Aus dem Volk – der Politiker Christoph Berndt

Der Spitzenkandidat der AfD für die Landtagswahl in Brandenburg (22. September) heißt Christoph Berndt. Er stand dem rbb jüngst in der Sendereihe "Ihr Plan für Brandenburg" Rede und Antwort - glänzend, wie wir meinen. Den Mitschnitt des rbb-Gesprächs kann man hier abrufen.

Berndt ist authen­tisch, denn er kommt “aus dem Volk”. Über die­se Wen­dung und über ihn als Typ, den sich jede Par­tei nur wün­schen kann, ist in der 121. Sezes­si­on ein gro­ßes Por­trät erschie­nen. Das Heft ist fast ver­grif­fen, ver­grif­fen, lei­der viel zu rasch, aber das ist ja im Grun­de ein gutes Zei­chen. Wer noch zugrei­fen will: hier kann man erwer­ben.

Jeden­falls: Hier ist nun der Text aus dem Heft, und die pdf, die man sich aus­dru­cken kann und die alle Bil­der ent­hält, ist hier zu fin­den.

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Aus dem Volk – der Poli­ti­ker Chris­toph Berndt

von Wig­go Mann

Wahl­kampf­auf­takt der AfD Bran­den­burg in Wer­der (Havel). Die AfD hat sich dazu einen Ort aus­ge­sucht, der einen sym­bol­träch­ti­gen Namen trägt: die Bis­marck­hö­he, ein altes Aus­flugs­lo­kal ober­halb von Wer­der mit einem wun­der­schö­nen Tanz­saal aus der Jahr­hun­dert­wen­de und Blick über den Fluß. Sym­bol­träch­tig ist der Name Bis­marck nicht nur, weil sich die AfD als ein­zi­ge Par­tei zum Natio­nal­staat Deutsch­land bekennt, son­dern auch, weil sie die Spal­tung über­win­den will, zu der es auf­grund der poli­ti­schen Agen­da der Alt­par­tei­en in vie­len Fra­gen und quer durch Deutsch­land gekom­men ist.

Die alte Mah­nung »Seid einig« könn­te als Mot­to über dem Wahl­kampf­auf­takt ste­hen. Seid einig, dann kann uns nie­mand besie­gen. Seid einig, dann kön­nen wir Deutsch­land ret­ten. Einig war die AfD in Bran­den­burg in den letz­ten Jah­ren nicht immer. Der Lan­des­ver­band war lan­ge gelähmt, weil sich zwei Lager unver­söhn­lich gegen­über­stan­den. Das hat­te weni­ger mit der poli­ti­schen Aus­rich­tung als mit den Per­so­nen zu tun. Doch mitt­ler­wei­le ist Ruhe ein­ge­kehrt, die gan­ze Auf­merk­sam­keit gilt dem eige­nen Pro­gramm und dem poli­ti­schen Gegner.

Der Wahl­kampf­auf­takt ist kei­ne Show wie bei den Repu­bli­ka­nern in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten, auch wenn es Anlei­hen gibt: Der Lan­des­chef René Sprin­ger und der Spit­zen­kan­di­dat Chris­toph Berndt zie­hen mit Musik in den Saal ein, das Publi­kum schwenkt Fähn­chen und hält Schil­der hoch. Aber es klappt nicht so ganz. In den nüch­ter­nen Preu­ßen steckt kein erweck­ter Ame­ri­ka­ner. Es geht eben dar­um, den Wäh­lern das Gefühl eines Auf­bruchs zu ver­mit­teln. Die Bil­der dafür wer­den sich finden.

Eigent­lich geht es nur um eine Land­tags­wahl. Aber natür­lich geht es um viel mehr: um einen Sieg, um Macht­be­tei­li­gung, um Gestal­tungs­macht, um eine ande­re Poli­tik. Es geht um Deutsch­land, und irgend­wo muß man ja anfan­gen; am bes­ten dort, wo man zu Hau­se ist. Der Lan­des­vor­sit­zen­de Sprin­ger hält die Eröff­nungs­re­de. Sie ist gespickt mit Hin­wei­sen auf die Lage in Deutsch­land und die Not­wen­dig­keit, Abhil­fe zu schaffen.

Spit­zen­kan­di­dat Berndt nimmt den Faden auf: Der AfD gehört die Zukunft, denn die Jugend wählt rechts. Das ist einer­seits über­ra­schend, denn die Jugend wird wie kein zwei­ter Bevöl­ke­rungs­teil unun­ter­bro­chen indok­tri­niert. Ande­rer­seits liegt es nahe: Die­se Alters­grup­pe spürt die Ver­än­de­run­gen im Land am deut­lichs­ten – im Klas­sen­ver­band, im Frei­bad, abends auf der Straße.

Die AfD ver­steht sich aus die­sem Grund als Volks­par­tei. Sie will Deutsch­land als Land der Deut­schen erhal­ten, sie tritt dem woken Wahn­sinn von Mas­sen­ein­wan­de­rung, Trans­for­ma­ti­on und Umer­zie­hung ent­ge­gen. Und schließ­lich will sie end­lich anfan­gen, ihr Pro­gramm umzu­set­zen. Das Wahl­kampf­mot­to heißt nicht ohne Grund »Es ist Zeit«.

Die AfD ist, so Berndt, regie­rungs­fä­hig und wird in den ers­ten hun­dert Tagen ihre wesent­li­chen Punk­te umset­zen. Das Sym­bol dafür ist die Regen­bo­gen­fah­ne, die nach der Regie­rungs­über­nah­me vor kei­nem öffent­li­chen Gebäu­de mehr wehen wird.

Dar­über hin­aus sieht das 100-Tage-Pro­gramm vor: kon­se­quen­te Abschie­bung ille­ga­ler Migran­ten und Start eines umfas­sen­den Remi­gra­ti­ons­pro­gramms, Auf­ar­bei­tung des Coro­na-Unrechts, Unter­stüt­zung von Friedens­initiativen und Ende der Sank­tio­nen gegen Ruß­land, Abschaf­fung der Rund­funk-Zwangs­ge­büh­ren, Ein­füh­rung neu­er Rah­men­lehr­plä­ne, damit wie­der alle Schü­ler lesen und schrei­ben ler­nen, Stopp des Wind­kraft­aus­baus und der Ver­schan­de­lung der Natur, Abwick­lung des Ver­fas­sungs­schut­zes, Instand­set­zung der Infra­struk­tur in Bran­den­burg und schließ­lich soll das Volk wie­der der Sou­ve­rän sein, indem Volks­ent­schei­de erleich­tert und Ver­fas­sungs­än­de­run­gen vom Volk abge­stimmt werden.

Berndt hält sei­ne Rede. Was zeich­net ihn aus? Er pflegt kei­nen Ver­bal­ra­di­ka­lis­mus, ihm geht es um das Gan­ze. Scharf in der Sache, aber ver­bind­lich im Ton. Er weiß, daß die Hür­de, sich zur AfD zu beken­nen, für vie­le Men­schen noch immer hoch ist. Durch Phra­sen und lee­re Dro­hun­gen macht man sie noch höher. Des­halb ist die Ver­nunft sein Leit­fa­den. Man müs­se mit den Leu­ten ver­nünf­tig reden, man müs­se zei­gen, daß man sie ver­ste­he und ihre Sor­gen ernst neh­me und die­je­ni­ge Par­tei sei, die über Pro­ble­me nicht nur spre­che, son­dern sie auch lösen könne.

Berndt ist kein Zyni­ker, der dem blö­den Volk etwas vor­be­tet und es zugleich ver­ach­tet. Er ist im Gegen­teil ganz davon über­zeugt, daß die Indok­tri­na­tio­nen durch die Alt­par­tei­en die gesun­den Instink­te und die poli­ti­sche Urteils­kraft ver­dor­ben haben. Hier hel­fe der heil­sa­me Abgleich mit der Wirklichkeit.

Berndt ist als Spit­zen­kan­di­dat ein Unglück für die Alt­par­tei­en und ein Glück für die AfD. Er ist kein Glücks­rit­ter, der bei der drit­ten Par­tei end­lich zum Erfolg gefun­den hat. Er hat sein Arbeits­le­ben hin­ter sich und braucht die Poli­tik nicht als Lebens­ver­si­che­rung. Er könn­te tun, was Rent­ner tun, Blu­men züch­ten oder um die Welt rei­sen. Er müß­te sich nicht in den Schmutz der poli­ti­schen Are­na bege­ben. Und es ist auch nicht der Ehr­geiz des zu kurz Gekom­me­nen, der ihn antre­ten läßt. Für die Alt­par­tei­en ist ein glaub­wür­di­ger AfD-Spit­zen­kan­di­dat ein Problem.

Die Erzäh­lung von der bösen Rechts­par­tei bekommt Ris­se, wenn der Spit­zen­kan­di­dat gar nicht die­sem Kli­schee ent­spricht, son­dern authen­tisch ist. Das mer­ken die Leu­te sehr schnell.

Der Kampf mit dem poli­ti­schen Geg­ner wird von Berndt mit aller not­wen­di­gen Schär­fe, aber ohne Häme geführt. Es geht ihm um die Sache, nicht um die aus­tausch­ba­ren Per­so­nen auf der ande­ren Sei­te. Als der bran­den­bur­gi­sche CDU-Spit­zen­kan­di­dat Jan Red­mann im Juli nachts betrun­ken in Pots­dam auf einem E‑Scooter unter­wegs war und dabei von der Poli­zei erwischt wur­de, mach­te Berndt dar­aus kei­ne Kam­pa­gne gegen Red­mann. Das hat nichts damit zu tun, daß er Trun­ken­heit am Steu­er nicht scharf ver­ur­tei­len wür­de: Berndt ist ein äußerst dis­zi­pli­nier­ter Mensch, dem so etwas nicht pas­sie­ren würde.

Der Grund liegt tie­fer: Berndt weiß, daß man bei fast jedem Men­schen etwas Ähn­li­ches fin­den und skan­da­li­sie­ren könn­te, daß der poli­ti­sche Kampf aber auf einem ande­ren Niveau aus­ge­tra­gen wer­den müs­se. Berndt weiß außer­dem, wie groß die Span­nun­gen in der unna­tür­li­che Kenia-Koali­ti­on aus SPD, CDU und Grü­nen in Bran­den­burg sind und daß deren Prot­ago­nis­ten von ganz allein über Red­mann her­fal­len würden.

Und genau das pas­siert nun: Im Wahl­kampf neh­men die Koali­ti­ons­part­ner kei­ne Rück­sicht mehr auf­ein­an­der. Der SPD bläst der schlech­te Wind der Ampel ins Gesicht, und Red­mann hoff­te, davon zu pro­fi­tie­ren. Sei­ne Geg­ner revan­chier­ten sich und erzähl­ten die Geschich­te von einem, der trun­ken steu­ern wolle.

Berndt ist bei aller Schär­fe in der Sache freund­lich. Nach­dem er zum Spit­zen­kan­di­da­ten der AfD für die Land­tags­wah­len gekürt wor­den war, gab er dem öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk ein Inter­view. Die Fra­gen ziel­ten auf die übli­chen Vor­ur­tei­le: Berndt als Rechts­extre­mer, der eine Chaoten­truppe zur Macht füh­ren wol­le. Die Ant­wor­ten von Berndt waren so bestimmt und dabei so freund­lich, daß das Gegen­teil erreicht wurde.

Für jeden Zuschau­er war klar, daß hier jemand spricht, der inte­ger ist, der sich Gedan­ken gemacht hat und der es ernst meint. Denn Berndts Äuße­run­gen sind durch­dacht. Jeder merkt, daß er es sich mit den Ant­wor­ten nicht leicht macht, daß zuerst die Ana­ly­se kommt und dann die Lösung. Das fällt einem Poli­tik­be­trieb auf, in dem vie­le ihre vor­ge­faß­te Mei­nung in Paro­len und Schlag­wor­te bün­deln, weil sie in der Wie­der­ho­lung den Schlüs­sel zum Erfolg sehen: Man müs­se die Sachen nur lan­ge genug in die Köp­fe der Leu­te häm­mern, dann glaub­ten sie es schon.

Berndt tut das nicht. Er denkt nach, ana­ly­siert und argu­men­tiert. Das fällt ihm nicht schwer, denn er weiß die Rea­li­tät auf sei­ner Sei­te und kann oft schlicht auf die Miß­stän­de, das Ver­sa­gen der Regie­rung und die Pseu­do­op­po­si­ti­on der Alt­par­tei­en hinweisen.

Berndt weiß, daß die ande­ren immer an einem Strang zie­hen, wenn es gegen die AfD geht. Auch die Frei­en Wäh­ler, die 2019 in den Land­tag ein­zo­gen, ver­hal­ten sich nicht anders: Jede par­la­men­ta­ri­sche Initia­ti­ve der AfD wird abge­lehnt. Die AfD-Frak­ti­on konn­te den­noch im Par­la­ment eine rege Tätig­keit ent­fal­ten, die nicht ohne Wir­kung blieb. Mög­lich war das durch die Stär­ke der Frak­ti­on, die mit nur zwei Abge­ord­ne­ten weni­ger als die SPD in den Land­tag ein­zog und damit allein die Vor­aus­set­zung erfüll­te, einen Unter­su­chungs­aus­schuß ein­zu­set­zen. Dazu müs­sen 18 Abge­ord­ne­te einen ent­spre­chen­den Antrag stellen.

Von die­ser Mög­lich­keit mach­te die Frak­ti­on ange­sichts der Coro­na-Maß­nah­men Gebrauch und setz­te den ers­ten und lan­ge ein­zi­gen Unter­su­chungs­aus­schuß zu die­sem The­ma in Deutsch­land über­haupt ein. Maß­geb­lich dar­an betei­ligt war Berndt, den die Vor­gän­ge nicht nur als Medi­zi­ner, son­dern auch als DDR-Bür­ger, der sei­ne Erfah­run­gen mit der Dik­ta­tur schon hin­ter sich hat­te, empör­ten. Das Ergeb­nis war für die Lan­des­re­gie­rung ver­hee­rend. Man glaub­te den Hor­ror­mel­dun­gen und hielt sich skla­visch an die Vor­ga­ben aus Ber­lin, ohne jemals den Ver­such zu unter­neh­men, die Not­wen­dig­keit und Ange­mes­sen­heit die­ser Maß­nah­men zu prü­fen. Die Ver­ant­wor­tung dafür woll­te kei­ner übernehmen.

Der Mehr­heit des Land­tags, die die Maß­nah­men kri­tik­los mit­ge­tra­gen hat­te, sah das natur­ge­mäß anders. Hin­zu kommt: Egal, was ein Unter­su­chungs­aus­schuß an Ver­feh­lun­gen fest­stellt, es hat kei­ner­lei Kon­se­quen­zen. Es sei denn, ein Poli­ti­ker tritt frei­wil­lig zurück. Das haben die Ver­ant­wort­li­chen nicht gemacht.

Trotz die­ser kom­for­ta­blen Situa­ti­on denkt die Land­tags­prä­si­den­tin laut dar­über nach, die Bedin­gun­gen für die Ein­set­zung von Unter­su­chungs­aus­schüs­sen zu ver­schär­fen, so daß zukünf­tig zwei Frak­tio­nen einen sol­chen Antrag stel­len müß­ten. Was das bedeu­tet, ist klar: Es wäre eine Beschnei­dung der Min­der­hei­ten­rech­te. Das ist jetzt schon der Fall, wenn die AfD den ihr zuste­hen­den Pos­ten in der Par­la­men­ta­ri­schen Kon­troll­kom­mis­si­on nicht bekommt und damit kei­ne Mög­lich­keit hat, dem Ver­fas­sungs­schutz auf die Fin­ger zu schauen.

Berndt reagiert auf sol­che unde­mo­kra­ti­schen Win­kel­zü­ge all­er­gisch. Sie ver­let­zen sein Gerech­tig­keits­ge­fühl, obwohl er längst weiß und erfah­ren muß­te, daß die demo­kra­ti­schen Spiel­re­geln nicht für alle gel­ten. Eine grund­sätz­li­che, par­tei­en­staats­kri­ti­sche Oppo­si­ti­on ist im Par­tei­en­staat nicht vor­ge­se­hen. Das Alt­par­tei­en-Kar­tell hat sich mit ihren Aus­grün­dun­gen gut ein­ge­rich­tet und möch­te dabei nicht gestört wer­den. Die AfD stört, zumal dann, wenn sie so ist, wie Berndt sie ver­kör­pert. Denn sie ent­stellt die Alt­par­tei­en zur Kennt­lich­keit, als Beu­te­ge­mein­schaft, die scharf über ihre Trö­ge wacht.

Berndt ist ein Spät­be­ru­fe­ner. Er stell­te im Früh­jahr 2017, kurz vor den Bun­des­tags­wah­len, sei­nen Auf­nah­me­an­trag in die AfD. Er woll­te nicht als März­ge­fal­le­ner gel­ten, wenn die AfD wie erwar­tet erfolg­reich bei die­sen Wah­len abschnei­den soll­te. Daß er erst Anfang 2018 in die AfD auf­ge­nom­men wur­de, lag ver­mut­lich an den damals noch etwas chao­ti­sche­ren Ver­hält­nis­sen in den Geschäfts­stel­len der Partei.

Bis dahin tat sich Berndt immer schwer mit Par­tei­en. In die­ser Hin­sicht war sei­ne Bio­gra­phie als Ossi prä­gend. Wer ein­mal erfah­ren hat­te, was sich hin­ter dem Deck­man­tel schein­ba­rer Plu­ra­li­tät ver­barg, hat da kei­ne Illu­sio­nen. In der DDR gab es die Natio­na­le Front, in der die Block­par­tei­en orga­ni­siert waren. Nach der Wen­de waren es vor allem sol­che Par­tei­ge­nos­sen und West­im­por­te, die den Par­tei­en­staat in den neu­en Bun­des­län­dern prägten.

Bran­den­burg mach­te da kei­ne Aus­nah­me. Als Minis­ter­prä­si­dent regier­te mit Man­fred Stol­pe ein hoher Beam­ter der evan­ge­li­schen Kir­che, die aufs engs­te mit den DDR-Behör­den, ins­be­son­de­re der Sta­si, koope­riert hat­te. Die Beam­ten kamen aus dem Wes­ten, vor allem aus dem Part­ner­land NRW. Die Herr­schaft der SPD dau­ert seit 34 Jah­ren an, nur die Koali­ti­ons­part­ner wech­sel­ten. Die Koali­ti­on mit der SED-Nach­fol­ge­par­tei und schließ­lich die Kenia-Koali­ti­on ent­larv­ten den Par­tei­en­staat in Bran­den­burg end­gül­tig. Es gibt zwi­schen den Alt­par­tei­en kei­ne gro­ßen Unter­schie­de mehr, jeder kann mit jedem koalie­ren, Haupt­sa­che, man kommt auch ein­mal zum Zuge.

Das ist es, was Berndt den in der DDR gebo­re­nen Prot­ago­nis­ten der Alt­par­tei­en, dar­un­ter Innen­mi­nis­ter Stüb­gen und Minis­ter­prä­si­dent Woid­ke, nicht ver­zei­hen kann: den Ver­rat an der fried­li­chen Revo­lu­ti­on von 1989.

Berndt wur­de 1956 in Ber­nau gebo­ren und wuchs im Prenz­lau­er Berg in ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen auf. Der Vater war Mau­rer, die Mut­ter kauf­män­ni­sche Ange­stell­te. Ent­schei­dend für den wei­te­ren Weg war viel­leicht die Tat­sa­che, daß sein Eltern­haus katho­lisch war, was in der DDR eine Außen­sei­ter­po­si­ti­on bedeu­ten konnte.

Wie frucht­bar die­ses Abseits sein kann, ist oft beschrie­ben wor­den: Es lehrt einen früh, die Din­ge etwas dif­fe­ren­zier­ter zu betrach­ten, denn der Abso­lut­heits­an­spruch der offi­zi­el­len Wahr­heit wird durch die Kon­kur­renz der inof­fi­zi­el­len gebro­chen. Es ver­fes­tigt sich eine Skep­sis gegen­über dem Schein der Din­ge. Das ist für die Mün­dig­keit ein gro­ßer Vor­teil: Man glaubt nicht mehr ein­fach so, man wird hell­hö­rig für die Schleif­ge­räu­sche der Propaganda.

In der Nischen­ge­sell­schaft der DDR hät­te also auch die katho­li­sche Kir­che eine sol­che für Berndt sein kön­nen. Nach dem Abitur 1975 schlug er zunächst die­sen Weg ein und besuch­te den Alt­spra­chen­kurs in Schön­eiche bei Ber­lin, der auf das phi­lo­so­phisch-theo­lo­gi­sche Stu­di­um am Pries­ter­se­mi­nar in Erfurt vor­be­rei­ten soll­te. Doch dann ent­schied sich Berndt gegen die geist­li­che Lauf­bahn. Er begann in Ber­lin beim Lam­pen­her­stel­ler Nar­va eine Tätig­keit als Hilfs­ar­bei­ter und mach­te neben­her einen Abschluß als Mecha­ni­ker. Dann folg­te der obli­ga­to­ri­sche Dienst bei der NVA, andert­halb Jah­re als Funk­auf­klä­rer in Mün­che­berg, eben­falls Brandenburg.

Berndt blieb danach dem Prenz­lau­er Berg treu und gehör­te als Rand­figur zu der dor­ti­gen Sze­ne, die sich vor allem kul­tu­rel­ler und künst­le­ri­scher Mit­tel bedien­te, um eine Distanz zum real exis­tie­ren­den Sozia­lis­mus her­zu­stel­len. Der eigent­li­che Stu­di­en­wunsch, Human­me­di­zin, ließ sich nicht ver­wirk­li­chen, so daß Berndt auf das unge­lieb­te Fach Zahn­me­di­zin aus­wei­chen muß­te. Er muß­te nach sei­ner Appro­ba­ti­on jedoch nie als Zahn­arzt arbei­ten, son­dern konn­te eine Aus­bil­dung zum Fach­arzt für Labor­me­di­zin anschlie­ßen. Als sol­cher ver­faß­te Berndt auch sei­ne Pro­mo­ti­on, deren Ver­tei­di­gung genau in die Zeit zwi­schen Wen­de und Wie­der­ver­ei­ni­gung fiel.

Die Zeit danach war nicht ein­fach. Es erging Medi­zi­nern nicht bes­ser als ande­ren Wis­sen­schaft­lern. Die Zer­schla­gung der DDR-Struk­tu­ren und die Vor­ga­ben aus dem Wes­ten stell­ten alles auf den Kopf. Berndt blieb an der Cha­ri­té und enga­gier­te sich für den Erhalt der Arbeits­plät­ze. Er war Mit­be­grün­der der Inter­es­sen­ver­tre­tung »Für unse­re Cha­ri­té«, die erfolg­reich mit den Gewerk­schaf­ten, den eigent­li­chen Platz­hir­schen, kon­kur­rie­ren konn­te. Er führ­te Tarif­ver­hand­lun­gen und war Mit­glied von Per­so­nal­ver­tre­tun­gen, bis er schließ­lich ab 2006 als frei­ge­stell­ter Per­so­nal­rat an die­ser welt­be­rühm­ten Kli­nik tätig sein konn­te. Aus die­ser Zeit rührt sein Geschick, unter­schied­li­che Inter­es­sen auszugleichen.

Die­se Zeit hat­te ein Ende, als sich Berndts Enga­ge­ment für »Zukunft Hei­mat« her­um­sprach. Sein Arbeits­ver­trag wur­de auf­ge­ho­ben. Die Grün­dung des Ver­eins »Zukunft Hei­mat« war die Reak­ti­on auf die soge­nann­te Flücht­lings­kri­se, die ille­ga­le Mas­sen­ein­wan­de­rung, die Herr­schaft des Unrechts. Ganz kon­kret ging es um ein Flücht­lings­heim in sei­nem Wohn­ort. Für ihn, wie viel ande­re, war das ein wei­te­rer Beleg dafür, daß der Regie­rung die Inter­es­sen der Deut­schen egal sei­en. Als gelern­tem DDR-Bür­ger kamen ihm die BRD-Phra­sen bekannt vor. Daß Demo­kra­tie etwas ande­res bedeu­ten kön­ne als Volks­herr­schaft, war ihm schon vor der Wen­de klar.

Berndt orga­ni­sier­te mit Gleich­ge­sinn­ten regel­mä­ßi­ge Pro­test­ver­an­stal­tun­gen und nahm damit den Impuls der Bür­ger­be­we­gung Pegi­da auf, nicht zuletzt in der Hoff­nung, daß sol­cher Stra­ßen­pro­test etwas ändern kön­ne, und sei es nur, daß der ein­zel­ne sich in sei­ner Ver­zweif­lung nicht allei­ne fühlt, son­dern aus der Gemein­schaft neue Kraft schöp­fen kann. Berndt lud bekann­te Red­ner auf sei­ne Ver­an­stal­tun­gen ein und hat­te schließ­lich so gro­ßen Zulauf, daß der Ver­fas­sungs­schutz auf ihn auf­merk­sam wurde.

Aus sei­ner Zeit bei »Zukunft Hei­mat« ist vor allem das Hof­fest in Sagritz übrig­ge­blie­ben, das der Ver­ein jedes Jahr am Pfingst­mon­tag durch­führt. Es fin­det auf dem Hof von Berndt in dem nur weni­ge Häu­ser umfas­sen­den Ort statt. Berndt und sei­ne Frau hat­ten sich vor fünf­zehn Jah­ren ent­schlos­sen, Ber­lin zu ver­las­sen, und die­sen Rest­hof gekauft, den sie seit­her aus­bau­en und restaurieren.

Das Fest ist kei­nes exklu­siv für AfD-Anhän­ger, son­dern für jeder­mann. Kei­ne Sicher­heits­vor­keh­run­gen behin­dern das Kom­men und Gehen. Es gibt selbst­ge­ba­cke­nes Brot aus dem hof­ei­ge­nen Back­ofen, Geträn­ke, Kuchen und Gegrill­tes, und für Unter­hal­tung sor­gen ver­schie­de­ne Sze­ne-Musi­ker. Es geht nicht zuletzt dar­um, den Druck, dem vie­le AfD-Mit­glie­der aus­ge­setzt sind, ein­mal hin­ter sich zu las­sen und mit Gleich- und Wohl­ge­sinn­ten so etwas wie gesell­schaft­li­che Nor­ma­li­tät zu erleben.

Von sei­nem bür­ger­schaft­li­chen Enga­ge­ment rührt die star­ke Affi­ni­tät Berndts zu dem her, was man­che das Vor­feld nen­nen. Von der Par­tei aus gese­hen, ist alles, was nicht unmit­tel­bar zur Par­tei gehört, »Vor­feld« – vor allem dann, wenn es dabei um Bei­trä­ge zur gemein­sa­men Sache geht, die von der Par­tei selbst so nicht geleis­tet wer­den könn­ten. Denn Par­tei­en leben einer­seits von Wäh­ler­stim­men, benö­ti­gen ande­rer­seits aber Per­so­nal, Ideen und Struk­tu­ren. Das »Vor­feld« könn­te den Mil­lio­nen Wäh­lern außer­dem bes­ten­falls die Mög­lich­kei­ten bie­ten, sich alter­na­tiv zu infor­mie­ren, sich zu betei­li­gen und die gan­ze Viel­falt des rech­ten, kon­ser­va­ti­ven, alter­na­ti­ven Den­kens und Lebens zu entdecken.

Aus Sicht eines Poli­ti­kers wie ­Chris­toph Berndt krankt die AfD dar­an, daß sie ange­sichts ihrer Erfol­ge mit­un­ter in der Luft zu hän­gen droht, weil ihr das fehlt, was die ande­ren Par­tei­en sich in Jahr­zehn­ten im vor­po­li­ti­schen Raum auf­ge­baut haben. Daher läßt sich Berndt eben­so gern in Schnell­ro­da bli­cken, redet bei Pegi­da oder fährt noch am Abend des Ver­bots­ta­ges zur Demons­tra­ti­on vor dem Redak­ti­ons­ge­bäu­de von Compact.

Berndt ist seit 2020 Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der der AfD im Land­tag Bran­den­burg. Nicht nur, daß er so schnell nach der Wahl in die­se Posi­ti­on gelan­gen wür­de, war nicht zu erwar­ten, über­haupt schien es unwahr­schein­lich, daß Andre­as Kal­bitz abge­löst wer­den müß­te. Denn auch wenn Kal­bitz’ Füh­rungs­stil nicht unum­strit­ten war, gelang es ihm doch, die Par­tei durch den Wahl­kampf von 2019 zu füh­ren und knap­pe 24 Pro­zent zu erobern.

Aber dann wur­de Kal­bitz, der Alex­an­der Gau­land sowohl als Par­tei- als auch als Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der in Bran­den­burg nach­ge­folgt war, von der AfD-Bun­des­füh­rung unter Jörg Meu­then unter faden­schei­ni­gen Grün­den aus der Par­tei aus­ge­schlos­sen. Den­noch blieb Kal­bitz Vor­sit­zen­der der Frak­ti­on. Die Geschäfts­ord­nung wur­de extra geän­dert, um auch einem Par­tei­lo­sen den Vor­sitz zu ermög­li­chen. Erst zwi­schen­mensch­li­ches Fehl­ver­hal­ten zwang ihn zum Rückzug.

Berndt ent­schied sich für eine Kan­di­da­tur, setz­te sich gegen sei­ne Kon­kur­ren­ten in der Frak­ti­on durch – und hat­te mit einer schwie­ri­gen Patt­si­tua­ti­on zu kämp­fen. Die Mehr­hei­ten waren knapp, und ent­spre­chend schwie­rig gestal­te­te sich die Arbeit. Aber hier kam Berndt sei­ne Erfah­rung jahr­zehn­te­lan­ger Gre­mi­en­ar­beit zugu­te. Er hielt die Frak­ti­on zusam­men und konn­te mit Phil­ip Zesch­mann, der die Frei­en Wäh­ler ver­las­sen hat­te, sogar einen neu­en Abge­ord­ne­ten gewinnen.

Gewählt wird am 22. Sep­tem­ber. Die Umfra­gen sehen die AfD vorn, aber der Vor­sprung auf die Alt­par­tei­en, der ein­mal zehn Pro­zent­punk­te betrug, ist abge­schmol­zen. Die Kam­pa­gnen gegen die AfD haben ihre Wir­kung nicht ver­fehlt. Berndt ist opti­mis­tisch und sieht in dem Ergeb­nis der EU- und Kom­mu­nal­wah­len, die uner­war­tet deut­lich zuguns­ten der AfD aus­fie­len, Rücken­wind. Die gro­ße Unbe­kann­te bleibt das Bünd­nis Sahra Wagen­knecht (BSW).

Die­se Par­tei gehört zum Plan des Estab­lish­ments, die AfD von der Macht fern­zu­hal­ten. Beru­hi­gend ist nur, daß die Alt­par­tei­en bis­her mehr Federn las­sen muß­ten als die AfD. Wer ein­mal AfD gewählt hat, läßt sich von einem so durch­sich­ti­gen Manö­ver wie dem von Sahra Wagen­knecht nicht vom Kurs abbrin­gen. Berndts Glau­be ist in die­ser Hin­sicht uner­schüt­ter­lich – nicht, weil das bei einem Poli­ti­ker so sein muß, son­dern weil er zum einen dar­an glaubt, das Rich­ti­ge zu tun, und zum ande­ren sei­ne Par­tei als ein Mit­tel nie­mals mit dem Zweck verwechselt.

Nichts schreibt sich
von allein!

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Kommentare (4)

Simplicius Teutsch

11. September 2024 12:41

Gut geschriebenes Portrait über Christoph Berndt. – Hatte ich in Sezession Nr. 121 überblättert. Jetzt kann ich – als Wessi – mit dem Brandenburger AfD-Verband erst was anfangen. Danke. Ein Mann, wie Christoph Berndt, gibt mir Hoffnung für die AfD.

Licht des Vaterlandes

11. September 2024 12:50

Wie es sich so fügt...ich bin gestern spontan mit dem Zug nach Golßen gefahren, wo das Abgeordnetenbüro von Berndt liegt. Ich habe die Atmosphäre dieses kleinen, beschaulichen, stellenweise seltsamen Örtchens auf mich wirken lassen und beim Anblick der Wahlplakate still in mich hineingelächelt...es passt.
Viele Male habe ich Christoph Berndts Reden in Dresden persönlich miterlebt und war immer fasziniert von seiner Erscheinung: leidenschaftlich, mit Herz und Verstand. Er hat das Zeug dazu, ein allseits geliebter Landesvater zu werden. Möge ihm eine glückliche Hand bescheiden sein, denn die braucht es eben auch.

Martha

11. September 2024 14:50

Ja, so wünscht man sich einen Politiker. Wären nur alle bei der AfD so. Es sind leider zu wenige. Ein Grund besteht auch darin, daß Tausenden der Zugang verwehrt wird und zudem auch noch gute Leute rausgeworfen oder rausgedrängt werden. Die zu oft fehlende innerparteiliche Solidarität gegenüber dem politischen Gegner wirkt genauso abschreckend wie unnötige inhaltliche Zugeständnisse gegenüber dem Gegner. Die AfD muß jedoch aufpassen, daß nicht noch eine Alternative zur Alternative entsteht, die geschlossener, geradliniger und überzeugender ist.

RMH

11. September 2024 16:27

Drücke Herrn Berndt und seinem Landesverband die Daumen für die Wahl. Man kann nur hoffen, dass der erste Lack vom BSW aufgrund deren Verhalten nach den Wahlen in Thüringen & Sachsen ab ist und das die Wähler bemerkt haben, der einzige, echte Protest ist die AfD. Das die Etablierten, einschl. Union, nichts können, habe sie gerade beim "Scheitern" des Asyl-"Gipfels" erneut grandios bewiesen.