Wiedervorlage (13): Klepper, 11. Dezember 1942

Heute vor achtzig Jahren nahm sich der Schriftsteller Jochen Klepper gemeinsam mit seiner Frau und der jüngeren von zwei Töchtern das Leben.

Die Fami­lie ging in den Tod, weil sich am Vor­mit­tag die letz­te Hoff­nung zer­schla­gen hat­te, für Rena­te, die Toch­ter, im Innen­mi­nis­te­ri­um eine Aus­rei­se­ge­neh­mi­gung zu erwir­ken. Klep­per hat­te als berühm­ter Schrift­stel­ler Zugang zu Frick und zuletzt zu Eich­mann erhal­ten, aber selbst die­se Gele­gen­heit führ­te nicht zu einem Erfolg.

Und so ging Klep­per, der 1931 die fast vier­zehn Jah­re älte­re, ver­wit­we­te Jüdin Johan­na Stein gehei­ra­tet und deren Töch­ter ange­nom­men hat­te, davon aus, daß er die zwan­zig­jäh­ri­ge Rena­te nicht auf die­sel­be Wei­se wür­de in Sicher­heit brin­gen kön­nen, wie das mit der zwei Jah­re älte­ren Bri­git­te geglückt war, die hat­te aus­rei­sen kön­nen. Um der Depor­ta­ti­on der Toch­ter zuvor zu kom­men, beging die Fami­lie gemein­sam Selbstmord.

Klep­per war der Ver­fas­ser des vor allem in Mili­tär­krei­sen breit emp­foh­le­ner Romans Der Vater, in dem der Sol­da­ten­kö­nig, der Vater Fried­richs des Gro­ßen, eine umfas­sen­de Wür­di­gung erfuhr und als der eigent­li­che Erbau­er des preu­ßi­schen Staats­ge­dan­ken gewür­digt wur­de. Bis heu­te ist die­ses Buch der Preu­ßen­ro­man schlechthin.

Klep­per ist außer­dem neben Luther und Paul Ger­hardt der­je­ni­ge Lied­dich­ter, der in evan­ge­li­schen Gesang­bü­chern am häu­figs­ten ver­tre­ten ist, sei­ne Samm­lung Kyrie ist wei­ter­hin erhältlich.

Abon­nen­ten der bei Antai­os erschei­nen­den Rei­he Mäan­der konn­ten sich mit Band 1 über die sel­te­nen und wenig bekann­ten Tage­bü­cher Klep­pers aus sei­nem Ein­satz an der Süd­ost­front 1941 freu­en – Kubit­scheks Nach­wort führt brei­ter aus, was in die­ser kur­zen Erin­ne­rung an den jah­res­tag nur ange­deu­tet wer­den kann.

Vor allem aber haben Erik Leh­nert und Götz Kubit­schek vor bald zwei Jah­ren einen ihrer Lite­ra­tur­dia­lo­ge über Klep­per geführt. Wir emp­feh­len ihn hier erneut.

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Kommentare (7)

Gast auf Erden

11. Dezember 2022 14:55

Gibt es wirklich Zufälle? Gerade heute wollte ich im Rahmen meines kleinen Grafik- und Gedankenausflugs zum jeweiligen Kirchensonntag eben zum 3. Advent Jochen Klepper in Erinnerung rufen und konnte mich noch sehr gut an die Video-Rezension erinnern. Ein Meilenstein fürwahr! Ich klick jetzt also die "Sez" an, und was finde ich? Genau das Thema und den Link. Danke dafür.

Laurenz

11. Dezember 2022 17:24

Ich hatte das GK/EL-Video seinerzeit gesehen, werde es mir nochmal anschauen, wenn ich mit den beiden neuen Videos aus Schnellroda durch bin. 

Wenn ich mich in die Situation eines Fronturlaubs hineinversetze, hätte ich zumindest probiert, über irgendeine Grenze in Holland mit einem Fischerboot abzuhauen. Dabei kann man immer noch erschossen werden, spielt dann aber auch keine Rolle mehr.

RMH

11. Dezember 2022 19:11

@Laurenz,

Lesen Sie "Der Vater" (gibt es auch als E-Book), reden Sie sich nicht raus, gehen sie nicht "über Los", ziehen Sie 4tsd erst nach Abschluss der Lektüre ein und dann dürfte auch Ihnen klar sein, dass ein Klepper sein Land nicht verlässt. Dass Frau und verbliebene Tochter dann auch diesen Weg wählten, wird etwas sein, was wir Nachgekommenen nie auch nur ansatzweise beurteilen werden können, da wir nie in dieser Situation waren. Da ist mithin Schweigen geboten. Wie auch immer: Eine ewige Tragik, an der wir als Deutsche in aller Stille durchaus zu beißen haben dürfen. Dass diese natürliche und normale Scham politisch von den üblichen Schamlosen bei jeder anderen Angelegenheit permanent ausgenutzt wird, ist dann wieder ein anderes Thema, ändert aber nichts daran, dass man angesichts von Schicksalen wie der der Familie Klepper und den vielen anderen, bei denen dies nicht publik wurde, in sich gehen darf, ohne deswegen eines "Schuldkultes" verdächtigt werden zu können.

Heinrich Loewe

11. Dezember 2022 19:28

@Laurenz

Lesen Sie mal die zivilen Tagebücher "Unter dem Schatten Deiner Flügel" (was für ein Titel!), und lassen Sie dieses Schicksal tief einsinken und an sich heran - es wird Ihr Leben verändern...Man kann danach Klepper nur mit einer seiner Persönlichkeit gemäßen Zartheit anfassen.

Maiordomus

11. Dezember 2022 21:50

Die Geschichte von Jochen Klepper in seiner Begegnung mit Reinhold Schneider  war vor 52 Jahren eine wesentliche Anregung, zu dieser Thematik zu dissertieren; die Mitprägung von GK durch diesen Autor, etwa seinen Roman "Der Vater" gehört seit Jahren zu den Bestätigungen seiner intellektuellen d. h. geistig orientierten Glaubwürdigkeit. 

Volksdeutscher

11. Dezember 2022 22:22

Nietzsche hatte den "Vater" immerhin höher geschätzt als Friedrich den Großen. Vermutlich, weil jener seiner Einschätzung nach größer, das will sagen, seiner Vorstellung vom Übermenschen näher war, als der aufgeklärte, musisch interessierte und sich betätigende Sohn. Ob diese Szene mit Bach sich genau so oder so ähnlich ereignete, weiß man nicht wirklich. Aber vielleicht gelang durch die szenerische Phantasie, einen Hauch vom Flair dieser Begegnung einzufangen:

https://www.youtube.com/watch?v=yQZ4Qlw29OE

 

Volksdeutscher

11. Dezember 2022 22:46

Die menschliche Größe Kleppers bestand meines Erachtens nicht darin, in einer gefährlichen Zeit eine Jüdin geehelicht und sich ihrer Töchter angenommen zu haben, sondern darin, daß er bis zum bitteren Ende die Treue zu ihnen hielt. Ich weiß, viele hier halten die "deutsche Treue" für einen Mythos. Interessanterweise hat dieser "Mythos" eine eigene Geschichte und ist als Wendung aus unserer Hymne nicht zu tilgen. Um mir von seiner künstlerischen Größe ein Bild zu machen müßte ich das Buch zuerst lesen.

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