Was kann ein “Kleines Verbotsverfahren” für eine Partei bedeuten, Herr Franz?

Vorbemerkung: Eine Zeitschrift wie unsere kann nachfragen, wo es eine Partei wie die AfD nicht kann. Eigentlich sollte sie es ebenso können, aber im Wörtchen "eigentlich" steckt schon das ganze Dilemma: Es zeigt an, daß etwas, das getan werden müßte, nicht geschehen wird - aus Gründen. Egal, es gibt ja uns.

Wor­um geht es? Es geht um Ver­bots­ver­fah­ren, gro­ßen und klei­nen. Wir spre­chen mit Frank Franz. Er ist seit 2014 Vor­sit­zen­der der Par­tei „Die Hei­mat“ (frü­her NPD). Wir frag­ten ihn man­ches. Anlaß ist die aktu­el­le AfD-Ver­bots­de­bat­te. Franz kann näm­lich über die bei­den geschei­ter­ten NPD-Ver­bots­ver­fah­ren sowie das noch lau­fen­de Ver­fah­ren gegen die Par­tei über den Ent­zug der staat­li­chen Par­tei­en­fi­nan­zie­rung Aus­kunft geben, und man soll­te dort, wo gera­de 23 Pro­zent auf der Waag­scha­le lie­gen (bun­des­weit) auf­merk­sam zuhören.

– – –

SEZESSION: Der­zeit wird inten­siv über ein AfD-Ver­bot dis­ku­tiert. Das soge­nann­te Klei­ne Ver­bots­ver­fah­ren, das gegen die von Ihnen geführ­te Par­tei „Die Hei­mat“ (frü­her NPD) in Karls­ru­he geführt wird, fin­det hin­ge­gen nur wenig Beach­tung. Wor­um geht es dabei?

FRANZ: Beach­tung fand die­ses Ver­fah­ren aus meh­re­ren Grün­den durch­aus. Einen haben Sie bereits genannt. Die Ver­bots­dog­ma­tik, die vor­der­grün­dig als Lex NPD geschaf­fen wur­de, wird garan­tiert auch als Blau­pau­se gegen ande­re Par­tei­en die­nen. Das Kar­tell hat zwei­mal ver­sucht, unse­re Par­tei zu ver­bie­ten. Das ers­te Ver­fah­ren konn­ten wir mit der VS-The­ma­tik durch die Hin­ter­tür regel­recht platt­ma­chen. Als wir über das Gericht die Fra­ge ange­sto­ßen hat­ten, ob denn aus­zu­schlie­ßen sei, daß der Staat auf bei­den Sei­ten des Ver­hand­lungs­ti­sches sit­ze und Otto Schi­ly sicht­lich über­rascht pas­sen muß­te, weil er die Fra­ge nicht beant­wor­ten woll­te oder konn­te, war klar, daß das Ver­fah­ren tot ist. Aller­dings muß­ten wir dafür einen hohen Preis zahlen.

Das war der Start­schuß für die gebets­müh­len­ar­ti­ge Bericht­erstat­tung über V‑Leute in unse­rer Par­tei, die uns bis heu­te nicht wie­der los­ge­las­sen hat. Dar­um gab es im ers­ten Ver­fah­ren auch kaum eine inhalt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung. Im zwei­ten Ver­fah­ren muß­ten die Innen­mi­nis­te­ri­en attes­tie­ren, daß das Mate­ri­al quel­len­frei und die Vor­stän­de der Par­tei frei von V‑Leuten sind. Glei­ches gilt für das drit­te und soge­nann­te Klei­ne Ver­bots­ver­fah­ren. Inso­fern und wenn man den Anga­ben der Innen­mi­nis­te­ri­en Glau­ben schen­ken will, ist die „Die Hei­mat“ die der­zeit ein­zi­ge deut­sche Par­tei, deren Vor­stän­de frei von V‑Leuten ist. Das kön­nen ande­re Par­tei­en nicht von sich behaupten.

Aber nach der etwas län­ge­ren Ein­füh­rung möch­te ich auch die Fra­ge beant­wor­ten. Im soge­nann­ten Klei­nen Ver­bots­ver­fah­ren geht es dar­um, der „Hei­mat“ die staat­li­che Par­tei­en­fi­nan­zie­rung zu ent­zie­hen. Die Ände­rung der Geset­zes­la­ge mit der Mög­lich­keit, daß das Ver­fas­sungs­ge­richt nicht nur ein Ver­bot aus­spre­chen kann, son­dern auch die Mög­lich­keit hat, einer Par­tei die staat­li­chen Mit­tel zu strei­chen, geht – und das ist einer der Skan­da­le in die­sem Ver­fah­ren – auf das Gericht selbst zurück. Im zwei­ten Ver­bots­ver­fah­ren hat der dama­li­ge Gerichts­prä­si­dent Andre­as Voß­kuh­le genau die­se Mög­lich­keit selbst ins Spiel gebracht und erklärt, daß ein sol­cher Schritt denk­bar wäre, sofern der Gesetz­ge­ber die recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen schafft. Das hat die­ser umge­hend getan. Kur­ze Zeit spä­ter folg­te dann der Antrag auf Ent­zug der staat­li­chen Parteienfinanzierung.

SEZESSION: Der Staat hat sich beim ver­such­ten Ver­bot der NPD zwei­mal bla­miert. Ist die Aus­trock­nung der Par­tei­fi­nan­zen nicht der viel effek­ti­ve­re Weg, um eine Oppo­si­ti­ons­par­tei zu schwächen?

FRANZ: Das ist zumin­dest ein effek­ti­ver Weg, ja. Wir wer­den dadurch nicht kom­plett hand­lungs­un­fä­hig. Aber das trifft uns natür­lich an einer emp­find­li­chen Stel­le. Poli­ti­sche Arbeit kos­tet Geld. Und da sind ins­be­son­de­re klei­ne Par­tei­en auf jeden Euro ange­wie­sen. Wir sind auch der Auf­fas­sung, daß die­ses Gesetz in einem unver­hält­nis­mä­ßi­gen Aus­maß gegen den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ver­stößt. Auf­ga­be der Par­tei­en ist es, am poli­ti­schen Wil­lens­bil­dungs­pro­zeß mit­zu­wir­ken. Soll­te der Antrag erfolg­reich sein, ent­stün­de dadurch ein erheb­li­cher Nach­teil für uns. Logi­scher­wei­se ent­stün­de für die ande­ren Par­tei­en ein Wett­be­werbs­vor­teil. Das hal­ten wir für rechts­staat­li­chen Unfug. Ent­we­der ist eine Par­tei ver­fas­sungs­wid­rig und muß ver­bo­ten wer­den oder sie ist es nicht und genießt alle Rechte.

SEZESSION: Ihre Par­tei hat die münd­li­che Ver­hand­lung in Karls­ru­he boy­kot­tiert und weder Sach­ver­stän­di­ge noch einen Anwalt ent­sandt. Hät­te man ange­sichts der Bedeu­tung die­ses The­mas denn nicht alle gege­be­nen recht­li­chen Mög­lich­kei­ten aus­schöp­fen müssen?

FRANZ: Wir haben alle recht­li­chen Mög­lich­kei­ten aus­ge­schöpft. Man muß wis­sen, dass alle Argu­men­te lan­ge vor der münd­li­chen Ver­hand­lung schrift­sätz­lich vor­ge­legt und aus­ge­tauscht wur­den. Und zwar sehr aus­führ­lich. Unser Rechts­an­walt Peter Rich­ter ist auf die­sem Gebiet erfah­ren und sehr gründ­lich. Die­se münd­li­che Ver­hand­lung hät­te nichts zuta­ge för­dern kön­nen, was nicht vor­her bereits beant­wor­tet und geklärt wor­den wäre. Das wäre ein rei­ner Schau­pro­zeß gewor­den, in dem es nur dar­um gegan­gen wäre, uns vorzuführen.

Die Fra­ge war also, wie man mög­lichst sou­ve­rän damit umgeht. Wir sind in Karls­ru­he nicht Haus­herr und legen die Ver­hand­lungs­glie­de­rung nicht fest. Man kann dort zwar ant­wor­ten und auch ein paar Akzen­te set­zen. Aber es ging uns dar­um, deut­lich zu machen, was wir von solch einer Demo­kra­tie- und Rechts­staats­si­mu­la­ti­on hal­ten. Das Ver­fas­sungs­ge­richt ist, wie der Ver­fas­sungs­schutz auch, mit Par­tei­leu­ten des Kar­tells besetzt. Es mag für man­che noch etwas zu fan­tas­tisch anmu­ten, wenn man sagt, daß bei­de Instan­zen poli­ti­sche Arme des Kar­tells sind. Es ist aber fak­tisch so. Und das konn­ten wir unse­rer Auf­fas­sung nach am ehes­ten dadurch ver­deut­li­chen, indem wir sagen: Macht euren Mist allein, wir machen da nicht mit.

Zudem haben wir für inter­es­sier­te Bür­ger etli­che Bei­trä­ge dazu ver­öf­fent­licht und einen aus­führ­li­chen Live­stream mit den Rechts­an­wäl­ten Peter Rich­ter und Dubrav­ko Man­dic durch­ge­führt, in dem wir all die wich­ti­gen Fra­gen erör­tern konnten.

SEZESSION: Glau­ben Sie, dass das Klei­ne Ver­bots­ver­fah­ren gegen ihre Par­tei eine Blau­pau­se im Kampf gegen die AfD sein könnte?

FRANZ: Davon bin ich über­zeugt, ja. Beim zwei­ten Ver­bots­ver­fah­ren wirk­te es auf mich ein wenig sur­re­al, dass der dama­li­ge AfD-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de im Deut­schen Bun­des­tag, Alex­an­der Gau­land, noch gegen uns wet­ter­te und das Ver­fah­ren offen­bar nicht schlecht fand. Ihm hät­te klar sein müs­sen, daß hier die recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen geschaf­fen wur­den, mit denen auch die AfD ange­grif­fen wer­den soll. Und das erle­ben wir heu­te, wenn auch nur in Neben­sät­zen und zwi­schen den Zei­len. Wer die Haupt­an­griffs­punk­te des Ver­bots­ver­fah­rens gegen uns ver­stan­den hat, wird die­se Vor­wür­fe auch ver­stärkt im Kampf gegen die AfD finden.

Das zwei­te Ver­bots­ver­fah­ren war nicht zuletzt ein fron­ta­ler Angriff auf den Volks­be­griff, wie wir ihn ver­ste­hen. Volk beschreibt eine Abstam­mungs­ge­mein­schaft und nicht das, was Ange­la Mer­kel, Olaf Scholz und ande­re dar­aus machen wol­len. Mer­kel erklär­te am Ende ihrer Kanz­ler­schaft, zum Volk gehö­re, der in unse­rem Land lebt. Und die­se Umdeu­tung wird mit „Die Hei­mat“ nicht zu machen sein. Dage­gen wer­den wir uns mit aller Kraft stemmen.

Der zwei­te wich­ti­ge Punkt, der aus dem zwei­ten Ver­bots­ver­fah­ren her­vor­ging, ist die kru­de Brü­cke der soge­nann­ten Poten­tia­li­tät. Auch hier muß man wis­sen, daß das eine Art Aus­stieg aus dem Ver­fah­ren war. Unse­re Par­tei war schlicht nicht zu ver­bie­ten. Die Erklä­rung, eine Par­tei sei zwar ver­fas­sungs­wid­rig, aber man ver­bie­tet sie nicht, weil es ihr an der Poten­tia­li­tät feh­le, ihre ver­meint­lich ver­fas­sungs­wid­ri­gen Zie­le umzu­set­zen, ergibt kei­nen Sinn.

Damit hat das Gericht sich ein Pro­blem auf­ge­halst. Denn der Begriff der Poten­tia­li­tät wur­de nicht mit Inhalt gefüllt. Wann wäre sie erreicht? Wenn man eine Par­tei nicht ver­bie­ten kann, weil sie zu schwach ist, wie kann man dann eine Par­tei ver­bie­ten, die stark ist und demo­kra­ti­sche Unter­stüt­zung in nen­nens­wer­tem Umfang gene­riert? Inwie­fern kann das dann rechts­staat­lich und demo­kra­tisch in Ord­nung sein? Oder ist die­se Poten­tia­li­tät, die sich durch Wirk­mäch­tig­keit aus­drü­cken muß, erst erreicht, wenn eine Par­tei in Regie­rungs­ver­ant­wor­tung ist? Wie wäre es um die Demo­kra­tie und den Rechts­staat bestellt, wenn das Ver­fas­sungs­ge­richt eine Regie­rungs­par­tei ver­bie­ten wür­de? Ich hal­te ein Ver­bot der AfD für nicht mög­lich. Ich hal­te es aber für mög­lich, daß ein Antrag ein­ge­bracht wird.

SEZESSION: Wird Ihre Par­tei nach einem Ent­zug der Par­tei­en­fi­nan­zie­rung, wovon ja aus­zu­ge­hen ist, vor den Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te nach Straß­burg ziehen?

FRANZ: Das müs­sen wir dann prü­fen, wenn eine Urteils­be­grün­dung vor­liegt. Die­se Urteils­be­grün­dung ist für den Janu­ar kom­men­den Jah­res ange­kün­digt, erst dann ist das Ver­fah­ren in Karls­ru­he abge­schlos­sen. Man muß aber auch mit Blick auf ein mög­li­ches Ver­fah­ren in Straß­burg wis­sen, dass die­ses meh­re­re Jah­re dau­ern wür­de und der Aus­gang offen wäre.

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Kommentare (17)

RMH

20. Dezember 2023 19:32

Natürlich wurde im zweiten NPD-Verbotsverfahren die Blaupause für ein Vorgehen gegen die AfD geschaffen. Insbesondere der uferlose Menschenwürde-Begriff aus der entsprechenden BVerfG-Entscheidung findet sich in allen VS-Begründungen für die Verfolgung der AfD.
"Man muß aber auch mit Blick auf ein mögliches Verfahren in Straßburg wissen, dass dieses mehrere Jahre dauern würde und der Ausgang offen wäre."
Man kann nur hoffen, dass die "Heimat" den Rechtsweg voll und komplett ausschöpft und wenn die "Heimat!" ein Spendenkonto zur Finanzierung des Verfahrens aufmacht, sollte man spenden.

Dr Stoermer

20. Dezember 2023 21:27

Danke dafür, von dem Staatsvolkskollegen eine Stellungnahme in dieser interessanten Angelegenheit hier lesen zu können. Auseinandersetzung mit politischer Diversität, Alternative um Alternative, ist bereichernd. 

DerRechteAnwalt

20. Dezember 2023 21:43

Vorbemerkung: Ich finde es richtig, daß die Sezession mit Frank Franz spricht. Distanzieren ist — in der BRD von heute — manchmal notwendig, aber ein Interview mit dem Vorsitzenden einer nicht verbotenen Partei begründet keinen Vorwurf von wem auch immer.
Jetzt zur Sache: Ich bin nach wie vor der Auffassung, daß es zwischen der Heimat/NPD (von Veränderungen inhaltlicher Art ist mir nichts bekannt) und den Organisationen der Neuen Rechten einen wesentlichen programmatischen Unterschied gibt, den das BVerfG in seinem Nicht-Verbots-Urteil überzeugend herausgearbeitet hat: Die Heimat definiert das Staatsvolk direkt oder indirekt über die ethnische Zugehörigkeit, fordert also die Ausbürgerung aller ethnisch Fremden. Auf diese Feststellung gründete das Gericht damals seine Einschätzung, die Partei verletze Art. 1 GG.
Diese Auffassung und diese Forderung vertritt aber kein einziger neurechter Akteur. Daher läßt sich die Argumentation des BVerfG gegen die Heimat nicht auf neurechte Akteure übertragen. Die Verwaltungsgerichte in Berlin (zwei) und Köln haben das nicht verstanden, obwohl ich es ihnen haarklein bewies. Wie das BVerfG die Frage beurteilen würde, ist noch nicht entschieden.
Allerdings gebe ich Franz darin recht, daß das damalige NPD-Nichtverbotsverfahren im Grunde ein AfD-Verbots-Vorbereitungsverfahren war. Wir dürfen gespannt sein, ob das System alles auf eine Karte setzen und die AfD verbieten wird.

Martha

20. Dezember 2023 21:44

Interessantes Interview. Die AfD sollte daraus lernen und aufhören, sich beim Gegner anzubiedern. Das nützt nämlich gar nichts. Herr Franz ist ein bemerkenswerter Politiker.

Ordoliberal

21. Dezember 2023 04:02

Man muss die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland grundsätzlich in Frage stellen. Abgesehen davon, dass das Grundgesetz viel zu vage und unentschieden ist, um den Namen Verfassung zu verdienen: So viele Entscheidungen der letzten Jahre sind willkürlich, widersprüchlich und offensichtlich rein politisch motiviert, dass mein Vertrauen in Deutschland als Rechtsstaat vollständig erodiert ist. Man kann als Deutscher schlichtweg nicht mehr davon ausgehen, dass das Recht einen schützt. Linke können damit sehr gut leben. Für sie ist das Recht ohnehin nichts weiter als ein Hindernis auf ihrem Weg zur totalen Macht. Die Linke kennt Recht gar nicht anders als kodifizierten Befehl von oben. Bedauerlich ist, dass es auch auf der rechten Seite eine starke Tendenz gibt, den Grundrechtsschutz unter Gemeinwohlvorbehalt zu stellen. Da es keine verbindliche und allgemein akzeptierte Definition von Gemeinwohl gibt, heißt das nichts anderes, als das die Grundrechte nur insoweit gelten, als es den jeweils Herrschenden passt.

Frika Wies

21. Dezember 2023 05:56

Die "fehlende Potentialität" einer Partei hat mitnichten nur mit geringen Wählerstimmen zu tun, sondern auch mit fehlender Kriminalität. Wer den Verbotsantrag des Bundesrates zum zweiten Verbotsverfahren liest, dem wird auffallen, dass dort versucht wurde, irre Zusammenhänge zwischen freier Szene, NSU, sonstigen kriminellen Akteuren und der NPD als Partei herzustellen. Das hat das Bundesverfassungsgericht vom Tisch gewischt, weil es die Zusammenhänge einfach nicht gab, nachzulesen im Verfahrensprotokoll und nachzuhören in der Urteilsbegründung. 
Interessant ist auch, daß die "Schwimmschalter-Rechtsprechung", nach der ein Verbotsgrund erst dann aktiv würde, wenn die Partei ihre "Potentialität" erreicht habe, offenbar nicht gesetzlich verankert ist. Eine Partei ist entweder verfassungswidrig und wird dann verboten, oder sie ist es nicht, ganz gleich wieviele Mandate sie hat.
Wer sich dieser Tage mit dem "Selbtbestimmungsgesetz" der Grünen auseinandersetzt, wird darin zahlreiche verfassungswidrige Bestimmungen erkennen - die aber offenbar rechtlich als unproblematisch gelten, weil sie von den Grünen stammen.

Artabanus

21. Dezember 2023 10:33

Ein Verbot der AFD könnte durchaus positive Auswirkungen haben. Ein Großteil der Bevölkerung würde sich endgültig von der Vorstellung verabschieden, dass die BRD als Staat erhaltenswert sei. Eine Auflösung der BRD durch Sezession einiger Bundesländer ähnlich der Auflösung der Sowjetunion könnte in den Bereich des Möglichen gelangen.
Wer dies befremdlich findet, dem sei ein Besuch Luxemburgs empfohlen. Die Luxemburger sind nämlich heilfroh, dass sie die ganzen Deutschen Staatsexperimente seit Bismarck nicht mitmachen mussten. 

Valjean72

21. Dezember 2023 11:07

@DerRechteAnwalt:
"Die Heimat definiert das Staatsvolk direkt oder indirekt über die ethnische Zugehörigkeit, fordert also die Ausbürgerung aller ethnisch Fremden."
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Ist das so? Hier wäre es interessant eine direkte Stellungnahme von Frank Franz zu bekommen. Und was bedeutet "indirekt definieren" in diesem Zusammenhang?
 
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Zitat F. Franz: "Ihm (Anm.: Gauland) hätte klar sein müssen, daß hier die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen wurden, mit denen auch die AfD angegriffen werden soll."
 
Vielleicht war es ihm auch klar ...

Fonce

21. Dezember 2023 12:45

Ich finde im Artikel und in den Kommentaren wird ausgeblendet, dass obwohl Deutschland  EU- und NATO-Mitglied ist, es nach 1945 mit all den dutzenden von Ländern, die Deutschland damals den Krieg erklärt haben, nie einen Friedensvertrag gegeben hat. Das hat (im Gegensatz zur Situation in anderen Ländern) einen Einfluss darauf, ob in Deutschland eine Partei «die stark ist und demokratische Unterstützung in nennenswertem Umfang» generiert, verboten werden kann.

Oberlausitz

21. Dezember 2023 14:41

Ich möchte der Redaktion von SiN ausdrücklich dafür danken, daß sie sich keinem Unvereinbarkeitsgebot unterwirft und das Gespräch mit Frank Franz sucht. Frank spricht mit einer klaren Stimme. Seine Präsenz bei "X" ist verfolgenswert.

Daniel

21. Dezember 2023 16:11

@ ValJean: Das finden Sie im Parteiprogramm unter Punkt 10 "Deutschland den Deutschen". So definierten Nicht-Volksangehörigen soll dann offenbar nur noch der temporäre Aufenthalt gestattet sein. Das ist schon ein deutlicher Unterschied zur Position der AfD (siehe "Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität"). Dass Einzelpersonen hierzu eine andere Meinung vertreten ist sowohl legitim als auch für die Haltung der Partei an sich unerheblich, solange nicht bewiesen ist, dass es hierüber einen verdeckten Konsens gibt. Gleichwohl wird man sicher versuchen, genau das zu insinuieren. Allerdings wäre ein Verbotsverfahren auch für den Gegner mit sehr hohen Risiken verbunden, deshalb halte ich das aktuell für eher unwahrscheinlich. Eine Entscheidung wäre auch sicher nicht vor der nächsten Wahl zu erwarten und die dann (nach jetzigem Stand) größte Oppositionspartei im Bundestag anhand einer auf diese Weise konstruierten Beweislage zu verbieten, wäre für eine westliche Demokratie ein ziemlich beispielloser Vorgang.

Maiordomus

21. Dezember 2023 16:59

@Artabanus. Gerade weil Deutschland keinen Friedensvertrag bekommen  hat, die Einigung aber auch aussenpolitisch von den Siegermächten anerkannt wurde, lässt sich unter heutigen Bedingungen eine Sezession nicht machen, am allerwenigsten z.B. durch AfD-Mehrheiten. Das würde als Wiedereinführung des "Faschismus" in Deutschland interpretiert, wiewohl es genau genommen gerade diesen nicht gegeben hat, so wenig wie in der DDR den Maoismus.

Adler und Drache

21. Dezember 2023 19:21

@Maiordomus
lässt sich unter heutigen Bedingungen eine Sezession nicht machen
Hätte auch keine Mehrheit. Muss auch nicht sein - wenn der Fall eintreten sollte, dass die 5 mitteldeutschen Lande afd-geführt sind, würde schon ein vehementes Einfordern des Subsidiaritätsprinzips gegenüber der BRD zu mehr Souveränität führen. 
Das würde als Wiedereinführung des "Faschismus" in Deutschland interpretiert
Alles, was signifikant anders gemacht wird, wird so interpretiert werden - wenn man damit nicht leben kann, muss man die Zustände hinnehmen, wie sie sind. 

Laurenz

22. Dezember 2023 08:46

@Ordoliberal ... Bedauerlich ist, dass es auch auf der rechten Seite eine starke Tendenz gibt, den Grundrechtsschutz unter Gemeinwohlvorbehalt zu stellen. ... Können Sie uns dazu Ihre Quellen posten?
@Maiordomus & Artabanus ... Das Parteienrecht spielt eine Geige, weil es nicht für das Verhältnis der US-Botschaft zur BuntenRegierung verantwortlich ist. Internationales Staatenrecht interessiert keine Sau, etwas, das die Reichsbürger nie verstanden haben. Haben wir auf der SiN auch schon ausreichend debattiert. Internationale Beziehungen basieren ausschließlich auf nationalen ökonomischen Interessen & dem Gleichgewicht oder Ungleichgewicht der militärischen Optionen. Nach diesen Maßstäben sind wir ein Staat, wenn auch nur ein Vasallenstaat. Aber davon gibt es viele, nur nicht so viele dämliche.

deutscheridentitaerer

22. Dezember 2023 10:07

@Der Rechte Anwalt
 
Auch die Neue Rechte vertritt doch einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Staatsvolk und ethnischem Volk. Das ist doch der eigentliche Punkt, andem es dissident. Alle anderen rechten Sekundäranliegen kann man ja problemlos vertreten.
 
Es ist natürlich ein gewisses Maß an Fakten geschaffen worden, der diesen Zusammenhang aufgebrochen hat. Das wiederum erkennen fast alle an, weswegen die Programmatik vom ethnischen Volk als Grundlage des Staatsvolks eben nicht auf die Ausbürgerung aller ethnischen Fremden hinausläuft. Dies aber nicht, weil ein Zerfall des Staatsvolkes in mehrere Ethnien etwas Gutes oder auch nur Neutrales wäre, sondern weil die zur Wiederherstellung eines vollständigen Zusammenhangs nötigen Maßnahmen unverhältnismäßig wären.
 
Wobei wir uns durch das Fortschreiten dieser Entwicklung einem Punkt annähern, an dem die Verhältnismäßigkeit keine Seite mehr interessieren wird.

Kurativ

22. Dezember 2023 22:01

Die andere Seite: Ein Verbotsverfahren der AfD würde die Legitimität der völlig irren Regierungsentscheidungen von Schröder über Merkel bis Scholz nicht gerade besser aussehen lassen. Keine Opposition, keine Demokratie.
Man wird die AfD weiter auf niedrigeren Level benachteiligen. Unsichtbarer für die Masse.

Volksdeutscher

24. Dezember 2023 08:30

@DerRechteAnwalt - "Distanzieren ist — in der BRD von heute — manchmal notwendig, aber ein Interview mit dem Vorsitzenden einer nicht verbotenen Partei begründet keinen Vorwurf von wem auch immer." 
Könnten Sie Beispiele nennen, in welchen Punkten und Stuationen, oder warum die AfD von der NPD sich überhaupt distanzieren soll? Was erhofft man denn von diesem Verhalten für sich vom System?
@Frank Franz - "Das war der Startschuß für die gebetsmühlenartige Berichterstattung über V‑Leute in unserer Partei, die uns bis heute nicht wieder losgelassen hat."
Meines Erachtens ist das der Punkt, der auch für die AfD gefährlich werden könnte. Gegen die Flüsterpropaganda ist kein Gras gewachsen. Gegen den Nazi- und Antisemitismusvorwurf sind die Wähler inzwischen abgestumpft, aber eine Unterstellung dieses Kalibers ist aus einem anderen Stoff. Die Vermutung, daß hinter jedem Gesicht ein Staatsspitzel stecken könnte, ist weder für Parteimitglieder noch für  Wähler noch für Syspathisanten eine angenehme Vorstellung. Mißtrauen erzeugt Zersetzung und auf Zersetzung folgt Zerfall.

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