Trump, Musk, Vance und die Meinungsfreiheit (1)

Nachdem manche meinen letzten Beitrag zu Trump als "Eloge" empfanden, obwohl ich darin vor verfrühtem Enthusiasmus gewarnt habe, möchte ich nun noch etwas mehr Wasser in den Wein gießen.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Wenn ich schrei­be, daß der 45. und nun­mehr bald 47. Prä­si­dent der USA “ein Show­man und Selbst­dar­stel­ler” ist, dann mei­ne ich damit auch, daß man nicht alles bare Mün­ze neh­men soll, was er ankün­digt und verspricht.

Das soll­te man frei­lich bei jedem Poli­ti­ker so hal­ten, aber da man­che auf Trump bli­cken wie auf einen Mes­si­as, ist hier beson­de­re Skep­sis geboten.

Neh­men wir nur die bei­den Punk­te, die auch für uns rele­vant sind: Remi­gra­ti­on und Meinungsfreiheit.

Es ist eine Sache, “Mas­sen­ab­schie­bun­gen” von Mil­lio­nen ille­ga­ler Ein­wan­de­rern anzu­kün­di­gen, eine ande­re, sie durch­zu­füh­ren. Die Meme auf Rechtstwit­ter bebil­dern die­sen Vor­gang mit Flug­zeu­gen im Mor­gen­rot­him­mel, denen glück­li­che Men­schen nach­ju­beln. In der Rea­li­tät wird das nicht ganz so glatt ablaufen.

Jared Tay­lor bemerk­te dazu in einem kri­ti­schen Bei­trag:

Theo­re­tisch soll­te es ein­fach sein, das Gesetz zu voll­stre­cken und die Ille­ga­len zu ver­trei­ben. Man beginnt mit einer gro­ßen Ankün­di­gung: „Packt eure Sachen und geht frei­wil­lig, oder wir holen euch, wenn ihr es am wenigs­ten ver­mu­tet.“ Nach ein paar ener­gi­schen, schlag­kräf­ti­gen Raz­zi­en – genug, um den Leu­ten Angst zu machen – wür­den die Ille­ga­len ihre Ange­le­gen­hei­ten in Ord­nung brin­gen und nach Hau­se gehen.

Das wird aber nie­mals pas­sie­ren. Es wird viel­mehr zu end­lo­sen Rechts­strei­tig­kei­ten kom­men. Dann kom­men Rühr­ge­schich­ten über süße gua­te­mal­te­ki­sche Babys. Kir­chen wer­den zu Asyl­hei­men umfunk­tio­niert. Ver­rück­te wei­ße Frau­en wer­den sich auf die Stra­ßen legen, um die ICE-Trans­por­ter auf­zu­hal­ten. Die Fern­seh­nach­rich­ten wer­den trä­nen­rei­che Sze­nen zei­gen. Mit­ar­bei­ter der Abschie­de­be­hör­de wer­den sagen, daß es ihnen uner­träg­lich sei, wei­nen­de Frau­en auf Last­wa­gen zu ver­la­den. Die Güter­wag­gons nach Ausch­witz wer­den beschwo­ren werden.

Die Medi­en wer­den Trump als Unmen­schen hin­stel­len, und das wird ihm nicht gefal­len. Es stimmt zwar, daß 62 Pro­zent der regis­trier­ten Wäh­ler letz­ten Som­mer sag­ten, sie wür­den ger­ne alle Ille­ga­len abschie­ben. Dar­un­ter war auch ein Drit­tel der Demo­kra­ten. Aber ein Medi­ensturm wür­de die­se Zah­len sofort im Nu schrump­fen las­sen. Ich bin mir nicht sicher, ob Donald Trump den Mut für eine Mas­sen­ab­schie­bung hat – oder ob er den Kon­greß dazu brin­gen kann, sie zu bezahlen.

Das alles ist sehr wahr­schein­lich, eher unwahr­schein­lich hin­ge­gen, daß Trump ris­kie­ren wird, vor der Welt­öf­fent­lich­keit als Ver­bre­cher gegen die Mensch­lich­keit mar­kiert zu wer­den. Im Fal­le eines ernst­haf­ten har­ten, sys­te­ma­ti­schen Durch­grei­fens wer­den die Medi­en bald voll sein mit “erschüt­tern­den Bil­dern” aus den schlimms­ten Alp­träu­men der hys­te­ri­schen Lin­ken. Ver­mut­lich wird es dann auch zu lan­des­wei­ten Pro­tes­ten, wenn nicht Unru­hen wie im “Black Lives Matter”-Sommer 2020 kommen.

Da Trump schlau genug ist, das alles zu anti­zi­pie­ren, gibt es zwei Mög­lich­kei­ten: Ent­we­der er ist tat­säch­lich dafür gerüs­tet und bereit, sein Vor­ha­ben unter Ein­satz der vol­len Staats­ge­walt durch­zu­zie­hen und dafür gewal­ti­ge media­le Shit­s­torm-Tor­na­dos auf sich zu neh­men, oder aber er hat die Wäh­ler vor­sätz­lich belogen.

Nun zum The­ma “Mei­nungs­frei­heit”. Elon Musk pos­te­te auf Twit­ter eine kämp­fe­ri­sche Rede von Trump (die kurio­ser­wei­se bereits 2022 ver­öf­fent­licht wur­de), in der er ankün­digt, im Fal­le sei­ner erneu­ten Prä­si­dent­schaft ener­gisch gegen “eine fins­te­re Grup­pe aus Büro­kra­ten des Staats­ap­pa­ra­tes, Sili­con-Val­ley-Tyran­nen, lin­ken Akti­vis­ten und ver­kom­me­nen Main­stream­m­e­di­en” vor­zu­ge­hen, die sich “ver­schwo­ren hat, das ame­ri­ka­ni­sche Volk zu mani­pu­lie­ren und ihm einen Maul­korb zu ver­pas­sen.” (Deut­sche Über­set­zung hier.)

Sie haben zusam­men­ge­ar­bei­tet, um wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen über alle mög­li­chen Din­ge, von Wah­len bis hin zur Gesund­heits­po­li­tik [er spielt hier offen­sicht­lich auf die “gestoh­le­ne Wahl” von 2020 und die Kri­tik an den Coro­na­maß­nah­men an. – ML], zu unter­drü­cken.

 Die­ses Zens­ur­kar­tell muß auf­ge­löst und ver­nich­tet wer­den – und zwar sofort. (…)

Wenn ich Prä­si­dent bin, wird die­se gan­ze ver­rot­te­te Sys­tem der Zen­sur und Infor­ma­ti­ons­kon­trol­le an der Wur­zel aus­ge­ris­sen wer­den. Es wird nichts mehr übrig davon blei­ben. Wenn wir die Rede- und Mei­nungs­frei­heit wie­der­her­stel­len, wer­den wir begin­nen, unse­re Demo­kra­tie zurück­zu­ge­win­nen und unse­re Nati­on zu retten.

Trump ist der Mei­nung, daß das neben der Religions‑, Pres­se- und Ver­samm­lungs­frei­heit im ame­ri­ka­ni­schen Grund­rech­te­ka­ta­log (Bill of Rights) ver­brief­te hei­li­ge Recht der Mei­nungs­frei­heit in der Ver­gan­gen­heit behin­dert wur­de und nun “wie­der­her­ge­stellt” wer­den muß: Make Free­dom of Speech Free Again!

Theo­re­tisch darf in den USA jeder alles sagen, prak­tisch besteht (seit eh und je, wie man bei Toc­que­ville nach­le­sen kann) das Pro­blem, daß man man­che Din­ge nicht sagen kann, ohne sank­tio­niert und “gecan­celt” zu wer­den. “Zen­sur” gibt es in den USA auf dem Papier nicht, de fac­to aber doch, etwa in Form von poli­tisch-ideo­lo­gisch moti­vier­tem Demo­ne­tiz­ing und Deplat­forming auf sozia­len Medi­en, Video- und Audio­por­ta­len und Onlinediensten.

Wer war­um von den Platt­for­men, Por­ta­len und Diens­ten ver­bannt wird, ist jedoch im wesent­li­chen Sache ihrer pri­va­ten Besit­zer, nicht des Staa­tes. Wenn Face­book oder You­tube bestimm­te Regeln auf­stel­len, was auf ihnen frei geäu­ßert wer­den darf und was nicht, dann kann ihnen der Staat (mei­nes Wis­sens) wenig dazwi­schen­re­den, eben­so­we­nig, wie er dik­tie­ren kann, wel­chen Mei­nun­gen und Infor­ma­tio­nen die Tages- und Wochen­zei­tun­gen Raum geben müs­sen oder dür­fen. Er kann aber auch nicht Elon Musk dazu zwin­gen, auf sei­nem gro­ßen, teu­ren Spiel­zeug bestimm­te Inhal­te zu löschen oder zu sperren.

Was Trump jedoch tun kann oder zumin­dest zu tun ankün­digt, ist, staat­li­che Ein­fluß­nah­me auf die­se Platt­for­men zu unter­bin­den und die staat­li­che Zusam­men­ar­beit mit “Fak­ten­che­ckern”, “Wach­hund­or­ga­ni­sa­tio­nen” und sons­ti­gen Dis­kurs­kon­trol­leu­ren und pres­su­re groups (man den­ke an die Anti-Defa­ma­ti­on League, die eng mit dem FBI zusam­men­ar­bei­tet, um “Haß” zu bekämp­fen) zu been­den. So ver­ste­he ich zumin­dest die­se Ankündigung:

Ich wer­de inner­halb von Stun­den nach mei­nem Amts­an­tritt eine Ver­ord­nung unter­zeich­nen, die es jeder Bun­des­be­hör­de ver­bie­tet, mit Orga­ni­sa­tio­nen, Unter­neh­men oder Per­so­nen zusam­men­zu­ar­bei­ten, um die Mei­nungs­frei­heit ame­ri­ka­ni­scher Bür­ger zu zen­sie­ren, ein­zu­schrän­ken oder zu behin­dern. Ich wer­de die Ver­wen­dung von Bun­des­gel­dern ver­bie­ten, um freie Mei­nungs­äu­ße­rung als „Falsch­in­for­ma­ti­on“ oder „Des­in­for­ma­ti­on“ zu dif­fa­mie­ren. Und ich wer­de jeden Bun­des­be­am­ten iden­ti­fi­zie­ren und ent­las­sen, der sich direkt oder indi­rekt an sol­cher Zen­sur betei­ligt – egal, ob es sich um das Hei­mat­schutz-, Jus­tiz- oder Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um oder das FBI han­delt, egal, wer es sein mag.

Das soll nicht nur inner­halb der USA gel­ten, son­dern auch inter­na­tio­nal. J. D. Van­ce unter­mau­er­te dies bereits im Sep­tem­ber die­ses Jah­res mit einer bemer­kens­wer­ten Dro­hung an Län­der, die dem ame­ri­ka­ni­schen Ein­fluß­be­reich unter­lie­gen. Soll­ten die­se es etwa wagen, (das expli­zit Trump-freund­li­che Por­tal) Twit­ter zu zen­sie­ren (er erwähnt eine dies­be­züg­li­che Nach­richt eines unge­nann­ten hohen EU-Beam­ten an Musk), so wür­den sich die USA gezwun­gen sehen, sich aus der NATO zurückzuziehen:

Wenn die NATO möch­te, daß wir sie wei­ter­hin unter­stüt­zen und wei­ter­hin ein guter Teil­neh­mer an die­sem Mili­tär­bünd­nis sind, war­um respek­tiert sie dann nicht die ame­ri­ka­ni­schen Wer­te und die Rede­frei­heit? (…) Es wäre ver­rückt, ein Mili­tär­bünd­nis zu unter­stüt­zen, wenn die­ses Mili­tär­bünd­nis nicht für die Mei­nungs­frei­heit ein­tritt. (…) Wir müs­sen ver­mit­teln, daß die Teil­ha­be an ame­ri­ka­ni­scher Macht mit bestimm­ten Bedin­gun­gen ver­bun­den ist. Eine davon ist die Ach­tung der Mei­nungs­frei­heit, ins­be­son­de­re bei unse­ren euro­päi­schen Ver­bün­de­ten. (…) Euro­päi­sche Län­der soll­ten theo­re­tisch die ame­ri­ka­ni­schen Wer­te tei­len, ins­be­son­de­re in Bezug auf eini­ge sehr grund­le­gen­de Din­ge wie die Redefreiheit.

Das ist ziem­lich merk­wür­dig, denn ein Mili­tär­bünd­nis hat den Zweck der mili­tä­ri­schen Ver­tei­di­gung, und nicht der Über­nah­me und Ver­brei­tung von “Wer­ten”, auch wenn die­se bekannt­lich immer wie­der ins Feld geführt wer­den, um mit krie­ge­ri­schen Mit­teln geo­po­li­ti­sche Inter­es­sen durchzusetzen.

“Wer­te” sind gene­rell ein belieb­ter Vor­wand, um in die Sou­ve­rä­ni­tät eines Lan­des ein­zu­grei­fen, ob mit oder ohne Waf­fen­ge­walt. Zu die­ser Sou­ve­rä­ni­tät gehört natür­lich auch das Recht, eine Inter­net­platt­form zu blo­ckie­ren, wenn die­se Inhal­te ver­brei­tet, die von der Regie­rung aus außen- oder innen­po­li­ti­schen Grün­den nicht erwünscht sind.

Und nun sol­len die­se “Wer­te” unter einer Trump-Regie­rung nicht mehr “LGBTQ” lau­ten, son­dern “Mei­nungs- und Rede­frei­heit”? Wird dann etwa auf Deutsch­land so lan­ge Druck aus­ge­übt, bis z.B. das Netz­werk­durch­set­zungs­ge­setz und der Para­graph 130 fal­len? Das wäre nett, ich wür­de dar­auf jetzt aber kei­ne Wet­te eingehen.

Inter­es­sant an Van­ces Dro­hung ist, daß X/Twitter offen­bar als mäch­ti­ges poli­ti­sches Instru­ment betrach­tet, des­sen Schutz sogar recht­fer­tigt, ein Mili­tär­bünd­nis auf­zu­kün­di­gen. Gewiß wäre es auch für die Mei­nungs­frei­heit in Deutsch­land von Vor­teil, wenn Twit­ter wei­ter­hin frei von Ein­schnü­run­gen durch den deut­schen Staat bleibt. Aber in ers­ter Linie geht es Van­ce wohl dar­um, die für Trump wich­tigs­te Platt­form intakt zu halten.

Die­se Ankün­di­gung macht auch hier­zu­lan­de die Wäch­ter der “rich­ti­gen” Mei­nung ner­vös, in Öster­reich etwa Armin Wolf und in Deutsch­land sein Pen­dant Georg Rest­le, bei­de aggres­si­ve, selbst­herr­li­che Volks­er­zie­her im Dienst von Staats­me­di­en, die mit erzwun­ge­nen Gebüh­ren­leis­tun­gen der Bür­ger finan­ziert werden:

Was hier ange­kün­digt wird, ist ein de fac­to völ­lig unge­re­gel­tes Inter­net, in dem Des­in­for­ma­ti­on, Fake News, Pro­ga­gan­da-Bots und Hate Speech unter dem Label „Free Speech“ alles nie­der­wal­zen wer­den. (Wolf)

Wenn die reichs­ten Män­ner der Welt Medi­en beherr­schen, Debat­ten mani­pu­lie­ren oder Poli­tik für Demo­kra­tie­fein­de machen, braucht es einen ÖRR umso drin­gen­der. Einen, der sich nicht in Belie­big­kei­ten ver­liert, son­dern sich sei­ner Funk­ti­on für die­se Demo­kra­tie wie­der bewusst wird. (Rest­le)

Die­se bei­den Her­ren sind typi­sche Reprä­sen­tan­ten ihrer Zunft. Sie mei­nen, sie hät­ten die Wahr­heit, die “Moral” und “die Demo­kra­tie” für sich gepach­tet. Dabei arbei­ten sie für Sen­der, die vor Des­in­for­ma­ti­on, Fake News und Debat­ten­ma­ni­pu­la­tio­nen nur so strot­zen, eine Tat­sa­che, für die sie in auf­rei­zen­der Wei­se völ­lig betriebs­blind sind. In der Tat sind Rest­le und Wolf Män­ner, die gera­de­zu zu Sym­bol­fi­gu­ren die­ser stu­pen­den Betriebs­blind­heit gewor­den sind.

Was sie aber ver­stan­den haben, ist die Tat­sa­che, daß Mei­nun­gen gera­de in “der Demo­kra­tie” poli­ti­sche Waf­fen (und Waren) sind. Die Macht hat und behält, wer ent­schei­det und wer fil­tert, was Infor­ma­ti­on und was Des- oder Falsch­in­for­ma­ti­on, was “Mei­nung” und was “Haß­re­de”, was “echt” und was “fake” ist.

Eine kom­plet­te Dere­gu­la­ti­on der Mei­nungs- und Infor­ma­ti­ons­flut bedeu­tet natür­lich auch eine Dere­gu­la­ti­on von Pro­pa­gan­da, von Täu­schungs­ma­nö­vern und Mani­pu­la­ti­on. Sie bedeu­tet das Risi­ko ein­zu­ge­hen, daß man auch Lügen, Ver­zer­run­gen, Ver­fäl­schun­gen und Falsch­mel­dun­gen Spiel­raum gibt, da es kei­ne objek­ti­ve, unpar­tei­ische, von allen aner­kann­te Kon­sens-Instanz gibt, die ent­schei­det und fil­tert, was wahr und was falsch ist.

Die “idea­lis­ti­sche” Auf­fas­sung, wie sie Elon Musk öffent­lich ver­tritt, daß die Mei­nungs- und Zen­sur­frei­heit ein Gut an und für sich ist und noch dazu eine Grund­vor­aus­set­zung von “Demo­kra­tie und Frei­heit”, geht davon aus, daß die Mas­se der Medi­en­kon­su­men­ten intel­li­gent, sou­ve­rän und red­lich genug sei, sich in dem gro­ßen, unre­gu­lier­ten Ange­bot zu ori­en­tie­ren und eine ver­nünf­ti­ge Mei­nung zu bilden.

Das ist natür­lich falsch; in der öffent­li­chen Ago­ra tum­meln sich nur weni­ge Sokra­ti­ker, die auf­rich­tig die Wahr­heit erkun­den wol­len. Es ist kei­nes­wegs gewähr­leis­tet, daß sich im frei­en Wett­be­werb der Mei­nun­gen immer das Wah­re, Fak­ti­sche und Gedeih­li­che durch­set­zen wird, weil “die Wirk­lich­keit stär­ker ist” bzw. “sich durch­setzt”, wie auch unse­re Kon­ser­va­ti­ven ger­ne zu glau­ben und zu sagen pflegen.

Musk ist ein alter Liber­tä­rer, er denkt (oder gibt zumin­dest vor, zu den­ken), daß sich auch ein ent­re­gu­lier­ter Mei­nungs­markt “von sel­ber regelt”, und somit das Wah­re, Fak­ti­sche und Gedeih­li­che, demo­kra­tisch (“vom Volk”) Gewünsch­te von selbst her­aus­di­stil­liert, wenn alle mit­ma­chen und fair gespielt wird.

Ähn­lich den­ken auch vie­le Rech­te, daß sich rech­tes Den­ken qua­si auto­ma­tisch durch­set­zen wird, sobald “Zen­sur weg­fällt und die öffent­li­che Mei­nung sich im frei­en Spiel der Kräf­te bil­det”. Schön wär’s, nur glau­be ich, daß die­ses “freie Spiel der Kräf­te” ein Mär­chen oder bes­ten­falls eine Uto­pie ist. Es ist eben­so eine Fata Mor­ga­na wie der “freie Markt”, der angeb­lich alles regeln wür­de, wenn man ihn nur end­lich lie­ße. (Ich räu­me ein, daß man sich zumin­dest einem “mehr oder weni­ger” annä­hern kann.)

Musk selbst ver­sucht gera­de auf sei­ner Platt­form mit gutem Wil­len und gutem Bei­spiel vor­an­zu­ge­hen, indem er das Over­ton-Fens­ter nach rechts geöff­net hat, ohne es nach links ein­zu­schrän­ken (die Lin­ken, extrem into­le­rant gegen­über ande­ren Mei­nun­gen in ihrer Nach­bar­schaft, räu­men indes frei­wil­lig in Mas­sen das Feld).

Einen kom­plett ent­re­gu­lier­ten Markt ohne Beschrän­kun­gen und inter­es­sens­be­ding­te Steue­run­gen gibt es jedoch nicht und kann es auch gar nicht geben, auch nicht im Bereich der “Mei­nun­gen”. Eine Kon­so­li­die­rung der Macht der Gegen­eli­te wird eines Tages unwei­ger­lich neue Regu­lie­run­gen not­wen­dig machen.

Das Trump-Musk-Van­ce-Pro­gramm übt in ers­ter Linie auf das im wei­tes­ten Sin­ne rech­te, nicht-lin­ke, kon­ser­va­ti­ve, liber­tä­re Spek­trum Anzie­hung aus, weil das (eben­falls im wei­tes­ten Sin­ne) lin­ke Spek­trum ohne­hin prak­tisch ent­re­gu­liert ist, und weil in der west­li­chen Welt vor allem Lin­ke ent­schei­den, wel­che Inhal­te in den Medi­en und im Inter­net regu­liert, zen­siert und ver­bo­ten wer­den müssen.

“Mei­nungs­frei­heit” bedeu­tet heu­te schließ­lich vor allem, daß man Din­ge sagen “darf”, die von den Wach­hun­den als “ras­sis­tisch”, “sexis­tisch”, “homo‑, trans- und isla­mo­phob”, “rechts­extrem”, “aus­län­der­feind­lich”, “dis­kri­mi­nie­rend”, “volks­ver­het­zend” usw. gebrand­markt wer­den. (“Anti­se­mi­tisch” auch? Dar­auf kom­me ich noch zu sprechen.)

Die lin­ke Hege­mo­nie ver­liert aller­dings immer mehr an Macht, da sie den Bogen über­spannt und sich zu weit von der Wirk­lich­keit ent­fernt hat. Die Maxi­mal­ver­si­on der “poli­ti­schen Kor­rekt­heit”, die “Woke­ness”, die inzwi­schen auch vie­le Lin­ke und Links­li­be­ra­le ver­är­gert und ent­frem­det, hat ihren Zenit über­schrit­ten, floppt an den Kino­kas­sen, wird zuneh­mend als Lach­num­mer betrach­tet, befin­det sich auf dem Rückzug.

“Woke­ness” ging all­zu weit gegen den “com­mon sen­se” und die mensch­li­che Natur. Die auf­stei­gen­de Gegen­eli­te, deren Gal­li­ons­fi­gu­ren Trump und Musk sind, prescht nun unter dem Ban­ner der “Anti-Woke­ness” nach vor­ne, und sie hat Erfolg, weil es danach eine gro­ße Nach­fra­ge gibt.

Mil­len­ni­al Woes bemerkt hierzu:

Die Wokery lief ins Lee­re, nie­mand glaubt an den Kli­ma­wan­del, nie­mand will nichts besit­zen und unglück­lich sein, und jun­ge Män­ner, die kei­ne Hoff­nung auf eine Fami­li­en­grün­dung haben, sind für jede Gesell­schaft ein sehr gefähr­li­ches Ele­ment, das man lie­ber nicht um sich haben möchte.

Dann ist da noch die rela­tiv ein­fa­che Fra­ge, ob Ame­ri­ka eine mili­tä­ri­sche Super­macht blei­ben soll. Es kann nicht sein, daß Tau­sen­de jun­ger wei­ßer Män­ner mit hohem Tes­to­ste­ron­spie­gel von Trans­gen­der-Kom­man­da­ten ange­führt wer­den. Das ist schlicht und ergrei­fend absurd und hat Ame­ri­ka zum Gespött der gan­zen Welt gemacht.

Er geht davon, daß sich in den USA unter Trump 2.0 und womög­lich dar­über hin­aus vie­le Din­ge ver­bes­sern wer­den, aller­dings mit einem gro­ßen Aber:

Von nun an wird es weni­ger Femi­nis­mus geben, mehr Fami­li­en­grün­dun­gen, mehr wei­ße männ­li­che Hel­den in Fil­men… über allem wird jedoch der Kapi­ta­lis­mus ste­hen, nicht das Volks­tum oder die Iden­ti­tät, und das staats­bür­ger­lich-patrio­ti­sche Regime wird ver­su­chen, sol­che Belan­ge als Sache von „Spin­nern“ abzu­tun. Im End­ergeb­nis wird das, was wir bekom­men wer­den, nicht das sein, was wir brauchen.

Die 1980er Jah­re waren zwar spa­ßig, aber sie führ­ten zu den 2010ern, die ins Nichts führ­ten. Was uns gebo­ten wird, ist kei­ne Erlö­sung, son­dern eine Zwi­schen­lö­sung, wenn auch eine sehr nütz­li­che. Die Lage wird sich ver­bes­sern (es wird eine fan­tas­ti­sche Zeit sein, um ein jun­ger Ame­ri­ka­ner zu sein), aber vor dem Hin­ter­grund des stän­di­gen demo­gra­fi­schen Wan­dels erschei­nen die ange­bo­te­nen Trost­pflas­ter vergiftet.

Trump hat sich nicht immer und über­all als Cham­pi­on der Rede­frei­heit prä­sen­tiert. In der Ver­gan­gen­heit hat er eine signi­fi­kan­te Aus­nah­me gemacht – mehr dar­über im zwei­ten Teil die­ses Beitrags.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (10)

Diogenes

13. November 2024 12:46

"In der Vergangenheit hat er eine signifikante Ausnahme gemacht"
 
Ich muss mich auch nicht wiederholen, wer versteht/erkennt: Es ist mit einer Vielvölkerei in der jüdisches Leben als Minderheit den Ausschlag gibt viel Manipulation möglich. 

donnerkeil76

13. November 2024 13:16

Ich wünsche mir in dieser Zeit mehr Sellner und weniger Lichtmesz. Die schwarze Pille, die hier als gesunde Skepsis verkauft wird, ist so furchtbar typisch deutsch... es gilt jetzt, den Schwung zu nutzen und nicht alles zu zerreden. 

Laurenz

13. November 2024 13:45

Was wird tatsächlich passieren? Hätte es ja spannend gefunden, wenn Wettbüros darauf eingegangen wären. Gegen die Ankündigungen der zukünftigen Trump-Admin ist selbst Javier Milei ein linksradikaler Kultur-Marxist. https://www.zerohedge.com/political/trump-warrior-board-would-purge-woke-generals-us-military-leadership oder https://www.zerohedge.com/political/uniparty-establishment-war-maha-heats oder https://www.zerohedge.com/political/what-expect-trumps-first-day-office oder https://www.zerohedge.com/political/trump-taps-former-ice-director-tom-homan-border-czar oder https://www.zerohedge.com/political/manhattan-project-our-time-musk-and-vivek-ramaswamy-head-department-government-efficiency  Um es mit Goethe zu sagen.... Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Liselotte

13. November 2024 13:48

@ML: guter Beitrag. Bin gespannt auf den 2. Teil.

Umlautkombinat

13. November 2024 15:11

Erst einmal: Es ist noch eine Weile bis Januar und Tag 1. Zwei: Kennedy hatte Tag 1 schon ueberlebt. Drei: Vielleicht prinzipiell erstmal abwarten, statt zu spekulieren?
 
Zu Einzelpunkten:
> Entweder sein Vorhaben [...] durchzuziehen oder [...] vorsätzlich belogen.
 
Wie ich diese Binaritaet liebe. <sarcasm>Damit kommt man natuerlich viel besser in die Positionen, wo die eigene Meinung ueberhaupt anfaengt zu zaehlen, wie man ja immer wieder sehen kann</sarcasm>. Natuerlich werden diese Unwahrheiten produziert, von Trump als Charakter wahrscheinlich auch routiniert und reflexhaft.
Interessiert mich aber nicht - bei weitem nicht - so wie das Gesamtpaket, welches real herauskommt. Auf das beziehen sich meine Denkvorgaenge. Einschraenkungen, nichterfuellte Punkte etc. sind natuerlich zu erwarten. Das weiss doch jeder erwachsene Mensch. Interessant ist nur, ob sie komplett konterkarieren oder nicht.
 
> Meinungsfreiheit
 
Einfach konsequent denken. Natuerlich sind die heutigen Implementationen der Medien eine Waffe. Waeren es U-Boote und die Europaeer haetten eine von den USA gesponserte Luftwaffe und wuerden staendig Loecher in die Boote bohren - dann wuerde ich natuerlich die Versorgung mit Flugzeugen ganz schnell einstellen. Und als einzigen Grund damit zu warten nur den haben, dass mein eigener Nutzen das Ganze beizubehalten die Nachteile noch ueberwiegt.

Wuwwerboezer

13. November 2024 19:07

Pjakin sagt, die Mauer zu Mexiko würde keineswegs gebaut, um die (dann ehemaligen) US-Staaten vor der illegalen Einwanderung von Mexiko her zu schützen - vielmehr sei es umgekehrt: es müsse ein Schutz für Mittel- und Südamerika aufgebaut werden für den Tag der heißen Erde im Norden, an dem Mad Max durchdreht und sich mit seinem BGM-71 montiert auf seinem Dodge RAM, dem Pendant zum aus dem Nichts aufgetauchten sinnbildlichen Toyota Hilux der ISIS, den Weg nach Süden freischießen will. Wir wissen ja: "Die USA gehen unbeirrt den Weg der Perestroika". Auch für den kulturgeschichtlichen Blick oder einfach für den gesunden Menschenverstand dürfte klar sein, daß ein nur auf dem Materialismus gründendes und dabei derart überzüchtes Imperium nur ein paar Jahrzehnte reüssieren kann und dann mit umso verheerenderem Niedergangschaos aus der Weltgeschichte verschwindet.

- W.

FraAimerich

13. November 2024 20:25

@Wuwwerboezer  -  So sei es. Und wir sollten darauf im Rahmen des Möglichen vorbereitet sein und den Abgang erleichtern wo wir können, anstatt Trumps patriotisch verkleideter Neocon-Entourage ("Zionismus and Americanism are the Frontline of Western Civilisation") ergriffen auf den Leim zu gehen.

Franz Bettinger

13. November 2024 20:40

Die Lüge hat so viel Berechtigung wie die Wahrheit. Denn wer vermag zu sagen, was was ist? Der Papst, die Inquisition, das RKI, the Science etwa? Es muss dafür gesorgt werden, dass sich Lüge und Wahrheit fair duellieren können. I.d.R. wird es die Wahrheit leicht haben, die Lüge zu besiegen, ob es um Corona, Rassen, Chemtrails, Homöopathie oder Religion geht. Wozu die Aufregung? Die Meinungsfreiheit muss eine absolute sein, wie die US-Verfassung es vorsieht. Warum sollte sich ein um die Wahrheit bemühtes ehrliches System namens „Demokratie“ von dummen Lügen bedroht sehen? Unsinn! Es ist genau umgekehrt: Korrupte, verlogene Systeme - Fassaden-Demokratien! - brauchen Tabus (Kriegs-Schuldfrage … ) und strafbewehrte Paragrafen, um als Mafia zu überleben.  

ede

13. November 2024 20:46

Natürlich wird mit Trump nicht das Paradies auf Erden ausbrechen, eine Binse. Aber ein Licht am Ende des Tunnels ist es doch zweifellos. Da gibt es keinen Anlass zum rumunken. Und letztlich sind alle Lösungen Zwischenlösungen. 
Millionenfache Abschiebungen sind weder sinnvoll durchführbar noch erforderlich. Diejenigen, die ihren Lebensunterhalt vollständig selbst bestreiten sollten und werden ausgenommen bleiben. Mindestens genauso wichtig ist die Unterbindung des Zustroms. 
Was die Meinungsfreiheit anbelangt verstehe ich die Bedenken noch weniger. Die Lüge ist ohne staatliche Intervention doch gar nicht lebensfähig. Und, mit staatlicher Intervention gleichzusetzen sind formal private Akteure mit überragender, monopolartiger Marktmacht. Das trifft auch auf X zu, das muß man im Auge behalten.
 

Blue Angel

13. November 2024 21:30

Danke für den wieder sehr interessanten Artikel, Herr Lichtmesz.
Wuwwerboizer und FraAimerich: Amen