Literarisches Trio über Wagenknecht, entmündigte Leser und Willkür

Man kann das, was mit Maximilian Krah, Björn Höcke, Martin Sellner undsoweiter derzeit gemacht wird, als Theaterstück beschreiben, als Szenen aus einem Stück, das "Die Gesellschaft des Spektakels" heißt. Das Problem ist nur: Es ist kein Spiel, es gibt keine Pause, Akt reiht sich an Akt, die Bühne ringt ums Publikum, den Regisseuren gehen die Einfälle aus, die Szene wird zur Farce.

In einem Rund­brief an unse­re Leser und Buch­kun­den schrie­ben wir heu­te, daß es zum Glück neben dem Spek­ta­kel noch ein Lese-Leben gebe. (Hier soll­ten Sie die­sen Rund­brief abon­nie­ren!) Wäh­rend der Dreh­ar­bei­ten zur 18. Fol­ge des Lite­ra­ri­schen Tri­os “Auf­ge­blät­tert. Zuge­schla­gen” war schön zu sehen, wie sehr Susan­ne Dagen und Ellen Kositza die­ses Lese-Leben zu genie­ßen vermögen.

Die bei­den hat­ten den His­to­ri­ker und eben­falls gro­ßen Leser Dr. Erik Lommatzsch zu Gast, die Fol­ge ist nun ver­öf­fent­licht, sie ist ein Genuß:

Ellen Kositza stellt Der ent­mün­dig­te Leser von Mela­nie Möl­ler vor, ein eben­so klu­ges wie mit­rei­ßen­des Buch, dem die Aus­sa­ge zugrun­de liegt, die wir ein­mal auf einen unse­rer Antai­os-Stoff­beu­tel druck­ten: Lesen kann bru­tal sein. Wer es nicht aus­hält – bit­te. Er kann ja ein­fach nicht lesen. Aber er soll die Pfo­ten von den Büchern las­sen, die ganz sicher eines nicht möch­ten: umge­schrie­ben wer­den. (Hier bestel­len.)

Susan­ne Dagen hat Die Kom­mu­nis­tin von Klaus-Rüdi­ger Mai gele­sen, eine poli­ti­sche Bio­gra­phie über Sahra Wagen­knecht, die (das sage jetzt ich) aus dem Alt­par­tei­en­sys­tem her­aus als Mehr­heits­sche­re gegen die AfD geschlif­fen wur­de. Wagen­knecht – eine ech­te Kom­mu­nis­tin, das hebt Dagen her­vor! (Hier das Buch ein­se­hen und bestel­len.)

Erik Lommatzsch nun hat Gelös­te Stim­men von Ste­phan Kraw­c­zyk her­vor­ge­holt, ein Buch, das Schick­sa­le aus der ehe­ma­li­gen DDR beschreibt – Lebens­ver­hin­de­rung, Lebens­be­schä­di­gung, Lebens­ver­schat­tung, nicht die ganz spek­ta­ku­lä­ren Fäl­le, son­dern der mie­se Dreck der Will­kür und der Schwei­ne­rei­en unte­rer Behör­den. (Hier geht es zum Buch.)

Hier ist die Folge.

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Kommentare (12)

RMH

30. April 2024 07:09

Das war wieder eine interessante Ausgabe, dank dafür. Dass das Buch "Die Kommunistin" doch eher enttäuschend sein düfte, wurde in der Bemerkung recht deutlich, dass der Autor nach ca. 200 Seiten erst beim Jahr 1995 angekommen sei und ihm dann nur ca. 60 Seiten für die Zeit bis heute bleiben. Das S.W. eine radikale Sozialistin ist, ist aus ihren eigenen Veröffentlichungen klar erkennbar. Der wohl bekannteste, aber heute offenbar in Vergessenheit geratene Artikel von S.W war der in den Weißenseer Blättern 92 erschienene Beitrag "Marxismus und Opportunismus"
http://www.glasnost.de/pol/wagen.html
Das reicht eigentlich für einen profunden politischen Blick auf die "alte" S.W. Interessanter ist aktuell, wie es zu der neuen S.W. kam, die gerade dabei ist, dem Macht-Establishment in D. den Hintern vor der AfD zu retten. Ich denke, verbleibende 60 Seiten langen dafür nicht aus. Ich erkenne prägenden Einfluss von Lafontaine, denn S.W. ist fast schon die jüngere, weiblichere, rhetorisch bessere Ausgabe des Volkstribuns von der Saar. 

Le Chasseur

30. April 2024 12:48

@RMH
"Interessanter ist aktuell, wie es zu der neuen S.W. kam, die gerade dabei ist, dem Macht-Establishment in D. den Hintern vor der AfD zu retten."
Mag sein, dass das Macht-Establishment das hofft. Ich sehe eigentlich keinen Grund, warum es nicht zu einer AfD-BSW-Koalition kommen sollte. Wirkliche Meinungsverschiedenheiten gibt es lediglich bei der Arbeits- und Sozialpolitik, ansonsten besteht doch weitgehend Einigkeit, besonders bei den großen Fragen.

Maiordomus

30. April 2024 13:48

Frau Kositza verweist auf wichtige Gesichtspunkte für eine professionelle Lektorin, daran sollte man als Autor auch beim Schreiben denken, es sich aber auch hinterher sagen lassen. Ein aufmerksames Lektorat ist nicht nur formal, auch inhaltlich, sollte aber mit dem Duktus und zumal mit dem Anliegen des Autors mitgehen. Bei Globalbridge von heute wird darauf aufmerksam, wie wenig in den den deutschen Leitmedien im Vergleich zu Strack-Zimmermann, Habeck, Scholz, allgemein Grünen und solchen von der CDU zitiert wurde in Sachen Ukraine. Rechte "Politikschaffende" waren da sowieso weit abgeschlagen. 
 
Die Einstellung, wie Frau K. jeweils Bücher liest, selbst wenn sie vielfach anderer Meinung ist als die Verfasser, ist auch aus Rezensentenperspektive beeindruckend.  Zuerst verstehen, erst dann mit der Kritik ansetzen.  

RMH

30. April 2024 13:59

"Ich sehe eigentlich keinen Grund, warum es nicht zu einer AfD-BSW-Koalition kommen sollte."
Die Äußerungen von S.W. selber zu dieser Dauerbrennerfrage, einschließlich ihrer mitgteilten Meinung über B. Höcke im Verbund mit der bereits jetzt beginnenden "Umgarnung" seitens der Union (in den neuen Ländern) sind klare Anzeichen, dass es so etwas nicht aus Anlass der kommenden Wahlen geben wird. Ist auch besser so, die AfD ist im Kern eine freiheitliche und keine sozialistische Partei. Neue Rechte und Teile der AfD machen den gleichen Fehler, wie die SPD in den 80er Jahren mit den Grünen. Die SPD fand die Grünen damals im Grunde so sympathisch, inhaltlich doch nah, fast schon wie eine eigene Parteijugend und schwupps hatte man eine Partei etabliert, die maßgeblich Deutschland abschafft und dabei auch gesorgt hat, dass die SPD erst unter Schröder wieder zu ordentlichen Wahlergebnissen kam. Sympathien für S.W. als Persönlichkeit darf man, wenn man meint, das haben zu müssen, hegen. Politisch gesehen ist sie und ihr BSW ein klarer Gegner und maßgeblicher Konkurrent um die mitteldeutschen Wähler, dass sollte man nicht vergessen.

Laurenz

30. April 2024 14:46

Diese Sendungen, meist weltlich ausgerichtet, sind für mich Kulturgut. Hier zeigt sich der diametrale Unterschied zur Linken. Kositza & Dagen nehmen für Sich völlig selbstverständlich das Recht in Anspruch, ALLES, was Sie wollen, zu lesen, zu besprechen & zu hinterfragen, ein wunderbares Bild der Freiheit. Man ist immer echt, aufrichtig, man will diese Produktionen machen, ein weiterer eklatanter Unterschied zum Pflichtprogramm des Grünen Reichsfunks. Um Vergebung bei EK bittend, sind für mich Dagen & Kositza 2 Damen, Die Sich heidnisch germanisch präsentieren, selbstbewußt, ohne Anzüglichkeit das Weibliche nach außen präsentierend, sich den Weg aus der über ein Jahrtausend anhaltenden, orientalischen Demütigung unserer Frauen erkämpft habend. Wohl wissend, eingedenk sein, was die Stärken & Schwächen der Weiblichkeit bedeuten. Ich denke, diese Sendungen üben einen Zauber aus, den es, wider alttestamentarischer Hexen-Feindlichkeit, zu schützen gilt. Der diesmalige Gast, Herr Dr. Lommatzsch, ist wieder glücklich gewählt. Allerdings, wenn man seine Pappenheimer kennt, wäre 1e Stunde Geselligkeit vor Aufnahme-Beginn günstig, damit Sich der männliche Gast an die weibliche Übermacht gewöhnen kann.

Laurenz

30. April 2024 14:47

(2) Für mich kommt am ehesten der Lese-Vorschlag EKs in Frage, weil er Gegenwärtiges bespricht. Den Buchvorschlag von Herrn Dr. Lommatzsch erachte ich zwar als historisch eminent, ist für mich aber unerträglich zu lesen, weil er mich an unsere tragische Teilung erinnert, die mich traurig & maßlos wütend macht, wenn ich mit ihr konfrontiert bin. Die Vertreter der Transaktions-Analyse würden wohl feststellen, daß solch eine Gefühlswelt aus einem Kind-Ich rührt. Aber in der Situation einer ungewollten, unfreiwilligen Massen-Trennung, ist man ja auch der Hilflosigkeit eines Kindes ausgesetzt. Man bemerkt bei der Vorstellung des Buches, daß auch der Akademiker Dr. Lommatzsch, angesichts der doch emotionalen Vergegenwärtigung, an Sich halten muß, ein Bild würdiger Menschlichkeit. Bei der Buchvorstellung über Wagenknecht schließe ich mich @RMH an. Wagenknecht ist längst von einem Kommunisten zum Europa-Sozialisten mutiert. Das haben wir dem Einfluß Oskar Lafontaines zu verdanken, den Wagenknecht zumindest als geistig ebenbürtig erachtet, was sonst nicht oft der Fall sein wird. Bemerkenswert bei der Besprechung des EK-Vorschlags fand ich Dagens Bezugnahme auf historische Canceleien. Ich erinnere mich haargenau beim Torquato Tasso, daß Goethe nur zu genau wußte, was Er schreiben darf & was nicht, also der Selbstzensur unterlag.

Le Chasseur

30. April 2024 15:15

@RMH
"Politisch gesehen ist sie und ihr BSW ein klarer Gegner und maßgeblicher Konkurrent um die mitteldeutschen Wähler, dass sollte man nicht vergessen."
Das ist richtig, allerdings gibt es meiner Ansicht viele mitteldeutsche Wähler, die für die AfD nicht erreichbar sind. Gäbe es das BSW nicht, würden diese mangels Alternativen die Linkspartei wählen oder eben der Wahl fern bleiben. Natürlich versucht jede Partei erstmal, so viele Wähler wie möglich für sich zu gewinnen. Dass Wagenknecht jetzt eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt, ist auch verständlich. Auf den zu erwartenden medialen Shitstorm kann sie gut verzichten. Ich glaube nicht, dass sich das BSW als so ein Steigbügelhalter wie die FDP entpuppt, die für ein paar Ministersessel sämtliche Prinzipien über Bord wirft. Deswegen glaube ich auch nicht, dass das BSW eine Koalition mit CDU, SPD usw. eingeht. Ich könnte mir eher vorstellen, dass wir auf Landesebene bald Minderheitsregierungen aus Altparteikoalitionen sehen, die auf die Stimmen von entweder der AfD oder des BSW angewiesen sind.

Maiordomus

30. April 2024 17:11

@Der mittlere Satz oben von mir ist unverständlich, weil nicht gesagt wurde, wie wenig in den deutschen Leitmedien im Vergleich zur genannten Strack-Zimmermann usw. Wagenknecht zitiert wurde, zu schweigen von rechten Kritikern der gängigen Ukraine-Politik. Ich selber orientiere mich indessen weder nach Wagenknecht noch nach Köppel oder nach AfD, eher nach russischen bzw. russischstämmigen Bezugspersonen aus sowohl monarchistischem wie altrussisch-orthodoxem Umfeld. Diese halten von Putin, vgl. das unlängst errichtete oder restaurierte Denkmal des Bluthundes Felix Deschersinsky, KGB-Gründer, Abstand bei definitiver Nichtübereinstimmung mit Selensky. 
Wagenknechts neuere Polit-Pespektive müsste im Buch mindestens so interessieren wie die in der Tat als neostalinistisch interpretierbare Vorgeschichte der jungen Frau, was einschlägig Interessierten längst bekannt war. Insofern hätte der neuere Teil der realen Biographie im Buch eben so gründlich dargestellt werden müssen wie diese bekannte Vorgeschichte. Globalbridge ist ein lesenswerter Blog, den ein einstiger linker Kollege aus Studium und Publizistik mit guten Kenntnissen zu Russland und Ukraine eingerichtet hat, wohl noch mit mehr Grundwissen als Frau Wagenknecht. 

Boreas

30. April 2024 18:59

@Laurenz "Allerdings, wenn man seine Pappenheimer kennt, wäre 1e Stunde Geselligkeit vor Aufnahme-Beginn günstig, damit Sich der männliche Gast an die weibliche Übermacht gewöhnen kann."
Und mit etwas Wein erweitert man den Fabulierhorizont. Muss ja nicht gleich ein symposiales Quantum sein. Die Stunde ist jedenfalls immer viel zu schnell vorbei.

Gracchus

30. April 2024 20:56

Der Kommentar jetzt würde auch zu dem Dagen-Interview passen. Ein Zusammenleben ist auf Dauer nicht möglich, wenn eine Partei der anderen stets sinistre Dinge unterstellt, egal, was sie sagt, und ihre Macht ausnutzt, um sie quasi zu exkommunizieren, wobei es ja bei Frau Dagen wohl weniger die Mitgliedschaft bei den freien Wählern ist als die Schnellroda-Nähe. Nebenbei: Ich habe mich schon gefragt, warum Frau Dagen zu Nius oder Kontrafunk eingeladen wird, nicht aber Ellen Kositza. Das fände ich mal interessant. Mich hat bei dem Literatur-Gespräch hier die Sympathiebekundung für Frau Wagenknecht überrascht; ich hätte eher krasse Kritik erwartet. 

Gracchus

30. April 2024 21:12

Frau W. ist natürlich nicht exkommuniziert. Wenn man sich jedoch das Interview pardon Verhör mit def unsäglichen Frau Herrmann, die dafür auch viel Buh-Rufe aus dem Publikum abkriegt, ansieht, fühlt man sich einfach abgestoßen. Laufend versucht sie Frau W., indem sie ihr das Wort im Mund umdreht, zu diskreditieren. Diese Art von Tribunalisierung, das Hereintragen des Gerichtssaals in den Diskurs stammt von den 68ern. Es führt nicht nur zur Verengung des Meinungskorridors, sondern zu Sprachverarmung. Man muss sprechen dürfen, wie einem der Schnabel gewachsen ist. 

Maiordomus

1. Mai 2024 03:16

Machen Sie weiter und vor allem, bleiben Sie neugierig, so dass jede Sendung dieser Art für eine Überraschung gut ist und bleibt. 

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