Die Ballade von Michael Blume und der Deutungshoheit

"Antisemitismusbeauftragter darf weiter als 'antisemitisch' bezeichnet werden". Diese Schlagzeile der Welt hat mich in einen Kaninchenbau geführt, an dessen Ausgang ich wieder einiges über "Antisemitismus als politische Waffe", oder allgemeiner gesagt: Denunziation als politische Waffe gelernt habe.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Ich wer­de ver­su­chen, die­se lehr­rei­che Geschich­te nach der Rei­he auf­zu­fä­deln, ohne mich all­zu sehr in Details zu ver­lie­ren (die es in ver­wir­ren­der Hül­le und Fül­le gibt).

Ihre Haupt­fi­gur Micha­el Blu­me (Jahr­gang 1976) beklei­det seit 2018 das Amt eines soge­nann­ten “Anti­se­mi­tis­mus­be­auf­trag­ten” in Baden-Würt­tem­berg. Daß es der­glei­chen gibt, hält der stu­dier­te Reli­gi­ons- und Poli­tik­wis­sen­schaft­ler auch des­we­gen für sehr wich­tig, weil der Anti­se­mi­tis­mus sei­ner Ansicht nach “nicht irgend­ein Ver­schwö­rungs­glau­ben” ist, son­dern “die Grund­la­gen jeder fried­li­chen, frei­heit­li­chen und rechts­staat­li­chen Ord­nung“ bedroht.

Gleich­zei­tig bemüht er sich schon seit Anfang sei­ner bis in die spä­ten neun­zi­ger Jah­re zurück­rei­chen­den Kar­rie­re um einen “christ­lich-isla­mi­schen” Dia­log, offen­bar auch aus per­sön­li­chen Grün­den, da er als evan­ge­li­scher Christ mit einer mus­li­mi­schen Tür­kin ver­hei­ra­tet ist (über die es sogar ein eige­nes Buch gibt). Auf­grund die­ser Tätig­keit pflegt er Kon­tak­te mit ver­schie­de­nen mus­li­mi­schen Grup­pen und Organisationen.

Sieht man sich sein Twit­ter-Pro­fil und sei­ne Publi­ka­tio­nen an, so begeg­net man einem sys­tem­kon­for­men CDU-Appa­rat­schik, der sich alle Mühe gibt, ein guter Mul­ti­kul­tu­ra­list, Anti­ras­sist und Phi­lo­se­mit zu sein. Er schmückt sich mit dem Hash­tag #IStand­wi­thIs­ra­el, wet­tert gegen “Ver­schwö­rungs­my­then”, hat ein Buch mit dem Titel War­um der Anti­se­mi­tis­mus uns alle bedroht ver­öf­fent­licht, ver­ur­teilt die Hamas, “BDS” und das “anti­se­mi­ti­sche Regime des Iran”.

Sei­ne Rol­le als staat­lich beauf­trag­ter Sau­ber­mann erfüllt Blu­me gewis­sen­haft. Richard David Prechts Aus­sa­gen über Isra­el aus dem Pod­cast “Lanz & Precht” berei­te­ten ihm nach eige­ner Aus­kunft buch­stäb­lich schlaf­lo­se Näch­te. Flugs erstell­te er einen Fak­ten­check und rüf­fel­te das ZDF, der­ar­tig ver­zer­ren­den, fal­schen, isra­el­feind­li­chen Aus­sa­gen gera­de jetzt eine Platt­form zu geben. Der Schuß vor den Bug schlug ein, Precht und Lanz wur­den mit einer gel­ben Kar­te ver­warnt und die frag­li­che Fol­ge wur­de zen­siert.

Ganz beson­de­re Bauch­schmer­zen berei­te­te Blu­me folgendes:

Beson­ders krass fand ich, als Lanz dem Juden­tum vor­warf, es wür­de Men­schen “fast als Gei­seln” neh­men – und das, wäh­rend sich noch Hun­der­te jüdi­sche Men­schen in der Gei­sel­haft der Hamas befin­den! Da zeigt sich sehr deut­lich, dass auch Men­schen, die mei­nen, sie ste­hen dar­über, von der Psy­cho­lo­gie der Abspal­tung betrof­fen sind.

Schau­en wir uns mal Kon­text an, was Precht gesagt hat, um die Qua­li­tät der Exper­ti­se des Herrn Dr. Blu­me bes­ser beur­tei­len zu kön­nen. Der Mode­phi­lo­soph schil­der­te, wie er in Ost­je­ru­sa­lem anti-paläs­ti­nen­si­sche Feind­se­lig­kei­ten von ortho­do­xen bzw. “rechts­ra­di­ka­len” Juden beob­ach­tet hat­te. Beson­ders “ent­setzt” zeig­te er sich über die gleich­sam “ritua­li­sier­te”, kal­te Sys­te­ma­tik die­ser Pöbe­lei­en, die nicht sel­ten in hand­fes­ter phy­si­scher Gewalt endeten.

Precht beschrieb einen Typus, der in der israe­li­schen Innen­po­li­tik zuneh­mend an Bedeu­tung gewinnt und für gesell­schaft­li­che Span­nun­gen sorgt:

Da hab ich damals auch ver­stan­den, was Reli­gi­on für eine Macht hat über Men­schen und gewin­nen kann. Du siehst die­se Men­schen, die meis­ten von ihnen arbei­ten nicht, weil sie sich wirk­lich voll­um­fäng­lich der Reli­gi­on wid­men. (…) Am Schab­bat, da darf dann wirk­lich gar nichts pas­sie­ren. Da hast du Fahr­stüh­le, die still­ste­hen und so wei­ter, man geht dann prin­zi­pi­ell über die Trep­pen und sol­che Din­ge. Das hat ein Aus­maß, die­se vie­len Regeln, in das Leben der Men­schen hin­ein, davon machen wir uns kei­ne Vor­stel­lung. Und was mir damals auf­ge­fal­len ist, wie gestreßt die­se Leu­te sind. (…)

Und ich habe damals gedacht, wow, so reli­gi­ös zu sein, ist wahn­sin­nig anstren­gend. Und man stellt sich die Fra­ge, was ist das für ein Gott, der das von dir ver­langt? (…) Da kriegst du halt ganz schnell auch das Gefühl, okay, Gott ist das wahr­schein­lich gar nicht, der das alles will. Son­dern da sind ande­re Mäch­te und Kräf­te dahin­ter, die ein gro­ßes Inter­es­se dar­an haben, einen gan­zen Men­schen so emo­tio­nal ein­zu­kes­seln, zu kapern, wirk­lich fast als Gei­sel zu nehmen.

Blu­me hat sich nicht die gerings­te Mühe gege­ben, das Argu­ment Prechts zu ver­ste­hen und dar­auf ein­zu­ge­hen (er benutzt in Bezug auf ihn das Wort “schwur­beln”). Statt­des­sen biß er sich an dem Trig­ger­wort “Gei­sel” fest, und zog anschlie­ßend eine tie­fen­psy­cho­lo­gi­sche, sach­te patho­lo­gi­sie­ren­de Dia­gno­se aus dem Ärmel, um Prechts Ver­stoß gegen das, was er als “Medi­en­ethik” bezeich­net, zu erklären.

Das Bei­spiel soll­te genü­gen, um zu zei­gen, auf wel­chem Niveau Blu­me operiert.

Sei­ne Can­cel- und Zen­sur­ge­lüs­te, die dem Schutz herr­schen­der Nar­ra­ti­ve die­nen, sind aller­dings nicht auf “Anti­se­mi­ten” beschränkt. So bemüh­te er sich im Febru­ar die­ses Jah­res (erfolg­los) dar­um, einen öffent­li­chen Auf­tritt von Danie­le Gan­ser in Lein­fel­den-Ech­ter­din­gen (BaWü) zu ver­hin­dern, pran­ger­te 2020 Coro­na­maß­nah­men­kri­tik als “Ver­schwö­rungs­glau­be” an, warn­te 2021 vor der “Ter­ror­ge­fahr” durch “Quer­den­ker” und for­der­te den Rück­tritt von Hubert Aiwan­ger, weil die­ser erklärt hat­te, daß er sich nicht imp­fen las­sen wolle:

Ich wür­de Herrn Aiwan­ger drin­gend dazu auf­ru­fen, dass er sich als stell­ver­tre­ten­der Minis­ter­prä­si­dent ent­we­der zur Wis­sen­schaft bekennt – oder Kon­se­quen­zen für sich zieht. Ein öffent­li­ches Amt soll­te in Deutsch­land nicht mit Wis­sen­schafts­leug­nung ver­ein­bar sein.

Nun geschah es, daß Blu­me selbst Ziel­schei­be eines Can­cel-Ver­suchs wur­de, der ihn mit sei­nen eige­nen Waf­fen schla­gen soll­te. Geführt wur­de er haupt­säch­lich von Autoren der Ach­se des Guten im Ver­bund mit einer ame­ri­ka­ni­schen rechts­zio­nis­ti­schen Organisation.

Stei­gen wir mit einem Tweet ein, den der Ham­bur­ger Rechts­an­walt Joa­chim Stein­hö­fel am 30. Sep­tem­ber 2022 ver­öf­fent­lich­te. Dar­in wur­de Blu­me das ulti­ma­ti­ve poli­ti­sche Äch­tungs­ad­jek­tiv auf­ge­pappt: “Baden-Würt­tem­berg leis­tet sich einen anti­se­mi­ti­schen Antisemitismusbeauftragten.”

Stein­hö­fel unter­mau­er­te dies mit einer Col­la­ge aus sechs Zei­tungs­schlag­zei­len, von denen drei den Anti­se­mi­tis­mus­vor­wurf erwähnten.

“Blu­me lan­det auf ‘Anti­se­mi­ten-Lis­te’ ” (Tages­schau), “Israe­li Gene­ral slams ‘anti­se­mi­tic’ Ger­man offi­ci­al” for defa­ming Israe­li hero” (Jeru­sa­lem Post), “Ger­man anti­se­mi­tism Czar is accu­sed of ‘Jew hat­red’ ” (The Jewish Chronicle).

Die Schlag­zei­len bezie­hen sich auf die Tat­sa­che, daß Blu­me 2021 in einer Lis­te der “Top Ten glo­ba­len Anti­se­mi­tis­mus” auf­ge­taucht ist, her­aus­ge­ge­ben von einer zio­nis­ti­schen Insti­tu­ti­on namens Simon-Wie­sen­thal-Zen­trum in Los Ange­les (mit deren Grün­dung und Aus­rich­tung der “Nazi-Jäger” selbst nichts zu tun hat­te), die sich zu ähn­li­chen Auf­ga­ben beru­fen fühlt, wie sie Herr Blu­me im staat­li­chen Dienst über­nom­men hat.

Sie pran­gert auch jähr­lich via Zita­ten­samm­lung die “zehn schlimms­ten antisemitischen/antiisraelischen Ver­un­glimp­fun­gen” an. Ihr Job ist es also, isra­el- und zio­nis­mus­kri­ti­sche Stim­men als “anti­se­mi­tisch” zu brand­mar­ken. Micha­el Wolff­sohn bemerk­te 2013, als Jakob Aug­stein wegen isra­el­kri­ti­scher Bemer­kun­gen in deren Visier geriet:

Man schätzt das Wie­sen­thal-Zen­trum in Los Ange­les viel zu hoch ein. Es ist eines von zig jüdi­schen Orga­ni­sa­tio­nen – es gibt erfreu­li­cher­wei­se wesent­lich intel­li­gen­te­re als das Wie­sen­thal Center.

Was im Bericht über Blu­me steht, ist ziem­lich mager. In deut­scher Übersetzung:

Ein deut­scher Anti­se­mi­tis­mus­be­auf­trag­ter hat offen­bar ver­ges­sen, daß es sei­ne Auf­ga­be ist, den Anti­se­mi­tis­mus zu bekämp­fen, nicht ihn zu “liken”. Micha­el Blu­me, Anti­se­mi­tis­mus­be­auf­trag­ter für Baden-Würt­tem­berg, setzt seit 2019 sei­ne Akti­vi­tä­ten in den sozia­len Medi­en fort, wo er ein Face­book-Pos­ting “gelik­ed” hat, das Zio­nis­ten mit Nazis ver­gleicht. Er hat seit­dem wei­ter­hin anti­jü­di­sche, isra­el­feind­li­che und ver­schwö­rungs­theo­re­ti­sche Twit­ter-Accounts “gelik­ed” und retweetet.

Uner­klär­li­cher­wei­se haben der baden-würt­tem­ber­gi­sche Lan­des­vor­sit­zen­de der Grü­nen, Win­fried Kret­sch­mann sowie Innen­mi­nis­ter Tho­mas Strobl (CDU) zuge­las­sen, daß Blu­me, der doch eigent­lich Anti­se­mi­tis­mus bekämp­fen soll, wei­ter­hin in den sozia­len Medi­en anti­se­mi­ti­schen und isra­el­feind­li­chen Akti­vi­tä­ten nachgeht.

In kras­sem Gegen­satz dazu hat Blu­mes Amts­kol­le­ge in Ham­burg, Ste­fan Hen­sel, die Regie­rung sei­ner Stadt auf­ge­for­dert, das vom ira­ni­schen Regime kon­trol­lier­te Isla­mi­sche Zen­trum in Ham­burg zu schlie­ßen, weil es Anti­se­mi­tis­mus schürt.

Blu­me hat es ver­säumt, die baden-würt­tem­ber­gi­sche Metro­po­le Frei­burg auf­zu­for­dern, ihre Städ­te­part­ner­schaft mit Isfa­han zu been­den, einer Stadt des ira­ni­schen Regimes, deren Ver­wal­tung all­jähr­lich auf der Al-Quds-Demons­tra­ti­on den Auf­ruf zur Zer­stö­rung des jüdi­schen Staa­tes unterstützt.

Wäh­rend Felix Klein, der Bun­des­be­auf­trag­te für das Juden­tum und die Bekämp­fung des Anti­se­mi­tis­mus, die Ban­ken auf­ge­for­dert hat,
BDS-Grup­pen kei­ne Kon­ten zur Ver­fü­gung zu stel­len, hat Blu­me es ver­säumt, die teil­staat­li­che Lan­des­bank Baden-Würt­tem­berg (LBBW) zu drän­gen, das Kon­to des Paläs­ti­na-Komi­tees Stutt­gart, der mäch­tigs­ten Anti-Isra­el-BDS-Bewe­gung in Baden-Würt­tem­berg und Deutsch­land, zu schließen.

Blu­me wur­den also kon­kret zwei Din­ge vor­ge­wor­fen: Daß er ers­tens ein Pos­ting geherzt hat, in dem “Zio­nis­ten” in einem nega­ti­ven Kon­text erwähnt wer­den, und daß er zwei­tens bestimm­te Din­ge nicht getan (“ver­ab­säumt”) hat, näm­lich Maß­nah­men gegen Orga­ni­sa­tio­nen von poli­ti­schen Gegen­spie­lern Isra­els zu ergreifen.

Das ist alles. Blu­me wur­de aus dem ein­zi­gen Grund als “Anti­se­mit” eti­ket­tiert, weil er gewis­se zio­nis­ti­sche Wün­sche nicht aus­rei­chend erfüllt hat. Ansons­ten gibt es weit und breit nichts, was den Vor­wurf gegen ihn ernst­haft recht­fer­ti­gen würde.

Nun zurück zu Stein­hö­fels Tweet. Twit­ter (mir ist es zu dumm, es “X” zu nen­nen) lösch­te ihn zunächst, Stein­hö­fel klag­te dage­gen, der Tweet muß­te wie­der­her­ge­stellt wer­den, und nun fiel gericht­lich die end­gül­ti­ge Entscheidung:

Bei dem Tweet han­de­le es sich laut Gericht „um eine über­spitz­te, aber zuläs­si­ge Mei­nungs­äu­ße­rung, die Twit­ter nach dem Ver­trag nicht habe löschen dür­fen“, so fass­te es Gerichts­spre­cher Kai Want­zen das Urteil zusam­men. Das Land­ge­richt habe Twit­ter ver­ur­teilt, die Löschung des Tweets zu unter­las­sen, „weil dar­in eine Ver­let­zung des zwi­schen den Par­tei­en bestehen­den Nut­zungs­ver­trags liege“.

Es ist also nun offi­zi­ell eine „zuläs­si­ge Mei­nungs­äu­ße­rung“, Herrn Blu­me als “anti­se­mi­tisch” zu bezeich­nen, was in der herr­schen­den Wer­te­ska­la eine mas­si­ve Ruf­schä­di­gung bedeutet.

Blu­me hat den Ruf­mord­an­schlag aller­dings recht gut über­stan­den, denn er genießt aus­rei­chend Unter­stüt­zung der Lan­des­re­gie­rung, der israe­li­schen Gene­ral­kon­su­lin von Süd­deutsch­land,  sowie von etli­chen jüdi­schen Grup­pen, unter ande­rem dem Zen­tral­rat der Juden, der Ortho­do­xen Rab­bi­ner­kon­fe­renz Deutsch­land, sowie den Israe­li­ti­schen Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten von Baden und Würt­tem­berg, die ihm attestierten:

Wie das Simon Wie­sen­thal Cen­ter – ohne mit den Gemein­den vor Ort über­haupt Kon­takt zu suchen – auf die Idee kommt, einen der­art aus­ge­wie­se­nen Freund Isra­els und der Jewish Com­mu­ni­ty auf eine Lis­te mit Anti­se­mi­ten zu set­zen, ist uns voll­kom­men unverständlich.

Stein­hö­fels Tweet war nur ein wei­te­rer Schuß von vie­len aus Rich­tung Ach­se des Guten. Die­se neo­kon­ser­va­tiv-trans­at­lan­tisch ori­en­tier­te Platt­form hat sich bereits seit 2019 mit einer merk­wür­di­gen Inbrunst auf Blu­me fixiert, und ihn in über einem Dut­zend Arti­keln ange­grif­fen (man gebe den Namen “Micha­el Blu­me” in die Such­funk­ti­on ein).

Mar­cus Erm­ler tat, was er am liebs­ten tut, sam­mel­te inkri­mi­nie­ren­des Mate­ri­al und leg­te eine “Akte Blu­me” an, als gin­ge es dar­um, einem Ver­bre­chen nach­zu­stel­len. Auch geho­be­ne­re Federn wie Hen­ryk Bro­der oder Cha­im Noll betei­lig­ten sich am Blu­me-Bas­hing. Sich ver­stie­gen sich immer­hin nicht so weit, ihn direkt als “Anti­se­mi­ten” hinzustellen.

Begon­nen hat­te es (so weit ich das über­bli­cken kann) mit eini­gen schar­fen Angrif­fen von Felix Per­re­fort, einem Autor u. a. der Jüdi­schen Rund­schau. Tenor war immer der­sel­be: Blu­me äuße­re sich nicht pro-israe­lisch und islam­kri­tisch genug, läge jedoch rich­tig, wenn er bei­spiels­wei­se eine Aus­stel­lung über die “Nak­ba” kri­ti­sie­re oder für die Strei­chung deut­scher UNRWA-Gel­der eintrete.

Unter ande­rem skan­da­li­sier­te Per­re­fort schon 2019, daß Blu­me eben jenes Face­book-Pos­ting “geli­ket” hat, das spä­ter in der Lis­te des Wie­sen­thal-Zen­trums als Beweis­stück auf­tau­chen soll­te, Wort­laut: „Zio­nis­ten, Nazis und Radi­ka­le soll­ten sich schnell von mei­ner Freund­schafts­lis­te ver­ab­schie­den.“ Die­ses fata­le “Like”, wie auch immer es zustan­de gekom­men sein mag, fir­mier­te in der Fol­ge in der (inzwi­schen bizarr umfang­rei­chen) Anti-Blu­me-Lite­ra­tur im Netz als ganz beson­ders gewich­ti­ges Indiz für des­sen kryp­to-anti­se­mi­ti­sche Gesinnung.

Per­re­fort räum­te zunächst groß­zü­gig ein:

Es hat etwas Unwür­di­ges, däm­li­che „Gefällt-mir-Anga­ben“ in einer vir­tu­ell-rea­len Welt, aus der sich wohl die meis­ten ihrer Bewoh­ner öfters mal aus­log­gen soll­ten, in den Vor­der­grund zu rücken. Schließ­lich bedient man damit eine Atmo­sphä­re des Anschwär­zens und der akri­bi­schen gegen­sei­ti­gen Beob­ach­tung, die in ihrer Geist­feind­lich­keit unan­ge­nehm an klei­ne Dorf­ge­mein­schaf­ten erin­nert, in denen sich ver­bit­ter­te Nach­barn am Gar­ten­zaun ihre neu­es­ten Beob­ach­tun­gen erzählen.

Das hin­der­te ihn nicht, sich nach die­sem Dis­clai­mer freu­dig am Anschwär­zen und der “akri­bi­schen gegen­sei­ti­gen Beob­ach­tung” zu betei­li­gen. Aber Per­re­fort hat­te dafür eine Aus­re­de, denn schließ­lich ging es hier um die wich­tigs­te Sache und das wich­tigs­te Land der Welt:

Zum ande­ren offen­bart sich mit­tels Blu­mes „digi­ta­ler Toll­pat­schig­keit“ die Ten­denz eines deut­schen Main­streams, der mit sei­nen Bekennt­nis­sen gegen aller­lei Radi­ka­li­tät die Par­tei­nah­me für Isra­el sys­te­ma­tisch ver­wei­gert – und den Zio­nis­mus der Nähe zum „Extre­mis­mus“ verdächtigt.

Das ist also die eigent­li­che Sün­de, die geahn­det wer­den soll­te: Die Ver­wei­ge­rung der Par­tei­nah­me für Isra­el (was Blu­me ja gera­de nicht tut) bzw. für den Zionismus.

Die zwei­te Schmie­re, die an Blu­me kle­ben geblie­ben ist, ist die Behaup­tung “er soll eine kon­ser­va­ti­ve jüdi­sche Akti­vis­tin mit Adolf Eich­mann ver­gli­chen haben” (so wört­lich im aktu­el­len Arti­kel der Welt), womit die Ach­gut-Autorin Mal­ca Gold­stein-Wolf gemeint ist. Sie geht ver­mut­lich auf einen Text von Ach­gut-Autor Gerd Buur­mann vom 18. März 2019 zurück: “Anti­se­mi­tis­mus-Beauf­trag­ter Blu­me rückt Jüdin in die Nähe von Adolf Eichmann”.

Nun, sieht man sich den ori­gi­na­len Text von Blu­me vom 16. 3. 2019 an, aus dem Buur­mann die­sen Schluß gezo­gen hat, dann ist das schlicht­weg eine Lüge oder zumin­dest eine gro­be, um drei Ecken gebo­ge­ne Ver­zer­rung. Der Arti­kel hat den Titel “Eich­mann, Brei­vik, Spen­cer und der Ter­ror­an­griff von Christ­church”, und ver­folgt die Absicht, den “Eth­no­na­tio­na­lis­mus als Ver­bin­dung aus Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus” zu beschreiben.

Zu Beginn des Tex­tes klagt Blu­me über “Online-Beschimp­fun­gen”, die ihm sei­ne red­li­che “Arbeit für Dia­log und Frie­den” regel­mä­ßig ein­bräch­te. Der Haß käme aus allen extre­mis­ti­schen Rich­tun­gen. Die einen schmä­hen ihn als „üblen Zio­nis­ten“, die ande­ren als „Islam-Appeaser“, und eine Dame mit den Initia­len „m. g.-w.“ twit­te­re “unter dem Hash­tag #micha­elblu­me auch gleich eine angeb­li­che Ver­bin­dung ‘zur #Mus­lim­bru­der­schaft’ und ‘der Ber­li­ner Staats­se­kre­tä­rin #Che­b­li’ ”, weil er einen “Inte­gra­ti­ons­dia­log” mit der Grup­pe JUMA (“jung, mus­li­misch, aktiv”) geführt hat.

Er hat Frau Gold­stein-Wolf also nicht ein­mal beim Namen genannt. Ihr Tweet dient ihm als eines von etli­chen ande­ren aktu­el­len Bei­spie­len für “Online-Hass und wir­re Ver­schwö­rungs­my­then”, die er wacker bekämpft. Damit hat er auch den Vor­wurf, mit Mus­lim­bru­dern zu kuscheln als blo­ße “Haß­re­de” abge­wehrt (all­zu­gro­ße Nähe zu isla­mi­schen Grup­pen wur­de ihm schon frü­her vor­ge­wor­fen).

Nach die­ser Ein­lei­tung zum The­ma “Haß im Netz” kommt ein optisch deut­lich gekenn­zeich­ne­ter Absatz. Im nächs­ten Abschnitt mit dem Titel “Der Eth­no­na­tio­na­lis­mus als digi­ta­ler Anti­se­mi­tis­mus des 21. Jahr­hun­derts” folgt eine rei­ße­ri­sche und nach kon­ven­tio­nel­len Deu­tungs­mus­tern gestrick­te Ana­ly­se der Ursa­chen “des heu­ti­gen Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus”, dem auch Mus­li­me zum Opfer fal­len (sie­he das Atten­tat von Christ­church, das kurz zuvor statt­ge­fun­den hatte).

“Eth­no­na­tio­na­lis­mus” defi­niert Blu­me so:

Mit dem Begriff „Eth­no­na­tio­na­lis­mus“ ist die schon alte, natio­na­lis­tisch-ras­sis­ti­sche Auf­fas­sung gemeint, wonach jedes Volk und jede Reli­gi­ons­ge­mein­schaft nur im „eige­nen“ Gebiet leben dür­fe und sowohl kul­tu­rel­le wie auch bio­lo­gi­sche Ver­bin­dun­gen (als “Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus” bzw. „Ras­sen­schan­de“) zu unter­bin­den seien.

Der Fra­ge, ob und in wel­chem Maße gemäß die­ser Defi­ni­ti­on der Staat Isra­el, der expli­zit als Natio­nal­staat eines abstam­mungs­mä­ßig bestimm­ten Vol­kes defi­niert wird, “eth­no­na­tio­na­lis­tisch” ist, geht er selbst­ver­ständ­lich nicht nach, obwohl sie sich gera­de­zu auf­drängt. Denn der Zio­nis­mus, der das bri­tisch ver­wal­te­te Paläs­ti­na als “eige­nes Gebiet” kenn­zeich­ne­te, das nur sei­nem Volk allein legi­ti­mer­wei­se zuste­he, und die­ses sys­te­ma­tisch mit Juden besie­del­te, um eine Bevöl­ke­rungs­mehr­heit her­zu­stel­len, war und ist eine klas­si­sche eth­no­na­tio­na­lis­ti­sche Bewegung.

Es fol­gen Aus­füh­run­gen über drei “Eth­no­na­tio­na­lis­ten”: Über Eich­mann, der “die Umsied­lung von Jüdin­nen und Juden nach Paläs­ti­na erzwang und för­der­te”, über Brei­vik, der “die Exis­tenz des Staa­tes Isra­el sogar begrüß­te” und über das dama­li­ge Alt­right-Aus­hän­ge­schild Richard Spen­cer, der “Isra­el als ‘Eth­no-Staat’ für ‘Juden welt­weit’ ” pries.

Blu­me begab sich hier, ver­mut­lich völ­lig arg­los, in ein ris­kan­tes Fahr­was­ser, das für Rechts­zio­nis­ten, die sich selbst ganz klar als Eth­no­na­tio­na­lis­ten und ihren Staat als Eth­no­staat ver­ste­hen, in eine PR-mäßig eher pein­li­che Rich­tung fließt.

Es ist nicht ver­wun­der­lich, daß er ihr Miß­fal­len erreg­te, vor allem in Kom­bi­na­ti­on mit sei­ner noto­ri­schen “Dia­log­be­reit­schaft” mit isla­mi­schen Grup­pen. Aber was er nach­weis­lich nicht getan hat, ist, die anony­mi­sier­te Frau „m. g.-w.“ in “die Nähe von Eich­mann zu rücken” (außer man ist so frei, die Phra­se “in die Nähe rücken” wie ein Gum­mi­band aus­zu­deh­nen, bis sein Sinn­ge­halt zer­reißt). Der­glei­chen zu behaup­ten, ist völ­lig skrupellos.

Eine drit­te Behaup­tung über Blu­me, die auch in dem ein­gangs ver­link­ten Arti­kel der Welt auf­taucht, ist, er habe “kri­ti­sche Juden als rechts­extrem bezeichnet”.

Damit ist (wohl) ein wei­te­rer Akteur des Dra­mas gemeint, der Ame­ri­ka­ner Ben­ja­min Wein­th­al, rech­ter Zio­nist, Trump-Fan, Nah­ost-Exper­te von Fox News, Euro­pa­kor­re­spon­dent der Jeru­sa­lem Post, und eben­falls gele­gent­li­cher Autor von Ach­gut. Wein­th­al hat sich mit beson­de­rer Inbrunst an Blu­mes Fer­sen gehef­tet. Blu­me ins­i­niuier­te wie­der­holt, daß Wein­th­al zumin­dest indi­rekt dafür ver­ant­wort­lich sei, daß er auf der Lis­te des Wie­sen­thal-Zen­trums gelan­det ist. Jeden­falls hat Wein­th­al zwei der drei “Medi­en­be­rich­te” ver­faßt, die Stein­hö­fel sei­nem Tweet als Beleg für Blu­mes Anti­se­mi­tis­mus beigab.

Es scheint Wein­th­al gewe­sen zu sein, der die Gren­ze der blo­ßen Kri­tik an Blu­me, die auf Ach­gut so emsig geübt wur­de (und für die es gewiß reich­lich Anlaß gibt, nach wel­chem Maß­stab auch immer), über­schritt und zur nack­ten Denun­zia­ti­on über­ging. Er wie­der­hol­te in zahl­lo­sen Tweets die Falsch­be­haup­tung, Blu­me habe eine “deut­sche Jüdin” mit “dem Nazi Adolf Eich­mann” ver­gli­chen und wur­de nicht müde, tri­um­phie­rend auf den Ein­trag in der Wie­sen­thal-Lis­te hin­zu­wei­sen (was ein Zir­kel­ar­gu­ment wäre, wenn die­ser tat­säch­lich auf sei­nen eige­nen Vor­wür­fen gegen Blu­me beruht).

Wein­th­al schreck­te auch vor per­sön­li­chen Ein­schüch­te­rungs­ver­su­chen nicht zurück. So schrieb er an Blu­me eine E‑Mail mit fol­gen­dem Wort­laut (alle Feh­ler im Original):

Shalom Herr Blume,

ich habe von einer Quel­le in BW mit­be­kom­men, dass ihre Frau sich anti­se­mi­ti­sche geäu­ßert hat. Trifft das zu? Wann haben Sie Zeit dar­über zu spre­chen? Kön­nen Sie mir bit­te die Num­mer und die Emal von ihrer Frau zusen­den? Ist ihre Frau eine Anti­se­mitn? Gibt es einen isla­mi­schen Anti­se­mi­tis­mus-Pro­blem inner­halb ihrer Fami­lie? Ich freue mich auf Ihre Aus­kunft. Mit freund­li­chen Grü­ßen aus Jeru­sa­lem, Ben­ja­min Weinthal

Das ist ein Maxi­mum von inqui­si­to­ri­scher Aggres­si­vi­tät, noch ver­stärkt durch die sar­kas­ti­sche Faux-Höf­lich­keit, mit der er sich hier in Blu­mes pri­va­ten Bereich hin­ein­zu­boh­ren versuchte.

Blu­me reagier­te auf die ad-homi­nem-Atta­cken Weinth­als, die in der Tat mit “Kri­tik” wenig zu tun haben und die offen­bar immer wei­ter eska­lier­ten, indem er ihn als “Rechts­extre­men” oder “rechts­extre­men Troll” prä­sen­tier­te. Damit ver­such­te er wohl, den Anti­se­mi­tis­mus-Vor­wurf auf einer ver­gleich­bar dis­kre­di­tie­ren­den Ebe­ne abzu­weh­ren. Im Juli 2021 publi­zier­te er eine offe­ne “fri­end­ly respon­se” an Wein­th­al auf Eng­lisch, in der er sich bei ihm dafür bedank­te (eher iro­nisch als sar­kas­tisch), ihm als anschau­li­ches Bei­spiel von “digi­tal radi­cal­iza­ti­on” und “digi­tal trol­ling” gedient zu haben.

Das reicht wohl erst­mal. Die Geschich­te gehört, wie so vie­le ande­re auch, in die Kate­go­rie “jede Sei­te ist die fal­sche”. Bei­de Sei­ten arbei­ten mit Ver­dre­hun­gen und Dif­fa­mie­run­gen (auch Blu­me hat das im Reper­toire), kei­ne der bei­den Sei­ten ist ein ech­ter Freund der frei­en Rede und des frei­en Den­kens, bei­de Sei­ten trach­ten danach, ihre Nar­ra­ti­ve dog­ma­tisch-mora­lisch abzu­si­chern und Abweich­ler unter Druck zu setzen.

Die Geschich­te wirft auch eini­ges Licht auf Artur Abra­mo­vychs Vor­schlag zur Güte, “der Zio­nis­mus und die soge­nann­ten Rechts­po­pu­lis­ten” soll­ten “an einem Strang zie­hen”, damit die “Deu­tungs­ho­heit über Anti­se­mi­tis­mus von links nach rechts wan­dert”, also qua­si von den Blu­mes zu den Weinth­als, von den Meron Men­dels zu den Hen­ryk Bro­ders. (Die Kam­pa­gne gegen Blu­me ist weit­ge­hend geschei­tert, weil sei­ne Geg­ner in Deutsch­land, die sich offen­bar für eine Art “Gegen­kir­che” des Anti-Anti­se­mi­tis­mus hal­ten, eher Nischen­pro­gramm sind und die Deu­tungs­ho­heit nicht an sich zie­hen konnten.)

Das hie­ße in der Pra­xis (wie unse­re Geschich­te anschau­lich zeigt), daß die Macht zur Denun­zia­ti­on von einer Grup­pe zur ande­ren wan­dert. Hier­zu müß­ten ein paar Defi­ni­tio­nen und Ziel­rich­tun­gen der poli­ti­schen Waf­fe modi­fi­ziert wer­den, die Denun­zia­ti­on als Mit­tel zum Zweck bleibt jedoch prin­zi­pi­ell und mora­lisch unhin­ter­fragt in Gebrauch und in stän­di­ger Bereitschaft.

Wer mit Denun­zia­ti­on droht, will jedoch erpres­sen, und die meis­ten Erpres­ser sind uner­sätt­lich, wenn sie ein­mal bekom­men haben, was sie ver­langt haben.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (10)

tearjerker

19. Dezember 2023 15:30

Unabhängig davon, dass Blume zuhause den Frieden wahren möchte: Sein Auftrag ist es, das Publikum im Sinne seiner staatlichen Auftraggeber mit themenspezifischer Öffentlichkeitsarbeit zu bestrahlen. Deren Spin geht wie bei nahezu allen Themen in Richtung ,der legendäre kleine Mann, der immer litt und nie gewann', AntiImp, böser Deutscher usw. Völlig unvermeidlich, dass damit für ihn Israel und die USA am Pranger stehen und die Achse, die sowas eher so mittel findet, ihm das konstant unter die Nase reibt. Der linke Komplex, dem Blume zuarbeitet hat ja die Achse bereits schwer unter Druck gesetzt, indem man versuchte ihr die Werbeerlöse abzudrehen. Offensichtlich hatten die Altlinken um Broder dann doch das bessere Netzwerk. In wenigen Jahren wird man das Antisemitismus-Geraune mangels Publikum nicht mehr verkaufen können. Bevor der Laden schliesst, deshalb: Alles muss raus.

Olmo

19. Dezember 2023 15:38

Nachdem ich den Text gelesen hatte, wanderte meine Sympathie wieder einmal zu Ted Kaczynski: Stecker ziehen/Great Reset. Ist das alles ätzend. 

Valjean72

19. Dezember 2023 17:47

Mir war offen gesagt Michael Blume bisher vollkommen unbekannt und somit auch der dargelegte Vorfall. Mein Mitgefühl hält sich allerdings in Grenzen, wenn er selbst von der bitteren Medizin kosten muss, die er gerne anderen verabreicht.
 
Mir ist es im Grunde genommen auch vollkommen egal, was diese Leute unter sich ausfechten aber ich wundere mich einmal mehr, wenn deutsche Konservative dieses Spiel unterwürfig mitspielen. Von Liberalen ganz zu schweigen.
 
Das Amt eines Antisemitismusbeauftragten gibt es auf Bundesebene und auch in 15 Bundesländern. Einzig der Stadtstaat Bremen leistet sich (noch) den Luxus auf solch ein Amt zu verzichten. Wenn das nicht schon mal ein Indiz für latenten Antisemitismus ist …
(Auch Österreich und die Schweiz erlauben sich bisher ohne solch ein Amt auszukommen)
 
Zudem gibt es dieses Amt in mehreren Generalstaatsanwaltschaften in Ba.-Wü., Bayern, Berlin und Hessen.
 
Zu NRW heißt es diesbezüglich auf Wikipedia:
 
„Zur Bekämpfung von Judenfeindlichkeit werden in Nordrhein-Westfalen 22 Strafverfolgerinnen und Strafverfolger als Antisemitismus-Beauftragte bei den Staatsanwaltschaften eingesetzt“
 
Ein Irrsinn.

t.gygax

19. Dezember 2023 18:55

Die Art und Weise, wie Blume im Raum Stuttgart gegen Daniele Ganser gehetzt hat, sagt einiges aus über a) seinen Charakter b) seine Vorgehensweise und c) die Handschrift seiner Herren, denn Blume ist nicht mehr als " his master ' s voice". Ein Untertan, der einen Auftrag erfüllt.

Freier

19. Dezember 2023 20:03

Immerhin sind sich bei "Deutscher Mann böse" wohl einig.
@Valjean72
"Ein Irrsinn"
Nein kein Irrsinn. So funktioniert Herrschaft.
 

ML: Schon, aber Irrsinn spielt auch eine Rolle, wie in jedem Religionskrieg.

Fonce

19. Dezember 2023 22:25

«… ohne mit den Gemeinden vor Ort überhaupt Kontakt zu suchen – auf die Idee kommt, einen derart ausgewiesenen Freund Israels und der Jewish Community auf eine Liste mit Antisemiten zu setzen, ist uns vollkommen unverständlich.»
Die deutschen Juden sind zornig, dass sich die amerikanischen Juden mit ihnen nicht abgesprochen haben, posaunen sie. Aber wahrscheinlich ist das eine abgekartetes Spiel (böser Cop ─ guter Cop): Pass auf, was ihr sagst sonst kriegen wir euch. Gleichzeitig: Stopp, eigentlich sind wir dein Kumpel! Der Zweck ist Gefügigmachen durch Psychoterror.

RMH

20. Dezember 2023 07:26

Das Gericht hat keine Tatsachenfeststellung ausgeurteilt, wonach B. Antisemit sei, sondern es hat vielmehr X verurteilt, einen Tweet veröffentlicht zu lassen, in dem B. als antisemit. Antisemitismusbftrgtr bezeichnet wird. Man bewegt sich also im Bereich der Meinungsäußerung und nicht der Tatsachenfeststellung (wobei eine zul. Meinungsäußerung Tatsachenanknüpfungspunkte haben sollte, damit sie nicht als nur diffamierend gilt. Und das war im St-höfel Tweet wohl der Fall) und es war keine Klage von B. gegen Steinhöfel sondern eine von Steinhöfel gegen X. Im Grunde ist das Urteil nicht so weit davon entfernt von dem des VG Mgn, in dem es eine Demo-Anmeldung zugelassen hat, in der Höcke als "Faschist" bezeichnet wurde. An dem Verfahren war Höcke auch nicht selber beteiligt und es ging um die Meinungsfreiheit im politischen Wettbewerb (wo naturgemäß ein weiter Maßstab angelegt wird). Das Urteil des VG Mgn hat 0 Aussagekraft dahingehend, ob Höcke tatsächlich Faschist ist und genauso ist das bei dem Urteil gegen X zu B. Man sollte der PR-Strategie zur Mandantengewinnung von RA Steinhöfel nicht ohne den Hinweis, warum macht denn das der Steinhöfel, Raum geben. Das Urteil hat 0 substantielle Aussagekraft, genauso wie das Urteil zum vermeintl. Faschisten Höcke. Es kann aber zum Honigtopf für alle werden, die sich bemüßigt fühlen, mal wieder etwas über "die" Juden oder den "Antisemitismus" zum Besten zu geben. So tief darf man dann schon in den Kaninchenbau kriechen, um das zu bemerken.

ML: Das Urteil und die Geschichte dahinter sagen eine Menge aus über den "Antisemitismus", und da alle Welt ununterbrochen davon redet, darf und sollte sich auch jeder "bemüßigt fühlen", daraus seine Schlüsse zu ziehen, der will.

Klaus Kunde

20. Dezember 2023 09:34

Interessanter und unterhaltsamer Artikel. Zu den Motiven der „Achse“, insbes. die des Henryk Broder, sich Michael Blume vorzuknöpfen, braucht nicht lange spekuliert zu werden. Die des Chaim Noll und weiterer dürften ähnlicher Natur sein. Zum einen ist es das Amt selbst, schon der aufreizende und durchaus mißzuverstehende Terminus als solcher, „Antisemitismusbeauftragter“, dem weitgehende Nutzlosigkeit unterstellt und zumeist mit drittklassigen abgehalfterten Mandatsträgern besetzt wird, zum anderen sind es die steten Bemühungen des Herrn Blume, sich mit allerlei Unfug irgendwie wichtig machen zu wollen. Da schlägt man gern auf gleichem Niveau zurück. Wer gegen RA Nicolaus Steinhöfel, auf Medienrecht spezialisiert, antritt, bleibt ohnehin chancenlos. Legendär sein Auftritt vor dem Amtsgericht Duisburg im Fall Henryk Broder vs. Lamya Kaddor, in dem er die offenbar nur mäßig vorbereitete Anklagevertretung mit der Frage, „Glauben Sie alles, was in der Zeitung steht?“, zu Fall brachte.

RMH

20. Dezember 2023 10:03

@M.L., meine Anmerkungen waren eigentlich eher an die bisherige Debatte gerichtet, als gegen Ihren Artikel, bei dem Sie - wie immer - journalistisch sauber die Fakten darstellen. Die gesamte Antisemitismus-Debatte ist aber eine, bei der man in einen Ring steigt, in dem andere ohne Verhandlungsmöglichkeit die Regeln vorgeben, man nicht mal Sparingspartner ist, sondern stets nur vorgeführt wird und zu bekennen hat, man null Debattenfreiraum hat, ohne dass gleich jemand mit "Täter-Opfer"-Umkehr oder anderen beliebten Argumenten ankommt (alleine, das jetzt so zu formulieren, macht einen bekanntermaßen bereits zum Antisemiten), dass man eben sich schon fragen kann, soll man sich an diesen Binnendebatten unter Korrekten beteiligen (meine Erfahrung ist, mit Juden direkt kann man deutlich sachlicher diskutieren als mit Deutschen), Steinhöfels Selbstdarstellung als Superjuristen Raum geben, Blumes Wahn des überall hinter jeder Ecke lauerndem Antisemitismus folgen (das er überall etwas zu wähnen hat, ist ja Teil seiner job descirption. Wahn ist also keine Diagnose in diesem Fall). Wittgensteins "Wovon man nicht sprechen kann, darüber hat man zu schweigen", bekommt damit einen völlig neuen, unbeabsichtigten Anwendungsfall. Der Diskursraum ist zu, kann auch nicht geöffnet werden, da alle Öffnungsversuche gleichzeitig "antisemitisch" sind. Da kann man zum Schluss kommen, gut, dass wir darüber geredet haben.

Fonce

20. Dezember 2023 14:23

«Wittgensteins "Wovon man nicht sprechen kann, darüber hat man zu schweigen" … Der Diskursraum ist zu, kann auch nicht geöffnet werden, da alle Öffnungsversuche gleichzeitig "antisemitisch" sind.» (Kommentar von @RMH, 20. Dezember 2023 10:03)
Es gibt aber eine Möglichkeit das Tabu zu durchbrechen: Man muss den (archimedischen) Punkt finden, der bisher immer übersehen wurde, der alle politischen / geschichtlichen / religiösen Gewissheiten dahinschmelzen lässt, weil er einer höheren, unanfechtbaren "Jurisdiktion" untersteht. Dadurch hätte man einen eigenen Raum definiert, wo man unter der Hoheit dieses archimedischen Punkts und immer darauf bezugnehmend eine neue Debatte eröffnet, wo höhere Regeln gelten und alle tieferen Kategorien abperlen.  

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