Warum die Kästner-Lesung der Freien Wähler in Dresden nicht stattfand

2024 ist das Jahr des doppelten Gedenkens an den in Dresden geborenen Autor Erich Kästner: Die Jubiläen fallen auf dessen 125. Geburtstag am 23. Februar und 50. Todestag am 29. Juli.

Deutsch­land­weit ehren Medi­en, Ver­lags­häu­ser, Lite­ra­tur- und Kul­tur­ver­ei­ne Leben und Werk des welt­be­rühm­ten Schrift­stel­lers mit zahl­rei­chen Ver­an­stal­tun­gen und Fes­ten. Aus­ge­rech­net eine öffent­li­che Lesung aus Käst­ners Dra­ma Die Schu­le der Dik­ta­to­ren in des­sen Hei­mat­stadt Dres­den wur­de jedoch kurz­fris­tig abgesagt.

Der offi­zi­el­le Grund: Nach­dem die Initia­to­ren, die Frak­ti­on der Frei­en Wäh­ler und Frei­en Bür­ger im Dresd­ner Stadt­rat, beim Atri­um Ver­lag denun­ziert wur­den, erkann­te die­ser eine „poli­ti­sche Ver­an­stal­tung“ und zog sei­ne Lese­ge­neh­mi­gung zurück. Zuvor war die Lesung als eine „Insze­nie­rung der Neu­en Rech­ten“ dif­fa­miert worden.

Ohne eine Lizenz in den Hän­den plan­ten die Orga­ni­sa­to­ren um: Statt einer Lesung, soll­ten am 25. April pro­mi­nen­te Gäs­te wie Uwe Steim­le, Ant­je Her­men­au und Peter Fla­che als Podi­um gemein­sam über Käst­ners Werk dis­ku­tie­ren. Aber nur zwei Tage vor­her kün­dig­te auch noch der Ver­mie­ter des Ver­an­stal­tungs­or­tes den gemein­sa­men Ver­trag. Die Frei­en Wäh­ler und Frei­en Bür­ger muß­ten ihren Gäs­ten end­gül­tig absagen.

Susan­ne Dagen ist kul­tur­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Frei­en Wäh­ler im Stadt­rat Dres­den und als Buch­händ­le­rin und Ver­le­ge­rin bekannt. War­um sich jede Par­tei mit Käst­ners Werk beschäf­ti­gen darf, außer die Frei­en Wäh­ler, und war­um des­sen Schu­le der Dik­ta­to­ren nach 68 Jah­ren wie­der brand­ak­tu­ell ist, erklärt sie im heu­ti­gen Gespräch mit der Sezes­si­on.

SEZESSION: Frau Dagen, Käst­ner macht im Vor­wort zu sei­nem Dra­ma Schu­le der Dik­ta­to­ren fol­gen­de Bemerkung:

Sprach frü­her ein Tri­bun zu fünf­tau­send Män­nern, so sprach er zu fünf­tau­send Män­nern. Spricht er heu­te zu zehn Mil­lio­nen, so spricht er ent­we­der zu zehn Mil­lio­nen oder, wenn in der Ton­ka­bi­ne an einem Knopf gedreht wird, zu nie­man­dem. Er ist besiegt und weiß es nicht.

Auch wenn nie­mand wirk­lich am Ton­knopf dreh­te, fra­ge ich Sie als Ver­tre­te­rin der Frak­ti­on, die die Ver­an­stal­tung ursprüng­lich orga­ni­siert hat­te: Als Sie die Absa­gen erreich­ten, fühl­ten Sie sich abge­dreht oder gar besiegt?

DAGEN: Wir haben die Ver­an­stal­tung seit Dezem­ber letz­ten Jah­res geplant. Als uns im Febru­ar das Stadt­mu­se­um Dres­den eine Ver­mie­tung sei­ner Räum­lich­kei­ten ver­wehr­te, in denen wir schon Frak­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen wie Lesun­gen, Dis­kus­si­ons­run­den und nicht zuletzt im Novem­ber 2023 den Abend zu Vic­tor Klem­pe­rers „LTI“ durch­ge­führt haben, wur­de schon deut­lich, daß wir mit ähn­li­chen Kom­pli­ka­tio­nen rech­nen muß­ten, wie bei besag­ter Klem­pe­rer-Ver­an­stal­tung, die aber letzt­end­lich statt­fin­den konnte.

Inso­fern haben wir uns schon recht früh auf die Suche nach Alter­na­ti­ven für die Käst­ner-Ver­an­stal­tung bege­ben. Wir hat­ten auch im Hin­ter­kopf, daß es wohl schwer wer­den wür­de, aber nicht damit gerech­net, daß uns nun auch noch der Atri­um Ver­lag die Lese­li­zenz ent­zie­hen wür­de. Besiegt füh­len wir uns den­noch nicht, eher bestärkt in unse­rer Sicht dar­auf, daß uns allen immer mehr Frei­hei­ten ver­lus­tig gehen.

SEZESSION: Was genau hat­ten Sie für den 25. April geplant?

DAGEN: Der Abend soll­te durch eine sze­ni­sche Lesung aus dem Thea­ter­stück Die Schu­le der Dik­ta­to­ren eröff­net wer­den, der sich eine Podi­ums­dis­kus­si­on anschlie­ßen soll­te zum Stück, zu Leben und Werk Käst­ners und einem Gespräch über die der­zei­ti­ge (kultur-)politische Situa­ti­on in Dresden.

Kul­tur­po­li­tik ist Teil unse­rer kom­mu­nal­po­li­ti­schen Frak­ti­ons­ar­beit, das Rin­gen um den Erhalt von Kul­tur- und Bil­dungs­an­ge­bo­ten ein wesent­li­cher Aspekt mei­ner Funk­ti­on in der Stadt­rats­frak­ti­on. Gela­den waren dafür die Poli­tik­be­ra­te­rin und Publi­zis­tin Ant­je Her­men­au und der Kaba­ret­tist und Schau­spie­ler Uwe Steim­le. Bei­de unter­stüt­zen unse­ren Dresd­ner Ver­ein „Freie Wäh­ler“ immer wieder.

SEZESSION: Und soll­ten Fünf­tau­send oder zehn Mil­lio­nen zuhören?

DAGEN: Der Raum, den wir letzt­end­lich glaub­ten, bespie­len zu kön­nen, faß­te 199 Gäs­te. Der Abend war inner­halb kür­zes­ter Zeit aus­ver­kauft, wobei unse­re Frak­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen immer kos­ten­frei sind. Mit dem Atri­um Ver­lag war sogar ein Video­mit­schnitt ver­ein­bart; geneh­migt wur­de die­ser für eine ein­jäh­ri­ge Aus­strah­lung. Damit hät­ten wir eine Viel­zahl von Inter­es­sen­ten zusätz­lich zum Ver­an­stal­tungs­abend errei­chen kön­nen – mit der Bericht­erstat­tung um den abge­sag­ten Käst­ner-Abend sind es wahr­schein­lich schon jetzt Tausende.

SEZESSION: Wel­che Reak­tio­nen von den Gäs­ten und Teil­neh­mern haben Sie erreicht?

DAGEN: Nach erfolg­ter schrift­li­cher Absa­ge an alle Inter­es­sen­ten haben wir vie­le, vie­le berüh­ren­de Schrei­ben erhal­ten. Alle drü­cken Unver­ständ­nis über das Vor­ge­hen von Ver­lag und Ver­an­stal­tungs­ort aus, alle wün­schen uns Erfolg bei der anste­hen­den Kom­mu­nal­wahl, alle set­zen die­sen Vor­gang in den Zusam­men­hang zur der­zei­ti­gen Poli­tik in unse­rem Lan­de und sehen hier­bei eine sich ver­ste­ti­gen­de Unter­drü­ckung von oppo­si­tio­nel­len Stimmen.

Daß Erich Käst­ner nun dabei so unter die Räder der gras­sie­ren­den can­cel cul­tu­re kommt, betrübt mich sehr. Den­noch zeig­te schon die Erfah­rung mit der über­re­gio­na­len Aus­ein­an­der­set­zung um unse­ren Abend zu „LTI“, daß vie­le Men­schen das Buch her­nach das ers­te Mal lasen. Viel­leicht errei­chen wir das bei Käst­ners Stück ja auch!

SEZESSION: Das Werk ist 68 Jah­re alt – es wür­de ver­wun­dern, wenn dar­aus zum ers­ten Mal bei einer poli­ti­schen Ver­an­stal­tung gele­sen wor­den wäre, oder?

DAGEN: Die Schu­le der Dik­ta­to­ren ist ein Meis­ter­stück! Kon­zi­piert in den 1930er Jah­ren, ist es erst ’57 urauf­ge­führt wor­den. Käst­ner selbst kon­sta­tiert eine Chro­ni­zi­tät des­sen, was er in die­sem Stück sati­risch beschreibt: Näm­lich den uner­bitt­li­chen Kampf um Macht­er­halt, den Macht­miss­brauch und die Mani­pu­la­ti­on des Vol­kes durch den Machthaber.

Ange­sie­delt in einem fik­ti­ven Land und zu einer fik­ti­ven Zeit ist es natür­lich ein Stück, das jeder­zeit auch poli­tisch gele­sen wird. Man warf uns vor, Käst­ner für unse­re Zwe­cke zu instru­men­ta­li­sie­ren, näm­lich heu­ti­ge tota­li­ta­ris­ti­sche Ten­den­zen für erkenn­bar zu hal­ten. Die­ser Vor­gang beweist natür­lich zusätz­lich unse­re The­se. Letz­ten Endes ist die immer­wäh­ren­de Gül­tig­keit auch ein Qua­li­täts­merk­mal die­ses Stücks. Den­noch wird es recht wenig auf­ge­führt und wenn, dann mit den erkenn­ba­ren Insi­gni­en der NS-Zeit.

SEZESSION: War­um soll­te Käst­ners „Die Schu­le der Dik­ta­to­ren“ für eine poli­ti­sche Ver­an­stal­tung unge­eig­net sein?

DAGEN: Zu ande­ren Zei­ten oder zu heu­ti­gen, dann mit ande­ren Ver­an­stal­tern und Prot­ago­nis­ten, wäre es das wahr­schein­lich nicht. Aber auch hier wird mit zwei­er­lei Maß gemes­sen, wenn es leicht zu recher­chie­ren ist, daß GRÜNE und vor allem die SPD bei jeder Gele­gen­heit Tex­te von Erich Käst­ner lesen.

Unse­re Dresd­ner Kul­tur­bür­ger­meis­te­rin lässt sich damit zitie­ren, daß sie es für „bemer­kens­wert“ hält, daß wir uns ent­schie­den hätten,

aus­ge­rech­net aus der Schu­le der Dik­ta­to­ren zu lesen und nicht zum Bei­spiel aus Fabi­an oder Käst­ners Lyrik, viel­leicht auch aus sei­nen Büchern zum The­ma Krieg und Militarisierung.

Unse­re Wahl sol­le wohl „ein­zah­len auf die behaup­te­te Gesin­nungs­dik­ta­tur“. Das hat sie gut erkannt und auch des­halb wur­den wir von Anbe­ginn so tor­pe­diert in unse­rem Ansinnen.

SEZESSION: Der Wider­stand gegen Unter­drü­ckung und gegen einen tota­li­tä­ren Staat gelingt in Käst­ners Stück nicht, könn­te man sagen. Der Staats­chef ist lan­ge tot, Dop­pel­gän­ger tre­ten auf, agie­ren aber wie Mario­net­ten. Nur der „Sie­ben­te“ ist ein Dop­pel­gän­ger mit eige­nem Wil­len, eige­nem Macht­an­spruch und eige­nem Gewis­sen. Was kann man aus einem so hoff­nungs­lo­sen Stück ler­nen, was kann man für unse­re Zeit dar­aus mitnehmen?

DAGEN: Nun erst ein­mal stellt es unse­re Zeit in die Rei­he von his­to­ri­scher Geschich­te. Geschich­te, die fak­tisch nach­zu­voll­zie­hen und fern von gegen­wär­ti­gen Nar­ra­ti­ven zu begrei­fen ist. Käst­ner selbst schreibt in sei­nem Vor­wort zum Stück von „einem Anlie­gen“ und davon, daß „der Plan (…) zwan­zig Jah­re alt, das Anlie­gen älter und das The­ma, lei­der, nicht ver­al­tet“ ist und zudem noch „chro­ni­sche Aktua­li­tä­ten“ inne­hat. Der Mensch lernt wohl nichts, jeden­falls nichts Lang­fris­ti­ges. Kurz­fris­ti­ge Hoff­nung indes darf man haben. Wenn auch nicht mehr für ein gan­zes Men­schen­le­ben, so doch für eine Gene­ra­ti­on, bevor alles wie­der von vorn beginnt…

SEZESSION: Sehen Sie in Zukunft noch Räu­me für Aus­tausch und Begeg­nung für Ihre Fraktion?

DAGEN: Man kennt mich zuver­sicht­lich und so will ich gern davon spre­chen, daß uns nach der Dresd­ner Kom­mu­nal­wahl ande­re Mehr­hei­ten im Stadt­rat mit­ein­an­der bes­ser arbei­ten las­sen wer­den. Frei nach Käst­ner hof­fe ich zudem, daß nicht nur die Köp­fe, son­dern auch die Geis­ter aus­ge­tauscht wer­den, sodaß nach die­ser schwie­ri­gen Legis­la­tur eine Arbeit für alle Dresd­ner mög­lich ist. Eine Arbeit, die Min­der­hei­ten und poli­ti­sche Rich­tun­gen nicht prä­fe­riert, son­dern im Sin­ne des gesun­den Men­schen­ver­stands für alle Dresd­ner agiert. „Schaun mer mal, dann sehn mer scho.“… Wir blei­ben dran!

SEZESSION: Vie­len Dank für das Gespräch, Frau Dagen.

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Kommentare (12)

Heinrich Loewe

28. April 2024 07:44

Vielen Tausend Dank an Frau Dagen und Co! Unglaublich starke Aktion! Man konnte in jedem Falle gewinnen, egal wie die Marxisten im Dresdner Rathaus mit den Lesungen umgehen. Durch die -versuchte und tatsächliche- Cancellung haben diese die zugrundeliegende These der totalitären Tendenzen heutzutage glanzvoll und für alle sichtbar bestätigt.
Dieser Klepsch-Clan ist eine Schande für Sachsen! Die andere hat unseren hochverehrten Christian Thielemann, ein Weltstar, rausgeschmissen. Ein unglaublicher Vorgang.

das kapital

28. April 2024 08:30

Freiheit ! Wer die Freiheit nicht achtet, taugt nicht zum Verleger. Man sollte sich einfach mal näher und interessiert mit dem Atrium Verlag beschäftigen. "Da ich Kästner nicht dazu bewegen konnte zu emigrieren, emigrierte ich seine Bücher. Ich fuhr in die Schweiz und gründete den Atrium Verlag." so der Verleger des 1936 in der Schweiz gegründeten Verlages. Kästner war im Dritten Reich verfemt und verboten. Seine Bücher kamen wohl teils mit auf den Scheiterhaufen in einem totalitären System vom aller Unfeinsten. Der Verlag wurde gegründet zur Absiche-rung der bürgerlichen Freiheiten. Und jetzt das. Lizenzverbot aus politischen Gründen. /// Kästner hatte zum Glück genügend Freunde, die den bürgerlichen Werten verpflichtet blieben. Die haben ihn unter anderem unter Pseudonym schreiben lassen. Das Drehbuch zu dem zeitlosen Film "Münchhausen" ist unter seiner Beteiligung entstanden. Eine der Szenen mit Hans Albers spielt auf dem Mond. "Die Zeit ist kaputt" war der Kommentar zur Nazizeit, der gerade noch so durchging. "Die Zeit ist kaputt" sollten wir uns auch für die Verhältnisse des Jahres 2024 merken. > 2

das kapital

28. April 2024 08:43

"Davon geht die Welt nicht unter" (Zarah Leander) hat vor der Atombombe und vor der perfektionierten totalitären Sozialkontrolle noch funktioniert. Danke an alle, die noch Widerstand leisten. Danke an Frau Dagan. Bleiben Sie dran, bleiben Sie der Freiheit verpflichtet und machen Sie einen Abend über die perfektionierte totalitäre Sozialkontrolle unter besonderer Berücksichtigung Erich Kästners. Die Feinde der Freiheit müssen entlarvt werden, bevor von der Freiheit nichts mehr übrig ist. /// Wir sind noch viel zu brav. Zu zahm zu zart zu bürgerlich zu rechtsgläubig. In der Weimarer Republik wäre der Saal gestürmt worden und das Verbot des Verlages wäre von denen, die sich durchsetzen wollten, schlichtweg ignoriert worden. Die Freiheit muss in jeder Generation neu erkämpft werden. Und es ist an der Zeit, dem linken Totalitarismus wirksam entgegenzutreten. Joschka Fischer hat erst Steine und Molotowcocktails auf  Polizisten geworfen, dann wurde er Außenminister, Vizekanzler und "höchster Würdenträger". So geht das. Und die Freunde der Freiheit brauchen mehr Durchsetzungsvermögen und ein dickeres Fell, wenn sie sich durchsetzen wollen. /// Die Absage der Veranstaltung ist auch ein Zeichen der Schwäche. Da ich nicht möchte, dass sich die xxx durchsetzen, werbe ich für mehr Durchset-zungsvermögen der Normalen gegenüber dem grünwoken Narrativ.

RMH

28. April 2024 10:24

Der Vorfall und das Interview zeigen, dass es auf Inhalte nicht mehr angekommt. Selbst wenn man einen Saal für 15 Minuten Schweigen wollte, bekämen den die aus Sicht der Etablierten "Falschen" nicht. In der DDR haben viele Krichen den Verfolgten und Unterdrückten ihre Räume zur Verfügung gestellt, aber die sind heute ein Totalausfall in allen Belangen. Und ja, dass, was zur Zeit abgeht, ist klare und eindeutige Unterdrückung unter der Fassade eines Rechtsstaats.

anatol broder

28. April 2024 10:46

am 1 mai wird im dresdner schauspielhaus atlantis – die welt als wille und vorstellung von sebastian hartmann aufgeführt. es wird als «musik-theaterabend» beschrieben, die darsteller treten nicht als personen auf. jede szene stellt eine aussage von arthur schopenhauer dar, was zum verständnis gute kenntnisse dessen philosophie (hauptwerk: die welt als wille und vorstellung) voraussetzt. ich erlebte das musical bereits in dresden, empfehle es ausdrücklich jedem kenner von schopenhauer.

brueckenbauer

28. April 2024 12:13

Als Alternative wütde ich den "Dikaiopulos" anraten - Kästners  Nachkriegsbearbeitung des Aristophanes, in der die Bürger zweier "verfeindeter" Staaten einen Privatfrieden gegen ihre Regierungen schließen. Ist genauso aktuell. War schon bei der Erstaufführung umstritten wegen einer Spitze gegen die aktuelle (also amerikanische) Armee. Und wenn Atrium wieder kneift, kann man auf das Originalwerk von Aristophanes zurückgreifen.

kikl

28. April 2024 13:39

Das neue Deutschland wird immer grüner gleicht immer mehr der DDR. Unsere Solidarität gilt Frau Dagen.
"Unsere Dresdner Kulturbürgermeisterin lässt sich damit zitieren, dass sie es für „bemerkenswert“ hält, dass wir uns entschieden hätten,
ausgerechnet aus der Schule der Diktatoren zu lesen und nicht zum Beispiel aus Fabian oder Kästners Lyrik, vielleicht auch aus seinen Büchern zum Thema Krieg und Militarisierung.Unsere Wahl solle wohl „einzahlen auf die behauptete Gesinnungsdiktatur“."
Erstaunlich ist, wie sich die Herrscher*innen selber ein Bein stellen. Denn die Verhinderung der Lesung wegen Falschdenk bestätigt doch den Vorwurf der Gesinnungsdiktatur.
Wir dürfen unsere Gegner keinesfalls überschätzen; ihnen fehlt offenkundig das Reflexionsvermögen in Bezug auf das eigene Agieren.

kikl

28. April 2024 13:47

Ich liebe Kästner vor allem für seine Lyrik. Ein Gedicht, das ganz hervorragend zu unserer Zeit der Opportunisten, Mitläufer und Mittäter passt, ist:
Die Ballade vom Nachahmungstrieb. 
Es ist schon wahr: nichts wirkt so rasch wie Gift!Der Mensch, und sei er noch so minderjährig,ist, was die Laster dieser Welt betrifft,früh bei der Hand und unerhört gelehrig.
Im Februar, ich weiß nicht am wievielten,...
 
 

Laurenz

28. April 2024 21:46

Wie es bei der Literatur ist, weiß ich nicht. Aber, wenn ein Komponist 70 Jahre tot ist, sind die Werke frei. Ich hatte da mal einschlägige Erfahrung mit dem Verlag von Robert Stolz gehabt, welcher 1 Jahr nach Erich Kästner starb. Da fehlen noch 21 Jahre. Arthur Rebner würde heute von den Woken für manche Seiner Lied-Texte gesteinigt werden, Jude hin oder her. Mich erinnert CancelCulture immer an Roland Freisler.
@RMH ... Wenn die lokale Opposition in Dresden über mehr Geldmittel verfügen würde, stellte sich die Problematik, die Frau Dagen hier schildert, erst gar nicht. Geld regiert die Welt.
 

Gracchus

29. April 2024 00:14

Fällt solch Verhalten nicht unter "gruppenspezifische Menschenfeindlichkeit"?Auch schäbig vom Verlag, der sich doch hinter seinen Autor stellen müsste. Bei den heutigen Linken ist Kästner, obwohl zu seinen Lebzeiten links, indes nicht so wohlgelitten. Seine Kinderbücher habe ich immer geliebt, den Emil vor allem und das Klassenzimmer. Sein Epigramm Es gibt nichts gutes / ausser man tut es ersetzt ganze moralphilosophische Traktate. 

Adler und Drache

29. April 2024 08:21

@Laurenz: Bei Literatur ist es ebenso. 
Frage: Darf man nicht gemeinfreie Literatur denn wirklich nicht ohne Erlaubnis öffentlich lesen? Ich dachte, man dürfe sie nur nicht vermarkten. 

Laurenz

29. April 2024 13:52

@Adler & Drache @L. ... In der Musik verhält es sich so, daß die Komponisten/Autoren monetarisiert werden müssen. Die Toten Hosen beschwerten sich darüber, daß das Lied "An Tagen wie diesen" von der Union  benutzt wurde. Aber solange die Gema entrichtet wird, wird es schwierig für die Ex-Punker. Bei Bearbeitungen kann es zum Streit kommen, ob die Notation aureichend berücksichtigt wurde, weil Bearbeitungen einen Anteil der Monetarisierung beanspruchen, oder Veränderungen beim vorhandenen Text können zu einem Rechtsstreit führen. Deswegen gibt es Fachanwälte für Urheberrecht. Hier ein kurzes Lied darüber. https://www.youtube.com/shorts/EWPFNQZy3ZE?feature=share