Worum geht es? Es geht um Verbotsverfahren, großen und kleinen. Wir sprechen mit Frank Franz. Er ist seit 2014 Vorsitzender der Partei „Die Heimat“ (früher NPD). Wir fragten ihn manches. Anlaß ist die aktuelle AfD-Verbotsdebatte. Franz kann nämlich über die beiden gescheiterten NPD-Verbotsverfahren sowie das noch laufende Verfahren gegen die Partei über den Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung Auskunft geben, und man sollte dort, wo gerade 23 Prozent auf der Waagschale liegen (bundesweit) aufmerksam zuhören.
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SEZESSION: Derzeit wird intensiv über ein AfD-Verbot diskutiert. Das sogenannte Kleine Verbotsverfahren, das gegen die von Ihnen geführte Partei „Die Heimat“ (früher NPD) in Karlsruhe geführt wird, findet hingegen nur wenig Beachtung. Worum geht es dabei?
FRANZ: Beachtung fand dieses Verfahren aus mehreren Gründen durchaus. Einen haben Sie bereits genannt. Die Verbotsdogmatik, die vordergründig als Lex NPD geschaffen wurde, wird garantiert auch als Blaupause gegen andere Parteien dienen. Das Kartell hat zweimal versucht, unsere Partei zu verbieten. Das erste Verfahren konnten wir mit der VS-Thematik durch die Hintertür regelrecht plattmachen. Als wir über das Gericht die Frage angestoßen hatten, ob denn auszuschließen sei, daß der Staat auf beiden Seiten des Verhandlungstisches sitze und Otto Schily sichtlich überrascht passen mußte, weil er die Frage nicht beantworten wollte oder konnte, war klar, daß das Verfahren tot ist. Allerdings mußten wir dafür einen hohen Preis zahlen.
Das war der Startschuß für die gebetsmühlenartige Berichterstattung über V‑Leute in unserer Partei, die uns bis heute nicht wieder losgelassen hat. Darum gab es im ersten Verfahren auch kaum eine inhaltliche Auseinandersetzung. Im zweiten Verfahren mußten die Innenministerien attestieren, daß das Material quellenfrei und die Vorstände der Partei frei von V‑Leuten sind. Gleiches gilt für das dritte und sogenannte Kleine Verbotsverfahren. Insofern und wenn man den Angaben der Innenministerien Glauben schenken will, ist die „Die Heimat“ die derzeit einzige deutsche Partei, deren Vorstände frei von V‑Leuten ist. Das können andere Parteien nicht von sich behaupten.
Aber nach der etwas längeren Einführung möchte ich auch die Frage beantworten. Im sogenannten Kleinen Verbotsverfahren geht es darum, der „Heimat“ die staatliche Parteienfinanzierung zu entziehen. Die Änderung der Gesetzeslage mit der Möglichkeit, daß das Verfassungsgericht nicht nur ein Verbot aussprechen kann, sondern auch die Möglichkeit hat, einer Partei die staatlichen Mittel zu streichen, geht – und das ist einer der Skandale in diesem Verfahren – auf das Gericht selbst zurück. Im zweiten Verbotsverfahren hat der damalige Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle genau diese Möglichkeit selbst ins Spiel gebracht und erklärt, daß ein solcher Schritt denkbar wäre, sofern der Gesetzgeber die rechtlichen Voraussetzungen schafft. Das hat dieser umgehend getan. Kurze Zeit später folgte dann der Antrag auf Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung.
SEZESSION: Der Staat hat sich beim versuchten Verbot der NPD zweimal blamiert. Ist die Austrocknung der Parteifinanzen nicht der viel effektivere Weg, um eine Oppositionspartei zu schwächen?
FRANZ: Das ist zumindest ein effektiver Weg, ja. Wir werden dadurch nicht komplett handlungsunfähig. Aber das trifft uns natürlich an einer empfindlichen Stelle. Politische Arbeit kostet Geld. Und da sind insbesondere kleine Parteien auf jeden Euro angewiesen. Wir sind auch der Auffassung, daß dieses Gesetz in einem unverhältnismäßigen Ausmaß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Aufgabe der Parteien ist es, am politischen Willensbildungsprozeß mitzuwirken. Sollte der Antrag erfolgreich sein, entstünde dadurch ein erheblicher Nachteil für uns. Logischerweise entstünde für die anderen Parteien ein Wettbewerbsvorteil. Das halten wir für rechtsstaatlichen Unfug. Entweder ist eine Partei verfassungswidrig und muß verboten werden oder sie ist es nicht und genießt alle Rechte.
SEZESSION: Ihre Partei hat die mündliche Verhandlung in Karlsruhe boykottiert und weder Sachverständige noch einen Anwalt entsandt. Hätte man angesichts der Bedeutung dieses Themas denn nicht alle gegebenen rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen müssen?
FRANZ: Wir haben alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft. Man muß wissen, dass alle Argumente lange vor der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich vorgelegt und ausgetauscht wurden. Und zwar sehr ausführlich. Unser Rechtsanwalt Peter Richter ist auf diesem Gebiet erfahren und sehr gründlich. Diese mündliche Verhandlung hätte nichts zutage fördern können, was nicht vorher bereits beantwortet und geklärt worden wäre. Das wäre ein reiner Schauprozeß geworden, in dem es nur darum gegangen wäre, uns vorzuführen.
Die Frage war also, wie man möglichst souverän damit umgeht. Wir sind in Karlsruhe nicht Hausherr und legen die Verhandlungsgliederung nicht fest. Man kann dort zwar antworten und auch ein paar Akzente setzen. Aber es ging uns darum, deutlich zu machen, was wir von solch einer Demokratie- und Rechtsstaatssimulation halten. Das Verfassungsgericht ist, wie der Verfassungsschutz auch, mit Parteileuten des Kartells besetzt. Es mag für manche noch etwas zu fantastisch anmuten, wenn man sagt, daß beide Instanzen politische Arme des Kartells sind. Es ist aber faktisch so. Und das konnten wir unserer Auffassung nach am ehesten dadurch verdeutlichen, indem wir sagen: Macht euren Mist allein, wir machen da nicht mit.
Zudem haben wir für interessierte Bürger etliche Beiträge dazu veröffentlicht und einen ausführlichen Livestream mit den Rechtsanwälten Peter Richter und Dubravko Mandic durchgeführt, in dem wir all die wichtigen Fragen erörtern konnten.
SEZESSION: Glauben Sie, dass das Kleine Verbotsverfahren gegen ihre Partei eine Blaupause im Kampf gegen die AfD sein könnte?
FRANZ: Davon bin ich überzeugt, ja. Beim zweiten Verbotsverfahren wirkte es auf mich ein wenig surreal, dass der damalige AfD-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Alexander Gauland, noch gegen uns wetterte und das Verfahren offenbar nicht schlecht fand. Ihm hätte klar sein müssen, daß hier die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen wurden, mit denen auch die AfD angegriffen werden soll. Und das erleben wir heute, wenn auch nur in Nebensätzen und zwischen den Zeilen. Wer die Hauptangriffspunkte des Verbotsverfahrens gegen uns verstanden hat, wird diese Vorwürfe auch verstärkt im Kampf gegen die AfD finden.
Das zweite Verbotsverfahren war nicht zuletzt ein frontaler Angriff auf den Volksbegriff, wie wir ihn verstehen. Volk beschreibt eine Abstammungsgemeinschaft und nicht das, was Angela Merkel, Olaf Scholz und andere daraus machen wollen. Merkel erklärte am Ende ihrer Kanzlerschaft, zum Volk gehöre, der in unserem Land lebt. Und diese Umdeutung wird mit „Die Heimat“ nicht zu machen sein. Dagegen werden wir uns mit aller Kraft stemmen.
Der zweite wichtige Punkt, der aus dem zweiten Verbotsverfahren hervorging, ist die krude Brücke der sogenannten Potentialität. Auch hier muß man wissen, daß das eine Art Ausstieg aus dem Verfahren war. Unsere Partei war schlicht nicht zu verbieten. Die Erklärung, eine Partei sei zwar verfassungswidrig, aber man verbietet sie nicht, weil es ihr an der Potentialität fehle, ihre vermeintlich verfassungswidrigen Ziele umzusetzen, ergibt keinen Sinn.
Damit hat das Gericht sich ein Problem aufgehalst. Denn der Begriff der Potentialität wurde nicht mit Inhalt gefüllt. Wann wäre sie erreicht? Wenn man eine Partei nicht verbieten kann, weil sie zu schwach ist, wie kann man dann eine Partei verbieten, die stark ist und demokratische Unterstützung in nennenswertem Umfang generiert? Inwiefern kann das dann rechtsstaatlich und demokratisch in Ordnung sein? Oder ist diese Potentialität, die sich durch Wirkmächtigkeit ausdrücken muß, erst erreicht, wenn eine Partei in Regierungsverantwortung ist? Wie wäre es um die Demokratie und den Rechtsstaat bestellt, wenn das Verfassungsgericht eine Regierungspartei verbieten würde? Ich halte ein Verbot der AfD für nicht möglich. Ich halte es aber für möglich, daß ein Antrag eingebracht wird.
SEZESSION: Wird Ihre Partei nach einem Entzug der Parteienfinanzierung, wovon ja auszugehen ist, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach Straßburg ziehen?
FRANZ: Das müssen wir dann prüfen, wenn eine Urteilsbegründung vorliegt. Diese Urteilsbegründung ist für den Januar kommenden Jahres angekündigt, erst dann ist das Verfahren in Karlsruhe abgeschlossen. Man muß aber auch mit Blick auf ein mögliches Verfahren in Straßburg wissen, dass dieses mehrere Jahre dauern würde und der Ausgang offen wäre.
RMH
Natürlich wurde im zweiten NPD-Verbotsverfahren die Blaupause für ein Vorgehen gegen die AfD geschaffen. Insbesondere der uferlose Menschenwürde-Begriff aus der entsprechenden BVerfG-Entscheidung findet sich in allen VS-Begründungen für die Verfolgung der AfD.
"Man muß aber auch mit Blick auf ein mögliches Verfahren in Straßburg wissen, dass dieses mehrere Jahre dauern würde und der Ausgang offen wäre."
Man kann nur hoffen, dass die "Heimat" den Rechtsweg voll und komplett ausschöpft und wenn die "Heimat!" ein Spendenkonto zur Finanzierung des Verfahrens aufmacht, sollte man spenden.