So geschehen ausgerechnet zu Weihnachten, als die kommende Ernennung des indischstämmigen Investors Sriram Krishnan zu Donald Trumps Chefberater für KI-Fragen bekannt wurde. Sofort hagelte es Kritik daran – von rechts, denn Krishnan ist bekannt für seine Forderung, die Obergrenzen für die Vergabe von H‑1B-Arbeitsvisa aufzuheben, um insbesondere mehr IT-Fachkräfte aus seinem Heimatland anwerben zu können.
Natürlich sind diese Visa befristet. Doch sie können verlängert werden, die Angeworbenen heiraten dann in den USA oder zeugen zumindest Kinder, es entspinnt sich der Familiennachzug (Chain migration) usw. Tragisch genug, daß Donald Trump selbst mit ähnlichen Ideen Wahlkampf gemacht hat. Daß sich Elon Musk in diesen noch kleinen Shit storm einschalten würde, überraschte viele. Insbesondere die Art und Weise.
Denn Musk stimmte der Notwendigkeit einer forcierten Fachkräftezuwanderung vollumfänglich zu. Auch sein baldiger Co-Leiter im angeblichen “Department of Government Efficiency” (ein mehr als lahmer Witz, der einen eigenen Klarstellungstext verdient hat), der ebenfalls indischstämmige Vivek Ramaswamy, stimmte in diesen Tenor mit ein.
Beide steigerten sich auf die Widerworte, die nun auch ihnen entgegenschlugen, in einen regelrechten Furor der Beleidigungen und Herabwürdigungen ihrer Kritiker und angestammter Amerikaner im allgemeinen hinein. Soviel zum Thema “MAGA” – die liberalen Medien weltweit nahmen es mit Feixen zur Kenntnis. Dort können Sie bei Interesse auch die diverse Ergüsse aus den Tastaturen dieser angeblichen Wohltäter “unserer” Sache nachlesen. Ich empfehle allerdings, bei anständigen Quellen zu bleiben.
Seine – ehemaligen? – Parteigänger werden hoffentlich auch längere Zeit nicht vergessen, daß “Mr. Meinungsfreiheit” Elon Musk als erste Reaktion auf Widerspruch nicht nur recht rüde reagierte, sondern offenbar auch verschiedenen registrierten Xitter-Nutzern, die also für Klicks auf ihre Beiträge Geld bekommen können, Abonnenten oder gleich den ganzen Registrierungsstatus entfernen ließ. Und das, nachdem diese bedauernswerten Menschen ihre Bankverbindungen und biometrischen Daten (!) nach Israel durchreichen mußten, um in den Genuß von Auszahlungen zu kommen.
Wie unangenehm es solchen Leuten ist, sich auf das Niveau ihrer Fans hinabquälen zu müssen, sah man plastisch an Ramaswamys Eminem-Darbietung und anderen Auftritten während des Wahlkampfs. Daß Elon Musk provokative Xeets und Meme weniger gezwungen von der Hand gehen, weil er von Natur aus Terminally online ist, denke ich schon. Mit ulkigen Bildern und steilen Ansagen allein ist aber kein Staat zu machen. (Genausowenig wie mit Libertären. Dazu gleich mehr.)
Nach dem Aufstand um ihre Einwanderungspropaganda, die findige “echte Rechte” sogleich in Anlehnung an unfreiwillige deutsche Übersiedler in die USA sowie die eigenwilligen sanitären Trends in Indien auf “Operation Pooperclip” tauften, mußte jedenfalls einiges an Abbitte geleistet werden. Die Positionen indes sind weiter dieselben, wie auch “The Donald” selbst noch einmal klargestellt hat.
Die Selbstdemontage von Elon Musk war dermaßen brutal, daß es mir fast leidtut, sie bereits vor einem Jahr in meiner Einführung in Neoreaktion und Dunkle Aufklärung in Aussicht gestellt zu haben:
Über eine konkrete Weltanschauung scheint [Elon Musk] gar nicht zu verfügen, und auch wenn konservative Ideologiefeinde darüber frohlocken mögen, ist mit einem impulsiven Strippenzieher längst noch kein Staat zu machen, auch wenn er ab und an zufällig etwas im rechten Sinne Liegendes vollbringt.
Elon Musk als Hoffnungsträger zu bejubeln, ist realiter ein konservatives Verhalten. Nicht von ungefähr mußten sich nach seinem berühmt-berüchtigten Gastbeitrag in der Welt am Sonntag die Springer-Organe zur Rechtfertigung zu den sprichwörtlichen Brezeln verbiegen und teils intern Abgänge verzeichnen. Noch vor zwei Jahren standen sie an vorderster Front der deutschsprachigen Medien, die Elon Musk als unternehmerisches Wunderkind abfeierten. Und während die liberaleren Blätter bereits nach Musks Übernahme von Twitter allmählich auf Gegenkurs gingen, hielten Welt und Co. weiter zu ihm. Immerhin sollte es nun gegen die woken Irren gehen, oder?
Nun, die Geschichte um Twitter lief dann ja doch etwas anders, auch wenn Musk-Fans das meist gnädig übersehen. Nicht nur feiern die berüchtigten und viel kritisierten Shadow bans, die es betroffenen Accounts viel schwieriger machen, neue Leser zu finden, unter der Prämisse “Freedom of speech, not freedom of reach” weiter fröhliche Urständ. Die hat Elon Musk übrigens groteskerweise ausgerechnet aus einer Rede Sacha Baron Cohens vor der Anti-Defamation League (also quasi der amerikanischen Amadeu Antonio Stiftung) über die Notwendigkeit von Zensur in den sozialen Medien entnommen.
Die so sicher erwarteten Accountwiederherstellungen sind zum guten Teil sehr spät oder gar nicht durchgeführt worden. Nur zu Erinnerung: Elon Musk hat Twitter im Oktober 2022 übernommen. Martin Sellners “MSLive”-Account, danach angelegt, wurde im August 2023 gesperrt. Unabhängig davon war Sellner ja nie wirklich weg, und so hat die späte Entsperrung seines Hauptaccounts eher noch für logistische Probleme beim Umleiten der zwischenzeitlich angesammelten Abonnenten gesorgt.
Die Entsperrung des American-Renaissance-Leiters Jared Taylor, von dessen Lesern seit eh und je von Elon Musk erbeten, kam just zum Jahreswechsel. Eine billige kleine Brosame mehr als zwei Jahre nach der angeblichen “Befreiung” der Plattform und sieben Jahre nach Taylors Sperrung – der Zusammenhang mit den Reaktionen auf “Operation Pooperclip” liegt auf der Hand.
Und zuletzt hat es sehr wohl auch unter Elon Musk neue Sperrungen von “Gedankenverbrechern” gegeben, etwa von Greg Johnson (Counter-Currents). Natürlich läßt sich einwenden, daß all das ja nicht Elon Musk persönlich veranlaßt. Allerdings hat ihn ja niemand dazu gezwungen, mit Linda Yaccarino eine latente Liberale zur Geschäftsführerin zu ernennen, die in erster Linie an Werbeeinnahmen und der Vermeidung schlechter Presse interessiert ist.
Beachtung verdient ebenso, wie Elon Musk in den vergangenen Wochen den britischen Wendehals Nigel Farage – noch so eine absurde Sehnsuchtsgestalt vieler deutschsprachiger Dissidenten – erst protegiert und dann fallengelassen hat. (In seinen Kreisen nennt man sowas “Pump and dump”, glaube ich.)
Warum war Farage plötzlich nicht mehr der Unterstützung wert? Nicht etwa, weil er sich neuerdings von großangelegten Abschiebungen distanziert. Nein, der Grund ist, daß Farage die Begeisterung Musks für den altgedienten Counterjihad-Hooligan “Tommy Robinson” nicht teilen mochte. (Wobei der tatsächlich eine durch und durch unappetitliche Figur ist und man sich so weit wie nur möglich von ihm fernhalten sollte.) Es ist offensichtlich sehr leicht, sich den Unmut des wankelmütigen Elon Musk zuzuziehen – das ist nicht besonders hilfreich, wenn man auf seinem Rücken politische Ziele zu erreichen versucht.
Nun wird wieder die beleidigte Frage kommen, ob man sich als Rechter denn für gar nichts begeistern dürfe, wie sie nach meiner Einschätzung der Bedeutung von Joe Bidens Kandidaturverzicht oft gestellt wurde. Nicht nur ist die Antwort darauf schlicht “Ja”, denn Politik ist kein Unterhaltungsgeschäft. Die Frage zeugt auch von der verzweifelten Sehnsucht nach starken Freunden, die das eigene Projekt anschieben oder gleich zu ihrem eigenen machen. Das ist von menschlich nachvollziehbar. Es hat aber mit einem “kalten Blick von rechts” nichts zu tun und ist geradezu infantil – wie so viele libertäre Standpunkte.
Womit wir beim Xitter-“Space” sind, in dem Elon Musk am heutigen Abend eine knappe Stunde lang vor bis zu 200.000 internationalen Ohrenpaaren mit der AfD-Bundessprecherin Alice Weidel parlierte. Wir entnehmen diesem Gespräch die Bekräftigung, daß die Alternative für Deutschland eine “libertär-konservative” Partei sei (was auch immer das bedeuten soll), ein inbrünstiges Bekenntnis zu Israel sowie die Tiefenanalysen, daß Adolf Hitler Kommunist gewesen sei und die USA nicht nur im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg jeweils die Welt gerettet hätten, sondern auch jetzt wieder in dieser Verantwortung stehen.
Von “Remigration” indes war nichts zu hören. Na, vielen Dank, basierter Afrikaner, das hat die Welt definitiv gebraucht. Doch hat Frau Weidel das gebraucht? Hat “die Meinungsfreiheit” das gebraucht? Oder hat nicht doch vor allem das dem Vernehmen nach – wie alle nichtsubventionierten Musk-Unternehmen – wirtschaftlich stark strauchelnde Xitter das gebraucht?
Elon Musk verfolgt ebenso wie Peter Thiel (ehemaliger Chef von J.D. Vance), Marc Andreessen (ehemaliger Chef von Sriram Krishnan) und all die anderen gelegentlich “rechts” blinkenden IT-Tycoons zuallererst einmal wirtschaftliche Interessen. Da geht es vor allem um Deregulierung, aber auch um die Durchsetzung öffentlicher Sicherheit, weil die gut fürs Geschäft ist. Menschen, die sich sicher fühlen, arbeiten besser, außerdem bringen Überwachungssysteme und die zu deren Auswertung längst dienenden KI-Lösungen die Kassen zum Klingeln.
Es ist wirklich traurig, daß sich nicht nur leichtgläubige Populisten und kleingeistige Konservative von den darum gestrickten Legenden wohlhabender Gönner einlullen lassen, sondern auch manch ein ansonsten intelligenter ernst zu nehmender Rechter. Doch niemand vermag den von Alice Weidel im Musk-Plausch favorisierten “Minimalstaat” mit den ebenso gewünschten “starken politischen Führern” unter einen Hut zu bringen – man kann unterm Strich nur das eine oder das andere haben, und nur eine von beiden Optionen ist eine rechte. Ich bleibe dabei:
Peter Thiels Interessen sind nicht meine Interessen. Elon Musks Interessen sind auch nicht meine Interessen. Und wenn der durchschnittliche Rechte einmal all die Benebelungen von »Technooptimismus« bis hin zu »Sozialdarwinismus« beiseite schiebt und in seiner Selbstverortung über markige Sprüche aus dem Grundschulpoesiealbum à la »Wenn ich groß bin, möchte ich auch CEO werden« hinausgelangt, wird er einsehen, dass auch seine Interessen nichts mit den Machenschaften dieser Milliardäre gemein haben – nebulöse und völlig beliebige Vorstellungen von »Freiheit« hin oder her.
Inwieweit sich die Interessen dieser Herren allerdings mit jenen Alice Weidels decken, weiß wohl nur sie selbst.
MARCEL
"absurde Sehnsuchtsgestalt" - schön getroffen!
Der fleischgewordene Marvel-Comic.
Hofft nicht auf bessere Zeiten!