Zunächst sollten wir die traurige Tatsache festhalten, daß vor 500 Jahren, zur Zeit des letzten globalen Systemwechsels, Europa der Gewinner und Ungarn der Verlierer war. In jener Zeit öffnete sich dank geographischer Entdeckungen in der westlichen Hälfte Europas ein neuer Wirtschaftsraum – einer, an dem teilzuhaben wir völlig unfähig waren.
Zu unserem Unglück brach gleichzeitig auch ein zivilisatorischer Konflikt über uns herein, als die islamische Eroberung Ungarn erreichte und uns für viele Jahre zum Kriegsgebiet machte. Dies hatte einen enormen Bevölkerungsverlust zur Folge, der zu Umsiedlungen führte – deren Folgen können wir heute sehen. Und leider waren wir nicht in der Lage, uns aus eigener Kraft aus dieser Situation zu befreien. Wir konnten uns nicht aus eigener Kraft befreien, und so mußten wir mehrere Jahrhunderte lang Anhängsel einer germanischen, habsburgischen Welt sein.
Erinnern wir uns auch daran, daß die ungarische Elite vor 500 Jahren genau verstand, was geschah. Sie verstand die Natur des Wandels, aber sie hatte nicht die Mittel, die es ihr ermöglicht hätten, das Land auf diesen Wandel vorzubereiten. Das war der Grund für das Scheitern der Versuche, den Raum – den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Raum – zu erweitern und Schwierigkeiten zu vermeiden: der Versuche, uns aus der Situation herauszuwinden.
Ein solcher Versuch wurde von König Matthias unternommen, der – dem Beispiel Sigismunds folgend – Kaiser des Heiligen Römischen Reichs werden und damit Ungarn in den globalen Systemwechsel einbinden wollte. Das scheiterte. Ich würde hier auch den Versuch einschließen, Tamás Bakócz zum Papst ernennen zu lassen, was uns eine weitere Möglichkeit verschafft hätte, zu den Gewinnern dieses globalen Systemwechsels zu gehören.
Aber diese Versuche waren nicht erfolgreich. Deshalb ist das ungarische Symbol dieser Epoche, das Symbol des ungarischen Scheiterns, die verlorene Schlacht bei Mohács. Mit anderen Worten: Der Anbruch der Vorherrschaft des Westens in der Welt fiel mit dem Niedergang Ungarns zusammen.
Das ist wichtig, denn jetzt müssen wir unser Verhältnis zum neuen globalen Systemwechsel klären. Wir haben zwei Möglichkeiten: Ist dies nun eine Bedrohung für Ungarn oder eine Chance für Ungarn? Wenn es eine Bedrohung ist, dann müssen wir eine Politik des Schutzes des Status quo verfolgen: Wir müssen mit den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union mitschwimmen und unsere nationalen Interessen mit einem oder beiden Zweigen des Westens identifizieren.
Wenn wir dies nicht als Bedrohung, sondern als Chance sehen, müssen wir unseren eigenen Entwicklungspfad abstecken, Veränderungen vornehmen und die Initiative ergreifen. Mit anderen Worten: Es wird sich lohnen, eine national orientierte Politik zu betreiben. Ich glaube an das Letztere, ich gehöre zur letzteren Schule: Der gegenwärtige globale Systemwechsel ist keine Bedrohung, zumindest nicht primär eine Bedrohung, sondern eine Chance.
Wenn wir aber eine eigenständige nationale Politik betreiben wollen, fragt sich, ob die notwendigen Rahmenbedingungen vorliegen. Mit anderen Worten: Würden wir Gefahr laufen, daß man uns auf die Füße tritt – oder, besser gesagt: daß man auf uns herumtrampelt? Die Frage ist also, ob wir die Rahmenbedingungen für unseren eigenen Weg in den Beziehungen zu den USA, zur Europäischen Union und zu Asien vorfinden oder nicht.
Zusammenfassend kann ich nur sagen, daß die Entwicklungen in den USA zu unseren Gunsten verlaufen. Ich glaube nicht, daß wir von den Vereinigten Staaten ein wirtschaftliches und politisches Angebot erhalten werden, das uns bessere Chancen eröffnet als die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Wenn wir eines bekommen, sollten wir es in Betracht ziehen.
Natürlich ist die polnische Falle zu vermeiden: Sie haben viel auf eine Karte gesetzt, aber es gab eine demokratische Regierung in Amerika; sie wurden in ihren strategischen polnisch-nationalistischen Zielen unterstützt, aber die Polen sind den Zwängen einer Politik des Demokratieexports, von LGBTQ, Migration und interner gesellschaftlicher Transformation unterworfen, die tatsächlich den Verlust ihrer nationalen Identität riskiert. Wenn es also ein Angebot aus Amerika gibt, dann müssen wir es sorgfältig prüfen.
Wenn wir nach Asien und China schauen, müssen wir sagen, daß dort die Rahmenbedingungen vorliegen – denn wir haben ein Angebot aus China erhalten. Wir haben das großzügigste mögliche Angebot erhalten, und wir werden kein besseres bekommen. Es läßt sich wie folgt zusammenfassen:
China ist sehr weit weg, und für sie ist die Mitgliedschaft Ungarns in der Europäischen Union ein Vorteil. Das unterscheidet sie von den Amerikanern, die uns ständig sagen, daß wir vielleicht austreten sollten. Die Chinesen denken, daß wir hier in einer guten Position sind – auch wenn die EU-Mitgliedschaft eine Einschränkung darstellt, weil wir keine unabhängige Handelspolitik verfolgen können, denn die EU-Mitgliedschaft geht mit einer gemeinsamen Handelspolitik einher.
Dazu sagen die Chinesen: Wenn das der Fall ist, dann sollten wir an der Modernisierung des jeweils anderen teilnehmen. Natürlich muß man immer vorsichtig sein, wenn die Löwen einer Maus eine Einladung aussprechen, denn schließlich spielen die Realität und das Größenverhältnis eine Rolle. Aber dieses Angebot der Chinesen, an einer gegenseitigen Modernisierung teilzunehmen – ausgesprochen während des Besuchs des chinesischen Präsidenten im Mai – bedeutet, daß sie dazu bereit sind, einen großen Teil ihrer Ressourcen und Entwicklungsmittel in Ungarn zu investieren, und daß sie dazu bereit sind, uns Möglichkeiten zu bieten, am chinesischen Markt teilzuhaben.
Was ist die Folge für die Beziehungen zwischen der EU und Ungarn, wenn wir unsere Mitgliedschaft in der EU als Rahmenbedingung betrachten? Meiner Ansicht nach ist der westliche Teil der Europäischen Union nicht mehr auf dem Weg zurück zum nationalstaatlichen Modell. Deshalb werden sie weiterhin in für uns unbekannten Gewässern navigieren.
Der östliche Teil der Union – also wir – können unseren Zustand als Nationalstaaten verteidigen. Dazu sind wir imstande. Die Union hat den derzeitigen Krieg verloren. Die USA werden ihn aufgeben. Europa kann den Krieg nicht finanzieren, es kann den Wiederaufbau der Ukraine nicht finanzieren, und es kann die Führung der Ukraine nicht finanzieren.
Nebenbei bemerkt: Während die Ukraine uns um weitere Kredite bittet, laufen Verhandlungen über die Abschreibung der zuvor aufgenommenen Kredite. Heute streiten die Gläubiger und die Ukraine darüber, ob die Ukraine 20 Prozent oder 60 Prozent ihrer gemachten Schulden zurückzahlen soll. So sieht die Lage in Wirklichkeit aus.
Mit anderen Worten: Die Europäische Union muß den Preis für dieses militärische Abenteuer zahlen. Dieser Preis wird hoch sein, und er wird sich negativ auf uns auswirken. Im Hinblick auf unsere Rahmenbedingungen wird die Folge für uns – für Europa – sein, daß die Europäische Union anerkennen wird, daß die mitteleuropäischen Länder in der Europäischen Union verbleiben, dabei aber ihre nationalstaatlichen Grundlagen bewahren und ihre eigenen außenpolitischen Ziele verfolgen werden. Das mag ihnen nicht gefallen, aber sie werden sich damit abfinden müssen – zumal die Anzahl solcher Länder zunehmen wird.
Alles in allem kann ich deshalb sagen, daß die Rahmenbedingungen für unabhängige, national orientierte Politik gegenüber Amerika, Asien und Europa gegeben sind. Diese werden die Grenzen unseres Handlungsspielraums definieren. Dieser Spielraum ist groß – so groß wie zu keiner Zeit in den letzten 500 Jahren. Die nächste Frage ist, was wir tun müssen, um diesen Raum zu unserem Vorteil zu nutzen. Wenn es einen globalen Systemwechsel gibt, dann brauchen wir eine Strategie, die seiner angemessen ist.
Wenn es einen globalen Systemwechsel gibt, dann brauchen wir eine Gesamtstrategie, eine große Strategie, für Ungarn. Hier ist die Reihenfolge der Wörter wichtig: Wir brauchen keine Strategie für ein Groß-Ungarn, sondern eine große Strategie für Ungarn. Das bedeutet, daß wir bisher kleine Strategien hatten, meist mit einem zeitlichen Horizont bis 2030. Das sind Aktionspläne, das sind politische Programme, und ihr Sinn war, das, was wir 2010 begonnen haben – was wir die nationale Weichenstellung nennen –, einfach zu Ende bringen. Sie müssen abgeschlossen werden.
Aber in einer Zeit des globalen Systemwechsels ist das nicht genug. Dafür brauchen wir eine Gesamtstrategie, einen längeren zeitlichen Rahmen – insbesondere, wenn wir davon ausgehen, daß dieser globale Systemwechsel zu einem langfristig stabilen Zustand führen wird, der über Jahrhunderte anhält. Ob dies der Fall sein wird, werden natürlich unsere Enkel 2050 in Tusnád beurteilen müssen.
Wie stehen wir zur Gesamtstrategie Ungarns? Haben wir eine Gesamtstrategie für Ungarn in unserer Schublade? Wir sollten eine haben, und tatsächlich haben wir eine. Das ist die Antwort. Denn in den letzten zwei Jahren hat uns der Krieg angespornt. Es sind da einige Dinge geschehen, die zu tun wir beschlossen haben, um eine Gesamtstrategie zu schaffen – auch wenn wir in diesem Zusammenhang nicht darüber gesprochen haben.
Wir haben sofort nach der Wahl von 2022 mit der Arbeit an einer solchen Gesamtstrategie begonnen. Ungewöhnlicherweise verfügt die ungarische Regierung über einen politischen Direktor, dessen Aufgabe es ist, diese Gesamtstrategie auszuarbeiten. Wir sind in das System für programmatische Ausarbeitungen des Teams von Präsident Donald Trump eingetreten, und wir sind dort stark involviert. Seit einiger Zeit nehmen Wissenschaftler der Ungarischen Nationalbank an Strategie-Workshops in Asien – insbesondere in China – teil.
Um unseren Nachteil in einen Vorteil zu verwandeln, haben wir, nachdem wir zu einem Ministerwechsel gezwungen waren, keinen Technokraten, sondern einen strategischen Denker in die Regierung geholt und für János Bóka ein eigenes EU-Ministerium geschaffen. In Brüssel sind wir also nicht passiv, sondern haben uns dort eingerichtet: Wir ziehen nicht aus, sondern ziehen ein. Und es gibt eine Reihe solcher Soft-power-Institutionen mit Verbindungen zur ungarischen Regierung – Denkfabriken, Forschungsinstitute, Universitäten –, die in den letzten zwei Jahren auf Hochtouren gearbeitet haben.
Es gibt also eine Gesamtstrategie für Ungarn. In welchem Zustand befindet sie sich? Ich kann sagen, daß sie noch nicht in einem guten Zustand ist. Sie ist nicht in einem guten Zustand, weil die verwendete Sprache zu intellektuell ist.
Und unser politischer und Wettbewerbsvorteil besteht gerade in der Tatsache, daß wir eine Einheit mit den Menschen schaffen können, in der jeder genau versteht, was wir tun und warum. Das ist die Grundlage unserer Fähigkeit, gemeinsam zu handeln. Denn die Menschen werden einen Plan nur dann verteidigen, wenn sie ihn verstehen und erkennen, daß er gut für sie ist. Andernfalls, wenn er auf Brüsseler Blabla beruht, wird er nicht funktionieren.
Leider ist das, was wir jetzt haben, die Gesamtstrategie für Ungarn, noch nicht verdaulich und allgemeinverständlich. Bis dahin wird es noch gute sechs Monate dauern. Momentan ist sie noch roh und grob – ich könnte sogar sagen, daß sie nicht mit einem Füllfederhalter, sondern mit einem Beitel geschrieben wurde, und daß wir noch viel mehr Schleifpapier verwenden müssen, um sie verständlich zu machen. Aber einstweilen werde ich kurz vorstellen, was wir da haben.
Der Kern der Gesamtstrategie für Ungarn – und ich werde jetzt Intellektuellensprache verwenden – ist die Konnektivität. Das bedeutet, daß wir es nicht zulassen werden, in nur eine der beiden entstehenden Hemisphären der Weltwirtschaft eingebunden zu sein. Die Weltwirtschaft wird nicht ausschließlich westlich oder östlich sein. Wir müssen in beiden vertreten sein, in der westlichen und in der östlichen.
Dies wird Folgen haben. Die erste: Wir werden nicht in den Krieg gegen den Osten eintreten. Wir werden uns nicht an der Bildung eines technologischen Blocks gegen den Osten beteiligen, und wir werden uns nicht an der Bildung eines Handelsblocks gegen den Osten beteiligen. Wir versammeln Freunde und Partner, keine wirtschaftlichen oder ideologischen Feinde. Wir gehen nicht den intellektuell viel einfacheren Weg, uns an jemanden anzuhängen, sondern gehen unseren eigenen Weg. Das ist schwierig – aber es gibt eben einen Grund dafür, daß Politik als eine Kunst bezeichnet wird.
Im zweiten Kapitel der Gesamtstrategie geht es um die geistigen Grundlagen. Im Mittelpunkt steht dabei die Verteidigung der Souveränität. Zur Außenpolitik habe ich schon genug gesagt, aber diese Strategie beschreibt auch die wirtschaftliche Grundlage der nationalen Souveränität.
In den letzten Jahren haben wir eine Pyramide aufgebaut. An der Spitze stehen die „nationalen Champions“. Darunter befinden sich die mittelständischen Unternehmen im internationalen Wettbewerb, darunter die Unternehmen, die für den inländischen Markt produzieren. Am unteren Ende stehen die kleinen Unternehmen und Einzelhändler. Dies ist die ungarische Wirtschaft, die die Grundlage der Souveränität zur Verfügung stellen kann.
Wir haben „nationale Champions“ in den Bereichen Bankwesen, Energie, Lebensmittel, Produktion von landwirtschaftlichen Grunderzeugnissen, IT, Telekommunikation, Medien, Bauingenieurswesen, Hochbau, Immobilienentwicklung, Pharmazie, Rüstung, Logistik und – in gewissem Maße, durch die Universitäten – Wissensindustrie. Das sind unsere nationalen Champions. Sie sind nicht nur Champions im eigenen Land, sondern sind alle auf dem internationalen Markt präsent und haben sich als wettbewerbsfähig erwiesen.
Darunter kommen unsere mittelständischen Unternehmen. Ich möchte Sie darüber in Kenntnis setzen, daß es in Ungarn heute 15.000 mittelständische Unternehmen gibt, die international aktiv und wettbewerbsfähig sind. Als wir 2010 an die Macht kamen, waren es 3000. Heute haben wir 15.000. Und natürlich müssen wir die Basis von Kleinunternehmen und Einzelhändlern verbreitern. Wenn wir 2025 einen Friedens- und keinen Kriegshaushalt aufstellen können, werden wir ein umfangreiches Programm für kleine und mittlere Unternehmen auflegen.
Die wirtschaftliche Grundlage für Souveränität bedeutet auch, daß wir unsere finanzielle Unabhängigkeit stärken müssen. Wir müssen unsere Verschuldung nicht auf 50 oder 60 Prozent, sondern auf ungefähr 30 Prozent senken, und wir müssen zu einem regionalen Gläubiger werden. Schon heute versuchen wir uns daran, und Ungarn gewährt befreundeten Ländern in unserer Region, die in irgendeiner Weise für Ungarn wichtig sind, staatliche Kredite.
Gemäß dieser Strategie ist wichtig, daß wir eine Produktionsdrehscheibe bleiben müssen: Wir dürfen nicht zu einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft übergehen. Der Dienstleistungssektor ist wichtig, aber wir müssen den Charakter Ungarns als Produktionsdrehscheibe beibehalten, denn nur auf diese Weise kann es auf dem heimischen Arbeitsmarkt Vollbeschäftigung geben.
Wir dürfen nicht den Fehler des Westens wiederholen, bestimmte Arbeiten in der Produktion von Gastarbeitern erledigen zu lassen, weil dort die Angehörigen der Wirtsbevölkerung bestimmte Arbeiten bereits als unter ihrer Würde ansehen. Sollte es in Ungarn dazu kommen, würde dies zu einem Prozeß der gesellschaftlichen Auflösung führen, der nur schwierig aufzuhalten wäre. Für die Verteidigung der Souveränität beinhaltet dieses Kapitel auch den Aufbau von Universitäten und Innovationszentren.
Das dritte Kapitel benennt das Objekt der Gesamtstrategie: die ungarische Gesellschaft, von der wir sprechen. Wenn wir Gewinner sein sollen, muß diese ungarische Gesellschaft geschlossen und widerstandsfähig sein. Sie muß über eine geschlossene und widerstandsfähige Gesellschaftsstruktur verfügen.
Die erste Voraussetzung dafür ist das Aufhalten des demographischen Niedergangs. Wir haben gut angefangen, aber jetzt sind wir ins Stocken geraten. Es braucht einen neuen Anstoß. Bis 2035 muß sich Ungarn demographisch selbst erhalten können.
Es kommt nicht in Frage, daß der Bevölkerungsrückgang durch Zuwanderung kompensiert wird. Die westliche
Erfahrung zeigt: Wenn es mehr Gäste als Gastgeber gibt, dann ist die Heimat nicht mehr die Heimat. Das ist ein Risiko, das nicht eingegangen werden darf. Wenn wir also nach dem Ende des Kriegs einen Friedenshaushalt aufstellen können, dann muß der Steuerfreibetrag für Familien mit Kindern im Jahr 2025 deshalb wahrscheinlich verdoppelt werden – in zwei Schritten statt in einem einzigen, aber innerhalb eines Jahres, um den Schwung der demographischen Verbesserung wiederzuerlangen.
„Schleusentore“ müssen den Zustrom derjenigen aus Westeuropa regulieren, die in einem christlich-nationalen Land leben wollen. Die Zahl solcher Menschen wird weiter zunehmen. Nichts wird automatisch ablaufen, und wir werden wählerisch sein. Bis jetzt waren sie wählerisch, aber jetzt sind wir diejenigen, die wählerisch sein können.
Damit die Gesellschaft geschlossen und widerstandsfähig ist, muß sie auf einer Mittelschicht aufbauen: Familien müssen über eigenes Vermögen und finanzielle Unabhängigkeit verfügen. Die Vollbeschäftigung muß erhalten bleiben, und der Schlüssel dazu ist die Aufrechterhaltung des derzeitigen Verhältnisses zwischen Arbeit und der Roma-Bevölkerung. Es wird Arbeit geben, und ohne Arbeit kann man nicht leben. Das ist der Deal, und darauf läuft das Angebot hinaus.
Damit verbunden ist auch das System der ungarischen Dörfer, das einen besonderen Pluspunkt der ungarischen Geschichte darstellt, nicht ein Symbol der Rückständigkeit. Das ungarische Dorfsystem muss bewahrt werden. Ein städtisches Dienstleistungsniveau muß von uns auch in den Dörfern gewährleistet werden. Die finanziellen Lasten dafür müssen von den Städten getragen werden. Wir werden keine Megastädte schaffen, wir werden keine Großstädte schaffen, sondern wir wollen Städte und ländliche Gebiete um die Städte herum schaffen, während wir gleichzeitig das historische Erbe des ungarischen Dorfs bewahren.
Und schließlich ist da noch das entscheidende Element der Souveränität, womit wir hier an den Ufern des Olt angekommen sind. Wir haben diesen Teil auf ein Minimum reduziert, aus Angst, daß Zsolt uns sonst das Mikrofon wegnehmen könnte. Das ist die Essenz des Schutzes der Souveränität, der Schutz der nationalen Eigenart. Es geht nicht um Assimilation, nicht um Integration, nicht um Vermischung, sondern um die Bewahrung unserer eigenen nationalen Besonderheit.
Dies ist die kulturelle Grundlage der Verteidigung der Souveränität: die Sprache zu bewahren und einen Zustand der „Nullreligion“ zu vermeiden. „Null-Religion“ ist ein Zustand, in dem der Glaube längst verschwunden ist, aber auch die Fähigkeit der christlichen Tradition verloren gegangen ist, uns mit kulturellen und moralischen Verhaltensregeln zu versorgen, die unser Verhältnis zu Arbeit, Geld, Familie und sexuellen Beziehungen sowie die Abfolge der Prioritäten in unseren Beziehungen zueinander regeln.
Das ist es, was die Westler verloren haben. Ich denke, daß dieser Zustand der „Null-Religion“ eintritt, wenn die gleichgeschlechtliche Ehe als eine Institution mit dem gleichen Status wie die Ehe zwischen Mann und Frau anerkannt wird. Das ist ein Zustand der „Null-Religion“, in dem das Christentum nicht länger einen moralischen Kompaß und Orientierung bietet. Das muß um jeden Preis vermieden werden. Wenn wir also für die Familie kämpfen, dann kämpfen wir nicht nur für die Ehre der Familie, sondern für den Erhalt eines Staats, in dem das Christentum zumindest noch moralische Orientierung für unser Gemeinwesen bietet.
Meine Damen und Herren, schließlich darf diese ungarische große Strategie nicht von „Klein-Ungarn“ ausgehen. Diese Gesamtstrategie für Ungarn muß auf nationalen Grundlagen aufbauen, sie muß alle von Ungarn bewohnten Gebiete umfassen, und sie muß alle in der Welt lebenden Ungarn einbeziehen. Klein-Ungarn allein – Klein-Ungarn als alleiniger Rahmen – wird nicht genügen.
Aus diesem Grund möchte ich kein Datum nennen, denn wir müßten uns dann daran halten. Aber in absehbarer Zeit müssen alle Unterstützungsmaßnahmen, die der Stabilität und Widerstandsfähigkeit der ungarischen Gesellschaft dienen – wie etwa das System der Familienbeihilfe –, in ihrer Gesamtheit auf die von Ungarn bewohnten Gebiete außerhalb der Landesgrenzen ausgedehnt werden. Das geht in keine schlechte Richtung, denn wenn ich auf die Beträge zurückblicke, die der ungarische Staat seit 2010 für diese Gebiete aufgewendet hat, kann ich sagen, daß wir durchschnittlich 100 Milliarden Forint pro Jahr ausgegeben haben. Zum Vergleich kann ich sagen, daß während der sozialistischen Regierung von Ferenc Gyurcsány die jährlichen Ausgaben dafür neun Milliarden Forint betragen haben. Jetzt geben wir 100 Milliarden pro Jahr aus. Das ist also eine mehr als zehnfache Erhöhung.
Die einzige Frage ist: Wenn die Gesamtstrategie für Ungarn feststeht, mit welcher Art von Politik kann sie dann zum Erfolg geführt werden? Zunächst einmal müssen wir uns selbst sehr gut kennen, damit eine Gesamtstrategie erfolgreich sein kann. Denn die Politik, mit der wir einer Strategie zum Erfolg verhelfen wollen, muß zu unserem Volkscharakter passen. Dazu können wir natürlich sagen, daß wir vielfältig sind. Das gilt insbesondere für Ungarn.
Aber es gibt dennoch gemeinsame essentielle Merkmale, und auf diese muß die Strategie abzielen und ausgerichtet sein. Und wenn wir das verstehen, dann brauchen wir keine Kompromisse und keine Konsolidierung, sondern müssen einen festen Standpunkt einnehmen.
Ich glaube, daß das Wesentliche – das gemeinsame Wesentliche, das wir erfassen und auf das wir die ungarische Gesamtstrategie aufbauen müssen – neben der Vielfalt die Freiheit ist, die auch nach innen aufgebaut werden muß: Wir müssen nicht nur die Freiheit der Nation aufbauen, sondern auch die persönliche Freiheit der Ungarn anstreben.
Denn wir sind kein militarisiertes Land wie die Russen oder die Ukrainer. Genausowenig sind wir hyperdiszipliniert wie die Chinesen. Anders als die Deutschen mögen wir keine Hierarchien. Wir mögen keinen Aufruhr, keine Revolution und keine Blasphemie wie die Franzosen. Wir glauben auch nicht, daß wir ohne unseren Staat, unseren eigenen Staat, überleben können, wie die Italiener zu denken geneigt sind.
Für Ungarn ist Ordnung kein Wert an sich, sondern eine notwendige Bedingung für Freiheit, in der wir ungestört leben können. Was dem ungarischen Gefühl und der ungarischen Bedeutung von Freiheit am nächsten kommt, ist der Ausdruck, der ein ungestörtes Leben zusammenfaßt: „Mein Haus, meine Heimat, meine Burg, mein Leben, und ich entscheide, wodurch ich mich in meiner Haut wohlfühle.“ Dies ist ein anthropologisches, genetisches und kulturelles Merkmal der Ungarn, und die Strategie muß sich daran anpassen.
Mit anderen Worten: Das muß auch der Ausgangspunkt für Politiker sein, die die Gesamtstrategie zum Sieg führen wollen.
Dieser Vorgang, von dem wir sprechen, dieser globale Systemwechsel wird nicht in einem oder in zwei Jahren stattfinden, sondern hat bereits begonnen und wird noch 20 bis 25 Jahre lang andauern, und deshalb wird er in diesen 20 bis 25 Jahren der Gegenstand ständiger Debatten sein.
Unsere Gegner werden ihn laufend angreifen. Sie werden sagen, daß der Vorgang umkehrbar sei. Sie werden sagen, daß wir Integration statt einer eigenständigen, nationalen Gesamtstrategie brauchen. Sie werden sie also laufend angreifen und daran arbeiten, sie vom Weg abzubringen. Sie werden nicht nur den Inhalt der Gesamtstrategie, sondern auch ihre Notwendigkeit ständig in Frage stellen.
Dies ist ein Kampf, der jetzt geführt werden muß, aber ein Problem dabei ist der zeitliche Rahmen. Denn wenn es sich um einen Vorgang handelt, der sich über 20 bis 25 Jahre erstreckt, müssen wir zugeben, daß wir nicht jünger werden und deshalb nicht zu denen gehören können, die ihn zu Ende führen werden.
Die Umsetzung dieser Gesamtstrategie – vor allem ihrer letzten Phase – wird gewiß nicht von uns, sondern zumeist von jungen Menschen, die jetzt in ihren Zwanzigern und Dreißigern sind, geleistet werden. Und wenn wir über Politik nachdenken – darüber, wie man eine solche Strategie auf politischem Wege umsetzen kann –, dann müssen wir einsehen, daß es in zukünftigen Generationen im Prinzip nur zwei Positionen geben wird – so, wie es auch in unserer Generation ist:
Es wird Liberale geben und es wird Nationalisten geben. Und ich muß sagen, daß es auf der einen Seite liberale, selbstzufriedene Politiker in hautengen Klamotten mit allergenfreiem Avocado-Latte in der Hand geben wird und auf der anderen Seite bodenständige junge Leute mit nationalistischen Ansichten. Deshalb müssen wir anfangen, junge Menschen anzuwerben – jetzt, für uns.
Die Opposition wird unablässig vom liberalen Zeitgeist organisiert und auf das Schlachtfeld geschickt. Die brauchen keine Rekrutierungsbemühungen, denn deren Rekrutierung läuft von allein. Aber unser Lager ist anders: Das nationale Lager kommt nur auf einen Trompetenstoß heraus und kann sich nur unter einer hochgezogenen Fahne versammeln. Das gilt auch für junge Menschen. Deshalb müssen wir mutige junge Kämpfer mit nationalistischer Gesinnung finden. Wir suchen nach mutigen jungen Kämpfern mit einem nationalen Geist.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Liselotte
Das bedeutet, daß wir es nicht zulassen werden, in nur eine der beiden entstehenden Hemisphären der Weltwirtschaft eingebunden zu sein.
Ich wünsche ihm ja gutes Gelingen, denn so eine nicht-einseitige Position ist einerseits wünschenswert, andererseits besteht die Gefahr, zwischen allen Stühlen sitzen zu kommen. Die Türkei macht es in gewisser Weise vor mit der mehrseitigen Handlungsfähigkeit, ist aber sehr volatil.
Mag sein, daß Ungarn durch die Ostverschiebung des Weltzentrums mehr "beleuchtet" wird als der Westen - aber als Binnenstaat mit den Chinesen handeln zu wollen, ist nicht ganz einfach, und Deutschland und die EU sind mehr an der US-Kandare denn je.