbeiterklassen der Mittelschichten."

Otto Strasser ebenda, S. 22: "Das Gesetz der Drei-einigen Bipolarität...gibt uns ..vor allem eine Sichtung der Gegenwart und eine Deutung der Zukunft: wir erkennen, daß die Zeit sich erfüllt, da die Herrschaftsepoche des Liberalismus und seiner Formenwelt ( Kapitalismus, Individualismus, Materialismus ) zu Ende geht, und daß das Pendel der Schicksalsuhr seit dem August 1914 umschwingt in eine neue Herrschaftsepoche des Konservatismus und seiner Formenwelt ( Sozialismus, Nationalismus, Völkischer Idealismus ), deren...Auf- und Durchbruch wir die   D e u t s c h e   R e v o l u t i o n heißen".

Wirkliche Revolution ( von lat. revolvere ) bedeutet in der Tat  Rückwälzung  auf 1914 und sogar zu Bismarck, als das souveräne Deutsche Reich den Sozialgedanken in sich aufnahm und begann, den Nationalismus durch Versuche zur inneren Gerechtigkeit zu veredeln. 

Souveränität - Identität - Sozialität sind die drei tragenden und unabdingbaren Säulen eines wahren  D e u t  s c h e n   S o z i a l i s m u s.

Freichrist343

10. Oktober 2022 12:54

Das größte Problem ist, dass die Rechtskonservativen militaristisch sind. Gut ist, dass die Rechtskonservativen die Einwanderung stark begrenzen wollen. Melonis Sieg hat ein konservatives Feuer entfacht, das immer größer wird und nie mehr erlöschen wird. Bitte googeln: Manifest Natura Christiana 

Niekisch

10. Oktober 2022 14:27

""dem Ahnherrn der deutschen Neuen Rechten, Armin Mohler,"

Ob man Mohler vom Hausaltar in Schnellroda auf einen derartigen, allgemeinen Sockel heben darf und kann, dazu hätte ich gerne einmal eine Einschätzung von Zeitzeugen, die seit den 60er Jahren dabei sind, bspw. von @niekisch oder maiordomus (für die konservative Seite und vor allem auch, weil er ebenfalls Schweizer ist)."

@ RMH 9:44: Das Thema hatten wir vor einiger Zeit schon. Zu dem Artikel (? ) hatte ich einen längeren Kommentar geschrieben, genau wegen der angeblichen Ahnherrenstellung Mohlers. Ich hatte sie angezweifelt. Wissen Sie noch, um welchen Artikel es sich handelte?Die Redaktion? In der Suchfunktion finde ich ihn nicht. Notfalls versuche ichs aufs Neue. 

"Das größte Problem ist, dass die Rechtskonservativen militaristisch sind."

@ Freichrist 343 12:54: Es kein Problem, weil sie soldatisch eingestellt sind, aber nicht militaristisch. Ausnahmen mag es geben. Ich bin in der anderen Richtung eine Ausnahme: nicht pazifistisch, aber für non-violenten Widerstand.

Laurenz

10. Oktober 2022 15:20

@Freichrist343

Das größte Problem ist, dass die Rechtskonservativen militaristisch sind.

Woraus schließen sie das? Das hieße doch, alle militärischen Mächte in Vergangenheit & Gegenwart waren Rechtskonservative, zB Stalin oder Roosevelt oder aktuell die Demokraten in den USA?

Melonis Sieg hat ein konservatives Feuer entfacht

Vielleicht, das werden wir erst noch sehen. Und richtig, Meloni ist katholisch orientiert, obwohl nicht verheiratet. Abgesehen von der SiN, ist die Mehrheit der Rechtskonservativen Deutschlands nicht christlich orientiert. Die Christen in der AfD sind nur ein kleiner irrelevanter Haufen & das ist auch gut so. Privat kann es ja jeder halten, wie er will. Aber auch alle Religiösen müssen verstehen, daß wir eine Säkularisierung der Politik brauchen. Nur dann kann Vernunft in politische Entscheidungen einfließen. Sie sehen doch im aktuellen Geschehen, was Religion (= Ideologie, also Glauben) für ein Desaster erschafft. Glaubenskonflikte sind genau das, was @Niekisch hier anhand des Liberalismus beschreibt. Sie dienen den Privilegierten.

@Niekisch

Danke, hervorragend, nüchtern & sachlich formuliert.

Ein gebuertiger Hesse

10. Oktober 2022 17:19

"Melonis Sieg hat ein konservatives Feuer entfacht."

Leider nein. Dieser Wahlerfolg hat bislang den üblichen rhetorischen Gegenwind seitens der Gegner verursacht, aber doch kaum mehr. Noch viel heikler aber ist, daß die Dame dem Nato-Kurs verschrieben ist. Was sollte in der heutigen Zeit daraus also Gutes für Konservativ/Rechts enstehen?

KlausD.

10. Oktober 2022 17:34

Dr. Lehnert, souverän wie immer, angenehm verständliche Vortragsweise, mit Fontane im Rücken. Bismarck, ein konservativer Revolutionär, interessant. Wobei der Wunsch nach nationaler Einigung bereits seit den Befreiungskriegen 1813 im deutschen Volk Wurzeln schlug, 1848 nochmals Auftrieb erhielt, dann wieder Resignation. Aus dieser politisch depressiven Zeit, in der Fontane zudem noch im Pressedienst des reaktionären Ministeriums Manteuffel tätig war, hier ein Zitat aus einem Brief vom 18.2.1858 aus London an seinen väterlichen Freund Wilhelm v. Merckel in Berlin:

" ... ich glaube an die Jugend der Geister, und daß ein richtiges Herz jung und begeistert fühlt bis zum letzten Schlage. ... Wenn man nur in den Hauptstücken Farbe hält. Wir werden gut preußisch bleiben, zum Thron halten und zum Volk; im Ethischen wie im Ästhetischen, im Sittlichen wie im Schönen werden wir uns selber treu bleiben, und aus dieser Grundharmonie soll sich mit Gottes Hilfe noch wieder ein Zusammenleben aufbauen, das uns erhebt und erfrischt, wie immer auch sein Name lauten und seine äußerlichste Form sich umgestalten mag."

KlausD.

13. Oktober 2022 17:57

Zu obigem Briefzitat noch eine kurze Ergänzung. Es mag vielleicht überraschen, daß sich Fontane darin so offen zum Monarchismus bekennt, doch das hat Ursachen. Nach der tiefen Enttäuschung über den Ausgang und die Ergebnisse der 48-er Revolution, in deren Vorfeld sich Fontane mehrfach öffentlich zur ersehnten deutschen Einheit und zu anstehenden politischen Reformen äußerte, hat er sich resignierend wieder den "alten" konservativen Werten zugewandt. Zusätzlich veranlasst durch seinen Umgang im "alt"konservativen Dichterverein "Tunnel über der Spree", in dem federführend Wilhelm von Merckel tätig ist, der zusätzlich (zusammen mit seiner Frau) Fontane und seiner Familie existenziell mit Rat und Tat zur Seite steht. Erst später, beginnend in den 80-er und dann vor allem in den 90-er Jahren wendet sich Fontane innerlich vom Adel ab und sieht in seinem (politischen) Auftreten einen Hemmschuh der gesellschaftlichen Entwicklung.