BERNDT: Na ja, ob das historisch ist, muß die Geschichte erst noch zeigen. Aber zumindest in der Geschichte der AfD haben wir heute ein Novum erlebt: Ein Tabu wurde gebrochen – erstmals ist ein Abgeordneter in eine AfD-Fraktion gewechselt.
Daß AfD-Abgeordnete ihre Fraktionen verlassen, haben wir in Landtagen, im Bundestag und im Europaparlament oft gesehen. Daß ein Abgeordneter einer anderen Fraktion diese verlassen hat und zur AfD gewechselt ist, noch nie. Wir haben nach dem ersten Landrat, dem ersten hauptamtlichen Bürgermeister jetzt auch erstmalig Zuwachs in einer Landtagsfraktion zu verzeichnen. Und der Abgeordnete, der das gewagt hat, heißt Dr. Philip Zeschmann.
SEZESSION: In der Pressekonferenz haben Sie als Fraktionschef der AfD im Potsdamer Landtag Zeschmann einen „Helden“ genannt? In welchem Sinne?
BERNDT: Ich habe Brechts Galileo Galilei zitiert: „Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“ Denn unser Land befindet sich in einem dramatischen Niedergang, und es braucht Helden, um ihn noch aufzuhalten. Ich nenne Zeschmann einen Helden, weil noch kein Abgeordneter vor ihm den Schritt zur AfD gewagt hat.
Für diesen Schritt braucht es auch heute noch, trotz der Umfragewerte der AfD in Brandenburg, großen Mut. Denn noch immer zieht das Bekenntnis zur AfD in vielerlei Hinsicht soziale Ächtung nach sich – nicht nur für den Bekenner selbst, sondern auch für die Familie. So einen Schritt unternimmt man nicht aus Abenteuerlust, sondern im Bewußtsein der ganzen Schwere, die darin liegt.
SEZESSION: Für die Leser, die nicht in Brandenburg wohnen: Wer ist Philip Zeschmann, von welcher Fraktion kommt er zur AfD?
BERNDT: Philip Zeschmann ist Diplom-Volkswirt und promovierter Politikwissenschaftler, lebt in Schöneiche bei Berlin und gehört dem Landtag Brandenburg seit 2019 als Abgeordneter für die Fraktion BVB/Freie Wähler an. Seine ehemalige Fraktion vertrat er in fünf Ausschüssen und mit mehr als 370 Reden im Landtag Brandenburg ist er der König in dieser Disziplin.
SEZESSION: Welche Gründe hat Zeschmann für seinen Bruch mit den Freien Wählern angegeben?
BERNDT: Zunächst haben, so hat er das heute dargestellt, inakzeptable Handlungsweisen, vornehmlich des Vorsitzenden seiner ehemaligen Fraktion, zum Bruch des Vertrauensverhältnisses und zum Ende der dortigen politischen Zusammenarbeit geführt. Ich nehme an, daß es sich um einen längeren Entfremdungsprozeß gehandelt hat, da Zeschmann selbst wesentlich zum Aufbau seiner ehemaligen Fraktion beigetragen hat. Das ist etwas, das man nicht von heute auf morgen wegwirft.
Ich finde es sympathisch, daß Zeschmann den Versuchungen, jetzt öffentlich Vergangenheitsbewältigung zu betreiben, widerstanden hat. Inhaltlich ausschlaggebend war die von seinem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden geäußerte Absicht, unbedingt der nächsten Regierung angehören zu wollen. Diese Absicht bedeutet nichts anderes , als die bisherige Politik mitzutragen, denn eine Koalition mit der AfD wurde und wird von den Freien Wählern in Brandenburg immer abgelehnt. Zeschmann will aber, daß sich etwas ändert im Land.
SEZESSION: Gab es in der AfD-Fraktion Widerstände gegen die Aufnahme? Denn immerhin hat Zeschmann in der Vergangenheit nicht selten im Plenum gegen die AfD argumentiert?
BERNDT: Die Aufnahme Zeschmanns erfolgte einstimmig. Damit hat die AfD-Fraktion eine Reife demonstriert, die mich glücklich macht – nicht nur als Fraktionsvorsitzender, der sich über einen Zuwachs in den eigenen Reihen freuen kann, sondern auch als AfD-Mitglied, das dazu beitragen konnte, uns wieder ein Stück voranzubringen.
Ich bin auf meine Fraktion schon ein wenig stolz, weil ausnahmslos alle Fraktionsmitglieder die Bedeutung der heutigen Entscheidung verstanden haben. In unserem Kampf um die Zukunft unseres Landes können wir jede Verstärkung, und gerade eine fachlich so versierte, gebrauchen. Zeschmann hat seinen Entfremdungsprozeß von den Freien Wählern gleichzeitig als einen Annäherungsprozeß an die AfD geschildert. Dieser Prozeß führte ihn in eine neue politische Heimat, in der er herzlich willkommen ist.
SEZESSION: Welche inhaltlichen Übereinstimmungen gibt es zwischen der AfD-Fraktion und Zeschmann?
BERNDT: Es sind zwei aktuelle Themen, bei denen die Übereinstimmungen deutlich sind. Das ganze Thema „Energiewende“, das als Hebel zur sozialökologischen Transformation der Gesellschaft verwendet wird, und die Frage der Meinungsfreiheit und der Bürgerrechte, die sich in immer dramatischeren Zuspitzungen stellt. Hier steht Zeschmann mit der AfD auf der Seite der Vernunft, des Normalen; gegen den ideologisch getriebenen Irrsinn, der unser Land ruiniert.
Dazu gehört natürlich auch der nicht enden wollende Zustrom von Migranten aus aller Welt. Die dadurch verursachten Probleme können die Regierungen in Land und Bund nicht mehr verschleiern. Anstatt sie zu lösen, übernehmen sie die Forderungen der AfD, ohne auch nur eine davon umzusetzen.
SEZESSION: Zeschmann rief die Brandenburger dazu auf, sich zu trauen und selbst durch die „Brandmauer“ zu gehen. Geht von dem Wechsel eine Signalwirkung aus?
BERNDT: Das ist eine schöne Formulierung, und ich finde es großartig, daß sie heute in Potsdam ausgesprochen wurde. Natürlich wünsche ich mir für unser Land, daß von dem Schritt Zeschmanns eine Signalwirkung ausgeht, daß viele die Altparteien verlassen, weil sie sehen, daß es so nicht weitergeht.
Ich will allerdings gleichzeitig Opportunisten, die hoffen, mit dem Wechsel zur AfD die Privilegien des Mandats zu retten, warnen: Wer sich in der AfD engagiert, muß nicht nur mit Anfeindungen rechnen, er muß auch die Erwartungen der Wähler erfüllen. Und die Wähler erwarten vor allem eines: Daß diese Politik der Umerziehung, der Verarmung, der Überfremdung und der Verdummung endlich aufhört.
Maiordomus
Den Begriff "Held" bei Parteifreunden schonen. Siehe auch den rührenden Titel "Held der Sowjetunion". Den Heldenstatus vielleicht am besten einer späteren, durchaus fruchtbar zu machenden Mythologisierung vorbehalten.