Zwar konnte man 1,1% Prozentpunkte dazugewinnen und profitiert damit etwas von der Neuwahl, doch der große Gewinner ist die CDU. Mein Kollege Daniel Fiß hat wie immer die Wahl im Detail analysiert. Mein Beitrag befaßt sich mit dem Schielen nach der Ethnischen Wahl, das derzeit auf sozialen Netzen zu beobachten ist.
Anlaß für den Text ist eine Debatte auf Twitter, in der “Jesiden und liberale Türken” als zukünftige Wählergruppe der AfD in Berlin in Aussicht gestellt wurden. Dazu wurde eine “Charmeoffensive” gefordert.
Warum lohnt es sich, auf diese Nachwahl-Twitterdebatten einzugehen? Sie spiegeln das wider, was seit Jahren absehbar war. Der Bevölkerungsaustausch des Wahlvolks stellt die AfD vor die Wahl, sich entweder dem „demographischen Wandel“ anzupassen und „Charmeoffensiven“ für Migranten zu starten, oder aber langfristig zu einer „Volksgruppenpartei“ mit einer Hochburg im Osten zu werden. Andere „konservative” Parteien haben diese Entwicklung bereits hinter sich.
In meinem Artikel in der aktuellen Sezession wies ich – ebenso wie in meinem Vortrag auf der Winterakademie – darauf hin, daß sich in Belgien und England auch konservative und ehemals islamkritische Parteien rasch der „demographischen Wirklichkeit“ anpassen. Raphaela Dancygier schreibt in ihrem Buch „Dilemmas of Inclusion“ am Beispiel Belgiens hierzu:
(..) Wie zu erwarten, stellen Rechts-Mitte Parteien seltener muslimische Kandidaten auf [als linke]. Sobald jedoch die Muslime mehr als 25% der Wahlbevölkerung stellen, verringern sich diese ideologischen Unterschiede. (…). In Belgien stellen Mitte-Rechts Parteien dann muslimische Kandidaten auf, wenn diese Eingliederung entscheidend für die Gewinnung von Sitzen ist.” (Dancygier: Dilemmas of Inclusion, S. 98)
Dieser Trend machte bereits einen Moslem zum Bürgermeister Londons. Auch in Wien und Berlin könnte das bald Wirklichkeit sein. Der Egoismus der Parteien, eine der Achillesfersen des Parlamentarismus, wird hier zum Motor des Großen Austauschs. Das eiserne Gesetz der Zahl, also die Menge der Staatsgelder, die man für die Anzahl der Sitze erhält, und die Anzahl der Stimmen, die man für diese Sitze braucht, setzt die Parteien unter Zugzwang.
„In Wahlbezirken, in denen es immer schwieriger wird, ohne muslimische Unterstützung zu gewinnen, ist es extrem selten der Fall, dass nur eine der großen Parteien muslimische Kandidaten aufstellt. (…) Beispiele zeigen, dass Parteien zwar Auswahlfehler machen, aber schnell rekalibrieren und die Inklusionsstrategie wählen, die ihre Siegeschance für das nächste Mal erhöht.“ (Dancygier, S. 109ff)
Dancygier belegt minutiös, daß in England die Tories – zuerst widerwillig, aber dann ausnahmslos – nachzogen und nach zahlreichen Wahlniederlagen gegen muslimische Labour-Kandidaten selbst auch Moslems aufstellten. Hieraus ergibt sich bereits das unlösbare Problem für die AfD. Laut Dancygier gibt es zwei Möglichkeiten, Migranten in die eigene Partei zu integrieren.
Dancygier unterscheidet die „symbolic inclusion“, also das Aufstellen von erkennbar migrantischen Kandidaten für Spitzenpositionen und ihre Fokussierung im Wahlkampf, von der „vote based inclusion“, die in der Regel aus der direkten Kooperation mit Clans auf lokaler Ebene besteht. Sie schreibt:
Sie wählen eine kleine Anzahl von Minderheitskandidaten aus, die Kosmopoliten, welche Vielfalt schätzen, gefallen, aber nicht unbedingt eine große Anzahl von Minderheitenwählern ansprechen. (…) Im Falle der Muslime bedeutet symbolische Integration, dass ein Kandidat gewählt wird, der säkular und fortschrittlich ist und an die Gleichstellung der Geschlechter glaubt. (Dancygier, S. 6)
Die „symbolische Inklusion“, auf die eine „Charmoffensive“ abzielen könnte, hat einen großen Mangel: sie bringt keine Wahlstimmen bei Migranten. Will man tatsächlich die Stimmen der „zukünftigen“, also stark wachsenden, ethnoreligiösen Enklaven, so muß man eine „vote based inclusion“ anvisieren.
Hier gilt es, die ethnische Wahl zu verstehen. Diese ist, wie ich in meinem Vortrag zusammenfaßte: „tribalistisch, einheitlich, lokal, unideologisch, kandidatenzentriert, und intrinsisch gegen das Gemeinwohl des Gastlandes gerichtet.“
Man gewinnt sie, indem man auf lokaler Ebene Mitglieder aus migrantischen Clans aufstellt und die Sympathie von Moscheegemeinden gewinnt. CDU, SPD und Grüne betreiben diese Strategie mit Erfolg und kennen nicht einmal Berührungsängste vor Grauen Wölfen. Auch die FPÖ enthält scheut nicht davor zurück : Der Landeschef der FPÖ Oberösterreichs Manfred Haimbuchner lud unlängst Vertreter von „Milli Görüs“ in sein Büro zu Gesprächen ein.
Das Dilemma der ethnischen Wahl liegt auf der Hand. Konservative, religiöse und patriotische Türken sind in der Regel türkische Patrioten und Muslime. Das deutsche Gemeinwohl liegt, notwendig, nicht in ihrem Interesse. Es mag sein, dass auch sie gelegentlich und zufällig Schnittmengen mit AfD Forderungen aufweisen. Beispielsweise könnten Türken der Ersetzungseinwanderung von Syrern kritisch gegenüberstehen, da Neuankömmlinge eine direkte Konkurrenz in ihren wirtschaftlichen Nischen und der organisierten Kriminalität darstellen.
Doch jede türkeikritische Politik, die etwa Doppelstaatsbürgerschaften, Visafreiheit, DTIP, oder die grauen Wölfe kritisiert, würde zum Verlust der Stimmen bei einer „vote based inclusion“ führen. Warum sollten gerade Türken und Jesiden die kommenden Bündnisparter sein, und nicht etwa Kurden und Iraker? Will man z.B. die hunderttausenden, potentiellen ukrainischen Wähler gezielt umwerben, verlöre man, die nicht unbeträchtliche Stimmenbasis der Rußlanddeutschen.
Es versteht sich von selbst, dass solche wechselnden Ethno-Bündnisse für die AfD absurd sind.
Die Migranten, die einigen in der AfD als Wähler vorschweben, also assimilierte Türken, die sich nicht länger mit ihrer Heimat identifizieren und auch den Bevölkerungsaustausch an sich ablehnen, brauchen gar keine „Charmeoffensive“. Sie wählen die AfD schon jetzt – gerade, weil sie die Partei der einheimischen Deutschen ist. Diese authentischen Migrantenwähler sind aber, ebenso wie authentische Assimilation, sehr selten und schon aus demographischen Gründen (ihre Geburtenrate ist so gering wie die Assimilationsrate) keine “zukünftige Wählergruppe”.
Selbstverständlich wäre es falsch, würde die AfD unnötig aggressive Signale an solche Wähler aussenden. Doch eine „symbolische Inklusion“ von Migranten in Spitzenpositionen oder im Wahlkampf, brächte (abgesehen von ideologischen Fragen) meiner Einschätzung nach nur Nachteile.
Nachweislich bringt sie wenig bis kaum Stimmen aus ethnoreligiösen Ghettos (dafür müßte man das tun, was auch Befürwortern der Charmeoffensive auf twitter „doch etwas zuviel“ ist). Die Zielgruppe der linksliberalen Deutschen, die man so vom eigenen „Antirassismus“ überzeugen will, wählt, wie man sieht, eher CDU oder FDP.
Gleichzeitig würde eine derartige “symbolische Inklusion” aber die eigene Basis verunsichern oder gar spalten. Gerade die Parteijugend und die idealistischen Freiwilligen, auf die eine “Paria-Partei” umso mehr angewiesen ist, würden dadurch demotiviert. Eine gefährliche, von den Medien und von eingeschleusten VS-Agenten befeuerte Debatte würde entstehen, an deren Ende die Spaltung der AfD stehen könnte.
Die wenigen Prozentpunkte, die eine AfD mit einer multikulturellen Charmeoffensive in Berlin, womöglich erreichen könnte, stünden im keinem Verhältnis zum Schaden, den das bundesweit für die Einheit und das Profil der Partei bedeuten würde.
Ich könnte für Berlin jetzt öffentlichkeitswirksam eine “Charmeoffensive für deutsche Nichtwähler” vorschlagen. Aber wir müssen ehrlich zu uns selbst sein. Ein Kommentator auf Twitter hat recht, wenn er schreibt: ” Eines ist jetzt schon klar: Deutsche, die die AfD wählen, ziehen nach Brandenburg.” So hart es klingt, so unbestreitbar ist es: In manchen Regionen Deutschlands hat die Ersetzungsmigration ein Elektorat geschaffen, das eine Mehrheit für migrationskritische Positionen logisch unmöglich macht.
Statt zu resignieren, sollte die AfD diesen Skandal öffentlich machen. Statt offen darüber nachzudenken, wie man sich der ethnischen Wahl öffnen kann, muß man sie schonungslos sichtbar machen. Jede Kollaboration der Altparteien mit migrantischen Wählern muss recherchiert und angeprangert werden. Ebenso sollte die Partei, wie das die FPÖ in Österreich bereits mit ihrem „Demographiedashboard“ geleistet hat, an der Visualisierung der Ethnischen Wahl arbeiten.
Denkbar wäre, bei jeder Wahl ein „alternatives“ Wahlergebnis zu errechnen, das zeigt, wie sie ohne Ersetzungsmigration und Bevölkerungsaustausch ausgegangen wäre. So wird dem Volk bewusst, wie die Demographie die Demokratie zerstört. Die illegitime und antidemokratische Strategie des Wählerimports rückte so ins Bewußtsein.
Diese schockierenden Fakten müssen die AfD anspornen, in den Regionen, in denen es noch möglich ist, Mehrheiten zu erringen. Vor allem muß sie an einer Reconquista arbeiten, sprich mit den vereinten Kräften des politischen Umfelds, den Rahmen des Sagbaren erweitern und die kulturelle Hegemonie der Gegner brechen.
Denn diese Hegemonie und ihre emotionale Konditionierung durch den deutschen „Schuldkult“ sind immer noch die Hauptgründe dafür, daß migrationskritische Deutsche gegen jede Vernunft, eher die CDU als die AfD wählen.
Gotlandfahrer
Wir leben im Zeitalter der Kaninchen, die vor der Schlange erstarren. Mit „öffentlich machen“ von Skandalen, mit „schonungslos sichtbar machen“ erreichen wir so viel wie ein Züchter, der seinen Viechern zuruft „lauft, die Schlange ist gefährlich“. Es findet rein gar nichts mehr auf argumentativer Ebene statt, seit langem nicht mehr, mittlerweile frisst sich dieses Denkvakuum durch die westlichen Gesellschaften wie das Nichts durch Phantasien. Das Bürgermaterial, auf das es theoretisch doch eher ankommen müsste als auf Mustafa, den Milden, oder Mandy, die nicht wählt, hat Thor von Waldstein im aktuellen Heft der Sezession trefflich beschrieben: Es ist träge Masse. Dies ist ihr gar nicht vorzuwerfen, es ist Rahmenbedingung, sie ist das, was folgt, wem oder was auch immer und sei es der sich entbergenden Technik und ihrer entwürdigenden Wirkung. Die Schlange holt sich ihre Opfer, den Blutzoll der Götter. Bald schon hüpft der Rest in Panik davon und dann schauen wir mal. Wenn sich jeder wieder selbst der Nächste ist, das Morgenmagazin nicht mehr von der nächsten Rentenerhöhung oder Strompreisbremse spricht, sortieren sich die Dinge von allein. Ich glaube nicht, dass es einen Unterschied macht, ob die AfD im Wedding den Mustafa aufstellt oder nicht. In Marzahn, in Thüringen etc. bleibt man stabil, egal was man andernorts an Verrenkungen macht oder unterlässt.
Unbesehen davon verneige ich mich vor MS und erachte seine Arbeit als Geschenk für unser Volk.