Die „Tradwife“ ist der Typ Frau, der sich dem Mann unterordnet: gern kocht, backt, sich hübsch macht für „ihn“. Das ist die Frau, die nicht zickt, ohnehin nicht unablässig redet, die ihre Erfüllung nicht in der eigenen Karriere, sondern in der Erziehung der (möglichst vielen) Kinder sieht. Nichts daran ist per se falsch. Es gibt Millionen Ehen, die genau so (und glücklich!) geführt werden, bis daß der Tod sie scheidet.
Ich hatte gelegentlich darüber geschrieben, weshalb ich den modernen Tradwife-Trend skeptisch beäuge.
Ich hielt und halte dieses Tradwife-Ding für ein typisches Internetphänomen. Wo die bezopfte, im besten Fall beschürzte Kinder-Küche-Kirche-Frau der hedonistischen, tätowierten, beringten, kinderlosen Promiskuitiven gegenübergestellt wird, geht es auf dieser wie jener Seite weitgehend um Dressur.
Die eine wie die andere möchte telegen einem bestimmten Bild genügen. Die eine postet Bilder von selbstgesammelten Kräutern oder ein hübsch besticktes Kissen, die andere züchtet zwecks Außendarstellung einen besonders anstrengenden “Problempony”. Selbstbestimmt wirkt beides nicht.
Nur: Was heißt hier „Außendarstellung“? Internetphänomene tropfen heute nolens volens ins wahre Leben hinein.
Zwischentöne und Graustufen (vulgo: das „Normale“) haben „im Internet“ einen schweren Stand. Die Zoomer bzw. die Generation Z sind dazu verurteilt, in einer extrem polarisierten Welt aufzuwachsen. Wir sollten auch deshalb wissen, welche Kanäle unsere Kinder konsumieren. Und wir sollten auch einhaken, selbst wenn es “uncool” sein mag, sich in diese Sphären einzumischen! Besser anstrengende Diskussionen als gar keine…!
Und damit sind wir bei der Causa Lauren Southern. Im anglophonen Sprachraum ist sie eine Promi. Aber auch eingefleischt rechte Deutsche kennen sie, und zwar womöglich aus diesem Buch ihrer einstigen Mitstreiterin Brittany Sellner.
Die hübsche, kluge Kanadierin Southern focht einst auf Seiten der alternativen Rechten. Sie hatte 2017 die Aktion „Defend Europe“ um Martin Sellner unterstützt (davon berichtet Brittany), und reüssierte 2018 mit einer vielbeachteten, hervorragend recherchierten Doku über die Situation weißer Farmer in Südafrika. Danach wurde es ruhiger um Lauren Southern (*1995). Sie hatte nämlich einen Mann gefunden und war recht rasch Mutter geworden.
Wie es ihr dabei erging, hatte sie in Videos verbreitet, bei denen man als nüchterne Europäerin sich fragt, was daran wahr und was Drama ist. Weint man echte Tränen (hier über ihre “Trennung von Martin und Brittany Sellner”) vor der selbstgeführten Kamera? Wenn ja, welche emotionale Grenze ist dann bereits überschritten?
Southern hatte vor etwa einem Jahr selbst geschildert, wie es ihr in ihrem kurzen Ehe-Leben mit einem „Alpha-Mann“ ergangen ist. Wie sie heftig um die Liebe des „Redgepillten“ kämpfte, aber dennoch verlor!
Der Anglizismus „Redpill“, das sollte man erklären, wurde in unserem jüngsten Podcast durch “Shlomo” eingeführt und sorgte für einigen Zoff im Youtube-Kommentarbereich. Es ist so: Durch den us-amerikanischen Film Matrix (1999; ich werde nie begreifen, wie man dieses bei „Rechten“ so beliebte Machwerk zu Ende schauen kann; dies nur nebenbei) hat sich in Deutschland das Attribut „redgepillt“ bzw. der Begriff „rote Pille“ etabliert.
Gemeint ist: Entscheidest du dich für die Einnahme der blauen Tablette, bleibst du ein „Schlafschaf“, ein Statist im großen Spiel der Mächte – ein satter, zufriedener Naivling. Greifst du hingegen zur roten Pille, kannst du hinter die Fassade schauen. „Redgepillt“ wäre demnach einer, der die Machenschaften der Strippenzieher durchschaut.
Nun gibt es im angelsächsischen Raum bereits seit vielen Jahren eine semantische Verschiebung hin zur Sprache der „Manosphere“, der Maskulinisten oder wie auch immer man sie nennen will. Red-Pill-Männer, wie es in diesem Artikel von 2016 drastisch verdeutlicht wird, haben jeglichen „Weiberkram“ völlig satt, möchten dennoch nicht auf heterosexuellen Verkehr verzichten und angeln sich Frauen, indem sie besonders männlich auftreten. Die Frau vermutet dahinter fälschlicherweise besondere Ritterlichkeit… und so kommt es zu Dramen, bei denen eben nicht die Männer, sondern die Frauen als enttäuschte Opfer zurückbleiben.
Nun wird uns also Lauren Southerns Versuch, als konservative Traditionsfrau ihren Platz zu finden, von einer anderen, älteren Frau gespiegelt. Diese heißt Mary Harrington, ist Britin und publiziert auf einer Plattform mit dem schönen Namen unherd.com.
Sich ent-herden: so wichtig! Zumal heute!
Harrington firmiert auch unter der Adresse „Reactionary Feminist- Feminsm against Progress“ – dies ist so ein Fall, wo Buntheit schillert! Harrington gesteht unter anderem ein, daß ihre eigene Mutterschaft sie von einer Menge linker Flausen befreit und gleichsam geerdet habe.
Sie sieht nun überraschende Gemeinsamkeiten mit Lauren Southern:
Wir beide waren als junge Frauen von radikalen Ideologien angezogen. Ich von linken, Southern von rechten. In beiden Fällen spielte das Internet mit seinen freiflottierenden Botschaften eine inspirierende Rolle. Und dann mußten wir beide zurückrudern, auf je unterschiedliche Art, aber beide aus gutem Grund: Wir hatten nun Verantwortung für einen Säugling.
Harrington blickt zurück auf verrückte sexuelle Eskapaden und Kommunenträume – und sie läßt Southern zurückschauen auf den Traum, eine „Tradwife“, also eine urkonservative Familienmutter zu sein. (Southern hat dieses “Trauma” nun bereits in zahlreichen Videos ausgebreitet,)
Beide strebten ein gleichsam „reines“ Ideal an – beide sind gescheitert. Nun: reine Ideale müssen immer scheitern; interessant, daß diese Lehre offenkundig Jahrgang für Jahrgang exerziert werden muß! Beide sagen, es gäbe auf je ihrer Seite eine Menge Frauen, denen durch leidvolle Erfahrung der Kopf gewaschen wurde.
Es heißt, Lauren Southern kenne „many other women“, die unter mißglückten „Tradwife“-Ehen litten. Darunter zahlreiche Influencerinnen in schrecklichen Beziehungen, die auf ihren Social media-Kanälen aber immer noch ein wahnsinig glückliches Familienleben inszenierten. All diese Frauen würden von der Angst getrieben, daß sie mit ihrem Mißgriff wohl alleinstünden und daß sie das bloß nicht eingestehen dürften.
Ich halte diese Einschätzung für einigermaßen glaubhaft. Ich bekomme ja mit, welchen geflochtenen Hübschfrauen in den Sozialen Medien mit 3+ Kindern meine großen Töchter folgen ‑und welch kruder Ehrgeiz damit teilweise geweckt wird. Es ist eine Toxizität, die anders gelagert ist als der übliche Mainstream. Es geht dort nicht um die prallsten Lippen und den heißesten Schminktrick, sondern um eigentlich “Gutes”: Wer hat die tollsten selbstgestrickten Windelüberhosen? Wer hat die krasseste klinikfreie Geburt überstanden?
Zurück zum Social-Media-Drama, das Frau Southern ereilte bzw. das sie selbst betrieb: Wir kennen bloß Southerns (und nun durch Harrington überlieferte) Sicht der Dinge: Ihr Mann (den sie vier Monate nach Kennenlernen mit 22 Jahren heiratete, für Southern war es „wie ein Lotteriegewinn“; eine Schwangerschaft stellte sich wie gesagt rasch ein) habe sie permanent runtergemacht.
Sie sei damals völlig gefangen gewesen in einer antifeministischen Ideologie. (Bitte: Schauen wir uns mal sämtliche Videos von Southern an. Wir sehen nie ein Mäuschen, wir sehen eine Kämpferin! Allerdings: Bekanntlich sieht man stets nur bis zur Stirn, dahinter kann man nicht schauen.)
Der Mann habe beispielsweise nach Streitigkeiten verhindert, daß sie das gemeinsame Haus betrete. Sie mußte nachts im Regen bei Nachbarn um Obdach bitten. Er habe stets mit Scheidung gedroht. Er beschimpfte sie als “nutzlose Nichtigkeit” und vieles andere. Sie war zuständig für die Mahlzeiten, für alles rund um den Säugling, sie mußte sogar seine geschäftlichen (der Mann hatte eine hohe administrative Sicherheitsstufe) Hausaufgaben erledigen.
Nach anstrengenden Nächten mit dem Baby erwartete er am frühen Morgen ein perfektes Frühstück. Angeblich kniete Southern betend an seinem Bett, um seine Liebe herbeizuflehen.
Dann zog sie mit ihm und dem Kind (soll ich erwähnen: mixed-race?) aufgrund seines Jobs weit weg – nach Australien, wo sie natürlich niemanden kannte und jeder Unterstützung verlustig ging. Als es dann zu zwei Todesfällen in Southerns Familie kam, bat sie ihren gestrengen Ehemann um Urlaub – er gewährte ihn nur gegen eine Unterschrift. Southerns Beerdigungsurlaub sollten aber Ende/Gelände dieser Ehe gewesen sein. Der Mann hatte ihr jäh den Laufpaß gegeben.
So die Legende jedenfalls. Wir wissen nicht, wie es wirklich war. Kann ja sein, der schreckliche Ex-Ehemann würde eine ganz andere Geschichte erzählen?
Ich rate meinen Kindern, Internet-Tränen nicht zu trauen. Überhaupt: GAANZ vorsichtig zu sein mit Leuten „aus dem Internet“. Frauen sind dabei weitaus manipulativer als Männer. Immer! Männer und männliche Ziele zu entlarven ist extrem einfach. Bei Frauen ist dies (ohne daß sie viel dafür können) deutlich vertrackter.
Nehmen wir an, es war so, wie Southern es erzählt. Sie wäre demnach, um eine mustergültige “Tradwife” abzugeben, voll & ganz auf all diese Werte und „Abhakpunkte“ abgefahren, die gemäß der rechtskonservativen Internetbubble angesagt seien.
Follow the listicle, and you´ll be fine,
so soll Southern gegenüber Harrington ihren Kompaß benannt haben.
Was verordnen nun diese „Listicles“ (Mischung aus journalistischen Artikeln und Listen zum Abhaken) einer Möchte-gern-Tradwife?: IHM nie widersprechen, ihm gehorchen, ausschließlich für die Kinder, den Haushalt und die Belange des Mannes dasein, keinesfalls finanzielle oder sonstige Unabhängigkeit anstreben.
Lauren Southern nun hat sich von diesen rigiden Regeln nun befreit. Sie reüssiert nun neu als „geprüfte Single Mom” – mit hundertausenden Followern. Ob diese gefeierte Befreiung in ihrem Fall von Beginn an irgendwie eingepreist war, steht in den Sternen.
Wir könnten das als Einzelfall auf sich beruhen lassen. Nur ist der Fall Lauren Southerns paradigmatisch. Es scheint, als stünde heute jede junge Frau vor der Entscheidung, ein Dasein entweder a) als NPC . b) als „emanzipierte Kämpferin“ oder c) als devotes Mäuschen (hier kein hinterlegter Link – wir wissen ja, daß viele „Rechte“ sich asiatische Frauen suchen…) zu fristen.
Dabei gibt es in Wahrheit mindestens ein Dutzend Zwischenstufen. Frau sollte freundlich und sorgend sein, grundsätzlich und loyal zugeneigt dem Mann, dem ihre Liebe gilt – ohne sich unterzuordnen. Das gilt selbstredend vice versa.
Sie kann hauptverantwortlich sein für die Kinder, ohne aber die ganze Last schultern zu müssen. (Wer sich als Mann brüstet, nie “gewickelt” zu haben – ein komischer Held.) Sie kann schweigen, wenn Geplänkel unnötig ist, aber den Mund auftun, wenn es auf sie ankommt. Sie soll unbedingt für sich stehen können, im Zweifelsfall. Natürlich auch finanziell. Jeder Mann, der liebt, wird dafür sorgen!
Mir scheint, daß im Internet-Zeitalter eine Menge Instinkt (w/m) verloren gegangen ist. Wer heute zum Geschlechterkrieg bläst, hat sie nicht mehr alle. Als gäbe es nichts Wichtigeres!
Daniel
In Zeiten des kulturellen Identitätsverlustes braucht es eigentlich nicht zu wundern, dass viele - links wie rechts - Ausschau nach neuen Rollenvorbildern halten. Die werden dann frei Haus geliefert, man streift sie sich über wie ein neues Paar Schuhe, merkt aber nach den ersten Schritten, dass es doch hinten und vorne drückt und zwickt (denn auch das vermeintlich Traditionelle ist in dem Fall häufig nur gespielt). Die Fähigkeit mit dem eigenen Leben klarzukommen, kann einem eben keine Gebrauchsanleitung aus dem Internet abnehmen; genausowenig kann sie ersetzen, was in der Kindheit an Orientierung und (realen) Leitbildern gefehlt hat.Etwas off-topic: Matrix fand ich damals schon zu sehr auf popkulturelle Effekthascherei gebürstet. Die bessere (weil auch aus meiner Sicht deutlich atmosphärigere) Variante ist der eher unbekannte Film "Dark City" (tatsächlich sollen hier einige Sets in Matrix wiederverwendet worden sein).