SELLNER: Das Treffen war nicht „geheim“, sondern privat. Ich werde regelmäßig zu privaten Runden zum Austausch oder für Buchvorstellungen und Vorträge eingeladen. Wenn ich Zeit habe, komme ich gerne. Tatsächlich ging es in dem ominösen Treffen kaum um das Thema der Remigration, eher am Rande. Der sogenannte „Masterplan“ bezog sich vielmehr auf das Buch Regime Change von rechts und die Idee einer metapolitischen Strategie.
SEZESSION: Dabei erscheint mir der Begriff Remigration gerade in den letzten Monaten „normal“ geworden zu sein: AfD-Abgeordnete wie etwa Alice Weidel benutzen ihn in Interviews, und Kanzler Scholz forderte Abschiebungen „im großen Maßstab“, was ja bereits ein maßgeblicher Teil eines umfassenden Remigrationskonzepts wäre. War das eher der Versuch, diese Normalisierung rückgängig zu machen, indem man Remigration mit Begriffen wie „Deportation“ und „Vertreibung“ in Verbindung bringt? Falls ja, halten Sie diesen Versuch für geglückt „in der echten Welt“, also außerhalb von Politik und Massenmedien?
SELLNER: Es bleibt eine Elitenhysterie, ebenso wie bei Corona, dem Ukrainekrieg und jetzt bei den Bauernprotesten. Die Berliner Blase kocht über. In der breiten Masse kommt das kaum an – im Gegenteil! Ich habe von vielen Seiten gehört, daß Sympathisanten der AfD froh darüber sind, daß Pläne diskutiert werden und man sich über Lager- und Parteigrenzen hinweg austauscht.
SEZESSION: Soll diese Aktion vielleicht auch in Deutschland lebende ausländische Wähler davon abschrecken, die AfD zu wählen?
SELLNER: Auch die Sorge, daß sich durch irre Falschbehauptungen wie „Deportation von Staatsbürgern in afrikanische Konzentrationslager“ assimilierte und patriotische Migranten gegen die Partei wenden, ist meiner Ansicht nach unbegründet. Jedem, der keine Agenda hat, ist klar, daß es nicht um eine Pauschalabschiebung aller Migranten geht. Die Drohkulisse, die hier aufgebaut wurde, brach schon nach einem Tag in sich zusammen und wird mittlerweile auch von Mainstreamjournalisten hinterfragt. Man will damit eine seriöse Diskussion verhindern und den Begriff mit aller Gewalt künstlich aus der Debatte heraushalten.
SEZESSION: Correctiv schob noch einen Artikel als „Making-of“ der Bespitzelung hinterher, welcher eindrücklich beschreibt, welcher Geheimdienst-Methoden man sich bediente: Könnten Sie einmal schildern, welcher Aufwand betrieben wurde?
SELLNER: Das war eine regelrechte Geheimdienstoperation. Dieses Ausmaß an Bespitzelung ist definitiv neu in der Bundesrepublik. Mutmaßlich monatelange Beobachtung und Ausspähung des Ortes und der Akteure, fünf platzierte Kameras, ein eingemieteter Scheingast und sogar ein gemietetes Saunafloß auf einem angrenzenden See, von dem aus fotografiert wurde. Dazu kam wohl auch ein Lauschangriff. Während die friedliche Bauerndemo am Hafen von Schlüttsiel als „Tabubruch“ und „Eingriff ins Private“ gebrandmarkt wurde, bleibt der Mainstream hier stumm und teilt eifrig illegal erbeutete Daten. Gegen diese Methoden kann sich ein Bürger nicht vernünftig wehren. Das „Potsdam-Ibiza“ senkt den Standard der Rechtsstaatlichkeit weiter ab. Das Private ist endgültig ein politischer Kampfplatz geworden – zumindest solange man nicht links ist.
SEZESSION: Mit Blick auf den enormen Aufwand und darauf, daß Correctiv nicht nur von der Bundesregierung, sondern unter anderem auch vom Außenministerium und der EU finanziert wird: Was ist hier der wirkliche Skandal – Ein Potsdam-Ibiza, wie Sie es nennen, oder ein Deutsches Watergate?
SELLNER: Definitiv das „Ibiza von Potsdam“. Denn im Unterschied zum Watergate-Skandal gab es hier weder öffentliches Aufklärungsinteresse, noch einen wirklichen Skandal. Wie gesagt, Remigration war nur ein Randthema und alles was dort von mir gesagt wurde, habe ich auch öffentlich gesagt. Am Samstagabend werde ich daher auch meinen „Geheimplan“ veröffentlichen und denselben Vortrag des Abends in Potsdam noch einmal, live und öffentlich halten.
SEZESSION: Das Treffen fand bereits im November statt, trotzdem veröffentlichte Correctiv die Ergebnisse erst am 10. Januar – also in der Woche, in der Bauern in ganz Deutschland demonstrieren. Sehen Sie da einen Zusammenhang?
SELLNER: Möglich wäre es. Ich vermute, das alles ist nur der Beginn einer ganzen Serie an Stasi-Methoden, Ibiza-Fallen und Schmutzkübelkampagnen. Das Establishment ist in Panik und will jetzt scheinbar viele platzierte Schläfer aktivieren, erbeutete Privatdaten veröffentlichen und versteckte Bomben platzen lassen. Das lenkt erstens ein wenig von den Bauerndemos ab, vor allem aber erzeugt es ein Kommunikationschaos in der AfD und im rechten Lager, das lähmend wirken kann. Derzeit verhalten sich aber alle vorbildlich und reagieren auf das Potsdam-Ibiza, wie man es sollte: mit Humor, lakonisch, oder gar nicht.
SEZESSION: Bald schon erscheint Ihr neues Buch genau zu dem Schlüsselthema Remigration im Antaios-Verlag. Steht da nun überhaupt noch was Neues drin, wenn Correctiv Ihnen zuvorkam und Ihren „Geheimplan“ bereits spoilerte?
SELLNER: Selbstverständlich! Darin steht erstmals alles, was ich dazu zu sagen habe. Ich gebe zu, daß ich nicht mit dieser massiven Aufmerksamkeit vor der Veröffentlichung gerechnet habe. Es ist eine für mich gerade etwas unangenehme Lage. Denn aus vielen Jahren und teils skizzenhaften und unausgereiften Überlegungen und Äußerungen zum Thema in Videos, über Telegrampostings bis zu Demo-Reden wird nun alles aus dem Zusammenhang gerissen. Zahlen schwirren durch das Netz und werden als „Deportationsziel“ dargestellt.
Ich bitte hier alle um ein wenig Geduld. Erst im Buch selbst stelle ich ein durchdachtes, seriöses und humanes Konzept für Remigration im Rahmen einer identitären Einwanderungspolitik vor. Das kann bald jeder selbst nachlesen. Ich hoffe auf konstruktive Kritik meines Vorschlags. Gemeinsam kann das rechte Lager dann in Wechselwirkung mit der linken Kritik ein mehrheits- und zukunftsfähiges Konzept entwickeln. Gelingt das, wird es die deutsche Politik nachhaltig zum Besseren verändern.
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Martin Sellner: Remigration. Ein Vorschlag – erscheint Ende Februar, hier bitte vorbestellen.
LotNemez2
Das Geschehene bietet ja auch Chancen. Wenn man jetzt alles richtig macht, wird das Thema Migration wieder mehr ins Zentrum rücken, nachdem es unter Bahn- und Bauernstreiks, Schuldenbremsen und Waffenexporten begraben wurde. Und diesmal müsste die Öffentlichkeit zwangsläufig anders darüber debattieren als noch vor einem Jahr. Dass im großen Stil abgeschoben werden muss, ist keine Frage mehr. Kein Feuilleton freut sich noch, dass wir täglich tausende Menschen geschenkt bekommen. Das Fenster zu einem Abschiebungsdiskurs ist sperrangelweit geöffnet. Die Frage ist nur noch, wie lässt sich Abschiebung, die mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, organisieren, und wie gestaltet man es so, dass man eben nicht zweimal in denselben Wannsee springt. Humanistische Massenabschiebung? Gefällt mir.