Man kann schon heute sehen, dass ‘die Brüder’ einen nächsten Schritt der Ent-Ichung vorbereiten. Die eigentliche Virtuosität in der Exstirpation des Ichs besteht darin, die Menschen jederzeit beliebig umprogrammieren zu können. Man will und wird erreichen, so Steiner, dass die Mehrzahl der Menschen nur noch das für ‘gut’ oder ‘böse’ halten, was die Regierung im Moment dafür erklärt. Einen eigenen inneren Kompass für ihr Handeln werden diese Menschen nicht mehr haben.
(Rudolf Steiner, Der Michaelkampf in Europa. Herausgegeben und auf Gegenwart und Zukunft hin weitergedacht von Martin Barkhoff. Kleine apokalyptische Reihe, Dürnau 2022)
In einem Gast-Artikel auf der Netzpräsenz des kritschen Ökonomen Norbert Haering liest man Erschreckendes. Da ich aber Barkhoffs oben zitiertes Buch kenne, war ich vorbereitet. Vordergründig geht es um eine der zahlreichen “EU-Entschließungen”, diesmal handelt sich um eine solche des “Sonderausschusses zu Einflußnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union“ .
Der Autor des Artikels “Psychologische Impfung: Wie NATO und EU Kinder gegen unerwünschte Gedanken imprägnieren”, Johannes Mosmann, zitiert aus dem Entschließungstext, man fordere
„in der Erwägung, dass die Vorbeugung und proaktive Maßnahmen, einschließlich Prebunking, weitaus wirksamer sind als die anschließende Überprüfung von Fakten und Widerlegung von Behauptungen, die eine geringere Reichweite haben als die ursprüngliche Desinformation“ alle Mitgliedstaaten auf, „Medienkompetenz und digitale Kompetenz“ von „der frühen Jugend bis hin zur Erwachsenenbildung in ihre Lehrpläne aufzunehmen.“
Was ist “Prebunking”? Der englische Begriff debunking wird mit “entlarven” übersetzt und ist bereits ein etablierter Fachterminus in der Sozialpsychologie. Die berühmt-berüchtigten “Faktenchecker” und “Rechtsextremismusexperten” betreiben also Debunking, d.h. sie entlarven Behauptungen im Nachhinein als unwahr. Mosmann erklärt:
Das „Prebunking“ dagegen soll die psychische Einstellung des Empfängers so präparieren, dass er die fragliche Behauptung bereits für falsch hält, bevor er mit ihr in Kontakt kommt. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass Schüler in einer virtuellen Umgebung selbst Fake-News produzieren und sich so scheinbar in „böswillige Akteure“ hineinversetzen. Treffen sie dann im Alltag auf eine Nachricht, der dieselbe Kommunikationsstrategie zu Grunde zu liegen scheint, lehnen sie deren Inhalt von vorne herein ab.
Prebunking ist ein Terminus aus der sogenannten “Inokulationstheorie”, einem sozialpsychologischen Ansatz aus den 60er Jahren, der untersucht, wie Einstellungen von Menschen gegen Beeinflussungsversuche resistenter werden. “Inokulation” bedeutet nichts anderes als: Impfung (Einbringen von Inokulat entweder in eine Zellkultur oder einen Organismus).
„Die Inokulations-Theorie folgt einer Analogie zur medizinischen Immunisierung und geht davon aus, dass es möglich ist, eine psychologische Resistenz gegen unerwünschte Überzeugungsversuche aufzubauen, ähnlich wie medizinische Impfungen eine physiologische Resistenz gegen Krankheitserreger aufbauen. Psychologische Impfbehandlungen enthalten zwei Kernkomponenten:
1. eine Vorwarnung, die ein Gefühl der Bedrohung durch einen bevorstehenden Angriff auf die eigene Einstellung hervorruft, und
2. eine abgeschwächte (Mikro-)Dosis von Fehlinformationen, die eine präventive Widerlegung oder Vorverurteilung der erwarteten irreführenden Argumente oder Überzeugungstechniken enthält.“
Mosmann übersetzt diese Passage aus der NATO-Studie, auf der die EU-Entschließung beruht. Mit der Impf-Metapher wird feindliches Gedankengut (in der Studie sowie dem EU-Papier wird explizit von russischer Propaganda gesprochen, Mosmann bringt eine ganze Reihe von Beispielen) mit dem “Virus” gleichgesetzt, gegen das die Menschen nach der Therapie von vornherein “immun” sein sollen:
Idealerweise kennt man die zu erwartende Argumentation des Gegners, und bringt sie, bevor er sie äußern kann, in „abgeschwächter“ Form selbst an die Öffentlichkeit. Wenn der Gegner sich dann verständlich machen will, bleibt das fruchtlos, weil seine Erklärung das zuvor präparierte psychologische Immunsystem der Bevölkerung aktiviert.
In die Lehrpläne soll also eine buchstäbliche Gehirnwäsche aufgenommen werden. Mithilfe von “coolen” pädagogischen Computerspielen gegen fake news, die die East StratCom Task Force der NATO für den Unterricht empfiehlt, sollen Schüler nicht nur lernen, fake news zu erkennen – das wäre eine kognitive Leistung – , sondern es sollen bereits prä-kognitiv Unlustgefühle hervorgerufen werden. Durch “Trigger-Wörter” springt der innere Abwehrmechanismus an, noch bevor das so therapierte Kind sich bewußt mit anderen Meinungen oder Informationen auseinandersetzen kann. “Fake It Till You Make It” bzw. “Get Bad News”, heißen die erwähnten Programme, im deutschen Sprachraum gibt es außerdem “Buzzard” und speziell gegen “Corona-Leugnung” die App “GoViral”.
Nicht umsonst verweist Johannes Mosmann auf den Ursprung der Inokulations-Theorie in den MK-Ultra-Programmen der CIA, bei denen “Triggerwörter” durch Re-Traumatisierung einprogrammierte Reaktionen der Opfer hervorrufen sollten. Der US-Sozialpsychologe William McGuire entwickelte ausgehend von diesem Material und den Erfahrungen aus dem Korea-Krieg 1964 die Idee, die mentalen Einstellungen von Probanden gegen Angriffe von außen zu “immunisieren”. Ab 2017 begann man, die Impftheorie im Kontext der “Online-Fehlinformation” anzuwenden, um Menschen gegen “Fehlinformationen über den Klimawandel zu impfen”, wie die Verfasser der NATO-Studie formulieren.
Weiß man das alles nun, oder bezieht es zumindest in den Horizont des Menschenmöglichen ein, kann man als Eltern nicht länger glauben, es sei vielleicht der Laune eines besonders medienpädagogisch interessierten Lehrers zuzuschreiben, wenn die Klasse 8b demnächst im Fach “Digitale Grundbildung” so ein neues Projekt gegen fake news hat …
Mosmann ist ist selber Waldorfpädagoge und konstatiert:
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Schulbehörden von allen Schulen – auch von den „freien“ – Medienkonzepte für die „Resilienz“ der Schülergehirne fordern werden.
Die ersten Waldorfschulen, weiß er zu berichten, machen bereits ihre Erfahrung mit entsprechenden Apps im Unterricht. Ausgerechnet diese – für ihre medienfreie Grund- und Sekundarschule bekannte – Pädagogik überholt, wenn es um vorauseilenden politischen Gehorsam (gegen “Nazis”, gegen “Verschwörungstheorien”, “Reichsbürger” und “Querdenker” oder für “Kinderrechte”) geht, die Regelschule oft um Längen.
Die Implementierung solcher Gehirnwäsche funktioniert nach dem Prinzip des Durchreichens hoch oben angehängter Kampagnen (auf WHO‑, NATO- oder EU-Ebene) bis hinunter zur Kreis-Schulbehörde oder zum einzelnen freien Schulträger. Der jeweils Untergeordnete wagt es nicht bzw. käme nicht einmal auf die Idee, den Ukas etwa nicht weiter durchzureichen, denn es liegt auf der Hand, welche Mechanismen der sozialen Kontrolle dann unverzüglich einsetzen würden. Exakt so wie bei “Regenbogen”- oder “Gewaltpräventions”-Programmen oder der “Schule gegen Rassismus” kann sich schlicht keine Institution leisten, nicht mitzumachen. In der Klasse 8b kommt es dann so an, als hätte der IT- oder Sozi-Lehrer sich das ausgedacht, daß “wir da jetzt mitmachen”.
Da Prebunking und Inokulation wie gesagt prä-kognitiv wirken, nützt es wenig bis nichts, als Eltern dagegen mit guten Argumenten “anzustinken”. Ich merke es selber bereits an meinem Jüngsten, 13, daß er mich bei bestimmten Begriffen, die er “Verschwörungstheorien” zuordnet, schon belächelt und gelegentlich abgewunken hat, noch bevor ich Inhaltliches erklären konnte. Dabei kam er noch nicht einmal in den Genuß dieser Programme, der gewöhnliche Medienkonsum und Schulbesuch reichen, wovon man einen Dreizehnjährigen auch nicht völlig fernhalten kann.
Wer weiß, daß die “Resilienz der Schülergehirne” im großen Stil durchgesetzt werden wird, sein eigenes Kind aber davor bewahren will, muß – um in der Krankheitsmetapher zu bleiben, sie danach aber gleich zu verwerfen – auf so etwas wie eine “stille Feiung” hinarbeiten. Diese liegt auf einer tieferen Ebene als derjenigen von Diskussion, Information und Argumentation.
Offenbar müssen wir auf der Ebene der Heranbildung des menschlichen Ichs danach suchen. Denn wenn Martin Barkhoff recht hat, dann zielen solche Programme auf nichts weniger als auf die Zerstörung der Ich-Entstehung beim Heranwachsenden.
Der “eigene innere Kompaß für das Handeln” entsteht primär durch sichere Bindung des kleinen Kindes (darüber habe ich in Wir erziehen nur das Elementarste ausgeführt). Was bei unsicherer/ambivalenter Bindung im Laufe des Heranwachsens und in der Folge dann in menschlichen Kollektiven entsteht, darüber haben Raik Garve und Götz Wittneben unlängst ein höchst aufschlußreiches Gespräch geführt: eine bindungslose, normopathische Gesellschaft.
Dagegen gibt es kein Kollektivrezept. Beim Ich gilt es anzusetzen, beim einzelnen Kind, das im Laufe einer wärmespendenden Erziehung das entwickelt, was Goethe “Herzensbildung” nannte. Ein gut umhülltes Kind wird später in der Lage sein, einen moralischen Kompaß auszubilden, der eben gerade nicht durch Frühpolitisierung entsteht, sondern durch das gerade Gegenteil davon.
Daß es immer wieder Angriffe von außen geben wird, und Jugendliche höchstgradig verführbar sind, da das Ich ja eben noch nicht ausgereift ist, heißt nicht, daß die Erziehung etwa nicht herzenswarm genug gewesen ist – im Gegenteil, der zunehmend Ich-fähige Jugendliche wird allmählich deutlicher spüren, daß da etwas mit ihm angestellt wird.
Der seelischen “Impfung”, die eine Ent-Ichung zur Folge hat, läßt sich – ganz allgemein gesprochen – mit einer warmen “Hülle” in der frühen Kindheit, die das Ich braucht, um zu keimen, mithin also durch seelische Gesundheit trotzen.
Diese wäre nicht mit einem “natürlichen Immunsystem” gleichzusetzen, weil diese Metapher just demselben Inokulations-Hygiene-Sprachregime entsprungen ist. Um seelische Gesundheit als “Herzensbildung” geisteswissenschaftlich statt sozialtechnologisch zu fassen, hilft uns der Rückgang zu klassischen deutschen pädagogischen und literarischen Denk-Quellen.
Nur auf eine will ich hier abschließend hinweisen und die Vermutung äußern, daß Wärme ebensogut gegen Ent-Ichung wirkt wie gegen Ichsucht …
Die letzte und beste Frucht, die spät in einer immer warmen Seele zeitigt, ist eben Weichheit gegen den Harten – Duldung gegen den Unduldsamen – Wärme gegen Ichsuchtler – und Menschenfreundschaft gegen den Menschenfeind.
Jean Paul (1763–1825): Blumen‑, Frucht- und Dornenstücke oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F. St. Siebenkäs im Reichsmarktflecken Kuhschnappel, kurz Siebenkäs, 3 Bde., 1796/97. Drittes Bändchen. Erstes Fruchtstück
Grobschlosser
ein Anrufer beim "deutschlandfunk" fordert die systematische Überwachung und Befragung der Bundeswehrsoldaten (" als Vorgesetzter muss man ja auch wissen was die untergebenen Soldaten so denken usw usw " ) . Unwidersprochen durfte dieser arme Dummkopf seine Überwachungsphantasien verbreiten . Gut - der Moderator regelt den Schwachkopf irgendwann weg als klar wird : er will totale Gesinnungskontrolle der Berufssoldaten ("wichtige Hinweise nicht ignorieren - wer z.B. das Thema Migrantenkriminalität "überbewertet" sollte subtil befragt werden ) .