Höckes Immunität

Der Justiz-Ausschuß des Thüringer Landtags hat heute zum 7. Mal die Immunität Björn Höckes aufgehoben.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Grund ist, daß die Staats­an­walt­schaft Halle/Saale ein Ermitt­lungs­ver­fah­ren gegen Höcke betrie­ben und nun Ankla­ge erho­ben hat. Höcke habe öffent­lich eine natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Paro­le vorgetragen.

Wir spre­chen vom Abschluß einer Wahl­kampf­re­de, die Höcke Ende Mai 2021 in Mer­se­burg hielt, vor fast zwei Jah­ren also. Wer Höckes Rede­stil kennt, weiß, daß er dort, wo er wirbt und um Wäh­ler­stim­men kämpft, gern mit einem Drei­klang abbindet:

Es lebe Thü­rin­gen, es lebe unser Deutsch­land, es lebe das wah­re Europa!

Das läßt sich von Bun­des­land zu Bun­des­land vari­ie­ren. In Mer­se­burg nun griff Höcke spon­tan den Wahl­kampf-Slo­gan der dor­ti­gen AfD auf, die mit der Paro­le “Alles für unse­re Hei­mat” spä­ter ein star­kes Ergeb­nis erziel­te. Höcke rief den Wäh­lern zu:

Alles für unse­re Hei­mat, alles für Sach­sen-Anhalt, alles für Deutschland!

“Alles für Deutsch­land” war einer der Wahl­sprü­che der SA, der Spruch zier­te Ehren­dol­che. Aber Höcke sprach die­se drei Wör­ter nicht des­we­gen, selbst­ver­ständ­lich nicht des­we­gen, auch nicht nach Abwä­gung, ob es statt­haft sei, sie zu spre­chen. Er rief sie als Bau­stein eines Drei­schritts, einer sich stei­gern­den Kas­ka­de, am Ende einer Rede, in der nichts von dem ent­hal­ten war, was nun durch das Straf­ver­fah­ren unter­stellt wer­den soll: augen­zwin­kern­de oder offen­sicht­li­che Nähe zur Sturm­ab­tei­lung eines tota­li­tä­ren Regimes.

Es ist das sieb­te Mal, daß Höckes Immu­ni­tät auf­ge­ho­ben wird, und es ist das sieb­te Mal, daß dies auf­grund eines “Mei­nungs­de­lik­tes” geschieht. Immer geht die Anzei­ge eines poli­ti­schen Geg­ners (eher: Fein­des?) vor­aus, kein Mal ist Höcke aus einer sol­chen Ent-Immu­ni­sie­rung als Ver­ur­teil­ter oder belegt mit einer Stra­fe ent­las­sen worden.

Aber die Absicht, die der poli­ti­sche Geg­ner ver­folgt, ist – von den Ermitt­lungs­er­geb­nis­sen völ­lig unab­hän­gig – bereits mit der öffent­lich­keits­wirk­sa­men Auf­he­bung der Immu­ni­tät erfüllt. “Auf­he­bung von Immu­ni­tät” bleibt als Nach­richt beim Wäh­ler auf die­sel­be Wei­se hän­gen wie etwa die dra­ma­ti­schen Aus­sa­gen von Ver­fas­sungs­schutz­äm­tern, daß es “Ver­dachts­mo­men­te” gebe. Es mag im Nach­gang alles unhalt­bar gewe­sen sein – man wird den­noch nicht ohne Grund ermit­telt haben.

Weil er um die Insti­tu­tio­nen­gläu­big­keit unse­rer Lands­leu­te weiß, hat Höcke schon früh gefor­dert, die völ­lig irrele­van­te “Immu­ni­tät” von Abge­ord­ne­ten über­haupt aus­zu­set­zen und am bes­ten ganz abzu­schaf­fen. Denn nur ihre Auf­he­bung ist als poli­ti­sche Waf­fe eine Mel­dung wert, sie schützt ja gera­de nicht vor absur­den Vor­wür­fen und Ver­fah­ren. (Aus dem­sel­ben Grund kämpft die AfD mit Blick auf die poli­ti­sche Waf­fe Ver­fas­sungs­schutz dafür, daß “Ver­dachts­mo­men­te” nicht mehr als Nach­richt der Ämter an die Öffent­lich­keit wei­ter­ge­ge­ben wer­den dürf­ten, son­dern nur noch gesi­cher­te Erkenntnisse.)

Was fällt auf, wenn man die Rah­men­be­digun­gen der 7. Auf­he­bung der Immu­ni­tät Höckes analysiert?

1. Das Ver­fah­ren ist ver­schleppt wor­den und wird in einem Moment prä­sen­tiert, in dem die AfD in Thü­rin­gen als stärks­te Kraft gehan­delt wird, mit zuneh­men­dem Abstand zur regie­ren­den Links­par­tei und gegen den Bun­des­trend weit vor der CDU.

2. Die Staats­an­walt­schaft Hal­le über­springt eine Instanz, indem sie Höckes Fall gleich von der Gro­ßen Straf­kam­mer ver­han­deln läßt. Weder die Pro­mi­nenz Höckes noch das “Gewicht” des Fal­les las­sen eine sol­che Ent­schei­dung zu.

3. Im Rah­men der Ermitt­lun­gen sind Mit­ar­bei­ter und Par­tei­freun­de Höckes befragt wor­den. Eini­ge berich­te­ten von Fra­gen, die für die Ermitt­lung des Sach­ver­halts völ­lig irrele­vant sind. So habe man sich mehr­fach danach erkun­digt, was sol­che Ver­fah­ren “mit Höcke mach­ten”, also inwie­fern sie ihn belas­te­ten, von der Arbeit abhiel­ten, ihn zer­mürb­ten und sein Ver­hält­nis zur Par­tei und zu inner­par­tei­li­chen Kon­kur­ren­ten beeinflußten.

Höcke hat sich in einer Stel­lung­nah­me nicht nur über den Vor­wurf an sich, son­dern vor allem auch über die­se Vor­ge­hens­wei­se der Straf­ver­fol­gungs­be­hör­de geäu­ßert. Im Wortlaut:

  • Wie kann es sein, daß die Staats­an­walt­schaft Hal­le für eine Mar­gi­na­li­tät nicht nur zwei­mal mei­ne Immu­ni­tät auf­he­ben läßt, son­dern ein Ver­fah­ren eröff­nen will und mir dabei auch noch durch die beab­sich­tig­te direk­te Anru­fung der Straf­kam­mer eine Tat­sa­chen­in­stanz neh­men möch­te? Kann es sein, daß man hier maxi­ma­le Öffent­lich­keit pro­du­zie­ren will bzw. wie kann es sein, daß es für „Pro­mi­nen­te“ Son­der­recht gibt?
  • Wie kann es sein, daß die Staats­an­walt­schaft Hal­le in die­ser Sache durch die Poli­zei in Thü­rin­gen Zeu­gen­be­fra­gun­gen bei mei­nen Mit­ar­bei­tern, amtie­ren­den und ehe­ma­li­gen Lan­des­vor­stands­mit­glie­dern durch­füh­ren ließ, bei denen expli­zit Fra­gen gestellt wur­den, die über­haupt nicht zur Sach­ver­halts­auf­klä­rung bei­tra­gen konnten?
  • Wie kann es sein, daß in den Ver­neh­mun­gen durch die Poli­zei Fra­gen dahin­ge­hend gestellt wur­den, ob die zahl­rei­chen Anzei­gen bzw. Immu­ni­täts­auf­he­bun­gen mit Herrn Höcke etwas machen wür­den? Woll­te man hier etwa die Zer­set­zungs­wir­kung der Jus­tiz­keu­le eva­lu­ie­ren? Erken­nen wir hier viel­leicht die Spit­ze eines Jus­tiz­skan­dals, eines Kom­plotts, der wie­der­um juris­tisch bzw. par­la­men­ta­risch auf­ge­ar­bei­tet wer­den muß?
  • Und wie kann es sein, daß die Staats­an­walt­schaft Hal­le für die straf­recht­li­che Ver­fol­gung eines rhe­to­ri­schen Stil­mit­tels viel Zeit und Geld ein­setzt, wäh­rend die Gewalt­kri­mi­na­li­tät in Deutsch­land explo­diert und die Jus­tiz über völ­li­ge Über­las­tung klagt?

Man wünscht sich eine tat­säch­lich objek­ti­ve Instanz, die sol­che Fra­gen beant­wor­ten wür­de, aber auf eine sol­che Instanz zu hof­fen und zu pochen, ist naiv, ist bei­na­he kin­disch, jeden­falls aus macht­po­li­ti­scher Sicht nichts wert. Unab­hän­gig­keit von poli­ti­scher Machen­schaft soll­te man von der Jus­tiz erwar­ten dür­fen, eine zusätz­li­che Instanz ist nicht nötig.

Höcke weist in sei­ner Stel­lung­nah­me zurecht dar­auf hin, daß in unde­mo­kra­ti­schen Regi­men die Jus­tiz immer schon gegen die Oppo­si­ti­on in Stel­lung gebracht wor­den sei. Immer sei es dar­um gegan­gen, die­se Oppo­si­ti­on zu dis­kre­di­tie­ren, zu ver­ängs­ti­gen und mit Abwehr­ar­beit gegen Ver­leum­dung zu beschäftigen.

Der miß­bräuch­li­che Ein­satz von Straf­an­zei­gen, Immu­ni­täts­auf­he­bun­gen und Pro­zes­sen gegen lega­le wie legi­ti­me Oppo­si­tio­nel­le jed­we­der poli­ti­scher Coleur muß been­det wer­den. Das freie Man­dat drückt sich auch in der Spon­ta­ni­tät der Rede aus. Wenn wir in einen Zustand abglei­ten, in dem jede poli­ti­sche Rhe­to­rik vor­her von zwei Juris­ten geprüft wer­den muß – wobei auch hier gilt: zwei Juris­ten, drei Mei­nun­gen! – dann ist es um die frei­heit­li­che Demo­kra­tie in unse­rem Land wahr­lich schlecht bestellt.

Das ist alles durch­dacht. Dick­lei­bi­ge Bücher über die Per­fi­die der “tota­li­tä­ren Demo­kra­tie” und über die End­los­schlei­fe in von Par­tei­en und Par­ti­ku­lar­in­ter­es­se erbeu­te­ten Staa­ten beschrei­ben die Vor­gän­ge, die im Fall Höckes ablau­fen: Denn wenn Par­tei­en dar­über ent­schei­den, wer Rich­ter wird und wer Behör­den lei­tet, deren Sta­tus und Ruf auf “Unab­hän­gig­keit” grün­det, kön­nen die­se Par­tei­en eben die­sen Nim­bus der Unab­hän­gig­keit gegen den poli­ti­schen Geg­ner drehen.

Aus die­ser Schlei­fe ist mit Appel­len ans gute Gewis­sen und an die einst anders gemein­te Gewal­ten­tei­lung nicht zu ent­kom­men. Es geht um Macht­fra­gen. Kor­ri­giert wer­den kann der Miß­brauch nur mit Macht.

Für Höcke geht es dar­um, das, was ertra­gen wer­den muß, zu ertra­gen und den­noch mit guten Anwäl­ten den bil­li­gen Stich, den der poli­ti­sche Feind füh­ren möch­te, abzuwehren.

Wir müs­sen uns dar­über hin­aus im Kla­ren sein, daß im Fal­le eines Wahl­sie­ges der AfD in Thü­rin­gen oder anders­wo – im Fal­le einer Macht­op­ti­on also, der Vor­wurf, Wör­ter ver­wen­det zu haben, die schon ande­re ver­wen­de­ten, noch das Gerings­te sein wird.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (50)

Heinrich Loewe

21. April 2023 12:43

Danke, daß Sie Licht ins Dunkel bringen; Öffentlichkeit ist das Einzige, was hier hilft. Lawfare, Stasi 2.0. „Zeig mir den Mann und ich bringe dir das Verbrechen.“ Das ist 1:1 das Drehbuch aus dem Archipel Gulag. Lest mal wieder Solschenizyn. Das ist in Amerika mit MAGA genau so. Alle wichtigen Trump-Verbündeten und Berater wurden mit solchen Schauprozessen überzogen.
An alle, die wie Björn Höcke in der ersten Reihe stehen: Wir Millionen sind mit euch. Eure Kreuzes-Opfer verändern die Welt.
Wenn die Gegner zu solchen Mitteln greifen, heißt das letztlich, daß sie verzweifelt sind weil sie wissen, daß sie uns nicht anders stoppen können. Wir gewinnen!

Franz Bettinger

21. April 2023 12:46

So viel ich weiß, war Hitler Vegetarier, Anhänger der Naturheilkunde, Nichtraucher und ein Gegner der Jagd. Gehören diese Meinungen und Haltungen nun alle unter Faschismus-Verdacht gestellt? „Alles für Deutschland“ ist doch nicht falsch, weil auch die SA diesen Spruch drauf hatte. Die sagten auch „Guten Morgen“ zueinander. Man kann sich nur an den Kopf greifen. Aber ach, es passt alles so schön ins „Beste Deutschland, das es je gab“, ein Merkel-Spruch, der in Zukunft wohl ebenso unter die Dumm-Sprüche & Tabus fallen wird - dann, wenn die andere Seite das Sagen haben wird. O je, Schilda war eine Hochburg der Seriosität und Intelligenz im Vergleich zu dem Berlin von heute. 

Franz Bettinger

21. April 2023 13:03

Die Hetzjagden auf unser Klientel können, wie einst in der DDR und in den US unter McCarthy, auch nach hinten losgehen. Lasst sie hetzen & denunzieren, die Regime-Schützer & -Unterstützer! Man wird immun gegen die Lügen, und hart. Und irgendwann wählen auch CDU-ler nicht mehr CDU, weil irgendwann ist es zu viel. Die Lügen tropfen an einem nur noch ab, und man lacht sie aus, die Lügner. Natürlich sollen hier Menschen entmutigt werden. Natürlich handelt es sich um Zersetzungs-Versuche. Aber wenn der Bürger die Masche einmal durchschaut hat, ist die Waffe stumpf. 

quer

21. April 2023 13:38

Ist eben Sozialismus. War bei "braun" und "rot" so, ist jetzt bei "grün/rot" ebenso. Mixt man diese Farben, kommt "braun" raus. Nun wissen wir aus Erfahrung, wie lange es im Durchschnitt - 12, 40, 80 -  dauert, diese Pest (Todestrieb in der Geschichte - Safarewitsch) wieder loszuwerden: 50 Jahre. Irgendwann um 2060. Dann, wenn die Deutschen lägst Minderheit im (dann noch?) eigenen Land sind.

MARCEL

21. April 2023 14:08

 Ein historisches Vorbild ist der Bauernführer Claus Heim (1884-1968) aus der Landvolkbewegung.
Der gab dem damaligen Staat nichts, nicht ein einziges Wort, nicht einmal seine Schweine, die er alle am Vorabend der erzwungenen Ablieferung keulte - nichts!
Wohlfeile Frage, dennoch: Sollte man dauernd den Rechtsweg beschreiten, wenn "das Recht" gegen einen kämpft? Man hätte mehr Aufmerksamkeit, täte man es nicht.
Allein die Frage ist entlarvend: Was macht das mit einem? Ja, es soll mit einem etwas machen, am besten kaputtmachen (zumindest nerven).
Wenn man es umdrehte? 
Was macht das mit dir, System und deinen Handlangern, wenn du sie losschickst zu mir, weil ich mich nicht impfen lassen will, weil ich mir die Wärmepumpe nicht leisten kann (und will), weil ich immer noch Diesel fahre, weil ich die Grundsteuer nicht aufbringen kann (und will) etc. etc.
Bis wohin werde ich dich, Handlanger (vom Polizisten bis zum Schornsteinfeger) zwingen zu gehen?!

Gotlandfahrer

21. April 2023 14:27

1/2
Herrn Höcke, seiner Familie und seinen Mitarbeitern gilt mein höchster Respekt dafür, dort zu stehen, wo sie stehen und die Attacken entgegenzunehmen. In der Tat werden diese wohl „Peanuts“ sein im Vergleich zu dem, was schon auf Ausführung wartet für den Fall, dass die Wahlergebnisse als Eskalationsgrund hergenommen werden können.  Trotz der Unannehmlichkeit, das Wahlstimmenrisiko scheint doch wohl gering: Der, der weiß, was die Stunde geschlagen hat, lässt sich von dem Vorgang nicht beeindrucken, wer es tut, weiß nicht, was los ist und hätte eh nicht bis zum Wahltag den medialen Spießrutenlauf durchgehalten. Die Chance der Situation besteht darin, breiter bekannt werden zu lassen, dass so ein banaler Satz wie „Alles für Deutschland“ verboten ist.
Juristisch interessant wäre dabei die Frage, ob eine derart unspezifische Aussage überhaupt strafgewehrt sein kann, denn wem muss bekannt sein, was irgendeine NS-Organisation auf ihre Messergriffe geschrieben hat.  Man stelle sich vor, die Marine-HJ hätte „Hallo Allerseits“ auf ihren Koppeln getragen. Aus dem Wortinhalt lässt sich nicht auf ein mögliches Verbot schließen, weder kann Herrn Höcke also Sachverhaltskenntnis noch Bedeutungskenntnis unterstellt werden.  Damit liegt nicht einmal fahrlässige Uninformiertheit vor.

Gotlandfahrer

21. April 2023 14:29

2/2
Anders verhielte es sich bei einer offensichtlichen NS-bezogenen Aussage wie „Heil Hitler“, wo Vorsatz angenommen werden müsste, oder „Den Tod geben, den Tod nehmen“, was selbst einem historischen Laien merkwürdig genug vorkommen kann, um sich vor Verwendung einer derart ungewöhnlichen Redewendung über ein mögliches Verbot zu informieren.
Dadurch, dass der Satz „Alles für Deutschland“ aber eben keinen inhaltlichen oder dem Allgemeinwissen entnehmbaren NS-Bezug aufweist, verfehlt dessen Strafbewehrung nicht nur den Zweck der Norm, denn NS-Verherrlichung kann nicht dadurch verhindert werden, Sprachgebrauch des Alltags zu verbieten.  Sie produziert zusätzlich und auf unbillige Weise Tatbestandsirrtümer in großer Zahl.  Unbillig, da es nicht Ziel von Recht sein kann, unbescholtene Bürger zu Straftätern zu machen, wo ihr Verhalten gar nicht das Ziel der Strafbewehrung war. Hier liegt also ein - womöglich gutgemeinter - Wirkungsirrtum des Gesetzgebers vor.  Vielleicht wusste er es nicht besser. Das wiederum wäre dann aber mindestens fahrlässig gewesen, womit, anders als im Fall von Herrn Höcke, sich nicht auf den Rechtsgrundsatz „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ bezogen werden kann. 
 

wolfdieter

21. April 2023 14:43

Nach meinem bescheidenen Verständnis wurde die Immunität für Abgeordnete eingeführt in Reaktion auf den Umstand, dass zu Zeit von NS Abstimmungen durch Verhaftungen verfälscht wurden. Wäre jedenfalls mein pragmatisches Argument für deren Immunität.

Nath

21. April 2023 14:44

Auch wenn man kein Anhänger der AfD ist, sind derartige Praktiken der Altparteien auf keinen Fall gutzuheißen. Bei einer Dreier-Diskussionsrunde sagte ein (von je her linker) Bekannter zu diesem Thema: "In einer wirklichen Demokratie hat auch eine Rechtspartei ihre Daseinsberechtigung", und ich pflichtete ihm bei.  Dies aber setzt ein radikal-demokratisches Gesellschaftskonzept voraus, ein Verfassungs-Pathos, welchem das Recht der freien Rede für jedermann als heiliges Gut gilt.
Wenn man dies aber befürwortet, kann man sich als Neurechter gerade nicht auf Carl Schmitt berufen. Ist nämlich die Freund/Feind - Bestimmung als politisches Apriori anzusehen, wie kann man sich dann wundern oder gar darüber empören, wenn man dieses Prinzip in der Praxis gegen einen selbst gerichtet am Werke sieht? Ob wie in der McCArthy-Ära gegen mutmaßlich kommunistische Umtriebe vorgegangen wird oder unter Stalin "imperialistische Saboteure" an den Pranger gestellt werden, überall wäre dies als eine Bestätigung der schmittschen Regel aufzufassen. - Umgekehrt, eine herrschende Macht, welche sich dem "Feind" gegenüber konziliant und fair verhielte, würde die schmittsche Prämisse widerlegen. 

wolfdieter

21. April 2023 14:52

Der Dreh- und Angelpunkt ist der Unzustand, dass der Staatsanwalt gegenüber dem Justizminister weisungsgebunden statt unabhängig ist.
Diese Verletzung der Gewaltenteilung öffnet dem Missbrauch Tür und Tor.

RMH

21. April 2023 14:53

Höcke hat seine Anwälte und diesesmal gilt es eben die Sache auch einmal komplett bis einschließlich EGMR durchzuziehen und nicht, wie im Fall VG Meiningen, es erst einmal als Einzelfall abzuhaken. Man muss kein Jurist sein und sich nur einmal das Urteil des OLG Hamm durchlesen, in dem der genannte Spruch unter 86a StGB eingeordnet wird, um gut einschätzen zu können, dass man mit einer erstinstanzlichen Verurteilung von B.H. mehr oder weniger rechnen muss. Dabei ist doch das Bedenkliche heutzutage - unabhängig vom Fall B.H. - das der erforderliche Vorsatz eigentlich nirgends mehr groß nachgewiesen werden muss, sondern mit Floskeln unterstellt werden kann, insbesondere, wenn der Beschuldigte Geschichtslehrer ist und daher "wissen musste" bla, bla, bla. Es geht also um mehr, es geht auch darum, dass rechtsstaatliche Grundsätze wieder zur Geltung kommen. Von daher: Bitte den Rechtsweg komplett durchziehen.

Le Chasseur

21. April 2023 15:13

Halb Off-Topic: Martin Sellner muss demnächst wegen angeblicher Verhetzung auch wieder vor Gericht erscheinen.

Zauberer von Oz

21. April 2023 15:22

Müsste man nicht auch die "18" und "88" in der Mathematik verbieten?
Was ist mit dem Kenzeichen "HH" ? Sind alle Hamburgende Nationalsozialisten?
Was ist mit der Landesregierung von Schleswig-Holstein und deren Kfz-Kennzeichen "SH"? Hat sich der Minsterpräsidentende schon distanziert?
usw....

Laurenz

21. April 2023 16:13

Die systemische Eingabe bezüglich der Befangenheit Deutscher Staatsanwaltschaften, welche vom Teilnehmer
@WolfDieter
vorgebracht wurde, sind eklatant entscheidend. Diese judikative Schwäche unterscheidet Deutschland von einer Demokratie. Da der Parlamentarische Rat das meines Wissens schon so in die Wege geleitet hatte, kann man dem Parlamentarischen Rat Absicht aus niederen Beweggründen vorhalten, auch wenn von den Protagonisten heute keiner mehr lebt. Europol-Haftbefehle müssen deshalb in Deutschland unüblicherweise von Richtern bearbeitet werden. Auch international scheint die Luft für herrschende Klicken aktuell dünner zu werden, radikalisieren sich diese doch immer weiter, wie auch in Israel zu beobachten, wo die Amtszeit von Richtern begrenzt werden soll. Im Falle Herrn Höckes entwickelt sich die Strafverfolgung zu einer politischen Perversion. Die politischen Verfolger & Gegner Höckes sind dem III. Reich oder einer Gulag-Wirtschaft um Lichtjahre näher, als ein Denker, wie Höcke, jemals sein kann.

Majestyk

21. April 2023 16:36

Im Grunde müßten einfach viel mehr Menschen Höcke wagen. Vor allem ist längst nicht mehr rein konservatives Denken gefragt, es braucht eindeutig eine Reaktion um verlorene Sprache und Werte zurückzuerobern.
Meinungsfreiheit gibt es nur ganz oder gar nicht. Schränke ich die ein, nehme ich dem Gegner jede Möglichkeit sich rein verbal zu wehren. Deswegen war politische Korrektheit nie gut gemeint, sondern von Anfang an, der Beginn totalitären Denkens.
„I believe that political correctness can be a form of linguistic fascism, and it sends shivers down the spine of my generation who went to war against fascism.“
(P.D. James)

Kurativ

21. April 2023 18:18

Jeder Richter und jeder Staatsanwalt hat in Deutschland sein Parteibuch. Von der AfD gibt es noch keine. Oder sie werden einfach verboten. Demokratie und Rechtsstaat? Lächerlich. Jeder US-Varsallenstaat hat seine Methoden.

Mitleser2

21. April 2023 20:12

@Laurenz: Ihr Kommentar trifft es genau: Die weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften. Und wenn die von Ramelow & Co. getriggert werden, braucht man sich nicht zu wundern. Ich hoffe, dass Höcke gute Anwälte hat. Wobei das alleine nicht genügt. Siehe Ballweg.

Ordoliberal

21. April 2023 21:14

Was Herr Höcke hier erdulden muss, ist ein klarer Fall von politischer Justiz. Nicht der erste. Und er wird auch nicht der letzte bleiben. Ich wünsche ihm Kraft, Erfolg und Unterstützung aus der Partei und dem Kreis ihrer Wähler und Sympathisanten.
In diesem Zusammenhang möchte ich Großmeister Kubitschek meinen Dank aussprechen. In einem Interview äußerte er kürzlich sinngemäß, dass schon das Zurück zum Normalzustand der Bonner Republik eine Revolution wäre. Das ist eine ganz wichtige Feststellung! Ich denke, nur mit solchen gemäßigten Zielen wird die Rechte, im Verein mit den wenigen Libertären, die es in Deutschland noch gibt, Traktion beim Wähler finden können: Freie Wahlen, freie Märkte, freie Rede - das ist heute revolutionär. Kein vages Geschwätz von "Systemwechsel". Was die Rechte bekämpft, muss klar benannt und definiert werden: Politische Justiz, Politisierung der Geheimdienste, politische Verfolgung der Opposition, Moralisierung der Politik, Politisierung des Privaten, Korruption, Planwirtschaft, Enteignung, Zentralbanken, EU, Euro, ESG, illegale Einwanderung, Stakeholder-Kapitalismus, Indoktrination, Propaganda, Zensur. Mit anderen Worten: Davos, die EU und die Grünen. Das sind unsere Feinde! Und nicht ein ominöses "System".

Volksdeutscher

21. April 2023 21:57

“Aufhebung von Immunität” bleibt als Nachricht beim Wähler auf dieselbe Weise hängen wie etwa die dramatischen Aussagen von Verfassungsschutzämtern, daß es “Verdachtsmomente” gebe." Möglich, aber bei welcher Sorte von Wählern? Bei den Dümmsten der Dummen, die man sich schenken kann? Ich denke eher, daß die neobolschewistische Meute damit ein Eigentor schießen wird, auf jeden Fall im Osten der Republik. Das nächste Mal könnte Björn Höcke den Spruch "Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!" rufen. Käme auch in dem Fall die Aufhebung der Immunität samt Antrag auf Verbot der ganzen Hymne? Und überhaupt: Kann die Staatsanwaltschaft beweisen, daß Björn Höcke seine Inspiration für den dritten Teil des Spruches vom Dolch der SA holte? Kann sie beweisen, daß Höcke dieselbe Inhaltlichkeit des Spruches im Sinne hatte wie die SA, als er "Alles für Deutschland" rief?

Nemo Obligatur

21. April 2023 22:29

Die durchsichtige Kampagne einer politisch beeinflussten Justiz nach bekannten Vorbildern. Wurde nicht ein gegen einen Abgeordneten der AfD wegen eines angeblichen Hitlergrußes auf einer öffentlichen Versammlung ermittelt? Das beste, was sie damals hatten, war ein Standfoto aus einem Video der Veranstaltung, wo der Arm weder hoch noch ausgestreckt war und die Hand auch nicht, eben genauso, wie man einem Bekannten zuwinken würde. Es gab Bilder von Merkel und Seehofer, die deutlich mehr nach Hitlergruß aussahen. Der You-Tuber Timm Kellner muss sich derzeit gegen eine Gefängnisstrafe von acht Monaten auf Bewährung wehren, die er ohne(!) Verhandlung per Post mitgeteilt bekommen hat, weil er einen Witz über die Außenministerin gemacht hat. Der Fall Ballweg mit seinen Querdenkern dürfte allgemein bekannt sein. Und was ist eigentlich aus Heinrich XIII. und seinen Reichsbürgern geworden? 
Was die von Herrn Höcke verwendete, angebliche SA-Parole angeht: Ich wage die Behauptung, dass bei einer Umfrage in der Erfurter Fußgängerzone von 100 befragten Passanten 98 bis 99, vielleicht sogar alle 100, keine Ahnung hätten, woher der Slogan "Alles für Deutschland" kommt. Angesichts der Schlichtheit dieses Slogans ist nicht ausgeschlossen, dass es sich bei seiner Verwendung durch Herrn Höcke um einen Zufall handelt. Es gab vor Jahrzehnten eine TV-Werbekampagne der niederländischen Landwirtschaft mit dem Spruch "Ackern für Deutschland". Das klingt fast identisch. Die Beweislast jedenfalls liegt - noch jedenfalls - aufseiten der Justiz.

Nemo Obligatur

21. April 2023 22:35

@ Ordoliberal
"nur mit solchen gemäßigten Zielen wird die Rechte, im Verein mit den wenigen Libertären, die es in Deutschland noch gibt, Traktion beim Wähler finden können"
Eigentlich eine mir als altem Liberalen sympathische Forderung. Ich glaube aber, dafür ist der Zug abgefahren. Es kann nur noch einen harten Bruch mit der Politik der letzten 30 Jahre geben. Mit gemäßigten Zielen und kleinen Korrekturen ist dieses Land nicht mehr zu retten. Die meisten Wähler wissen das, sie trauen sich nur noch nicht. Der Rest von Europa scheint mir geistig schon ein gutes Stück weiter. 

Idise

21. April 2023 22:49

Wenn die Künstler der Kontextunterschiebung sich zeigen und im verzweifelten Versuch der Machtschwundminderung versuchen den Freiheitsdrang einzuhegen und durch dessen Umetikettierung zu delegitimieren, so drängt sich förmlich die Frage auf was genau es eigentlich ist, von was man sich abwenden wollen soll. Was wird sinngemäß "unterstellt"? Die Absicht ein kollektives sich Aufbäumen hervorzurufen? Ist es nicht vielmehr so, daß noch-Regierende und Konsorten selbst dem Schlafmichel das warme Deckbett geklaut haben und nun mit Fingerzeig auf Höcke "haltet den Dieb!" rufen, ganz augenscheinlich unter Inkaufnahme des Schürens einer gefährlichen Hysterie? Die Welt steht Kopf und der Michel beginnt zu frieren.

quer

21. April 2023 23:29

@Ordoliberal, "unsere Feinde" kann man durchaus als alles bezeichnen, was 1 km gegen den Wind nach Sozialismus riecht. Es ist die Zusammenfassung all dessen, was Sie aufzählen.

Le Chasseur

21. April 2023 23:49

"Was die Rechte bekämpft, muss klar benannt und definiert werden: Politische Justiz, Politisierung der Geheimdienste, politische Verfolgung der Opposition, Moralisierung der Politik, Politisierung des Privaten, Korruption, Planwirtschaft, Enteignung, Zentralbanken, EU, Euro, ESG, illegale Einwanderung, Stakeholder-Kapitalismus, Indoktrination, Propaganda, Zensur..."
...Totalüberwachung https://jungefreiheit.de/politik/2023/faeser-handy-ueberwachung/

Laurenz

21. April 2023 23:57

@Mitleser2 @L.
Der Teilnehmer @WolfDieter hatte das Faktum, natürlich hier schon oft wiederholt aus aktuellem Grunde, auf den Tisch gelegt. Das Problem liegt in der politischen Radikalisierung der Staatsgewalt, die sich über das Justizwesen ausdrückt, ob NSU-Schauprozesse oder der Versuch, einen Präzedenz-Fall der Einschüchterung über Ballweg zu kreieren oder lächerliche Strafverfolgung bei Migranten-Straftaten. Auch die Pozilei kann sich zukünftig auf einiges gefaßt machen. Prügel-Knaben werden zuerst geopfert, wenn Opfer nötig sind, siehe NSU.
Unsere Altvorderen hatten erlebt, wie es ist, wenn sich das Land radikalisiert. Die WSiederholung dieser Radikalisierung sehenden Auges in Kauf zu nehmen, ist das wahre Verbrechen der woken Kultur-Marxisten zu Berlin. Roland Tichy ist hier eine tragische Figur. Der journalistische Spagat dehnt die Sehnen zum zerreißen.

MarkusMagnus

22. April 2023 02:12

Das Problem ist die hier schon angesprochene Weisungsgenundenheit der Staatsanwaltschaft zusammen mit dem sog. Volksverhetzungsparagraphen
In dieser Kombination könnten auch schwerste Verbrechen an Deutschen vertuscht werden. Lassen wir das Konjunktiv weg.
ps:
Ich glaube! die Sezession unterliegt, zumindest bei manchen Browsern, einer Art 'Shadowban". Es werden neue Beiträge auf der Seite nicht mehr aktualisiert. Erst einen Tag später. Hat noch jemand die gleichen Probleme oder liegt es an meinem Browser (Firefox)?
 

das kapital

22. April 2023 02:33

Es gibt echte materielle Schadenstifter.Die sprengen z.B. Nordstream weg. Oder sie beerdigen die Atomkraft in Deutschland und kaufen den Atomstrom beim Franzmann. Da klärt die deutsche Justiz nichts auf. Und das parlamentarische System auch nicht.Wenn aber jemand Klartext redet, dann wird er zum Fall für die Justiz.Ausnahme: arabischer Antisemitismus geht auf allen Straßen und Plätzen.Ist eigentlich mal bekannt geworden, dass arabische Antisemiten von der deutschen Justiz verfolgt werden ? Umfang ? Ergebnis ?Gesinnungsrecht und Gesinnungsstrafrecht. Da hast Du den Salat.Der Satz allein "Alles für Deutschland" ist freihaltebedürftig.Den strafrechtlich verbieten zu wollen, ist schlichtweg falsch.Auch mal dran denken, dass 1934 die Führung der SA abgemurkst und entmachtet worden ist. Die haben zwar anderen den Weg zur Macht geebnet. Dann aber mussten sie selbst über die Klinge gesprungen.

das kapital

22. April 2023 02:42

"Gemeinsam gegen Extremismus" von Seiten der Bayerischen Staatsregierung halt die Formel für strafbar, leitet das aber nicht her.§ 86 StGB könnte einschlägig sein. Die SA ist durch den Allierten Kontrollrat durch Gesetz Nr. 2 von 1945 verboten worden. Damit auch ihre Parolen.

Umlautkombinat

22. April 2023 11:18

> 98 bis 99, vielleicht sogar alle 100, keine Ahnung hätten, woher der Slogan "Alles für Deutschland" kommt.
 
Interessant ist, dass die "Anklaeger" das immer in petto haben.  Ungebrochene Kontinuitaet im eigenen Kopf, wuerde ich sagen.

RMH

22. April 2023 11:37

Ich glaube! die Sezession unterliegt, zumindest bei manchen Browsern, einer Art 'Shadowban". Es werden neue Beiträge auf der Seite nicht mehr aktualisiert. Erst einen Tag später. Hat noch jemand die gleichen Probleme oder liegt es an meinem Browser (Firefox)? 
Nur bei Chrome auf meinem alten Handy ist das auch so - da darf ich mich erst einloggen, bevor die Seite aktuell gezeigt wird (einschließlich Kommentaren).
Auf den richtigen Rechnern, bei denen ich (OMG!) Edge oft verwende, gibts das Thema nicht.
 

RMH

22. April 2023 11:46

Zur Debatte: Es ist vielschichtig. Was aber generell in unserem Lande auffällt, ist neben der Abnahme anderer Rechtsstaatsgrundsätze, das Schwinden des Grundsatzes "in dubio pro reo". Ja, es ist verdammt schwer, jemandem Vorsatz nachzuweisen und die Floskel "Unwissenheit schützt nicht vor Strafe" zum Heilmittel zu erklären - aber darf man sich mit Floskeln wie "der will bewusst Grenzen ausloten" oder "als Geschichtslehrer musste er wissen" etc. über diese Hürden hinwegsetzen? Diese Hürden hat der liberale Reichsgesetzgeber (StGB stammt ursprünglich aus dem Kaiserreich) bewusst eingeführt und die berühmte Unschuldsvermutung muss vom Staat gerade durch Beweis (auch der Vorsatz muss nachgewiesen werden) entkräftet werden und nicht umgekehrt. In diesem Lande gehen aktuell liberale Rechtsstaatsgrundsätze flöten (viele wurden in der Debatte bereits genannt) - Höcke ist hier nur eines der bekannteren Opfer. Wenn er jetzt einmal durchzieht, kämpft er für alle anderen mit. Und evtl. beginnt die Rechte auch einmal, von der Beschimpfung und Feindmarkierung des Liberalismus ein Stück weit runter zu kommen. Rechtsstaatlichkeit ist ein Markenkern des Liberalen. Das gilt es anzuerkennen.

Franz Bettinger

22. April 2023 12:55

@Gotlandfahrer: Großartig argumentiert. Ich wette, das Verfahren wird nicht einmal eröffnet werden. Andernfalls ist zu verfahren, wie @RMH empfiehlt: Die Chose durchziehen bis zum Schluss. Man sollte denen keine Peinlichkeit ersparen. And be it just for the historical record! 

MarkusMagnus

22. April 2023 15:12

@RMH
Ja, genauso war es bei mir auch. 
Und ja, Rechtsstaat Ist viel wichtiger als Demokratie. 

Umlautkombinat

22. April 2023 16:01

@RMH
> shadow ban 
Hier auch. Nur auf bestimmten Geraeten (ein Tablet hier). Kein Browserproblem (alle Browser auf dem betroffenen Geraet). Auch kein Cacheproblem. Auch Neustarts helfen nicht. Begann mit den Kommentarenn beim letzten Bosselmannartikel. Die waren auf diesen Geraeten auf einmal 0. Neue Beitraege fehlten ganz. Man kam auf sie direkt ueber z.B. Wegners Metaseite, aber die hatten dann ebenfalls durchgehend 0 Kommentare. Das haelt bis jetzt an.
 

Majestyk

22. April 2023 17:30

Auch wenn die Anzeige durch einen Grünling erfolgte, juristisch verfolgt wird Höcke durch eine Staatsanwaltschaft unter schwarzrotgoldener Flagge. Von Grünen und Roten ist logischerweise nichts anderes zu erwarten, die Diffamierung durch vermeintlich konservative Kräfte erfolgt nicht von ungefähr. Früher hieß es immer, wer hat uns verraten, Sozialdemokraten. Ich würde mir wünschen, wenn endlich mehr Leute begreifen, daß keiner seit der Bonner Republik die Deutschen mehr verraten hat als die CDU. Die stellen auch die Hauptstreitmacht des politischen Gegners, zumindest deren Führungsebene und die gilt es zu attackieren, nicht den Wurmfortsatz. Wenn die AfD lernt, daß sie die CDU nicht ergänzen oder ändern kann, sondern ablösen muß, dann besteht eine Chance auf eine politische Wende. Bedeutet natürlich auch, daß man Ziele neu justieren muß und auch Methoden überdenken. So verwerflich solche politischen Schauprozesse sind, die können auch eine Bühne sein und ein Eigentor des Gegners.

Gracchus

22. April 2023 23:39

"Kein schöner Land in dieser Zeit"
Der Analyse Kubitscheks ist nichts hinzuzufügen. Ich wünsche Björn Höcke Durchhaltevermögen. Für mich repräsentiert er ein anderes Deutschland. Ich teile die Befürchtung Kubitscheks. Noch jedes System konnte sich auf willfährige Juristen verlassen. Die Causa hier ist ein weiteres Zeichen dafür, wie weit der sozialpolitische Umbau schon vorangeschritten ist, dies zeigt sich auch daran, wie die Sprache der Ideologie den Alltag durchdringt. 
@RMH
Einverstanden: Der Kampf sollte unter dem Banner der Freiheit geführt werden. Einigkeit und Recht und Freiheit. Anzuerkennen ist durchaus, dass der Rechtsstaat liberalem Denken entsprungen ist. Nur: Die liberale FDP sitzt in der Regierung. Es ist auch nicht zu sehen, dass sich Liberale und Konservative für die (parlementarischen) Rechte der AfD einsetzen würden, im Gegenteil. Abgesehen davon, oder auf die Arendt'sche Formel gebracht: Liberalismus = Atomisierung = Boden für totalitäre Herrschaft. Freiheit ist wohl zu wenig. Die derzeitigen politischen Projekte haben den Vorteil, an etwas allen Gemeinsames zu appellieren (Klima, Gesundheit).
@MarkusMagnus: War bei mir auch so.
 
 

RMH

23. April 2023 11:21

"Nur: Die liberale FDP sitzt in der Regierung. Es ist auch nicht zu sehen, dass sich Liberale und Konservative für die (parlementarischen) Rechte der AfD einsetzen würden, im Gegenteil."
@Gracchus,
daran erkennt man den bereits tiefgreifend stattgefundenen allgemeinen Verfall in diesem Land . Die Einstellung „Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.“ (von. B. Hall Voltaire in den Mund gelegt) ist komplett abhandengekommen. Jeder verbannt Carl Schmitt als Kronjuristen des 3. Reiches (war jedoch nur am Anfang, fiel später selber in Ungnade), lebt aber seine Freund-Feind und Ausnahmezustandslehre bis in die letzte Pore (siehe Corona Politik). Mit der Durchdringung der Feindbestimmung ist auch ein manichäischer Vernichtungswille verknüpft. Die AfD ist fast da angekommen, wo man die NPD hatte: Als nützliches Objekt und Honigtopf für die Beobachtung des VS tauglich, ansonsten weg damit. Auf der anderen Seite: Auch die Afd praktiziert die Feindmarkierung und profitiert bei der parlamentarischen Einheitsfront (bis zur Linken) davon, als einzige Partei eine Alternative anbeiten zu können (erfüllt also noch zsätzlich die Ventilfunktion).
PS: Das Kaiserreich war ein liberaler Rechtsstaat - wo hat dieses irgendwas atomisiert? Es wurde durch den von außen mithochbeschworenen WK I atomisiert, aber nicht durch "den Liberalismus".

Laurenz

23. April 2023 16:47

@RMH
Das Kaiserreich war ein liberaler Rechtsstaat - wo hat dieses irgendwas atomisiert? Es wurde durch den von außen mithochbeschworenen WK I atomisiert, aber nicht durch "den Liberalismus".
Das kann man so natürlich nicht stehen lassen. Um den liberalen Rechtsstaat im II. Reich zu finden, muß man schon ins Detail gehen. Es war zB konservativ & vernünftig, eben nicht liberal, daß man bis ins Alter von 25 Jahren die Zustimmung der Eltern brauchte, um heiraten zu dürfen. Hier bei manchen Katholiken sicher unbeliebt, Bismarcks Kulturkrieg gegen die Kirchen. Das war im positiven Sinne liberal. Die Kirchen sollen die dreckigen Finger von den Kindern lassen. Erwachsene können für sich dann entscheiden, was sie glauben wollen oder nicht. Buismarck hatte klar erkannt, was heute noch aktuell ist. Wer sich mit christlicher Erziehung an den Kindern vergreift, kann sich nicht beschweren, wenn andere, zB die Grünen, genau dasselbe nachvollziehen. Von den Jesuiten haben alle gelernt. Desweiteren, RMH, hatten wir im II. Reich noch einen Ständestaat mit Monarchien. Der Motor des II. Reiches waren Industrie-Magnaten & Familien, nicht der Adel. Der Standesdünkel war auch mit ein Grund für den Verlust des I. Weltkriegs. Man saß mit den Offizieren nicht in demselben Boot. Da war nichts liberales zu finden. 20 Jahre später sah das schon anders aus.

Majestyk

23. April 2023 19:58

@RMH:
Die Rückkehr zu einer liberaleren Gesellschaft beinhaltet aber auch den Mut sich selber einzugestehen, daß dies vom Status quo aus eine reaktionäre Position ist. Hier hilft nicht der Konservatismus, denn das jetzt gilt es nicht zu bewahren, hier braucht es eine Rolle rückwärts. Wenn man sich im Wald verlaufen hat muß man auch ein paar Abzweigungen wieder zurück um den Kurs neu zu justieren. 

RMH

24. April 2023 07:11

@Laurenz,
wir brauchen bei dieser Debatte sicher nicht die Vor- und Nachteile des II. deutschen Kaiserreich ausdiskutieren, mein Einwand ging in erster Linie dahin, dass im Kaiserereich ein liberaler Rechtsstaat implementiert wurde, der in Folge geschliffen wurde. Dass das Kaiserreich seine Bürger weniger schröpfte und man damals mit einer simplen Schaumweinsteuer eine ganze Hochseeflotte finanzieren konnte, sind dann die berühmten "Fun Facts" am Rande. Liberal geht auch ohne Demokratie, dass hat schon H.-H. Hoppe gezeigt, dessen entsprechendes Buch anno 2004 auch in der Sezession gewürdigt wurde:
https://sezession.de/7608/demokratie-der-gott-der-keiner-ist?
Insgesamt ist meine Linie sicherlich nicht den Liberalismus zur eierlegenden Wollmilchsau zu erklären. Dem bei den Rechten sich immer mehr breit machende Diktum, "der Liberalismus" sei an allem Schuld, ist in dieser Plattheit einfach stets zu widersprechen. Liberale Grundsätze ermöglichen überhaupt so etwas wie diese Veranstaltung, diesen Verlag und auch den Rechtsweg des Herrn Höcke. Gießen wir doch nicht ständig das Kind mit dem Bade aus.

Laurenz

24. April 2023 10:11

@RMH @L.
Wir brauchen uns gewiß nicht über historische Verläufe zu streiten. Aber Ihr Liberalismus hatte historisch zu nie mehr getaugt, als daß @Franz Bettinger keine Gewerbesteuer zahlen mußte, Sozialismus in Alt-Wandlitz für Privilegierte. Die Umkehr der Säkularisierung Bonapartes nach dem I. Weltkrieg mag Ihnen in mancher Tendenz Recht geben. Man kann zwar nicht für jeden einzelnen Hanswurst Debatten führen, aber diese Schlagwort-Diskussionen erachte ich als unwürdig. Es tut Ihnen keinen Abbruch, wenn Sie Ihren Lesern ein oder 2 Beispiele präsentieren. Warum manche Rechte, wie Alt-Linke den Liberalismus in Frage stellen, hat sich doch in den letzten 30 Jahren von selbst beantwortet. In völlig freien Gesellschaften betimmt die Menge des Kapitals das politische Geschehen. Gewinne wurden oft genug privatisiert, Verluste sozialisiert. Permanenter Zugriff der Groß-Konzerne auf hoheitliche Bereiche ebnet den Weg in den Totalistarismus. Das hatten wir bereits zu genüge debattiert, aber Ihre krankhafte Ignoranz & die Ihrergleichen ist unheilbar.

Majestyk

24. April 2023 14:23

@ Laurenz:
Jetzt leben Sie schon über 30 Jahre mit dem Westen vereint und dann immer noch diese antikapitalistische Folklore.
Was die Anhäufung und auch das politische Gewicht von Kapital ermöglicht ist der Staat. Der ist das eigentliche Problem und daran scheitern auch viele Rechte. In Wirklichkeit hat der politische Kompaß nämlich nicht nur eine horizontale, sondern auch eine vertikale Trennlinie.
Wäre der Staat nur so stark wie nötig, aber so schwach wie möglich und gäbe es hier echten Föderalismus, dann wäre so manche Bevormunding, aber auch so manche Demontage so nicht möglich. 
Und eben diese Staatstiefe ist nur möglich durch diese absurde Steuerlast, die den Umbau erst ermöglicht. Hinzu kommt, daß der Steuerbaum schon komplett falsch ist. Das Geld gehört zunächst mal in die Kommune wo man lebt. Eine eher klamme Zentralregierung kann nicht so viel Unsinn anstellen.
Liberales Denken bedeutet zunächst mal, daß man Gesellschaft vom Individuum aus denkt und nicht vom Kollektiv. Für Linke prinzipiell unmöglich, für viele Rechte leider ebenfalls. 

Gracchus

24. April 2023 21:34

Um auf @Nath und Carl Schmitt zurückzukommen: Die Opposition in einer Demokratie ist Gegner, nicht Feind. Sie greift ja nicht die politische Grundlage oder Identität an, in einem Verfassungsstaat: die Verfassung (wobei Schmitt zwischen Verfassung und Verfassungsgesetz unterscheidet). Der Trick ist nun, dass VS und etablierte Parteien aus Höcke & AfD Verfassungsfeinde machen. Der Feindbegriff bei Carl Schmitt wie Schmitt überhaupt ist aber schillernd: Nach meinem Verständnis von Schmitt ist der Feind zu verbannen, er gehört nicht dazu, aber auf keinen Fall ist er zu vernichten. Man braucht den Feind ja, um die eigene Identität zu stabilisieren. "Der Feind ist die eigene Frage als Gestalt." 

RMH

24. April 2023 21:58

@Gracchus,
richtig - ich habe Schmitt unrecht getan und wollte auf eine Art "Vulgär"-Schmittianismus hinweisen. Die Edelfeder Schmitt hat bekanntermaßen zwischen hostis und inimcus unterschieden und hatte eine größere Trennschärfe, als dass man ihn auf reine Floskeln reduzieren kann. Nicht umsonst ist er im NS noch vor dem WK II in Ungnade gefallen (über seine Verhalten darauf lässt sich aus heutiger Sicht natürlich diskutieren). Trotz allem denke ich, dass Schmitt gegenüber einem "hostis" keine allzugroße Milde zubilligt.

Kurativ

24. April 2023 22:10

Manchmal weiß ich nicht, ob ich nicht spontan loslache. Die ganze Geschichte klingt völlig absurd.
"Alles für Deutschland" soll verboten sein? 
Was wollen die denn hören?  "Alles für Syrer" ist besser?

Laurenz

24. April 2023 23:41

@Majestyk @L.
Sie täuschen Sich über meine Person. Bin zwar fast so alt, wie HB, aber im Westen aufgewachsen. In meinem Berufsleben habe ich für Banken gearbeitet & war Börsianer mit Eurex- & Börsenzulassung. Alt-Rechte würden sagen, ich war Zinsknecht. Hatte meist illiquide Anleihen gehandelt, aber auch anfangs Bunds & später Derivate, meist entprechende Future zum hedgen & Swaps zur Anleihe als Paket. Der heutige Hochfrequenzhandel dient gar nicht zur Akkumulation von Kapital, also der Refinanzierung von Schuldnern oder der Eigenkapitalbeschaffung für Unternehmen im ursprünglichen Sinne, dem ehemaligen Auftrag einer Börse. Nur 2% aller globalen Devisengeschäfte dienen der Bezahlung des Güterverkehrs. Von daher, Majestyk, weiß ich nur zu genau, was ich schreibe. Sie sind hier der Folklorist, dem es an ökonomischer Kompetenz mangelt. Meine Berufserfahrung kann man auch nicht annähernd mit einem Studium kompensieren. Ich könnte hier seitensweise ausholen, um Ihrem folkloristischen Liberalismus den Rest zu geben. Aber auf diesem Forum will ich niemanden langweilen.

RMH

25. April 2023 09:39

Die weisungsgebundeheit der Staatsanwaltschaften gab es übrigens bereits im Kaiserreich. Diese kann man aber durch echte, unabhänige Gerichte durchaus kompensieren. Und hier gibt es eben zahlreiche Fragezeichen, was die Unabhängigkeit der Richter angeht. In vielen Bundesländern gibt es keine Laufbahntrennung zwischen Staatsanwaltschaft und Richterschaft, Bayern hat früher fast jeden zukünftigen Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch einmal zum Dienst bei der Sta verdonnert. Wenn man sich kennt, selber mal in der "Not" eines Sta war, bringt man am Ende evtl. etwas zu viel Verständnis für die "Kollegen" auf. Bei den Fachgerichten wie VG und FG, war fast jeder Richter auch einmal eine Zeit Laufbahnbeamter, was gleichfalls eine gewisse "Nähe" erzeugt. Dass in letzter Zeit immer mehr Einfluss auf die Besetzung der Richterstellen genommen wurde, stellt ein weiteres Problem dar. Wenn man juristische Fachzeitungen liest, dann merkt man, dass dort gleichfalls massiv auf die Organe der Justiz durch Meinungsmache eingewirkt wird etc. - bspw. durch schlicht tendenziöse "Fachbeiträge". Und beim BverfG weiß mittlerweile jeder, dass dort das Parteibuch und entsprechende "Freundschaften" offenbar wichtiger sind, als vorherige Leistung. Insgesamt: Unabhängikeit der Justiz ist ein Ideal, welches sicher nie ganz erreicht werden kann, dennoch sollte man dieses Ziel nie aufgeben.

Majestyk

25. April 2023 13:37

@ Laurenz:
Und was hat Ihre berufliche Tätigkeit, die Sie so auch in Singapur oder Shangai hätten ausüben können mit der Idee des Liberalismus zu tun? Klingt ja schön und klug, geht aber völlig am Thema vorbei. 
Liberales Denken bedeutet zunächst mal, daß man Gesellschaft vom Individuum aus denkt und nicht vom Kollektiv.
Das ist meine Kernaussage, die Sie aber lieber igrnorieren, stattdessen nutzen Sie Zustandsbeschreibungen des Venture-Capitalsim um eine Kausalität zu konstruieren. Meine fehlende Kenntnis bezüglich Derivatehandel ist hierfür unerheblich.
Ihr Ding, so zu argumentieren. Das Thema ist aber die Aufhebung von Höckes Immunität. Und dies geschieht, weil Staatstiefe und vorgetäuschte Gewaltenteilung falsch sind, was eindeutig liberalen Ideen widerspricht. 

Le Chasseur

25. April 2023 14:56

Off-topic
@Götz Kubitschek z.K  (ab 48:17min)
https://www.youtube.com/watch?v=KLwt5ZpUI2c&t=2896s
 
 
Redaktion: Haha, ist das schlecht.

Hajo Blaschke

25. April 2023 22:01

Meine Vorstellung ist eventuell etwas naiv, aber vielleicht mal ein Versuch des Gegenangriffs. Warum zeigt Björn Höcke nicht den grünen Verleumder aus Sachsen-Anhalt wegen übler Nachrede, Verleumdung etc. an. Das Strafgesetzbuch hat bestimmt entsprechende Paragraphen parat.