Sezession 121 – Bücher, die wir für Sie gelesen haben

Ein Professor – und noch besser: ein Abteilungsleiter! – tourt seit ein, zwei Jahren durch die Republik, um über die „Literaturpolitik der Neuen Rechten“ zu berichten. Will sagen, er schreibt Artikel über uns, organisiert ganze Kongresse über uns. Wie so oft: Wir leben mietfrei in solchen Köpfen, und das haben wir uns verdient.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Denn: Wir lesen, loben und kri­ti­sie­ren, wie es uns beliebt. Aus unse­rer Feder gibt es weder Gefäl­lig­keits­re­zen­sio­nen noch ande­rer­seits Wut­schnau­ben gegen einen mut­maß­li­chen Geg­ner. Liegt einer aus unse­rem Milieu dane­ben: Er wird die Kri­tik sicher sport­lich neh­men. Wenn ein Lin­ker ein klu­ges Buch schreibt – her damit! Unser Tip an unse­re Leser wäre: “Lest es!”

Abtei­lungs­lei­ter Hoff­mann hat für die taz herausgefunden:

In neu­rech­ter Lite­ra­tur­po­li­tik wird gekämpft und geku­schelt. Die­se para­do­xe Dop­pel­stra­te­gie muss als sol­che erkannt und ernst genom­men wer­den, da sie meta­po­li­ti­schen Erfolg ver­spricht. Des­halb ist es fahr­läs­sig, wenn der FAZ-Redak­teur Patrick Bah­ners 2021 auf Twit­ter eine Rezen­si­on von Ellen Kositza lobend erwähnt und ver­linkt, als sei die Sezes­si­on eine gewöhn­li­che lite­ra­tur­kri­ti­sche Institution.

Gut. Dann eben eine unge­wöhn­li­che lite­ra­tur­kri­ti­sche Insti­tu­ti­on. In unse­rer neu­en Aus­ga­be, der Sezes­si­on 121, ver­sam­mel­te ich als Redak­teu­rin vier­zehn Bespre­chun­gen aktu­el­ler Bücher. Eini­ge davon möch­te ich hervorheben.

Ich selbst habe Schi­zo­id Man bespro­chen, das Buch eines wahr­haft erra­ti­schen Debü­tan­ten. (Hier ist die voll­stän­di­ge Bespre­chung.) Ein jun­ger Mann auf der Suche nach nietz­schea­ni­scher Recht­wink­lig­keit, mit zuviel Tes­to­ste­ron und zuwe­nig von der Tugend, die man antik als „Maß“ beschrieb und heu­te bes­ser als „Dis­zi­plin“ faßt.  Nimm Hou­el­le­becq-Vibes, eine Pri­se Chris­ti­an Kracht und die ziel­lo­se Dyna­mik eines John Hoe­wer (Euro­pa Power Bru­tal), mische es gut durch und laß es als Roman des Jah­res 2024 von der Lei­ne. Nichts für Zartbesaitete.

Mar­tin Licht­mesz hat eine wirk­lich illus­tre Bespre­chung des Buches Unde­mo­kra­ti­sche Emo­tio­nen der jüdi­schen Sozio­lo­gin Eva Ill­ouz ein­ge­reicht. Darf ich aus dem Näh­käst­chen plau­dern und erzäh­len, daß es RICHTIG schwie­rig ist, Licht­mesz zum Ver­fas­sen einer Rezen­si­on zu bewe­gen? Was mein Lieb­lings­me­tier ist (Bücher lesen und beur­tei­len), quält ihn fast, und er benö­tigt habi­tu­ell einen lan­gen Anlauf. Dann aber…

Ich (die ich Ill­ouz seit lan­gem lese und schät­ze) wuß­te – das ist ein Buch für ihn! Er hat nun eine wirk­lich lei­den­schaft­li­che Rezen­si­on ein­ge­reicht, die sehr genau beleuch­tet, wo Ill­ouz‘ (und übri­gens auch Netan­ja­hus) blin­de Fle­cken sind.  Er lobt die auf­schluß­rei­chen Inter­views, die Ill­ouz mit Israe­lis unter­schied­li­cher poli­ti­scher Fär­bung führte.

Es ergibt sich ein recht über­zeu­gen­des und abschre­cken­des Bild einer im per­ma­nen­ten Kampf­mo­dus leben­den Gesell­schaft, ins­be­son­de­re, was das an Para­noia gren­zen­de Sicher­heits­be­dürf­nis angeht, das es dem Staat ermög­licht, nicht nur den seit Jahr­hun­der­ten schi­ka­nier­ten Feind, son­dern auch die eige­nen Bür­ger zu kontrollieren.

Haar­sträu­bend kon­tra­fak­tisch sei ihre Dar­stel­lung der „Freun­de“ Netan­ja­hus wie etwa Trump und Orbán, die sie allen Erns­tes als „anti­se­mi­tisch“ bezeichne!

Wei­ter: Bene­dikt Kai­ser nimmt Phil­ip Manows Unter Beob­ach­tung. Die Bestim­mung der libe­ra­len Demo­kra­tie und ihrer Fein­de unter die Lupe.

Phil­ip Manow ist anders. Der Poli­tik­wis­sen­schaft­ler, der an der Uni­ver­si­tät Sie­gen lehrt, weicht deut­lich vom Main­stream sei­nes Faches ab. Das heißt nicht, daß er prin­zi­pi­ell wei­ter „rechts“ stün­de als die links­li­be­ra­le uni­ver­si­tä­re Mehr­heit. Das heißt aber schon, daß er Fra­gen beant­wor­tet, die sei­ne Kol­le­gen nicht mal stellen.

Äußerst ver­dienst­voll, resü­miert Kaiser.

Caro­li­ne Som­mer­feld hin­ge­gen rühmt eine Nischen­pu­bli­ka­ti­on. Thors­ten Schul­te und Micha­el Hese­mann haben gemein­sam ein Buch mit einem etwas alar­mis­ti­schen Titel ver­faßt: Die gro­ße Täu­schung. John F. Ken­ne­dys War­nung und die Bedro­hung unse­rer Freiheit.

Wir ken­nen Caro­li­ne Som­mer­feld als eine Autorin, die sich auch den sinis­t­res­ten Win­kel­zü­gen auf die Fer­sen hef­tet. Für sie war die­se Publi­ka­ti­on ein Augen­öff­ner, und sie lobt die unor­tho­do­xe Zusam­men­ar­beit der bei­den Autoren.  Co-Autor Schul­te ist nicht ein­ver­stan­den mit Hese­manns pro­is­rae­li­schem Enga­ge­ment und vice ver­sa. Den­noch sei dar­aus ein erhel­len­des Werk ent­stan­den, lobt Sommerfeld.

Und noch ein­mal Som­mer­feld. Sie rät zur Lek­tü­re von Rose Hu: Mit Chris­tus im chi­ne­si­schen Straf­la­ger.  Rose Hu hat­te 26 Jah­re in ver­schie­de­nen chi­ne­si­schen Straf­la­gern ver­bracht – um des Glau­bens wil­len. Stim­men sol­cher Opfer sind weit­ge­hend unerhört.

Erik Leh­nert befaßt sich mit dem Buch der jun­gen, wider­spens­ti­gen Juris­tin Frau­ke Ros­tal­ski über Die vul­nerable Gesell­schaft. Er fin­det sehr gute Ansät­ze – „Ver­letz­lich­keit“ ist heu­te ein Mit­tel im Kampf um Macht und Deu­tungs­ho­heit. Leh­nert hält das Buch für gedie­gen, aller­dings sei Ros­tal­ski noch zu sehr in der Haber­mas­schen Dis­kurs­theo­rie verstrickt.

Felix Dirsch emp­fiehlt mit Abstri­chen einen ech­ten Wäl­zer (knapp 1000 Sei­ten) aus dem Ver­lag Matthes & Seitz: Otto Kall­scheu­ers Papst und Zeit. Heil­ge­schich­te und Welt­po­li­tik. Kall­scheu­er sei ein ech­ter, fun­keln­der Grenz­gän­ger, so pro­gres­siv einer­seits wie kon­ser­va­tiv ande­rer­seits. Wie­viel Welt ist heu­te in der Kir­che? Und umge­kehrt? Auf jeden Fall setzt Kall­scheu­er Maß­stä­be, meint Dirsch.

– – –

Lesen Sie alle die­se und vie­le wei­te­re Rezen­sio­nen in der aktu­el­len Sezession.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (45)

Adler und Drache

16. August 2024 17:17

Zur "angeteasten" Literatur mag ich nichts sagen, ich werde nichts davon lesen - ich kann es nicht mehr, obwohl ich bis Ende 30/Anfang 40 eine Leseratte war. Das hat sich fast schlagartig geändert, es geht nicht mehr. Ganz egal, um welches Buch es sich dabei handelt, ich schaffe es nicht mehr, dranzubleiben. (1000 Seiten - um Himmels Willen!) Ich hab es mit allem möglichen ausprobiert. Als hätte ich ein Talent verloren - oder den Glauben an die Literatur. Kohelet 12,12!
Schön und interessant finde ich das Titelbild der neuen Sezession. Die alte Schrifttype, und wie sich die Sättigung zum Seitenende hin auflöst, gerade bei dem wichtigen Satz ... Vielsagend!  

Maiordomus

16. August 2024 17:35

Die neue Nummer hat abermals intellektuelles Niveau, schon weil einleitend abermals Uwe Wolff zu Wort kommt, der Engelforscher, kein Mann irgendeines Lagers, aber Sprecher und Schreiber des freien Wortes. Mit ihm nicht ganz mithalten kann Scholtysik, der aber den bedeutendsten neueren Vermittler der Emmerich, Gerd-Klaus Kaltenbrunner, vor 13 Jahren verstorben, imposantesten Kulturhistoriker des neueren Deutschland, zu zitieren weiss, auch den Zusammenhang mit Görres noch realisiert, aber so etwas wie eine kirchenhist. Einordnung nicht schafft. Die Thematik Islam bei Nagel betritt einen Hauptschauplatz der Auseinandersetzung, erfasst aber das Sic-et-non der Annäherung und Distanzierung nicht, wohl aus Unkenntnis der Mystik und von Averroes. Hervorragende kritische Buchbesprechungen v. Wolfschlag betr. den Analphabetismus der Auseinandersetzung mit den Rechten in Hochschulschriften, unterstes nichtwissenschaftliches Feindbildniveau dort,, v. Steuergeldern finanziert. Sellners gutgeschriebener Artikel zeigt, dass man anstelle seiner nur provokativen Lesungen besser das Heft gezielt verteilt hätte, mit intellektuellen Ansprüchen , die weder für Elsässer noch Köppel in ihren Magazinen zugänglich erscheinen. In der neuen WW kommt aber Tellkamp zu Wort, Artikel einer Amerikanerin über Jesus-Ikonografie hingegen bleibt Schrott, auch Grau bleibt leider ein mittelmässiger Philosoph. 

Maiordomus

16. August 2024 21:53

@Adler u. Drache. Ihre Reflexion ist sehr nachvollziehbar. Umso mehr hätte ich Ihnen die literarische Beilage Phonophor zum gedruckten Heft empfohlen, nicht nur wegen Bosselmanns Beitrag. Und im gedruckten Heft auch einiges von Wolfschlag zu den unglaublichen Schwierigkeiten,  denen sich nicht nur rechte Autoren heute gegenüber stehen. Der fatalste Fall ist nicht mal genannt, weil der einschlägige Autor kein Interesse hat, genannt zu werden und mit Verteidigung unfreiwillig zusätzlich denunziert. Weil er vor 13 Jahren ein übrigens sehr schönes, auch in Fachkreisen vorzüglich rezensiertes Buch geschrieben hat, ediert bei einem rechten Verlag, den Leser von hier kennen, wurde er aus der Kandidatenliste für einen bedeutenden Literaturpreis entfernt. Protest hätte ihm bei seinem eigenen, zum Teil linken Heimmilieu nur noch zusätzlich geschadet. Selber habe ich indes keine Mühe, Frau Kositza zu den besten, kundigsten und unvoreingenommensten (auch gegenüber Literatur, die zu Ihrem Denken konträr ist) Rezensentinnen im heutigen deutschern Sprachraum zu rechnen. Zumal ihre Besprechung von Schwärzel in der neuesten Nummer scheint mir sehr anregend.

Laurenz

17. August 2024 00:34

Wirklich erleuchtend ist das Zitat von diesem Torsten Hoffmann. Das ist jemand, der aus Steuermitteln lebt, ohne Wähler-Auftrag in der Literatur-Besprechung politisiert & so tut, als wäre es ein Weltwunder, daß in Schnellroda kein Matterhorn aus Büchern verbrennt & mit seiner Rauchfahne ganz Europa, wie das Maul des Fenriswolfs verdunkelt. Wieder so ein pervertierter Kopf (oder Arsch?) im Deutschen Bildungssytem.
Übrigens geht der Salonlinke Westernhagen mit 75 Jahren nochmal mit exorbitant großem Werbeaufwand auf Tournee. Das fiel mir deswegen in diesem Kontext ein, weil Westernhagen der deutsche Schlagerinterpret ist, der das berühmteste Rechte Lied (mit eher profanem Strophentext) in Deutscher Sprache aus der Moderne kreiert hat & zum Besten gibt. Hier in der Version von Adoro zu 20 Jahre Mauerfall vorm Brandenburger Tor.  https://youtu.be/6syvzz_tWQ4
@Adler & Drache ... machen Sie Sich nichts draus. In jüngeren Jahren hatte ich Bücher gefressen, fast verzweifelt darüber, daß ein Leben nicht ausreicht, um eine große Bibliothek durchzulesen. Jetzt muß ich mir 10x überlegen, ob ich nochmal ein Buch zur Hand nehme & durchlese. Bei Krah hatte ich mich dafür entschieden, damit ich hier mitdebattieren kann.

Maiordomus

17. August 2024 07:09

Noch zur Korrektur. Die oben indirekt genannte Julie Burchill, eine der nach Prominenzkriterien ausgewählten Mitarbeiterinnen der Weltwoche, ist eine Britin. die seinerzeit als talentierte Schriftstelllerin ihre Ausbildung im Alter von 17 Jahren abgebrochen haben soll. Also suboptimale Voraussetzungen für einen Artikel über Jesus Christus, auch wenn sie als ursprünglich Ungläubige lange zwischen Katholizismus und Judentum geschwankt haben soll: Julie Burchill. Natürlich von Erfolg und Auflage her nicht die Liga der hier besprochenen Autoren. Aber im Vergleich zu der von ihr immerhin zitierten Mechthild von Magdeburg, deren Hauptwerk als Handschrift in der Stiftsbibliothek Einsiedeln geborgen ist, eine Promille-Nummer.  

Carsten Lucke

17. August 2024 12:56

Nach zwar bisher nur stellenweiser Lektüre aber umso gründlicherem Stöbern - herzlichsten Dank für das neue Heft !
Es stimmt alles : Das aus Anlaß geänderte Titelbild, der wichtige Satz von Lichtmesz hintendrauf, der Eingangstext vom Chef (er muß dringend Prosa schreiben !) ... auch das Verlagsprogramm ist edel gestaltet - mit einem grandiosen Doppelportrait auf Seite 2 (Symbolismus vom Feinsten !) ... selbst der "Phonophor" verspricht erstmals Gutes !
Also : Die helle (Vor)freude - mein Wochenende wird gut sein !

Beta Jas

18. August 2024 08:00

Wofür kann man eine Soziologin Eva Illouz schätzen?! Man kann sie Rechts lesen und sehen wie eine Intellektuelle von weit Links fortwährend Männer als ein Problem darstellt und in den Medien der westlichen Welt mit dieser Auffassung hofiert wird. Ein Interview in der Sendung Kulturzeit war aufschlussreich, als sie davon sprach das der Hass auf "Juden und Frauen" sehr in "unserer Kultur" ausgeprägt wäre. Wer sind wieder die Täter, die Männer. Damit ist sie aber das, was sie anderen vorwirft. Das ist dann wohl wieder Dialektik.

Redaktion: Lesetipp: https://antaios.de/zeitschrift-sezession/zeitschrift-sezession/216402/sezession-121-offenes-heft

RMH

18. August 2024 09:23

Ich habe es hier, denke ich, schon ein paar mal geschrieben. Ich gehöre zu den Lesern der Sezession die, wenn das neue Heft da ist, kurz das Vorwort überfliegen und dann sofort nach hinten blättern und die Rezensionen ansehen. Ich beginne die Lektüre der Zeitschrift also mit den Rezensionen. Das habe ich mir irgendwann vor vielen Jahren einmal so angewöhnt und ich bin mit diesem Brauch sicher auch nicht alleine. Daher von meiner Seite: Vielen, vielen Dank für diese stets Duchsicht, Beackerung und Auswahl der Literatur- und Buchveröffentlichungen. Auch wenn ich - hier kann ich @Adler & Drache zustimmen - klar weniger lese als früher und insbesondere noch sehr viel an "alter", bei mir liegen gebliebener Literatur erst einmal lese (oder manches auch zum wiederholten Male), sprich, der Zukauf an neuen Büchern klar nachgelassen hat, gibt mir die Sezession immer einen guten Blick auf das, was man dann doch noch kaufen könnte und vor allem einen fundierten Einlick darin, was alles veröffentlicht wird. Wie geschrieben, Lob & Dank dafür! Die Bedeutung dieser Arbeit kann man gar zutreffend erfassen, ich schätze sie für sehr hoch ein, da damit u.a. das Feuilleton nicht den "anderen" einfach überlassen wird.

Maiordomus

18. August 2024 13:43

@Phonophor. Unterdessen ganzes Heft gelesen, teilweise doppelt. Stärkster Text ist Einleitung von Kubitschek "Wir werden erforscht", da hätte er noch weiter ausholen können. - Dr. Dirk Alt scheint ein verdienter Lektor zu sein. Text "Duell" erinnert etwas an ein spätes Krimi-Nebenwerk von Jünger. Angestrebte Zeitlosigkeit, auch Ortlosigkeit, eine Art Vorstudie für einen später vielleicht mal gelingenden Text, "den Eindruck vermeiden" wollend, "die Oberhand nur durch eine Laune des Zufalls gewonnen zu haben". Genialer Nebensatz: "wie wenn im Kreise gesättigter Heuchler irrtümlich ein Wort der Wahrheit fällt". Dies zu illustrieren würde Weiterschreiben lohnen. - Als Literatur würde ich am ehesten den Text von Bosselmann gelten lassen. Siehe Fahrradmotiv, auch weil DDR textlich identifizierbar. Hinweis auf die nach Westen verschwundenen Gutherren deutet Sehnsucht nach Fontane an. Noch an Lektor: "Das Wort Kreuzweg mutete dem Sohn unheimlicher an als das beschworene Bild der Tiere.". Müsste es nicht heissen "den Sohn"? - "Kelster & Bölz" von Werner Sohn würde ich als Studie mit zeitkritischem Gehalt mal gelten lassen, trotz dem "Hormonstoss einer wärmenden Umarmung", wodurch der "Jungradikalismus" eines Protagonisten "wiederbelebt" worden sein soll. 

Licht des Vaterlandes

18. August 2024 15:31

Solche links-ewig-gestrige Typen wie diesen Hoffmann nehme ich schon lange nicht mehr ernst, geschweige denn, dass ich Zeit verschwende, deren Sermon zu lesen. Weinlese ist lohnender und schafft innere Zufriedenheit. Es ist eh immer wieder die gleiche Leier. Kann ersatzlos weg.

Laurenz

18. August 2024 22:34

@Maiordomus .... dem/den Sohn ... In meinen Augen kann man den Dativ oder den Akkusativ verwenden. Der Dativ wirkt für mich etwas passiver, etwas, daß einem ohne eigenes Zutun geschieht.
@Licht des Vaterlandes ... Hoffmann & der Ernst ... Es geht hier ja um die Wahrnehmung EKs/Schnellrodas durch die anderen, die schmarotzende Masse der Germanophoben, hier explizit jemand aus dem literarischen Bildungssystem. In weiterem Sinne beweist es die inhaltliche Leere der woken kulturmarxistischen Herrschaft, die ohne uns, dem stilisierten Feindbild, ein nichts ist.
@Carsten Lucke ... Der Chef hat auch nur ein Leben & tut, was Er will, für Sich als sinnig erachtet. Ich wünschte mir, Er liest mehr vor. Aber, wie in allen menschlichen Beziehungswelten, ist es schön, wenn man überhaupt etwas bekommt, was man dankend annehmen darf. Und wenn es nichts gibt, geht das Leben trotzdem, auch ohne außerordentliche Weihnachten hier & da, weiter.

Maiordomus

19. August 2024 07:12

@RMH. Wir treffen uns in der Einschätzung des gedruckten Heftes. Ohne die Rezensionen wäre man auch in der Position als Aussenseiter aus dem Geistesleben ausgeklinkt. Das ändert nichts daran, dass in jeder Nummer auch jeweils einige sehr gehaltvolle und orientierungsstarke Essays publiziert sind. Angesichts der diesbezüglichen Qualifikation von Lichtmesz könnte man sich auch regelmässig Filmbesprechungen vorstellen. 

Maiordomus

19. August 2024 07:32

@Carsten Lucke. Die Meinung "Der Phonophor verspricht erstmals Gutes" würde ich so nicht teilen. Es gab bei den bisherigen Ausgaben durchaus Entdeckungen; dabei stehe ich zu meinen oben formulierten kritischen Bemerkungen bei Hinweisen auf Gelungenes in Texten, die durchaus als Versuche einzuschätzen sind: "Versuch" diesmal nicht als Essay gemeint, was meines Erachtens eine total bedeutende literarische Gattung ist.
@An alle. Es wäre für die Leserschaft und die Autoren von "Phonophor" sicher wertvoll, wenn Debattierer hier wie Lucke und RHM usw. ihre Sicht der "Phonophor"-Lektüre spontan äussern würde. Zum Beispiel. ob sie wie ich "Vater und Sohn" von Bosselmann als den vergleichsweise gelungensten Text einschätzen könnnen, den Text von Werner Sohn als zeitkritischen Versuch gerade noch "gelten lassen", oder ob es eine falsche Sicht sei, die Studie von Dirk Alt als nicht unbedingt gelungenen Jünger-Verschnitt einzuschätzen mit jeweils noch aphoristischen Trouvailllen. Z.B. "Das Grundprinzip der Welt ist die Verschwendung." Nietzsche hätte wohl gesagt: das Grundprinzip des Lebens. 

Hartwig aus LG8

19. August 2024 10:42

Phonophor: Duell
Den Text sollte man langsam lesen. Er zwingt fast zum langsam lesen. Fabelhaft geschliffene Sätze. Ein Genuss.

Franz Bettinger

19. August 2024 10:51

@Dirk Alt: Seltsames Ende! Der Zwerg als Sieger? Und 007 tot? Und die Moral von der Geschichte? Irgendwie aus der Zeit gefallen. Spannung als Selbszweck? Sie sind ein guter Schriftsteller, ein begnadeter Maler, aber ich erkenne das Thema nicht. Unterhalten fühle ich mich in jedem Fall, immerhin. Das passiert nicht mehr so oft. 

nom de guerre

19. August 2024 12:54

Gut, wenn Stimmen zum Phonophor gewünscht werden, möchte ich mich kurz an der Diskussion beteiligen. Insgesamt hatte ich mir damals, als die Beilage zum Heft angekündigt wurde, mehr versprochen, war fast enthusiastisch, da immer auf der Suche nach guten Romanen oder eben Kurzgeschichten. Dieses Gefühl hat sich zwar gelegt, aber ich finde es weiterhin eine gelungene Idee, oft sind sehr schöne Texte darin. Baltic Wargames fand ich sehr gut oder auch das Stück mit dem älteren Herrn an der Dönerbude. Die Geschichte über den Studenten, dessen vereinsamter Flurnachbar sich umbringt, hat mich besonders berührt. (Bei beiden fallen mir die Titel gerade nicht ein.)
In der aktuellen Ausgabe bin ich allerdings nicht fündig geworden. Das Duell ist eine saubere Arbeit von jemandem, der schreiben kann, inhaltlich finde ich das Ganze jedoch abstoßend. (Übrigens @ Bettinger: Wieso 007? Ich habe den Protagonisten als Verbrecher wie die anderen auch aufgefasst, der auf eigene Rechnung unterwegs ist und an das Revier seines Gegners heranwill. Habe ich da etwas überlesen?) Das Ende, das den Zwerg als Sieger hervorgehen lässt, ist in meinen Augen noch das Beste an der Geschichte, weil es völlig überraschend kommt.
Mit den Texten von Heino Bosselmann und Werner Sohn konnte ich wie auch schon in vorherigen Ausgaben nichts anfangen, ohne aber genau sagen zu können, woran das liegt.

Laurenz

19. August 2024 13:56

 PS aus https://sezession.de/69498/kritik-der-woche-61-schizoid-man @Le Chasseur ... habe Ihnen noch mal was vom brilliantesten Atheisten (wesentlich klarer & besser recherchiert als Richard Dawkins) über den Islam herausgesucht, & zwar von Christopher Hitchens. Hitchens starb, wie Birkenbihl, in 12/2011, Beide zu früh, aber das von den Nornen gestrickte Schicksal gibt jedem seine Zeit. Obwohl ich den Atheismus Hitchens' so nicht teile, kann ich dem Mann stundenlang zuhören. https://youtu.be/ZCHHfBeu0QE

Franz Bettinger

19. August 2024 15:28

@nom de guerre: Wer sagt denn, dass James Bond kein Verbrecher ist. Immerhin arbeitet er mit brutalen Methoden für den MI5 und dreht notorisch Deutsche oder Russen durch den Fleischwolf. 007 ist der einzige Filmheld, der von Emanzen unbehelligt, Frauen outknocken darf. Sicher sprengt diese Interpretation den Rahmen des von Hollywood Beabsichtigten, aber man kann es so sehen, oder? Die Kunst ist ja aber, den Filme-Gucker mit dem Bösen sympathisieren zu lassen (wzB Ehebrecherin Cher in Mondsüchtig), den Leser / Zuschauer aufs Glatteis zu führen. Letztendlich gilt das auch für den 'Faust'. Gott gewährt dem Teufel eben NICHT den versprochenen ! Triumpf. Er betrügt den Teufel. Aber wer (außer mir) liest schon so? Vielleicht @Laurenz noch. 
 

Maiordomus

19. August 2024 17:34

@Hartwig aus LGB. Sie sehen wohl richtig, dass Alt wirklich sprachliches Potential hat. Das macht ihn nicht zuletzt zu einem guten Lektor. @nom de guerre. Mir geht es mit Bosselmann ganz anders als es bei Ihnen der Fall ist. Ich nehme ihn als literarischen Autor genau so wahr wie bei seinen Artikeln, glaube ihn authentisch wahrzunehmen. Für mich ist es übrigens in der Regel wichtig, dass Prosatexte vom Schauplatz her verortet werden können, nicht jede Heimatliteratur ist grosse Literatur, aber grosse Literatur, zum Beispiel russische, ist immer auch Heimatliteratur. Z.B. wenn eine Erzählung von Gogol wie der Mantelin St. Petersburg spielt, zu schweigen von Storm, Stifter, Gottfried Keller, übrigens auch Tellkamp, den ich mehr und mehr schätze. Wegen Flaubert, einem absolut unvergleichlichen Meister, lohnt es sich, nach Rouen zu reisen. Wenn Goethe durch das Gebiet St. Gotthard oder Wallis reist, erhält die Landschaft indes eine Monumentalitär, die kein Einheimischer nachzeichnen könnte ohne kitschig zu werden. Der grösste deutsche Erzähler schlechthin, einfach unerreicht, bleibt für mich Fontane. Allein schon wegen "Irrungen Wirrungen" bedaure ich die Verwüstung Berlins im Frühjahr 1945. 
Es freut mich indes sehr, dass sich nun einige wegen Phonophor gemeldet haben. Jede Aussage hat meines Erachtens sowohl Verlag als auch Autoren und Lektor einiges zu sagen.  Der Leser hat eigentlich immer recht, selbst wenn man sich, eine mir bekannte Erfahrung, unverstanden fühlt.

Gracchus

19. August 2024 20:33

Anwandlungen wie bei @Adler und Drache nehme ich bei mir zu meinem Erstaunen in letzter Zeit auch wahr. Endlich Nicht-Leser (so ein Buchtitel). Liegt daran, dass die reale Realität Aufmerksamkeit heischt, aber auch Spannung hat. Dann: dass ich erst mal wieder Platz schaffen muss. Und auch daran, dass ich für eine bestimmte Sorte Fiktion verloren bin. Kann diese Sorte nicht näher definieren - am ehesten mit "zu literarisch", l'art pour l'art. Beim Film wäre es "Arthaus-Ästhetik".
Dann lese ich Sachen mit Begeisterung aber wieder. Oder entdecke doch was (für mich) Neues, wie derzeit Fontane: Der Stechlin. Wirklich großartig. 
Rezensionen können eine eigene kleine Kunstform sein. Oft reicht mir ja die Rezension - und entlastet von eigener Lektüre.
Bei "Anmuten" verwende ich Dativ. 
 

Gracchus

19. August 2024 20:54

Philip Manows Buch scheint in der Tat interessant - und (wie schon frühere Publikationen desselben) geeignet, die unterkomplexen bescheuerten Diskursformationen "unserer Demokratie" durcheinanderzuwirbeln. Wer nur ein wenig demokratietheoretisch bewandert ist, muss eigentlich sehen, dass "unsere Demokratie" zur Farce gerät. 
Von Otto Kallscheuer kenne ich "Die Wissenschaft vom Lieben Gott" - wäre etwas für unseren Laurenz (ebenso Angenendts Gewalt im Christentum) - da kommt Kallscheuer wie ein Nachfahre des katholischen Böll daher. 
Illouz' Buch würde mich ebenfalls interessieren. Das Zitat bestätigt leider ein ungutes Gefühl. Leider - weil es für viele europäische Juden wie Aharon Appelfeld oder Abraham Sutzkever einst Rettung bedeutete.

nom de guerre

19. August 2024 21:01

@ Franz Bettinger Gebe Ihnen Recht, James Bond agiert wie ein Verbrecher, mit dem der Zuschauer jedoch sympathisieren soll. Meine Frage bezog sich darauf, ob Sie Das Duell als Agentengeschichte wahrnehmen. Ich hatte beim Lesen zunächst diesen Eindruck, vllt. wollte der Autor aber auch offen lassen, was genau der Hintergrund des Konflikts ist. Mir war die relativ sinnfreie Brutalität zuviel (alle paar Seiten wird jemand totgeprügelt, vom Hai gefressen etc.) und auch die Situation der Frau war für mich zu starker Tobak. An einer Stelle wird ihr Äußeres als “züchterischer Erfolg“ bezeichnet, was in dem Kontext wohl wörtlich zu verstehen sein dürfte. Klar, man muss über so etwas schreiben dürfen, aber ich würde es normalerweise nicht lesen.

nom de guerre

19. August 2024 21:20

@ Maiordomus Als ich oben geschrieben habe, dass ich mit Bosselmanns Texten nichts anfangen kann, war das vereinfacht ausgedrückt. Seine Texte bringen mich regelmäßig zum Grübeln, aber ich fühle mich nicht positiv angesprochen. Irgendetwas Atmosphärisches stört mich daran, ohne dass ich es näher benennen könnte. Bei der Geschichte über den Einmarsch der Roten Armee in einem Dorf mit dem kleinen Jungen als Protagonisten konnte ich leichter den Finger darauf legen: Da war es dieser seltsam gleichmütige Ton, in dem das Geschehen geschildert wurde, darin gipfelnd, dass der Autor die Rotarmisten, die damit beschäftigt waren, eine riesige Herde gestohlener Pferde mit sich zu führen, als gute (oder anständige, ich weiß es nicht mehr) Bauernsöhne bezeichnet. Das erschien mir schon sehr verniedlichend.

Hartwig aus LG8

19. August 2024 21:45

Phonophor:
Bosselmanns Geschichte hat mir gut gefallen - aber nicht überrascht! Ein "Bosselmann" - ohne fremde Anleihe.
Die dritte Geschichte von W. Sohn erinnerte sehr entfernt an die "Geschichten aus der Business-Class" von Martin Suter ... naja, gänzlich ohne Sutersche Pointe ... aber auch nicht wirklich übel.
@ nom de Guerre; Bettinger
Ich hatte beim "Duell" ebenfalls ein bisschen James Bond und ein bisschen Mafia-Pate vor Augen. Die Sprache von Dirk Alt ist derart plastisch. Mit dem Werbespruch eines Sportkanals ausgedrückt: Man ist "mittendrin statt nur dabei". Das Ende ließ mich ebenfalls halb amüsiert, halb ratlos zurück; aber das war mit egal.

Adler und Drache

19. August 2024 22:30

@Gracchus
Liegt daran, dass die reale Realität Aufmerksamkeit heischt, aber auch Spannung hat.
Ja, Mensch - danke! Ich zergrüble mir das Hirn, und dann ist es doch so simpel, dass man selbst hätte drauf kommen können. Bei mir ist das definitiv ein Grund. Lesen war für mich hauptsächlich Abwehr der als bedrängend und bedrückend empfundenen Realität, eine Art Eskapismus. 
Seit einem Jahr habe ich alle meine Bücher beieinander und in einer Bibliothek vereint, was ich mir vorher (nach dem 19. Lebensjahr) immer gewünscht hatte. Nun stehe ich mit einem Gefühl peinlicher Beklemmung vor meiner Bücherwand und frage mich, was mich da getrieben hat. Ich erkenne da etwas Manisches. Etwas, das mit der katholischen Lehre von der Todsünde der Gula zumindest verwandt ist. Eine Art literarischer Völlerei. Was hab ich nicht alles in mich reingefressen ...
Andererseits, wäre meine Leseunlust bzw. Leseunfähigkeit dann nicht Zeichen einer Gesundung? Nicht mehr in die Zerstreuung zu gehen, sondern ins Tatsächliche? 
@Laurenz
Auch unser beider Mayster haderte übrigens mit seiner jugendlichen literarischen Völlerei! 
 

Adler und Drache

20. August 2024 07:54

@Maiordomus
nicht jede Heimatliteratur ist grosse Literatur, aber grosse Literatur, zum Beispiel russische, ist immer auch Heimatliteratur
Bedenkenswerte Aussage. Habe ich so noch nicht gesehen. 

Maiordomus

20. August 2024 09:56

@Adler und Drache. Natürlich gibt es grosse Literatur, die nicht Heimatliteratur ist, zum Beispiel die besten Gedichte von  Rilke und George, wobei aber letzterer seine Herkunft aus weinbäuerlicher Familie in Binhrn nie verleugnet hat, was in Spuren auch bei seinen Gedichten wunderbar zu verfolgen ist. Der berühmte Grabspruch von Rilke über die Rose hat im Wallis längst Heimatcharakter angenommen. Bei näherem Hinsehen beruht das Werk selbst Dantes auf Heimweh nach Florenz, und Vergil dichtete über sein heimatliches Mantua, und selbst bei Horaz gibt es Heimat-Gesichtspunkte, zu schweigen von den Heimwehgedichten von Ovid. Nicht "Heimatliteratur" sind z.B. die "Wahlverwandtschaften" v. Goethe, im Gegensatz zu den meistgelesenen Anfangskapiteln von "Dichtung und Wahrheit", letzteres das Grösste und niemals Wegbombardierbare, was über Frankfurt als Heimat je geschrieben worden ist. Bleibt wichtigste Prosa von Goethe! Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg sind allerhöchste lit. Qualität, er schrieb dort auch über Schweizer landwirtschaftliche Zuwanderer zur Zeit des "Vaters", der grossen Fürstengestalt im Hauptwerk von Jochen Klepper, das übrigens zu Kubitscheks Lieblingslektüren zählt. Ein Faktor, der für mich viel bedeutender ist als dies oder jenes Andersmeinen. Bei der jüngsten Debatte über den Islam würde ich übrigens eher Krah als Krause recht geben; darüber vielleicht später mal. Publizierte vor 35 Jahren mal über islamischen Fundamentalismus.  

Olmo

20. August 2024 10:04

Baltic Wargames hat mich gefesselt. Was für ein Trip! 

Monika

20. August 2024 10:31

zur Rezension "Vulnerable Gesellschaft " Nicht erst seit heute ist Verletzlichkeit "ein Mittel im Kampf um Macht u. Deutungshoheit". Auf ARTE läuft gerade eine Doku über Habermas, ich habe sie nur überflogen, aber ein Satz , den Habermas in einer Vorlesung ( 70er Jahre) sagt, lautet sinngemäß,dass "die Sensibilität für die Unterdrückung, auch für die Verletztbarkeit des Menschen (individuell und gesellschaftlich) zu einer politischen Kategorie wird ". Damit ist natürlich jeder Aspekt eines philosophisch oder theologischen Verständnisses von Verletzbarkeit hinfällig geworden. Eine fatale Fehlsicht auf "den Menschen". 

Maiordomus

20. August 2024 10:53

PS. George stammt aus einer französischstämmigen Weinbauernfamilie aus Bingen, der Stadt der heiligen Hildegard, blieb aus diesem Grunde immer Kulturkatholik, die "bukolischen" Elemente in seinem lyrischen Werk sind Anspielungen an seine Bingener Heimat. Das Museum ist zu einem Besuch sehr zu empfehlen! Hermann Hesse wiederum wurde mit der Zeit zu einem vermarktbaren sowohl bodenseeorientierten (Museum: Gaienhofen, Halbinsel Höri) als auch tessinischen Heimatschriftsteller. Für Reisende und Besucher mehr als nur literarische Ergänzung, so wie "Peter Camenzind"  wertvoll für den Tourismus am Vierwaldstättersee bei Luzern. 

Dieter Rose

20. August 2024 11:06

@Gracchus Platz schaffen - bitte um Tips!
Verschenken? Will keiner und will man selbst nicht, andere belasten!
Verkaufen? Zeitraubend, bringt fast nichts (ohne ISBN  geht gar nichts)!
Wegwerfen? Da habe ich innere Hemmungen!
Amnesty Flohmark! Sonst noch was, d i e unterstützen!

Diogenes

20. August 2024 14:40

 "(…) nicht jede Heimatliteratur ist grosse Literatur, (...)" - Maiordomus
 
"Bedenkenswerte Aussage. (...)." - Adler und Drache
 
Kommt darauf an, welches Maß man für Kulturelles wählt und anlegt, denn das Linear der Erfassung zeichnet keine absolute Größe als durchgehendes Faktum ab. Größe ist nicht absolut in allem Geschriebenen russischen Wesensausdrucks, so man von russichen Ideologieausflügen in den Materialismus des Moskauer Panslawismus spricht. Es sind immer nur Momentaufnahmen/Eindrücke als Einsichten in die jeweilige Volksseele, wo man zusammentragen und sinnlich wahrnehmen/einwirken lassen kann und wo vom Standpunkte eigener Gesinnung "Tiefe" als Wesensverwandtschaft entsteht. Ist die "Schwere" etwa eine Absolute in der russisch-klassischen Musik; dieses langsame Wandern durch die russischen Heimatgefilde in ihrer Weite, bildlich gesprochen? Und erkennt man daran nicht Verwandtschaft zur deutschen Sehnsucht nach einem weiten, tiefen, unentdeckten Land (Literarische Romantik) als den Geist, der Unternehmung und Erfindertum anspornt? So man Vergleiche zwischen den verschiedenen Volkstümern in ihrer kulturelle Wesenheit anstellt, geht das immer auch mit dem intuitiven Sinnerfassen einher, und nicht ausschließlich über Intellektuelle Intelligenz (von der ich schon als Eigenheit schrieb, sie verliere gerne das Ding der Anschauung aus dem Augenmerk, wenn sie sich vom Boden in die Unschärfen der Litanei verflüchtige - sich um sich selber drehend).

RMH

20. August 2024 16:26

"Und erkennt man daran nicht Verwandtschaft zur deutschen ..."
Auch wenn es als rhetorische Frage formuliert wurde, beantworte ich sie mit einem klaren NEIN. Auch wenn aus "Gesinnung" immer wieder versucht wird, es herbeizureden. Es gibt keine Verwandschaft zwischen Deutschen & Russen - ausgenommen von echten, familiär bestehenden - die über eine schlicht menschliche Verwandschaft hinausgeht, die wir Deutschen aber mit jedem anderen auch teilen. 
@aktuelle Phonophor-Ausgabe: Diesesmal konnte ich mit den Texten, abgesehen vom Vorwort von G.K., nichts anfangen (wie @n. de g.). Das war bei vergangenen Ausgaben aber anders & ich bin mir sicher, bei noch erscheinenden Ausgaben wird sich das auch wieder ändern. Ganz stark - hier teile ich die Aufassung von @MD - ist in der aktuellen Ausgabe der Sezession aufs Neue die kurze Terxt von U. Wolff aus seiner Reihe "Im Umkreis". Diese Textreihe ist jetzt 4 Teile lang & jder Teil bislang gelungen. Man könnte daraus eine Art Literaturwettbewerb machen, in dem Leser einen 1 Seite langen Text aus ihrem Umkreis schreiben & so würde ein schönes Mosaik von D. enstehen.

FraAimerich

20. August 2024 19:38

Das Thema "Islam" wird hier doch ohnehin stets nur angerissen, meinem Eindruck nach möglichst gemieden oder gedeckelt. Wohl, um nicht weiterer Fragmentierung der "Mosaikrechten" Vorschub zu leisten. Aber aus dieser Phase wachsen wir ja langsam raus, wenn ich die letzten Ansagen zum "Vorfeld" wie auch zum "solidarischen Patriotismus" nicht falsch einordne. Dann könnte man es also auch in Sachen Islam mal krachen lassen - jenseits der üblichen Counterjihad-Argumente atlanto-zionistischer und christlicher Provenienz.
Krah hat gegen Krause nicht gerade den besten Tag erwischt (auch keines seiner Paradethemen). Aber in der Sache hat er recht. Um das festzustellen, muß man weder mit der islamischen Mystik noch mit der Gnosis der Shia vertraut sein. Derlei beeindruckt Islamkritiker und Voegelin-Fans ohnehin nicht. Es sollte zunächst einmal genügen, die Wirklichkeit anzuerkennen, wie das ja auch Dr. Tillschneider im Gespräch mit Huseyin Özoguz gelingt.

Gracchus

20. August 2024 22:27

@Adler und Drache: Wobei die reale Realität ja höchst irreal ist, medialer Schein, opakes Lügendickicht. Und da kann eine gute Erzählung wieder den Sinn fürs Wesentliche öffnen. Und Eskapismus: wir fliehen jede Nacht in unsere Träume. Die (irdisch-soziale) Realität würde man sonst nicht aushalten. Schlafentzug ist Folter. Womöglich ist es sinnvoller, sich den eigenen Träumen hinzugeben.
Die literarische Völlegefühl ist mir auch bekannt. Machte sich aber eher daran bemerkbar, dass ich mir sinnlos Bücher kaufte, die ich mangels Zeit gar nicht lesen konnte.

Gracchus

20. August 2024 22:28

@Dieter Rose: Das ist in der Tat ein Problem. Ich meinte jedoch: Platz im Kopf schaffen.

Gracchus

20. August 2024 22:30

@Laurenz: da haben Sie aber eine scheußliche Version von "Freiheit" ausgesucht. 
 

Maiordomus

21. August 2024 08:08

@Monika. Es ist bekannt, dass der sog. später Habermas nebst seinen unvermeidlichen Rechthabereien Altersweisheit angenommen hat, besonders auch in religiöser Hinsicht. Sein Gegenspieler diesbezüglich war aber seit Jahrzehnten Lübbe, der bekanntlich bei der Religion den Gesichtspunkt der "Kontingenz" betont, das existenzielle Ausgeliefertsein den Letzten  Dingen gegenüber, Tod, Krankheit, unersetzliche Verluste, gesellschaftliche Vereinsamung, weil aus dem Zeitgeist gefallen, aber im Positiven auch die Freude an der Schöpfung. Bei Calderon berührt das metaphysische Schicksal des ungeborenen Kindes, heute aktueller denn je, weswegen es aber aus dem Welttheater jeweils weggestrichen wird, die einzige Ausnahme war Hürlimann vor etwa 20 Jahren.  

Maiordomus

21. August 2024 09:11

... "der späte Habermas", Altersweisheit ist weder verboten noch ausgeschlossen, sollte aber nicht wie bei Hahne in zu grossen Eifer ausarten. Sobald man eine Talkshow-Grösse geworden ist, fällt man aus der Riege der Weisen heraus. Davor war nicht mal Sloterdijk gefeit. Anderen wieder freilich fehlt die rhetorische Brillanz. Das Netto-Ergebnis der deutschen Talkshow-"Kultur" heisst Sahra Wagenknecht. Ohne diese Institution gäbe es die neue Partei nicht, jedenfalls nicht im Bereich des Einzugs in Landtage und Bundestag. Dies beweist die tatsächliche Macht der Mainstream-Medien.   

Monika

21. August 2024 10:13

Lieber Maiordomus, Danke für den Hinweis auf Hermann Lübbe ( etwa:Politischer Moralismus, Der Triumpf der Gesinnung über die Urteilskraft) . Altersweisheit entschuldigt nicht in jedem Falle. Das Gesinnungsdenken der 68-er wirkt unheilvoll bis heute fort und verhindert den Zugang zu den neuen Formen der Gewalt, die die liberale Gesellschaft und das Individuum belasteten. ( Messermorde, Gruppenvergewaltigungen, usw). Hier müssen ganz neue philosophische Denkansätze her. Wäre m.E. mal ein Thema für ein Uniseminar. Ich verweise auch auf das neue Buch von Giovanni Maio "Der verletzliche Mensch" . Die Frage ist doch: Nehmen wir diese neuen Formen von Gewalt so einfach hin, oder kommt es hier nicht mal zu einem AUFSCHREI

Messermorde, Vergewaltigungen, Verrohung etc.

Maiordomus

21. August 2024 10:53

@FraAimerich. Krah ist Politiker, nicht Islamkenner; bei Krause ist es eher umgekehrt. Also haben beide ihre Leerstellen. Erlaube ich mir aus der Erfahrung des Redenschreibers hier anmerken zu dürfen. 

Gracchus

21. August 2024 11:05

@FraAimerich: Das Thema "Islam" scheint Ihnen ja auf der Seele zu brennen. Warum?

Laurenz

21. August 2024 11:39

@Gracchus @L. ... welcher Hofbarde, den Sie empfehlen, hat schon 17 Mio. Alben verkauft?
@RMH ... Es gibt keine Verwandschaft zwischen Deutschen & Russen ... Zitieren Sie aus einer Sure des Propeheten RMH?

LotNemez2

21. August 2024 12:16

krautzone x-te gerade auf X:"Wenn in diesem Land noch irgendetwas produziert wird, dann sind es diese unsäglichen Buchmüll-Türme. Wer liest das? Oder besellt die bpb gleich die ganze Auflage und verteilt sie an bedürftige Studenten?" Herrlich! Und ja, das frage ich mich auch jedesmal, wenn ich in Berlin den Anschlusszug verpasse und und die Wartezeit unter den Buchmüll-Türmen totschlagen muss.

FraAimerich

21. August 2024 18:27

@Gracchus  -  Habe das Thema hier nicht aufgebracht und mich auch in der Vergangenheit nur beiläufig dazu geäußert - oder mit Lektürehinweisen. Mich dabei auch weniger für den Islam als gegen eine erbärmlich platte Art der sog. Islamkritik ereifert, die leider nach wie vor auch "in neurechten Zusammenhängen" goutiert wird. Was etwa verbleibenden Resten deutscher Substanz absehbar noch schwer auf die Füße fallen dürfte.
 

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