Er wußte nichts über die Causa Lina Engel, obwohl er nicht im Sportressort arbeitet, sondern für einen der führenden meinungsbildenenden Sender unter anderem für die Berichterstattung über die AfD und uns zuständig ist.
Ich schickte ihm den Link zu diesem Artikel, den Benedikt Kaiser bereits vor zweieinhalb Jahren über Lina E. und die sogenannten Hammerbande geschrieben hatte. Der Journalist rief nach der Lektüre einigermaßen konsterniert erneut an.
Gestern, einen Tag nach dem Telefongespräch, ist das Urteil gegen Lina Engel und ihre Mittäter verkündet worden. Frau Engel wurde als Kopf der Bande zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und im gleichen Zug auf freien Fuß gesetzt, denn das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sie muß sich nun zwei Mal pro Woche bei der Polizei melden, darf nicht ohne Erlaubnis umziehen und hat ohne Reisepaß und Personalausweis auszukommen und kann nur noch bis an die Außengrenzen des Schengen-Raumes reisen, sofern sie das in der knappen Zeit schafft, die ihr bleibt, bis sie sich wieder beim heimatnahen Büttel in Erinnerung rufen muß.
Von Fluchtgefahr ist beim Blick auf Lina E. keine Rede. Die “Hammerbande”, der sie vorsaß und von deren Mitglieder noch immer einige abgetaucht sind, ist als kriminelle Vereinigung eingestuft worden. Für sie zu werben, ist nun strafbar, ihr anzugehören erst recht.
Das wars dann auch, zu mehr Härte und mehr Aufklärungsdruck sah und sieht sich der Staat außerstande. Er hat also nicht seine Zähne gezeigt, und es sind nicht die Milchzähnchen, mit denen er zu beißen versuchte und die naturgemäß in absehbarer Zeit durch ausgewachsene Hauer ersetzt würden. Es ist vielmehr ein zahnloses Maul, in das wir blicken.
Die Arbeit, die EinProzent seit Jahren leistet, um Strukturen und Personal der “Hammerbande” aufzudecken, ist verdienstvoll und gründlich. Daher von mir nur ein paar Beobachtungen, Feststellungen und Fragen, zusammengetragen unter dem Eindruck der vergangenen Tage und der letzten zwanzig Jahre.
1. Zunächst und vor allem verbietet sich jede Gleichsetzung unserer Arbeit und unserer Strukturen mit dem, was die Antifa darstellt und aufbietet. Es gibt auf Seiten der Neuen Rechten, der AfD, des gesamten Vorfelds dieser Partei keinen Hang zur Militanz und zur Gewalt. Es gibt keinen Applaus für Gewalttaten, es gibt keinen strukturellen Rückzugsraum für und keine Solidarität mit Gewalttätern.
2. In der Berichterstattung der meisten Medien geht es nach der Urteilsverkündung und der Freilassung Lina Engels aber gerade um dies: um die Gleichsetzung der linksterroristischen Speerspitze linker Gewaltaffinität mit unseren Strukturen und “der rechten Gefahr” an sich. Die exzessive linke Gewalt wird als Reaktion auf ursprünglichere rechte Brutalität erklärt und entschuldigt. Deutlich wird das, wenn Lina Engel als Nazi-Jägerin bezeichnet wird, die ihren Job erledigen müsse, weil ihn der Staat nicht erledige, wenn also brutale Gewalt zu legitimer Selbstjustiz erklärt wird.
3. Das ist ein Kennzeichen extremistischer Blasen: daß sie ohne Anlaß, der einer Nachprüfung standhielte, denken, es käme nun alles auf ihr eigenes, radikales, kompromißloses und rücksichtsloses Handeln an. Die Überzeugung, präventive Notwehr und Nothilfe zu betreiben, wenn man Leuten den Schädel einschlägt, die Gelenke zertrümmert und sie mit Chlorwasser übergießt, ist tief eingewurzelt und Argumenten nicht mehr zugänglich.
4. Hinzu kommt: Die zum Terrorismus aufkeimende und stets in Blüte stehende linke Gewalt verkennt dabei sogar, daß sie zur Staatsdoktrin gehört und daß sich selbst staatlich bezahlte Spitzenjournalisten zu ihr und ihrem Auftrag bekennen. Die Solidaritätsadressen, die Timon Dzienus, der Vorsitzende der grünen Jugend, und die Antifa-Twitterin Natascha Strobl Lina Engel zukommen ließen, sind bloß zwei von dutzenden Beispielen.
5. Daß das Gericht im Falle Lina Engel und Konsorten mild urteilte und zudem Freilassung gewährte, war abzusehen. Die Folgekosten sind zu hoch für diesen Staat. Gewalttätige Solidarität wurde für zwei Dutzend Städte angekündigt, für jedes Gefängnisjahr eine Million Euro Sachschaden in Aussicht gestellt, der Name des Richters ventiliert und für Samstag ein “Tag X” ausgerufen. Der Staat möchte es an dieser Stelle nicht zu einer Machtprobe kommen lassen.
6. Die vom Staat finanziell und strukturell gefütterte Antifa steht vor sich selbst unter Rechtfertigungsdruck: was tun, wenn man auf Regierungsebene angekommen ist? Wie kann man weiterhin rebellisch und gefährlich wirken, wenn einem Universitäten und hundert andere Institutionen Räume und Geld zur Verfügung stellen, damit kein Erstsemester-Jahrgang ohne Indoktrination ins Studium gehe?
7. Und nun? Es ist Denken auf Werte-Union-Niveau, auf harte Urteile zu hoffen – als sei, würden sie gefällt, etwas für die eigene Seite gewonnen. Es handelt sich um Phänomene ausgehebelter Gewaltenteilung, um Machtabwägungen, sogar um Beschäftigungs- und Ablenkungsmanöver. Und es handelt sich um den Hiweis, daß politischer Mord unter Umständen ein präventiver Akt sei, der auf Verständis hoffen könne.
Sind wir nicht längst über solche Empörungswellen hinausgewachsen? Sind wir.
Für den “Tag X” rechnet die Polizei, laut Staatsfunk, übrigens mit einem “dynamischen Demonstrationsgeschehen”. Es mag nun kaum mehr einen Journalisten geben, der nicht weiß, wer Lina Engel ist und wofür sie vor Gericht stand. Aber es wird sich die Auffassung durchsetzen, daß hier junge Leute gute Gründe hatten, um übers Ziel hinauszuschießen.
Maiordomus
Die Unterschiede sind in der Tat krass, aber der Kampf gegen die Opposition wird mit zunehmend starken Umfrageergebnissen einer bestimmten Partei als Widerstand interpretiert und nun mal so gerechtfertigt.