Warum ist Philip Zeschmann für Sie ein Held, lieber Christoph Berndt?

SEZESSION: Heute hat sich bei der AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg Historisches ereignet. Was ist passiert?

BERNDT: Na ja, ob das his­to­risch ist, muß die Geschich­te erst noch zei­gen. Aber zumin­dest in der Geschich­te der AfD haben wir heu­te ein Novum erlebt: Ein Tabu wur­de gebro­chen – erst­mals ist ein Abge­ord­ne­ter in eine AfD-Frak­ti­on gewechselt.

Daß AfD-Abge­ord­ne­te ihre Frak­tio­nen ver­las­sen, haben wir in Land­ta­gen, im Bun­des­tag und im Euro­pa­par­la­ment oft gese­hen. Daß ein Abge­ord­ne­ter einer ande­ren Frak­ti­on die­se ver­las­sen hat und zur AfD gewech­selt ist, noch nie. Wir haben nach dem ers­ten Land­rat, dem ers­ten haupt­amt­li­chen Bür­ger­meis­ter jetzt auch erst­ma­lig Zuwachs in einer Land­tags­frak­ti­on zu ver­zeich­nen. Und der Abge­ord­ne­te, der das gewagt hat, heißt Dr. Phil­ip Zeschmann.

SEZESSION: In der Pres­se­kon­fe­renz haben Sie als Frak­ti­ons­chef der AfD im Pots­da­mer Land­tag Zesch­mann einen „Hel­den“ genannt? In wel­chem Sinne?

BERNDT: Ich habe Brechts Gali­leo Gali­lei zitiert: „Unglück­lich das Land, das Hel­den nötig hat.“ Denn unser Land befin­det sich in einem dra­ma­ti­schen Nie­der­gang, und es braucht Hel­den, um ihn noch auf­zu­hal­ten. Ich nen­ne Zesch­mann einen Hel­den, weil noch kein Abge­ord­ne­ter vor ihm den Schritt zur AfD gewagt hat.

Für die­sen Schritt braucht es auch heu­te noch, trotz der Umfra­ge­wer­te der AfD in Bran­den­burg, gro­ßen Mut. Denn noch immer zieht das Bekennt­nis zur AfD in vie­ler­lei Hin­sicht sozia­le Äch­tung nach sich – nicht nur für den Beken­ner selbst, son­dern auch für die Fami­lie. So einen Schritt unter­nimmt man nicht aus Aben­teu­er­lust, son­dern im Bewußt­sein der gan­zen Schwe­re, die dar­in liegt.

SEZESSION: Für die Leser, die nicht in Bran­den­burg woh­nen: Wer ist Phil­ip Zesch­mann, von wel­cher Frak­ti­on kommt er zur AfD?

BERNDT: Phil­ip Zesch­mann ist Diplom-Volks­wirt und pro­mo­vier­ter Poli­tik­wis­sen­schaft­ler, lebt in Schön­ei­che bei Ber­lin und gehört dem Land­tag Bran­den­burg seit 2019 als Abge­ord­ne­ter für die Frak­ti­on BVB/Freie Wäh­ler an. Sei­ne ehe­ma­li­ge Frak­ti­on ver­trat er in fünf Aus­schüs­sen und mit mehr als 370 Reden im Land­tag Bran­den­burg ist er der König in die­ser Disziplin.

SEZESSION: Wel­che Grün­de hat Zesch­mann für sei­nen Bruch mit den Frei­en Wäh­lern angegeben?

BERNDT: Zunächst haben, so hat er das heu­te dar­ge­stellt, inak­zep­ta­ble Hand­lungs­wei­sen, vor­nehm­lich des Vor­sit­zen­den sei­ner ehe­ma­li­gen Frak­ti­on, zum Bruch des Ver­trau­ens­ver­hält­nis­ses und zum Ende der dor­ti­gen poli­ti­schen Zusam­men­ar­beit geführt. Ich neh­me an, daß es sich um einen län­ge­ren Ent­frem­dungs­pro­zeß gehan­delt hat, da Zesch­mann selbst wesent­lich zum Auf­bau sei­ner ehe­ma­li­gen Frak­ti­on bei­getra­gen hat. Das ist etwas, das man nicht von heu­te auf mor­gen wegwirft.

Ich fin­de es sym­pa­thisch, daß Zesch­mann den Ver­su­chun­gen, jetzt öffent­lich Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung zu betrei­ben, wider­stan­den hat. Inhalt­lich aus­schlag­ge­bend war die von sei­nem ehe­ma­li­gen Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den geäu­ßer­te Absicht, unbe­dingt der nächs­ten Regie­rung ange­hö­ren zu wol­len. Die­se Absicht bedeu­tet nichts ande­res , als die bis­he­ri­ge Poli­tik mit­zu­tra­gen, denn eine Koali­ti­on mit der AfD wur­de und wird von den Frei­en Wäh­lern in Bran­den­burg immer abge­lehnt. Zesch­mann will aber, daß sich etwas ändert im Land.

SEZESSION: Gab es in der AfD-Frak­ti­on Wider­stän­de gegen die Auf­nah­me? Denn immer­hin hat Zesch­mann in der Ver­gan­gen­heit nicht sel­ten im Ple­num gegen die AfD argumentiert?

BERNDT: Die Auf­nah­me Zesch­manns erfolg­te ein­stim­mig. Damit hat die AfD-Frak­ti­on eine Rei­fe demons­triert, die mich glück­lich macht – nicht nur als Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der, der sich über einen Zuwachs in den eige­nen Rei­hen freu­en kann, son­dern auch als AfD-Mit­glied, das dazu bei­tra­gen konn­te, uns wie­der ein Stück voranzubringen.

Ich bin auf mei­ne Frak­ti­on schon ein wenig stolz, weil aus­nahms­los alle Frak­ti­ons­mit­glie­der die Bedeu­tung der heu­ti­gen Ent­schei­dung ver­stan­den haben. In unse­rem Kampf um die Zukunft unse­res Lan­des kön­nen wir jede Ver­stär­kung, und gera­de eine fach­lich so ver­sier­te, gebrau­chen. Zesch­mann hat sei­nen Ent­frem­dungs­pro­zeß von den Frei­en Wäh­lern gleich­zei­tig als einen Annä­he­rungs­pro­zeß an die AfD geschil­dert. Die­ser Pro­zeß führ­te ihn in eine neue poli­ti­sche Hei­mat, in der er herz­lich will­kom­men ist.

SEZESSION: Wel­che inhalt­li­chen Über­ein­stim­mun­gen gibt es zwi­schen der AfD-Frak­ti­on und Zeschmann?

BERNDT: Es sind zwei aktu­el­le The­men, bei denen die Über­ein­stim­mun­gen deut­lich sind. Das gan­ze The­ma „Ener­gie­wen­de“, das als Hebel zur sozi­al­öko­lo­gi­schen Trans­for­ma­ti­on der Gesell­schaft ver­wen­det wird, und die Fra­ge der Mei­nungs­frei­heit und der Bür­ger­rech­te, die sich in immer dra­ma­ti­sche­ren Zuspit­zun­gen stellt. Hier steht Zesch­mann mit der AfD auf der Sei­te der Ver­nunft, des Nor­ma­len; gegen den ideo­lo­gisch getrie­be­nen Irr­sinn, der unser Land ruiniert.

Dazu gehört natür­lich auch der nicht enden wol­len­de Zustrom von Migran­ten aus aller Welt. Die dadurch ver­ur­sach­ten Pro­ble­me kön­nen die Regie­run­gen in Land und Bund nicht mehr ver­schlei­ern. Anstatt sie zu lösen, über­neh­men sie die For­de­run­gen der AfD, ohne auch nur eine davon umzusetzen.

SEZESSION: Zesch­mann rief die Bran­den­bur­ger dazu auf, sich zu trau­en und selbst durch die „Brand­mau­er“ zu gehen. Geht von dem Wech­sel eine Signal­wir­kung aus?

BERNDT: Das ist eine schö­ne For­mu­lie­rung, und ich fin­de es groß­ar­tig, daß sie heu­te in Pots­dam aus­ge­spro­chen wur­de. Natür­lich wün­sche ich mir für unser Land, daß von dem Schritt Zesch­manns eine Signal­wir­kung aus­geht, daß vie­le die Alt­par­tei­en ver­las­sen, weil sie sehen, daß es so nicht weitergeht.

Ich will aller­dings gleich­zei­tig Oppor­tu­nis­ten, die hof­fen, mit dem Wech­sel zur AfD die Pri­vi­le­gi­en des Man­dats zu ret­ten, war­nen: Wer sich in der AfD enga­giert, muß nicht nur mit Anfein­dun­gen rech­nen, er muß auch die Erwar­tun­gen der Wäh­ler erfül­len. Und die Wäh­ler erwar­ten vor allem eines: Daß die­se Poli­tik der Umer­zie­hung, der Ver­ar­mung, der Über­frem­dung und der Ver­dum­mung end­lich aufhört.

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Kommentare (3)

Maiordomus

9. November 2023 12:56

Den Begriff "Held" bei Parteifreunden schonen. Siehe auch den rührenden Titel "Held der Sowjetunion". Den  Heldenstatus vielleicht am besten einer späteren, durchaus fruchtbar zu machenden Mythologisierung vorbehalten. 

Volksdeutscher

9. November 2023 22:50

Ich denke, die Bezeichnung Zeschmanns als Held stellt ein etwas überschwängliches Lob dar, was sich der Euphorie des Augenblicks verdankt. Es könnte dennoch den Zweck erfüllen, als Ermunterung für andere zu dienen, Zeschmann darin nachzuahmen. Ich halte für vorstellbar, daß das Lob diesen Zweck in der politischen Situation, in der wir sind, erfüllen kann, auch wenn die Bezeichnung von Berndt bestimmt nicht aus diesem Grunde erfolgte.

RMH

10. November 2023 12:24

Es erfordert auf jeden Fall deutlich mehr an sogenannter und überall eingeforderter Zivilcourage zur AfD mit Mandat zu wechseln, als bspw. von der Linken zu "BSW".
Zeschmann riskiert damit auch mehr Einsatz, als all die gratismutigen Unterzeichner von "offenen Briefen" oder zur Cornazeiten meist nach irgendwelchen Provinznestern benannnten "Eklärungen" zeigen.
Insofern braucht man am "Helden" nicht herum zu mäkeln. Und nur ein "Sonntagsheld" ist Herr Zeschmann auch nicht.  B.t.w.: Schade, dass die gleichlautenden Kolumne hier nicht fortgeführt wurde
 

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