Denken Sie sich folgende Romankonstellation (Sie werden rasch merken, worauf das hinausläuft):
Wir lernen zunächst zwei schwarze Familien in Mississippi kennen. Beide sind völlig verkommen, ja ekelerregend desaströs. Die Frauen hassen ihre Männer, und die Männer kümmern sich darum, ihre dicken Bäuche durch Bier „in Form“ zu halten. Sie qualmen permanent, um einen beeindruckenden Stuhlgang zu befördern.
Diese Leute sind dermaßen am Boden, daß die Kinder der einen schwarzen Familie ihre Mutter nur „Hot Mama Yeller“ nennt, weil Mama sich unter diesem Namen an andere schwarze CB-Funker prostituiert.
Überhaupt sind hier alle Schwarzen der reine Abschaum. Sie geben ihren Kindern unsinnige Namen („Junior Junior“), und sie sind dermaßen analphabetisch unterwegs, daß sogar das einzige Restaurant in dieser (übrigens realexistierenden) Kleinstadt namens Money statt „Diner“ den Schriftzug „Dinah“ trägt. Der Großteil der hier angebotenen Speisen ist quasi ungenießbar, aber die Schwarzen mögen das anscheinend. Die Schwarzen finden selbst penetrantesten Stinktiergeruch offenkundig akzeptabel.
Dann geschehen in dieser Kleinstadt grausame Morde. Erst drei, dann vier Schwarze werden grausam verstümmelt aufgefunden. Immer wurden ihnen zusätzlich die Hoden, ja: abgerissen. Die Hoden befinden sich in den Händen einer am Tatort aufgefundenen weißen Leiche. Gelegentlich liegen sie auch verstreut in der Landschaft herum. Splatter: ja!!
Die immer anwesende weiße Leiche scheint stets ein bereits älterer Leichnam zu sein – womöglich aus irgendeiner Kühlkammer geklaut?
Der Fokus liegt aber auf den schwarzen Leichen. Das ist ein Fest! Pardon, aber man wird doch wohl die schwarzen Schweine als Schweine entblößen dürfen?
Erst gibt es nur 25 rätselhaft getötete, alle in den Südstaaten. Gemäß Recherche – bald ermitteln nicht allein die unfähigen schwarzen Dorfsheriffs, sondern zwei sehr coole, blitzgescheite weiße Cops aus einer übergeordneten Behörde kommen hinzu – waren all diese getöteten schwarzen Männer echte Arschlöcher. Dann weitet sich die Mordserie aus:
Florence, South California. Macon, Georgia. Hope Mills, North Carolina. Selma Alabama. Usw. usf. Überall werden Schwarze brachial ums Lebens gebracht. Jedem von ihnen werden die Hoden abgerisssen.
Die Aufzählung der Orte, an denen Massaker an schwarzen Männern stattfinden, geht triumphal über anderthalb Seiten. Wir befinden uns hier auf Seite 353 unseres ausgedachten Romans.
Bereits ab Seite 223 bis Seite 233 gab es eine ähnliche Auflistung: Nämlich die Namen all der Weißen, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten durch schwarze Gewalt ums Leben kamen. Das sind nicht wenige. Und es ist gut, daß man sie seitenlang aufschreibt.
Zum Glück haben wir die zwei weißen, sich stets befrotzelnden Kommissare Ed und Jim, die in diesem schwarzen Drecksloch namens Money aufräumen. Wollen! Kleines Dialogbeispiel:
“… so ein dämlicher Neger…“- „Dämlicher Neger ist redundant. Ich muss sagen, die Inzucht-Neger-Motherfucker jagen mir eine Heidenangst ein.“
Ihnen zur Seite steht die sehr weiße FBI-Agentin Herberta Hind, die die Spiele der dämlichen Schwarzen natürlich sofort durchschaut.
Eine weitere weibliche Person, die kesse Gertrude, Kellnerin im „Dinah“, legt den Ermittlern eine Fährte. Gertrude wird von unseren weißen Cops zunächst für eine Schwarze gehalten, und sie wundern sich ein bißchen, daß sie dennoch ganz sympathisch („süß“) ist. Aber Gertrude gesteht ihnen bald, daß sie (per Blut) eine Weiße ist – was natürlich ihre Anziehungskraft auf die Cops erklärt.
Gertrude wird die Ermittler dann zu ihrer Urgroßmutter führen, die als weise Weiße zurückgezogen lebt. Die Uroma ist 105 Jahre alt, frech und hochintelligent, und sie führt ein einzigartiges Archiv: Über 6000 Fälle von schwarzer Gewalt hat sie in jahrzehntelanger Arbeit dokumentiert.„Schwarzköppe“, sagt sie verächtlich.
(Ist ja auch nicht schwierig: Schwarze stellen rund 14% der US-Bevölkerung, aber begehen 50% der Straftaten! Allein zwischen 2012 und 2015 haben Schwarze 85,5 Prozent aller interrassischen Gewalttaten zwischen Schwarzen und Weißen begangen – ausgenommen Tötungsdelikte zwischen Rassen, die ebenfalls unverhältnismäßig viele Weiße treffen, die Opfer von Schwarzen werden. Martin Lichtmesz hatte diese unerfreulichen Fakten einmal auf diesem Blog aufbereitet.)
Die Verächtlichungmachung alles Schwarzen zieht sich durch unseren ganzen (ausgedachten) Roman und macht natürlich den Charme dieser subversiven Mischung aus Krimi und Komödie aus. Man kann das ja alles mit einem heiteren Augenzwinkern betrachten!
Einmal blicken die beiden weißen Ermittler auf das Denkmal für die schwarze Bürgerrechtsbewegung, wo bekanntlich die radikalen “Black Panthers” eine gewisse Rolle spielten:
Nun schau dir dieses Stück Scheiße an. Sieht aus wie ein großer schwarzer Pimmel.
Rasch erreichen die Rachefeldzüge der Weißen den Regierungsbezirk. Obama kauert dort feige und panisch unter seinem Schreibtisch im Oval Office. Er steckt fest! Ein Kaugummi klebt an seinen Haaren. Er stammelt unsinniges Zeug. Seine Leute beruhigen ihn: Seine Frau sei sicher.
Obama:
“Ach so, Michaela.“-„Michelle, Sir.“
Das Ende bleibt offen. Die armseligen Verteidiger mit ihren Kohlegesichtern schreiten „watschelfüßig“ die Bundesstraßen ab. Derweil werden in der Hütte der weisen Urgroßmutter Namen getippt. Namen von weißen Opfern schwarzer Gewalt. Weil sie nicht vergessen werden dürfen!
– –
Okay, Ende des Quatsches. Vermutlich haben Sie mein simples Spiel durchschaut. Wenn Sie wissen wollen, worum es in diesem Roman (Autor Everett, *1956, Englischprofessor, geboren in Georgia, ist vielfach preisgekrönt) wirklich geht, sollten sie einfach schwarz gegen weiß eintauschen:
Schwarzköppe gegen Weißbacken. Kohlegesichter gegen Käsgesichter. Obama gegen Trump. Den Haß der Weißen auf die Schwarzen in den Haß der Schwarze auf die Weißen. Den schwarzen Abschaum gegen den weißen.
Wäre es denkbar, daß ein Roman in meiner vorgeführten Version in einem großen Publikumsverlag erschiene? Logisch nein, und es wäre auch reichlich ekelhaft. Wie kann man so versessen auf „Rasse“ sein? Die Bäume ist es aber. Es ist Rassenhaß in Kunstform.
Warum? Weil sie es dürfen. Ja, dieser Roman hat eine gewisse Verve, und der zugrundeliegende Lynchmord an dem schwarzen Jungen Emmett Till (1955) ist fraglos grauenhaft. Es gab unentschuldbare Lynchjustiz durch Weiße an Schwarzen.
Die hier exerzierte Erbschuld ist alttestamentarisch und überaus grauenhaft. Der Stil ist der von Inglorious Basterds. Bekanntlich sind die zeitgenössischen Deutschen besonders leicht dafür zu gewinnen, den Kakao, durch den sie gezogen wurden, auch noch zu trinken. Nun ist dieser Roman nicht in irgendeiner linken Nischenedition erscheinen, sondern im „bürgerlichen“ (ha! ha!) Hanser-Verlag.
Gibt es übrigens Gegrummel über das Zeug? Nein, sondern das:
Sie werden höllischen Spaß haben mit ‘Die Bäume’, einem einzigartigen Hybrid aus Kriminalroman und Rachefantasie, Schauerstück und Südstaatenkomödie – auch wenn Ihnen beim Lesen das Lachen immer wieder im Hals stecken bleiben mag. … Dieses Buch blutet. Aber dieses Buch weint nicht. Es beißt.
(Marcus Müntefering, Spiegel Online, 1. 3 .23Sehr, sehr fesselnd, sehr kraftvoll, sehr atmosphärisch, … kurz gesagt: Eine außergewöhnliche und sehr, sehr lohnende Lektüre.
(Irine Binal, Ö1 ex libris, 26. 2. 23)In meinen Augen ist dieses Buch glänzend, wirklich aufregend… Das ist ein großer Literaturspaß! (Denis Scheck, 3sat Kulturzeit, 23.2.23)
Percival Everett zeigt die Lächerlichkeit des Bösen und die sich selbst entblößende Blödheit jedes Rassismus. Hohe Kunst ist das, wie Everett in ‚Die Bäume‘, Humor und Horror, Spaß und Spannung ineinanderfließen lässt. (Wolfgang Popp, ORF, 18.2.23)
Meisterhaft zwischen unaussprechlichem Grauen und umwerfender Komödie. (New York Times Book Review)
Man wundert sich und sagt zu sich selbst: „Ein Wunder, daß der Autor nicht längst kultisch verehrt wird.“
In gewisser Weise sind wir einfach durch. Und falls Sie sich selbst überzeugen wollen, bestellen Sie diesmal bitte anderswo.
Adler und Drache
Außer Dennis Scheck kenne ich keinen Namen, aber dieser eine betrübt mich doch - seine Buchbesprechungen fand ich früher unterhaltsam und erhellend, ich wusste gar nicht, dass der so drauf ist.
Bevor ich hier landete, war ich in einem Science-Fiction-Forum. Als 2012 der Film "Django Unchained" erschien (von demselben Regisseur wie "Inglorious Basterds"), las ich Kommentare wie: "Einfach geil, dieses Redneck-Abknallen!" Es schloss sich eine Diskussion an, nach der ich rausgeworfen wurde.
Davila schrieb doch mal sinngemäß: "Man wird nicht rechts, wenn man Rechten zuhört, sondern man wird rechts, wenn man Linken zuhört." (Jedenfalls scheint es mir unausweichlich, wenn man noch über eine grundlegende menschliche Haltung und einen normal funktionierenden Verstand verfügt.)