Denn diese sind nicht eindeutig als Freund oder Feind identifizierbar, sondern weisen inhaltliche Schnittmengen mit ihr auf und geben zu der Frage Anlaß, ob es sich bei ihnen eher um potentielle Verbündete oder um Konkurrenten handelt, die eine mehr oder weniger ernsthafte Gefahr darstellen.
Konkret handelt es sich um Alt-Bürgerliche oder Alt-Liberale, die sich gegen die Angriffe auf den Mittelstand, das Eigentum und die klassischen Freiheitsrechte wehren; um Alt-Linke oder Alt-Sozialisten, die der Neuen Linken vorwerfen, die sozialen Belange der arbeitenden Bevölkerung verraten zu haben und sich nur noch für Kultur‑, Migrations- oder Gattungsfragen zu interessieren; und um altgediente Feministinnen, die sich gegen die Bestrebungen der Trans-Agenda aussprechen, den Begriff der Frau und die Binarität der Geschlechter zu dekonstruieren.
Wie also steht es, aus rechter Perspektive besehen, um die politische Relevanz der Alt-Liberalen, Alt-Linken und Alt-Feministinnen, und welche Maßgaben für den Umgang mit ihnen lassen sich ableiten, indem wir versuchen, sie geschichtstheoretisch einzuordnen bzw. zu verorten?
Seit die Linke 1789 als geschichtlich wirksame Großformation auf die weltpolitische Bühne tritt, zwingt sie das Abendland auf eine absteigende Linie, in deren Verlauf sie seine kulturkonstitutiven Bestände demontiert und abgeträgt. Als Taktgeber dieses Prozesses mobilisiert sie immer neue revolutionäre Subjekte, mithilfe derer sie die verschiedenen Hierarchie-Ebenen der Kultur und die mit ihnen jeweils verbundenen Entwicklungs- und Verfeinerungsstufen zurückschneidet. Sobald die einzelnen revolutionären Subjekte ihre temporäre zerfallsgeschichtliche Aufgabe erfüllt haben, läßt die Linke sie nicht nur umgehend fallen, sondern markiert sie als Feind, gegen den sich fortan ihr ganzer bestandszerstörender Eifer richtet.
Das erste revolutionäre Subjekt, welches die Linke mobilisiert, ist das Bürgertum (der 3. Stand), das die oberste Hierarchie-Ebene des Königtums stürzt und die Vorherrschaft der Urstände Adel und Klerus bricht. Die bürgerliche Idee des reinen, jeder korporativen Gebundenheit entwachsenen Individuums (das bürgerliche liberté, égalité, fraternité) ebnet die ständisch gegliederte, hierarchisch gestaffelte, traditionale Ordnung ein. Vermittels der Aufklärung unterminiert das Bürgertum die Macht der Transzendenz und trocknet langfristig jene Kraftquelle aus, die die geistige Fruchtbarkeit der abendländischen Völker speist.
Durch seine rastlose produktive Tätigkeit (seine unbedingte Betonung der vita activa) setzt es die Substanz des Seienden in Bewegung und vernichtet das alte, in der vita contemplativa sich ausdrückende Eigenrecht der Dinge und des Bestandes der Welt.
Sobald jedoch das Bürgertum seine bestandszergliedernde geschichtliche Aufgabe erfüllt hat, wird es seitens der Linken als Feind markiert und zum schlechthinnigen Gegner des menschheitsgeschichtlichen Fortschritts erklärt. Eben noch als Mauerbrecher gegen das feudale Privileg, das Dogma und die Unmoral gepriesen, ist es über Nacht nur noch die besitzende, ausbeutende und unterdrückende Klasse, die das Leben ihrer baren Zahlung, kalten Berechnung und egoistischen Bereicherung unterwirft.
Aus dem Citoyen wird der Bourgeois, der Spießer und Heuchler, dessen verlogene Moralbegriffe den Lebenswillen des Menschen ersticken und seine destruktiven Energien nähren; dessen enge ästhetische Formenwelt zu sprengen die Dichter und Künstler aufgerufen sind, indem sie die bürgerliche Gesellschaft schockieren und provozieren.
So wendet sich die Linke einem neuen revolutionären Subjekt in Gestalt des Proletariers zu, dem sie die emanzipationsgeschichtliche Mission auferlegt, auch die Klassenstruktur aufzulösen, die an die Stelle der ständischen Gliederung getreten war. Das Proletariat soll jede „Herrschaft des Menschen über den Menschen“, sprich jede Hierarchie und ordnende Struktur nivellieren, bis am Ende nurmehr der aus allen Bindungen entlassene, bestimmungslos abstrakte Mensch zurückbleibt.
Seit 1968 allerdings läuft auch die Zeit des Proletariers ab, dessen revolutionäre Energie erloschen ist und der seinen revolutionsgeschichtlichen Kredit verliert, den die Linke ihm eingeräumt hatte. Eben noch die umworbene revolutionäre Klasse, wird die (weiße) Arbeiterschicht unversehens zum Gegenstand des Hasses und der Verachtung eines neu-linken, kulturrevolutionären Milieus.
Wo Marx noch geschwärmt hatte, in den verhärmten Gesichtern der Proletarier spiegele sich der Adel einer künftig befreiten Menschheit wider, will man nun die „deplorables“ in den gentrifizierten, links wählenden Innenstadtbezirken nicht mehr sehen, aus denen man die alte Arbeiterklasse systematisch vertreibt. Mit einemmal ist der Arbeiter nur noch der unbelehrbare Fleischesser, primitive Sexist und toxische Ignorant, der sein männliches, weißes Privileg durchaus nicht aufgeben will; wenn das arbeiterliche Milieu sich politisch zu Wort meldet, muß es sich als „Pack“ beschimpfen oder als rassistischer „Bodensatz“ denunzieren lassen.
Wo es im klassischen Marxismus noch hieß, Erkenntnis der sozialen Wirklichkeit sei nur vom Standpunkt des Proletariates möglich, wird der Mann aus dem Volk, der in eine Kamera spricht, nun in einschlägigen TV-Formaten als ungebildeter, tumber Proll verächtlich gemacht und einem feixenden, progressiven Publikum höhnisch vorgeführt.
Nach dem Abschied vom Proletariat mobilisiert die Linke neue revolutionäre Subjekte, die der kulturell-reproduktiven Sphäre entstammen. Deren erste Angriffswelle ist der klassische Feminismus bzw. die Neue Frauenbewegung, die unmittelbar aus dem Umfeld der antiautoritären Revolte von 1968 hervorgeht. Von der Frau als sich politisierendes, individuelle Selbstverwirklichung reklamierendes Subjekt erwartet die Linke, dass sie die Familie dekonstruiert, die Reproduktion verweigert und damit den Fortbestand des Volkes unterminiert.
Eine neue, feminine Kultur der Friedfertigkeit, Empfänglichkeit und Emotionalität (einer uferlos ausgeweiteten, ursprünglich familiär-privaten Moral), die die Linke sich von der politischen Sichtbarwerdung der Frau erhofft, soll den Weißen Mann seiner vitalen, kulturtragenden vitalen Stärke berauben. Die neue, sanfte, weiblich inspirierte Zivilisation, wie sie namentlich Marcuse bewarb, ersetzt Behauptungskraft durch Unterwerfungswilligkeit und schafft die geistigen Voraussetzungen für die Bewillkommnung Millionen Fremder, die als Vehikel linker Bestandszerstörung das verhasste Eigene verschlingen.
Doch wie im Falle des Bürgertums und der Arbeiterklasse kommt schließlich der Punkt, wo auch die revolutionsgeschichtliche Rolle der Frau ausgespielt ist. Während klassische Feministinnen noch für Frauenrechte kämpfen, setzt die Linke längst auf Transsexuelle und Genderfluide als neue revolutionäre Subjekte.
Die kulturmarxistische Linke weitet die Substanzauflösung von der wirtschaftlich-sozialen auf die reproduktive Sphäre aus, indem sie das altmarxistische Ziel der klassenlosen Gesellschaft zur Perspektive einer geschlechtslosen Gesellschaft fortschreibt, sprich: nicht allein die soziale Hierarchie einebnet, sondern auch die ordnende Struktur der Geschlechterordnung planiert.
Wo die Frau eben noch als Wegbereiterin einer neuen, friedfertig-femininen Zivilisation gepriesen wurde, sehen sich diejenigen, die an objektiv feststellbaren weiblichen Qualitäten festhalten, nun als tendenziell reaktionär markiert. Der Urbegriff der Mutter, ja die Bezeichnung Frau überhaupt werden aus dem offiziösen Sprachgebrauch gestrichen und durch technosphärisch-geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie „austragende Person“ oder „menstruierende Person“ ersetzt. Im Sport und bei Schönheitskonkurrenzen laufen biologische Männer als Trans-Personen den Frauen den Rang ab.
Nicht von ungefähr sind es unter pubertären und präpubertären Jugendlichen weit überwiegend Mädchen, die sich, von linken Gender-Ideologen angestiftet, im falschen Körper wähnen und durch chirurgische oder hormonelle Interventionen die Weiblichkeit austreiben lassen. Längst haben Transsexuelle die Frau als Avantgarde des Substanzabbaus abgelöst, insofern ihr Selbstverfügungsanspruch die natürlich vorgefundenen, objektiv vorhandenen (biologischen) Bestände auf bis dato präzedenzlos radikale Weise liquidiert bzw. verflüssigt.
Demgegenüber stehen klassische Feministinnen, die sich gegen die Trans-Agenda und die Gabe von Pubertätsblockern bei jungen Mädchen aussprechen, oftmals fassungslos vor der Tatsache, dass sie als die ehedem originäre, kulturrevolutionäre Avantgarde mit einemmal zu linken Angriffszielen werden.
Bereits heute allerdings zeichnet sich ab, dass eines Tages auch die Transsexuellen bei der universalen Linken in Ungnade fallen werden. Schon ist absehbar, dass die regressive Logik der Rückbildung von Substanz zuletzt dahin drängt, nicht nur die Geschlechtsidentitäten, sondern die leibseelische Natur des Menschen überhaupt zu liquidieren.
Der prozessuale, kontinuierlich radikalisierte Rückbau des Bestandes muss in letzter Konsequenz dazu führen, dass transhumane Wesen die Rolle der revolutionären Avantgarde übernehmen: denn der Transhumane treibt die Abwicklung des bestandsmäßig Vorgefundenen noch eine Windung weiter als der Transgender, der am Ende trotz alledem einem vorgegebenen, natürlich-organischen Substrat verhaftet bleibt, von dem sich erst der Transhumane konsequent emanzipiert. Auch der Transsexuelle wird insofern eines Tages keine Ansprüche mehr zu stellen haben und der Tendenz nicht widerstehen können, dass die Linke den Menschen als Naturwesen überhaupt in all seinen Erscheinungsformen als Feind markiert.
Was folgt nun aus all dem für die Einschätzung der Alt-Bürgerlichen, Alt-Sozialisten und Alt-Feministinnen und ihrer politischen Relevanz, für den Umgang mit prominenten Persönlichkeiten, die diese Milieus vertreten, und mit Parteigründungsversuchen, die diesen Milieus entspringen? Handelt es sich hier um Bündnispartner oder doch um Gegenspieler?
Auch wenn die betreffenden Strömungen durchaus Schnittmengen mit der politischen Rechten aufweisen, bleibt eines festzuhalten: nämlich dass sie, geschichtstheoretisch betrachtet, ausnahmslos Entwicklungsstufen jenes großen Prozesses der Desintegration und des Abbaus von Substanz repräsentieren – nur dass sie auf früheren Stufen dieses Prozesses stehen geblieben sind und sich in bestimmten Bereichen weigern, an seiner weitergehenden Eskalierung mitzuwirken.
Indem die Linke immer neue Schübe der Liquidation von Substanz einleitet, geht sie über Alt-Bürgerliche, Alt-Linke und Alt-Feministinnen hinweg, die sie gleichsam aussortiert und am Wegesrand zurücklässt, nachdem sie ihre revolutionsgeschichtliche Schuldigkeit getan haben.
Das politische Agieren dieser Gruppen reflektiert den illusorischen Wunsch, auf einem einmal erreichten Stand der Zerrüttung Halt zu machen, um noch radikaleren, weiter reichenden Formen der Degeneration zu entgehen. Demgegenüber ist die Rechte berufen, sich nicht an einem Gestern festzuklammern, das seinerseits schon von Zerfall und Zerrüttung gezeichnet ist, sondern das Überlieferte zu bewahren, indem sie es in neue, lebensfähige Formen gießt. Zwar spricht nur wenig gegen eine temporäre, pragmatische, wesenhafte Unterschiede nicht aus dem Blick verlierende Zusammenarbeit mit entsprechenden Gruppierungen und Kreisen. Doch hat die Rechte keinen Grund, in Ehrfurcht oder Ängstlichkeit zu verfallen oder demütig um ihre Gunst zu buhlen.
Denn während die anderen essenziell defensiv und uninspiriert (teil-)konservativ agieren, ist sie allein befähigt, sich dem Sog der Desintegration zu entziehen, der Logik der Auflösung den Rücken zu kehren und selbstbewusst neue Bestände, eigene Substanz aufzubauen.
Simplicius Teutsch
Ja, und die Linke war nie zimperlich: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit oder Tod!“