Völlig risikofrei “eher links”?

Das Selbstverständnis der West-Linken fand ich bereits vor der Wiedervereinigung irritierend.

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

Wir in der DDR waren ja sozu­sa­gen von Staats wegen links, gehör­ten, so die pro­pa­gan­dis­ti­sche Ein­re­de, zum bes­se­ren, dem fort­schritt­li­chen Teil der Welt, der ande­re erschien uns so dis­kre­di­tiert wie aggres­siv: Viet­nam-Krieg, CIA-Pino­chet-Putsch in Chi­le, nuklea­re Hoch­rüs­tung gegen uns, am inten­sivs­ten wäh­rend unse­rer Kin­der- und Jugend­zeit, als Ronald Rea­gan kraft­voll anti­so­zia­lis­tisch und anti­so­wje­tisch den Kurs bestimmte.

Klar, so sim­pel stand es um Gut und Böse nicht, nur erschien es einem DDR-Schü­ler so, der zu einer Zeit Abitur mach­te, als ein ther­mo­nu­klea­rer Krieg wahr­schein­li­cher schien als des­sen Ver­mei­dung, denn wenn all die Waf­fen schon auf­ge­stellt waren, muß­ten sie ja irgend­wann los­ge­hen, fürch­te­ten wir. Und wie es auch immer ste­hen moch­te: Die Arro­ganz des Wes­tens uns ver­lo­re­nen Brü­dern und Schwes­tern Ost gegen­über schwang schon im näseln­den Ton der Nach­rich­ten­spre­cher von ARD und ZDF mit.

Aber wir gin­gen dann nicht in einem Atom­krieg, son­dern in einem fried­lich geschlos­se­nen Eini­gungs­ver­trag und mit schein­bar gene­rös ver­teil­tem West­geld unter, und danach sah es ein paar Jah­re tat­säch­lich nach dem Ende der Geschich­te aus. Vor­her hat­te die bipo­la­re Welt manich­äi­sche Ansich­ten bedingt, hüben wie drüben.

Aber Lin­ke im Wes­ten? Freun­de unse­rer ver­wach­se­nen DDR, Mit­glie­der der von der SED aus­ge­hal­te­nen DKP, Voll­bart-Nickel­bril­len-Typen mit Lenin‑, Mao‑, Che-Gue­va­ra-Pos­tern an den Wänden?

Ja, die gab‘s da offen­bar, aber als Ost-Jugend­li­chen befrem­de­te mich das. Ich fand, die waren bür­ger­li­che Möch­te­gern-Revo­luz­zer, Bür­ger­söhn­chen und höhe­re Töch­ter, Kin­der ver­mö­gen­der Eltern, also gera­de kei­ne Arbei­ter­kin­der, zumal es im Wes­ten Arbei­ter im dre­cki­gen Blau­mann kaum mehr gab, jeden­falls nicht sol­che wie in den Zwan­zi­gern oder wie bei uns auf dem Bau, in Bit­ter­feld und in der Lau­sit­zer Kohle.

Abge­se­hen davon, daß die Arbei­ter und klei­nen Ange­stell­ten im Wes­ten sich an die SPD hiel­ten, die­sen nach unse­rem Geschmack lau-oppor­tu­nis­ti­schen Ver­ein, der gewerk­schaft­lich immer­fort nach Gehalts­er­hö­hun­gen wim­mer­te. Sozi­al­de­mo­kra­ten woll­ten gleich­falls lie­ber bür­ger­lich als pro­le­ta­risch sein, mein­ten wir; um Klas­sen­kampf ging’s da nicht mehr, zumal die Kapi­ta­lis­ten ihre Leu­te so hiel­ten, daß die min­des­tens VW-Polo fuh­ren und auf Mal­lor­ca urlaub­ten. Nein, das war kein Pro­le­ta­ri­at, und es sah phy­sio­gno­misch auch nicht mehr so aus.

Die DDR ent­sprach zwar über­haupt nicht ihren poli­ti­schen Selbst­wahr­neh­mun­gen und pro­pa­gan­dis­ti­schen Insze­nie­run­gen, aber bür­ger­lich war sie über­haupt nicht, abge­se­hen von einer da und dort, etwa in Arzt– oder Aka­de­mi­ker­haus­hal­ten gepfleg­ten Lebens­kul­tur und abge­se­hen auch von ein paar lie­bens­wert anti­quiert anmu­ten­den Rest­be­stän­den wie auf dem Dres­de­ner Wei­ßen Hirsch.

Bür­ger­lich zu sein, das fan­den wir DDR-Gören ziem­lich unero­tisch, mie­fig und über­lebt. Bür­ger­lich war man im Wes­ten, wenn man einen Mer­ce­des hat­te, ein wei­ßes Hemd mit ein­ge­stick­ter schwar­zer Rose trug und par­fü­mier­te Ziga­ret­ten rauchte.

Wir quarz­ten knis­tern­de Rus­sen­kip­pen, Papi­ros­si mit Machor­ka, die wir uns aus den Läden der sowje­ti­schen Gar­ni­so­nen besorg­ten. Das schien uns durch­aus anti­bür­ger­lich: Papi­ros­si qual­men, Moped fah­ren, viel Pils und Nackt­ba­den, in Feri­en­ar­beit Geld für einen Stern-Rekor­der ver­die­nen und den Wes­ten, abge­se­hen von sei­ner Rock­mu­sik, für ger­ia­trisch und eigent­lich über­lebt hal­ten, ins­be­son­de­re den deut­schen Westen.

Jene, die dort auf links mach­ten, waren ent­we­der durch­ge­knall­te RAF-Ter­ro­ris­ten, deren Bot­schaft wir nicht begrif­fen, obwohl sie kraß war, oder Stu­den­ten mit mise­ra­blem Trai­nings­zu­stand, die mit ihren unge­schmink­ten Freun­din­nen – den heu­ti­gen „Omas gegen Rechts“Pahl-Rugen­stein-Taschen­bü­cher kauf­ten, in denen das Lese­zei­chen wegen zäher Lek­tü­re dann doch auf den ers­ten Sei­ten ste­cken­blieb. Die such­ten ver­peilt etwas in der Kri­ti­schen Theo­rie und waren über­haupt in allem so theo­re­tisch, wäh­rend uns das DDR-Leben frisch ent­ge­gen­schlug, gera­de weil es so oder so zur Posi­tio­nie­rung zwang.

Wir hat­ten ein­fach ande­re Sor­gen: Wie bekom­men wir den extre­men Armee­dienst rum, wie las­sen wir die Funk­tio­nä­re ins Lee­re lau­fen, die uns in „die Par­tei“ holen wol­len, wie impro­vi­sie­ren wir uns zwi­schen offi­zi­el­ler und inof­fi­zi­el­ler Les­art so durch, um stu­die­ren zu kön­nen, ohne uns gänz­lich ideo­lo­gisch ver­ein­nah­men zu las­sen? Was vie­le taten, klar. Aber so waren die Regeln. Wir konn­ten nicht zu allem nein sagen und den­noch etwas wer­den wol­len … Immer ging es um das Sichern von Spiel­räu­men mit­ten im vor­mund­schaft­li­chen Staat.

Was soll­te das denn drü­ben für ein intel­lek­tu­el­ler Mar­xis­mus sein, wenn dort nicht wie bei uns die Men­schen nach den Waren anstan­den, son­dern die Waren nach den Men­schen? Wie konn­te man dort an dem wider­wär­ti­gen Ver­bre­cher Mao etwas fin­den und des­sen Pri­mi­tiv-Kom­mu­nis­mus fei­ern, wenn man selbst latent über­fres­sen in einem Hoch­tech­no­lo­gie-Indus­trie­land leb­te? Und was soll­ten die­se kin­di­schen Gelän­de- oder Räu­ber-und Gen­darm-Spie­le der lang­haa­ri­gen Möch­te­gern-Lin­ken mit der Poli­zei? War das etwa deren Klassenkampf?

Vor dem High­tech- und XXL-Kon­sum-Kapi­ta­lis­mus drü­ben hat­ten wir einen Hei­den­re­spekt, selbst wenn wir uns vor­stell­ten, daß der sich auf Aus­beu­tung und Ver­bre­chen grün­de­te. Das war immer­hin doch ein ech­ter Geg­ner. Und wenn es wirk­lich der – nach dem Urteil Lenins – stin­ken­de, para­si­tä­re und vor allem ster­ben­de Kapi­ta­lis­mus war: Wow, was für ein schö­ner Tod doch, dem wir im West­fern­se­hen zusahen!

Nur konn­ten wir DDR-Jugend­li­chen der Acht­zi­ger uns das tat­säch­li­che Abster­ben des West-Kapi­ta­lis­mus eben­so­we­nig vor­stel­len wie einen wirk­li­chen „Sie­ges­zug des Sozia­lis­mus“, zumal längst durch­roch, daß das „Land Lenins“ nicht nur an gru­se­li­gen Ver­falls­er­schei­nun­gen litt, son­dern Mil­lio­nen Lei­chen im Kel­ler hat­te, die – ganz im Gegen­satz zum Inter­shop-Duft des Gegen­warts­ka­pi­ta­lis­mus – wirk­lich stan­ken, aber nach denen nie und nim­mer auch nur gefragt wer­den durfte …

Wir sahen unse­re Innen­städ­te zer­fal­len, selbst wenn wir mun­ter und gut gelüf­tet mit undich­ten Fens­tern leb­ten, weil wir’s nicht anders kann­ten. Spä­tes­tens in den Acht­zi­gern war abseh­bar, daß die Sta­gna­ti­on in den Nie­der­gang über­ging. „The Doors“ und „Depe­che Mode“ zu hören paß­te irgend­wie dazu … – Noch mehr paß­te lei­der, daß immer mehr von uns ihre Aus­rei­se bean­trag­ten und in den Wes­ten ver­schwan­den wie in ein neu gebuch­tes Leben.

Nur mach­te das Erleb­nis der fina­len Kri­se des DDR-Sozia­lis­mus uns die West-Lin­ken noch unver­ständ­li­cher, zudem die ja wohl Sol­sche­ni­zyn im Buch­han­del fan­den, wir selbst­ver­ständ­lich nicht, obwohl wir schon ahn­ten, daß das, was er schil­der­te, eben doch kein „hys­te­ri­scher Anti­so­wje­tis­mus“ war, son­dern die rei­ne Wahr­heit, die wir, mitt­ler­wei­le Stu­den­ten und jun­ge Arbei­ter, zu fürch­ten begannen.

Mit Gor­bat­schows Glas­nost lag offen: Es ging nicht um Kol­la­te­ral­schä­den einer Revo­lu­ti­on, son­dern um extrems­te Geschichts­lü­gen und sys­tem­im­ma­nen­te mons­trö­se Ver­bre­chen. Geor­ge Orwells „Farm der Tie­re“ war bei uns auch nicht zu bekom­men, aber ja wohl im Wes­ten, wenn­gleich gera­de nicht über Pahl-Rugenstein.

Wir in der DDR waren im Kal­ten Krieg links auf­ge­stellt wor­den und wohl oder übel die Kin­der des Kom­mu­nis­mus. Den es aller­dings nicht gab und zum Glück nie geben wür­de. Wir hat­ten uns min­des­tens mit dem eige­nen Kopf aus der „Frei­en Deut­schen Jugend“, der „Kampf­re­ser­ve der Par­tei der Arbei­ter­klas­se“, her­aus­zu­win­den – und des­we­gen oft die­se oder jene Schwie­rig­kei­ten mit dem Minis­te­ri­um für Staats­si­cher­heit, das uns ent­we­der das Fürch­ten leh­ren oder uns gleich bei sich ein­span­nen woll­te. Bei­des auf ver­schie­de­ne Wei­se schlimm.

Wie aber konn­ten unse­re Alters­ge­nos­sen drü­ben, zumal gebil­de­te Stu­den­ten, das bewun­dern, wor­in wir fest­steck­ten wie in ein eiser­nes Band geschnallt? Wir ver­mu­te­ten, sie woll­ten es ein­fach def­tig ihren Alten zei­gen, also den gepfleg­ten Her­ren mit dem Daim­ler, der gestick­ten Rose auf dem Wanst und den par­fü­mier­ten Ziga­ret­ten. Ein poli­ti­sches Gene­ra­tio­nen­pro­blem, ein sub­li­mier­ter Vater­mord. Sie kas­sier­ten zwar cool ihr groß­zü­gi­ges Taschen­geld, bezahl­ten davon aber ihre link­ship­pe WG-Kul­tur und fuh­ren im Bul­li nach Italien.

War das denn links? War es links, Han­nes-Wader-Lie­der zu sin­gen und auf Demos mit­zu­lat­schen, auf denen einem nichts pas­sie­ren konn­te? Was war revo­lu­tio­när oder auch nur ris­kant an die­sen Latsch-Demos, die von der Poli­zei nicht aus­ein­an­der­ge­knüp­pelt, son­dern, ganz umge­kehrt, geschützt wur­den? Soll­te das Klas­sen­kampf sein? Doch wohl so wenig, wie man mit einem Ver­dienst wie bei VW in Wolfs­burg noch klas­sisch als Pro­le­ta­ri­er gel­ten konnte.

Nur: Nach der Wen­de lern­ten wir die­se West­lin­ken dann ja end­lich ken­nen, vor allem jene, die als Leh­rer rüber­ka­men – knitt­ri­ge Beam­ten­ty­pen mit Bir­ken­stock-San­da­len, durch­weg abge­si­chert, aber in ihrer Selbst­dar­stel­lung gern „eher links“.

Eher links? Schon das Adverb „eher“ dämpf­te das Bekennt­nis auf eine mil­de Light-Ver­si­on. Ent­we­der, mein­ten wir, man hing links voll mit drin, dann aber so rich­tig und ris­kant, so wie in der har­ten Sowjet­uni­on oder in der zwangs­ver­ein­nah­men­den DDR, oder man war ein­fach brä­si­ger Klein­bür­ger, der über­satt von „Zivil­ge­sell­schaft“ und Uto­pien träum­te. Die zu uns als „eher links“ rüber­ka­men, saßen bald in den Ämtern und Minis­te­ri­en und gaben die Rich­tung vor, unter ande­rem mit dem Ergeb­nis des Niveau­ver­lusts unse­rer Schulen.

Eben die­se Gefüh­lig­keit, völ­lig risi­ko­frei „eher links“ sein zu wol­len, hat­te uns Ost­lern schon nicht gepaßt, als es noch den gol­de­nen Wes­ten gab: tags­über Nut­zen aus dem Sys­tem zie­hen, gegen das man dann in irgend­wel­chen Dis­kus­si­ons­grüpp­chen aber prin­zi­pi­ell etwas hat­te, weil man ihm „eher links“ gegenüberstand.

Die­se Lin­ken waren doch mitt­ler­wei­le seit Wil­ly Brandt, also etwa seit den Sieb­zi­gern, immer mehr selbst der Staat! Wie und vor allem wes­halb woll­ten sie ihn bekämp­fen, wenn ihr „Marsch durch die Insti­tu­tio­nen“ doch so ein­drucks­voll erfolg­reich war? Marsch? Hoch­ge­schli­chen hat­ten die sich, ange­paßt oder von ihrer Par­tei­lob­by gescho­ben, bis der brei­te Schreib­tisch dann erreicht und man Refe­rats­lei­ter oder Staats­se­kre­tär war. „Zivil­ge­sell­schaft?“ Eigent­lich ein Syn­onym für den Deep State.

Links­ro­man­ti­sches Maul­hel­den­tum. Dickes Kon­to, eher sel­ten selbst ver­dient, son­dern von der geschmäh­ten, noch leis­tungs­ori­en­tier­ten Eltern­ge­nera­ti­on ererbt, unkünd­bar ange­stellt, mate­ri­ell sor­gen­frei, aber den­noch – oder genau des­we­gen? – „eher links“.

Fol­ge­rich­tig ging es längst nicht mehr um Kampf, son­dern um „Bedar­fe“, um „Teil­ha­be“ und „mehr Mit­tel“, die man selbst nicht erwirt­schaf­te­te, um „Anti­dis­kri­mi­nie­rung“, „bun­te Viel­falt“ und For­de­rung nach Diver­si­ty-Equi­ty-Inclu­si­on, die­sem DEI-Gerech­tig­keits­wahn, den absur­der­wei­se gleich­falls ja die Rich Kids an ver­meint­lich eli­tä­ren ame­ri­ka­ni­schen Bezahl­uni­ver­si­tä­ten auf­ge­bracht hatten.

Wir lern­ten spät: Die hiel­ten sich echt für die bes­se­ren Men­schen, sich selbst gegen­über völ­lig kri­tik­los, schon weil ihre Kri­tik sich an den ande­ren ver­brauch­te, die in den Augen die­ser „eher Lin­ken“ die völ­lig fal­sche Ein­stel­lung hat­ten. Immer­hin: Ihr per­sön­li­cher Kar­rie­re­er­folg gab ihnen recht, so als gute Emp­fin­dungs­lin­ke im bösen Kapitalismus.

Es ging also um so eine Art Moral-Sozia­lis­mus, der auf gespens­ti­sche Wei­se sei­ne eige­ne Ideo­lo­gie und eine bald alles über­wöl­ben­de Phra­sen-Bla­se ent­wi­ckel­te. Plötz­lich gab’s über­all Sprach­re­ge­lun­gen und Trig­ger-War­nun­gen, und die Gesell­schaft neu­ro­ti­sier­te am vor­ge­hal­te­nen Anspruch, bloß nie­man­den zu „dis­kri­mi­nie­ren“.

Schon Leis­tung und Fleiß, gar noch Anstand und Hal­tung zu ver­lan­gen galt bald als dis­kri­mi­nie­rend, soll­te doch jeder bes­ser dort abge­holt wer­den, wo er stand. In der Schu­le begann die emp­fun­de­ne Krän­kung nicht erst wie frü­her mit den Noten vier oder fünf, son­dern schon mit der Drei, dann mit der Zwei. Am Ende gal­ten Zen­su­ren über­haupt als dis­kri­mi­nie­rend inner­halb der „demo­kra­ti­schen Schu­le“, und für jeden, der nichts brach­te, wur­den Dut­zen­de neu­er Dia­gno­sen sowie „För­der­be­dar­fe“ und „Nach­teils­aus­glei­che“ erfunden.

Je inten­si­ver sich die­se Obses­sio­nen stei­ger­ten, um so mehr wur­de eigent­li­che Diver­si­tät zuguns­ten lin­ker und woker Gleich­schal­tung auf­ge­löst, wäh­rend man in den ein­zig Aus­ge­schlos­se­nen, den Rech­ten, nur­mehr infek­tiö­se Krank­heits­fäl­le sah, weil die trotz einer Über­do­sis poli­ti­scher Bil­dung und Bekennt­nis­ein­übung alter­na­tiv blie­ben. Wer sich nicht zustim­mend in die neue Ein­heits­front ein­ord­ne­te, galt als „Hater“. Alter­na­tiv ist die Lin­ke schon lan­ge nicht mehr, son­dern in ihrer Mei­nungs­füh­rer­schaft zum Neu-Estab­lish­ment avan­ciert, zum Anci­en Régime von heute.

Die pene­tran­te For­de­rung „Respekt!“ von deren Sei­te meint nicht etwa die Akzep­tanz gegen­über ande­ren Posi­tio­nen, son­dern – im Gegen­teil – das vor­aus­ge­setz­te Respek­tie­ren links­wo­ker Maß­ga­ben, so wie „Tole­ranz!“ eben nicht kri­ti­sche Dul­dung von Oppo­nen­ten for­dert, son­dern nur die ohne­hin poli­tisch über­ein­stim­men­de Gemein­schaft der Glei­chen beschwört.

Die West-Lin­ken füh­len sich zwar für die gan­ze Welt ver­ant­wort­lich, leben aber selbst höchst kom­for­ta­bel von derer glo­ba­ler Aus­beu­tung. Papier- statt Plas­tik­tü­ten zu benut­zen ändert dar­an nichts, eben­so­we­nig wie Kunst­stoff-Fla­schen mit unver­lier­ba­rem Deckel, Stroh­halm-Ver­bot, Fair-Trade-Kaf­fee und Ukrai­ne-Fah­nen. Man will die Welt ret­ten, aber den eige­nen Hedo­nis­mus nicht revi­die­ren müs­sen. Man will einen Kapi­ta­lis­mus bekämp­fen, des­sen Teil man mit sei­nen immensen mate­ri­el­len Bedürf­nis­sen doch sel­ber ist.

Über­all erkennt die Lin­ke Unge­rech­tig­kei­ten, Miß­stän­de und Män­gel, nur unmit­tel­bar an sich selbst gar nicht. Ein Unter­neh­mer mag mit ethi­schen Pro­ble­men rin­gen, derent­we­gen er viel­leicht zum Mäzen wird oder eine wohl­tä­ti­ge Stif­tung grün­det. Lin­ke aber kom­men sich selbst gegen­über nie zu Zwei­feln und Skru­peln. Wie ist sol­cher Man­gel an Skep­sis und Demut, wie sind der­art nar­ziß­ti­sche Über­zeugt­hei­ten vom eige­nen Selbst, freu­dia­nisch ange­se­hen, über­haupt mög­lich und entstanden?

Lin­ke Funk­tio­nä­re und deren Gefolg­schaft sind von Gewis­sens­nö­ten nicht ange­krän­kelt, sie sehen sich als per se gut – und als nur gut an. „Die Par­tei, die Par­tei, die hat immer recht“, klingt es in uns nach. Man höre sich die­ses Lied bewußt noch ein­mal an: Wer die Mensch­heit ver­tei­digt, hat immer recht“, dich­te­te Lou­is Fürn­berg. Das gilt für die Lin­ke heu­te wie­der abso­lut! Pro­ble­ma­tisch sind: Immer die ande­ren! Heu­te vor allem die „gesi­chert rechts­extre­mis­ti­sche“ AfD.

Wie kann man nur mit sol­chen Über­zeu­gun­gen leben? Wie erlebt man bloß sei­ne eige­ne Nacht­sei­te? Wie for­ciert man jene see­li­schen Abgrün­de, die wir ande­ren alle ken­nen? Sieht man sie nicht? Kann man die Grund­über­zeu­gung von der eige­nen Mus­ter­gül­tig­keit ein­fach so zum Maß­stab für alle Welt erklären?

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (97)

Franz Bettinger

6. März 2025 21:24

Köstlich, die Beschreibung der Polo-fahrenden westlichen 'Proletarier' in ihren Parkas und Anden-Pullovern. So war’s. Auch die Selbst-Ironie, (etwas neidvoll) dem Kapitalismus beim zu langesamen Sterben zuschauen zu dürfen. Eine schöne Abrechnung mit der Mode-Linken, damals und heute. 

Carsten Lucke

6. März 2025 21:38

Herrlich - ein Bosselmann vom Feinsten! Ging mir runter wie Wodka.
Lernte selbst einige dieser westlinken Prachtexemplare kennen. Unerträglich. Hätten allesamt mal ordentlich "Schliff" gebraucht.
Zu spät, zu spät. Jetzt schleifen sie dieses Land.

Dr Stoermer

6. März 2025 23:05

Werter Herr Bosselmann,ein großartiger Text, Danke. Ja, worin mag die Antwort auf Ihre Fragen nach dem "Wie kommt's?“ liegen? Vielleicht im Fehlen eines strengen aber liebenden, erziehenden Vaters. Beziehungsweise im Übersehen seiner Anwesenheit, wo er womöglich nur sehen wollte, ob wir schon reif genug sind, auch ohne sein Eingreifen zu leben und den Verführern zu widerstehen. Mir scheint, er hat die Schnauze voll. 

RMH

6. März 2025 23:16

Kein realitätsfestes Bild vom West-Proletarier. Die großen Waschräume mit Duschen in den Fabriken wurden flächendeckend bereits spätestens (gabs schon vorher!) von den Nazis eingeführt, da der dt Arbeiter sauber & frisch nach Hause kommen sollte (die damaligen Häuser hatten oft noch keine richtigen Bäder - daher auch die Zink-Volksbadewannen). Das wurde nach dem Krieg doch wohl in beiden Teilen Ds beibehalten, oder? Ich selber habe mir mit Fabrikarbeit das Studium finanziert (Minimum 6 Wochen im Jahr, meist 8-12 Wochen) & es gab damals noch echte Drecksjobs, auch im Westen & das Ruhrgebiet war noch rauchend, stinkend & von Zechen mit Stahlwerken geprägt. Prolos gabs auch. Die haben aber so viel verdient, dass sie selbstbewusst BMW, Mercedes, manche gar Porsche oder Exoten wie Alpina fuhren (nix Polo!), zumindest, wenn sie noch unverheiratet waren (danach wars damit vorbei, Grins). Davon können heutige Arbeiter nur träumen. Deren Arbeitsplätze sind zwar deutlich sauberer & "nominell" bekommen sie mehr, aber real sind es größere Knechte, als damals der kleinste Brotzeitholer.

Rheinlaender

6. März 2025 23:30

Die zynische Antwort des Marxisten-Leninisten bzw. des Bolschewisten darauf, dass es dem Arbeiter in der Marktwirtschaft stets besser geht als im Arbeiter- und Bauernstaat, offenbart, dass es ihm um Macht geht und nicht um den Arbeiter. Am eindrucksvollsten hat dies m.E.  Herbert Marcuse in "Der eindimensionale Mensch" zum Ausdruck gebracht, wo dieser sich darüber beklagt, dass im Westen sogar der „Neger einen Cadillac besitzt“ und daher für Revolutionen nicht zu gewinnen sei. Seine Suche nach Wegen, dieses wenigstens materiell funktionierende System durch Subversion bzw. Randgruppenmobilisierung kaputtzumachen, damit Verlierertypen wie er doch noch eine Perspektive auf den Gewinn politischer Macht haben, gehört zu meinen abstoßendsten Lektüreerlebnissen überhaupt. Wer könnte diese Verbindung aus Narzissmus und Untauglichkeit weltanschaulich attraktiv finden, außer vielleicht die Menschen, die diese psychologisch-charakterlichen Defizite teilen?

Diogenes

6. März 2025 23:51

Letzter Absatz: Erkennen/Sehen muss ja von irgendwo und von irgendwem als Objekt/Subjekt der Anschauung abgeleitet werden, d.h. der lebende Winkelmesser muss in Stamm und Wurzel angesetzt werden, um den weltanschaulichen Radius von Heimat, Volk und Nation ausgehend gezogen werden zu können. Bei den Gleichmachern und Ausbeutern, die sich Namen wie "Marxisten" und "Kapitalisten" gegeben haben, sehe ich keine weltanschauliche Erfassung/Eingrenzung/Abgrenzung des Standpunktes, sondern nur das für alle Politik als Begründung herhaltende Abstraktum "Mensch", das da ungeerdete Nicht- o. Anti-Orte, die man "Gesellschaften" nenne, mache, die wiederum das Abstraktum "Neuer Mensch" erzeugen müsse, immer weiter und immer ferner in der Bodenhaftung mit dem lebendigen Gleichgewicht und Nachhalt der Welt in ihrer sklavischen Opferbereitschaft für den materialistischen Moloch, welcher da blind und unermüdlich sein invasiv-virulentes Werk durch gleichgemachte "Krallen" in biologisch-materieller Ausbeutung der Welt tätigt. "Frei" - das soll der Absolutismus sein - werden, frei verfügbar zur Ausbeutung und Gleichmachung sein, frei zu tun, was die Machtkonzentration int. Hochfinanz nach "Römischem Recht" gerne hätte, den "freien" Verkehr von allem und jedem als Verfügungsmasse/Gegenständliches.
 
Insbesondere Ihre beiden letzten Fragen zeigen die Maßlosigkeit durch das Abstraktum "Mensch", das sich selbst nicht erfassen kann, aber alles andere in seiner Denkfaulheit meint erfassen zu können.

Diogenes

7. März 2025 02:17

Zum Bürgerlichen: Was meint Bürgertum/Bürgerlich/Bürger/Civis-Gesellschaft eigentlich anderes im politisch-gegenwartsbezogenen Sprachgebrauch als die gerade vorherrschende und systemkonforme Standardnorm des Staatsangehörigen, der 80 Jahre nach Besetzung des großdeutschen Reichsgebiets durch die Feindmächte auch ohne Volksangehörigkeit sein Dasein mit einem völkisch-entwurzelten Ersatz-Identitätsexperiment "Weltbürgertum/Kosmopolit/Menschsein" meint ausreichend begründen zu können? Wie aber kann das so Getragene (z.B. d. Nationsgut Sprache) ohne den mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verflochtenen Volksbegriff in Art und Wesen fortleben? Wenn des Trägers Sinn, die Geistes- u. Gefühlswelt, nicht mehr ist, was macht dann das Getragene noch an Mehrwert für die Nachwelt aus, es weiter tragen zu müssen? Eben nicht kann und darf deswegen der Träger von Volk und Staat Deutschlands der X-Beliebigkeit des Allerlei aus dem Nichtsehen- und Nichterkennenwollen von Menschenvölkern und Menschenrassen und ihrer eigentümlichen Unterschiede in Art und Wesen überlassen werden. Die Bewahrung und Erhaltung ist von denen zu bestimmen, welche auf die Trägerschaft einen Anspruch und das Recht durch zig Jahrhunderte des Vertrauens verdient haben. Das funktioniert durch Angleichung derjenigen, die unserer Art und unserem Wesen bereits entsprechen, was wiederum die Aufnahme derjenigen, die dem nicht entsprechend ausschließt. 
 
Gleichmacherische Menschentümelei ist chaotisch-zerstörerische Diabolik. 

1989Mauerfall

7. März 2025 02:42

1966 beschloss man in Moskau die sowjetische Langzeitstrategie: Das Hineinwachsen des Westens in den Sozialismus. Das bedeutete die ideologische Unterwanderung der Intelligenzija des Westens, denn die Proletarier - wie von Bosselmann so treffend geschildert - wollten keine DDR-Verhältnisse.Wie die DDR diese Unterwanderung bis 1990 legal finanzierte, erfährt man hier in der Leseprobe: www.1989mauerfall.berlin/buch-5/ 

Diogenes

7. März 2025 02:57

"… Immer ging es um das Sichern von Spielräumen mitten im vormundschaftlichen Staat. …" - HB: Was den Staat nicht absolut zum Feindbild erklärt, sondern immer nur diejenigen Leute meinen kann, die ihn für ihre Zwecke missbrauchen. So sagt alle Welt ("Weltbürger", "Weltgemeinschaft", usw.) zum Riesen, er sei ein Zwerg, obwohl seine Einsichten weiter reichen als jene, die mit ihrem Klein-Klein tagtäglich ihre zwergenhafte Unfähigkeit beweisen, die lebendige Wirklichkeit des Souveränitätsbegriffes auch nur im Ansatz erkennen zu können. So, wie das zwischen Stock und Stein hin und her stolpernde verwaiste Kleinkind in Trotz verfällt und im selenskyjischen Polit-Stil mit Herumlärmen meint seine Gegenwart zum Eigennutz erpressen zu können, so wird auch dieser verbrecherische marxistisch-kapitalistische Ungeist-"Gib! Gib! Haben wollen! Haben wollen!" - der das Böse antreibenden Gier letztlich auf die eigene Nase fallen, weil es schlicht keine organisch-gewachsene Struktur aus Gleichgewicht und Nachhaltigkeit durch Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft hindurch bieten kann. Alleine die Kurzatmigkeit der Gegenwart, die sich so oft gegenseitig widerspricht und Unsinn erzählt, soll das Maß des Daseins sein, so meinen die Missbraucher des "Deutschen Staates", wenn sie ständig von "Sondervermögen" lügen, als ob es keinen Morgen geben würde. -Die Herabwürdigung des Deutschenbegriffs zur unmündigen Milchkuh ist untrennbar an den Schuld- und Siegeskult gebunden, denn nur solches Extrem erzeugt solche Resultate.

Laurenz

7. März 2025 04:19

@HB ... Ihr Aufsatz, Artikel paßt nicht ganz, ist 2geteilt, zwischen Wahrheit & Mutmaßung. Die Wahrheit bezieht sich darauf, was Sie Selbst erlebt haben & die teils schon sehr falsch liegenden Mutmaßungen haben Sie sekundären Quellen entnommen. Bei den linken Ratten des Westens, meine Schulkameraden, die Sie später zB als Lehrer kennenlernten, liegen Sie richtig. Wohlstandsverwahrloste Kinder aus wohlhabendem, bürgerlichem Elternhaus. Wenn keine existenziellen Probleme bestehen, sucht man sich welche. Gibt es keine, produziert man welche, wie pyromanische Feuerwehrleute, die den Brandherd selbst legen. Unser nüchterner Advokat, RMH, bemerkte zu Recht, der Deutsche Prolet im Westen fuhr keine Polos. Seine Frau vielleicht. In den 70/80ern konnte sich ein Facharbeiter ein Reihenhaus, 3 Kinder, Audi80/VWPassat & eine Frau zuhause leisten. Echte Deutsche Malocher, sozial darunter, gab es kaum noch. Sie erinnern Sich an die Bundestagswahl 1990? Helmut gegen Oskar? Oskar ließ sich mit Deutschen Kohle-Kumpels in der Wahlwerbung ablichten, lächerlich. Die mußte die Agentur zusammensuchen. Damals schon waren über 90% der Kumpels Türken & Russen. An jeder Baustelle schauten 3 Deutsche Vorarbeiter zu, wie ein Türke ein Loch buddelte. Die obsoleszenzfreien guten Billig-Produkte des Westens kamen aus der DDR.

Laurenz

7. März 2025 04:21

@HB (2) ... Das hatte mit dem Zeitfenster des OstWest-Konflikts zu tun. Der Westen brauchte das Wohlstandsgefälle von West nach Ost. Über die DDR unterschlagen Sie uns die halbe Wahrheit. FKK-Baden läßt das Versteckte nur für Eingeweihte zwischen den Zeilen lesen, wie in DDR-Publikationen. Durch die sozialistische Eingliederung der Frau, als Hilfsmann, in den Produktionsprozeß, verloren die Frauen den natürlichen Wert in einer Mehrklassengesellschaft. Deswegen waren die blonden Sachsen-Schönheiten sofort im Westen, weil sie dort einen Wert besaßen. Die einzige Freiheit in der DDR waren amouröse Abenteuer. Deswegen kopulierte quasi jeder mit jedem. Das Bett ist das Opernhaus des armen Mannes. Meinen Bekannten & Freunden aus der DDR kamen wir Wessis als total prüde vor. Wir soffen keinen Kumpel unter den Tisch, damit einer zwischenzeitlich dessen Frau über den Küchentisch legte & umgekehrt. Man soff in der DDR auch wesentlich mehr, ja was sonst? EL & GK hätten bei einer Buchvorstellung in der DDR mindestens 2+ Flaschen Schnaps weggepumpt, statt 3-4 Gläschen. Ich könnte jetzt weiter erzählen, aus Beziehungen mit überzeugten DDR-Frauen, auch nach 1990. Aber, ich glaube, das reicht hier jetzt.

MARCEL

7. März 2025 07:55

Sehr schöner Einblick in die deutsch-deutsche Mentalitätsgeschichte (die DDR war auch deutscher als die BRD).
Die traditionelle Linke bolschewistischer Prägung (R. Dutschke: "asiatischer Sozialismus") wollte irgendwann niemanden mehr bekehren.
Die 68iger, Berkeley-Linke westlicher Provenienz, will das über ihre Kindeskinder bis heute! Es ist ein säkularer, perverser Messianismus, geboren aus der religionslosen Sinnleere von Konsumgesellschaften (wie der BRD).

RMH

7. März 2025 08:50

@Marcel,
"(die DDR war auch deutscher als die BRD)."
Nur, wenn man Preußen mit Deutschland gleichsetzt, was es faktisch nie war. Aber schon ein Sachse wird mit dem Vergleich "deutscher als" und den Icke-Knorke-Berlinern fremdeln.
"geboren aus der religionslosen Sinnleere von Konsumgesellschaften (wie der BRD)."
Auch hier wieder eine fast feindbildartige Schwarz-weiß-Malerei zwischen BRD und DDR. Was war der Sozialismus, der auf dem marxistischen Materialismus als Leitbild aufbaute & der den Leuten den letzten Rest an Religion wegverordnen wollte, anderes als eine religionslose Sinnleere einer (sic!) Konsumgesellschaft? Die DDR-Oberen dachten, wenn die Bürger genug zu fressen & zu saufen haben (das hatten sie wohl, wenn man die Qualität der Waren außen vor lässt), dazu in zentralbeizten Schachtelwohnungen es warm und trocken haben, wird sich schon weiterwursteln bzw. der Plan übererfüllen lassen. Große Fehlanzeige! Zusammengefasst: @Marcel, sie haben sich da ein paar schöne Schablonen zusammengebastelt.

RMH

7. März 2025 09:00

"Damals schon waren über 90% der Kumpels Türken & Russen. An jeder Baustelle schauten 3 Deutsche Vorarbeiter zu, wie ein Türke ein Loch buddelte."
@Laurenz, bitte perpetuieren Sie nicht die linken Märchen damaliger "Aufklärer" wie G. Wallraff ("Ganz unten"). Wie geschrieben, habe genug "Drecksjobs" selber gesehen & auch z.T. ausgeführt & auf 5 von Öl- & Metallabrieb geschwärzte Deutsche kam in etwa 1 Türke, Grieche oder Yugo. Am Fließband, wo man sinnloser, aber sauberer schlicht robotten musste, dann ein paar mehr. Aber die Mär, die Deutschen wären sich für gewisse Arbeiten zu "fein", war damals Propaganda & ist es bis heute (bestes Beispiel die Müllabfuhr, bei der der Ausländeranteil erst sehr spät begann zu wachsen). Einer der ältesten Hüte schlechthin. Dass die Verhältnisse mittlerweile kippten, hat was mit dem Bildungserfolg der dt. Arbeiter bei ihren Kindern & der Demographie zu tun. Zu Ihrem richtig gezeigten Bild des dt. Facharbeiters gehört nämlich dazu, dass er seinen 3 Kindern in aller Regel ein Studium auch noch ermöglichen konnte, so dass kaum eines davon "in seiner Klasse" blieb.

MarkusMagnus

7. März 2025 09:44

Als freiheitsliebender Mensch lehne ich natürlich das System der DDR ab. Allerdings wollte die DDR nicht das deutsche Volk abschaffen. Abtreibung und Homosexualität waren zwar legal, wurden aber nicht gefördert. Die Leute sollten Kinder bekommen. 
Es gab dort ähnlich wie im Nationalsozialismus einen Ehestandskredit, den man "abkindern" konnte.
Und erinnern wir uns an das, was Frau Bohley sagte:
"Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen – das wird wiederkommen, glaubt mir. Man wird Einrichtungen schaffen, die viel effektiver arbeiten, viel feiner als die Stasi. Auch das ständige Lügen wird wiederkommen, die Desinformation, der Nebel, in dem alles seine Kontur verliert.“

RMH

7. März 2025 09:51

Um einmal die Seitenlinien-Debatten, zu denen ich mich bislang gemeldet habe, zu verlassen: H.B.s Text ist schlicht gut. Die grandiose Heuchelei & der Selbstbetrug des hiesigen "juste milieus", welches irgendwann in den 60er Jahren nach links abgebogen ist, dabei aber instinktsicher nie über das Mediokre hinausgegangen ist, weil man nicht mehr hierarchisch mit religiöser Gottzentrierung leben wollte bzw. das einem zu muffig & piefig war & welches dann in die neuen Länder waberte, macht sich nun einmal am meisten & sichtbarsten in den Bereichen der Bildungsbeamten, des Beamtenapparats schlechthin & in den alles mit dem passenden Soundtrack versehenden Medien deutlich. Gab genug Leute aus den neuen Ländern, die hier auch aufgegangen sind (Prominente: K.G.E bei den Grünen, M. Illner in den Medien etc). Der abschließende Absatz & gleichzeitig Höhepunkt des Textes mit den Fragen ist so zu beantworten, dass sich mittlerweile Altersstarrsinn in diesen Klassen breitgemacht hat, verbunden mit einem hohen Maße an psychischen & physischen Erkankungen, über die man das Mäntelchen des Schweigens breitet oder - lifestyleartig um Bewunderung heischend - mit Labeln wie "burn out" & co. beklebt.

Laurenz

7. März 2025 11:05

@RMH ... Ich kenne 2 Deutsche aus Soest, die im Kohle-Bergwerk gearbeitet hatten. Alles aus I. Hand.

Monika

7. März 2025 11:24

Wieder ein toller Beitrag von Heino Bosselmann, dem man möglichst große Verbreitung wünscht. Hier ersteht die alte DDR und BRD-Welt, als wärs gestern gewesen. Als Westdeutsche fand ich das Selbstverständnis der Linken ebenfalls irritierend. Aus Erzählungen von älteren Menschen in meinem Umfeld wusste ich schon als Kind, dass unsere "Brüder und Schwestern in der DDR" eher die "Arschkarte" bei der Deutschen Teilung gezogen hatten. Ich hatte keine Verwandtschaft in der DDR, über einen evangelischen Jugenddienst war es mir aber möglich, in die DDR einzureisen. Das war keine linksideologischen Gruppe, wie etwa die SDAJ oder die Jusos (siehe Olaf Scholz, der als Jugendfunktionär häufig die DDR besuchte). Unsere Gruppe suchte bewusst Kontakt auch zu systemkritischen Personen in der DDR (vor allem durch Kontakt zu Kirchengemeinden). Natürlich mussten wir auch offizielle Termine wahrnehmen, was immer recht abenteuerlich war. ff

Der Gehenkte

7. März 2025 11:34

Da ist schon was dran, aber es gab in der DDR auch andere Lebenswelten. Die links-rechts-Dichotomie schien mir weniger wichtig, obwohl ich wohl linker stand an B. Der Bezugspunkt war weniger Frankfurter Schule - das war der Feind, sofern überhaupt bekannt -, als die DKP. Robert Steigerwald wurde viel gelesen und auch verlegt. 
Die beschriebene Welt trat mir zum ersten Mal nach der Wende auf einer Tagung in Hessen vors Auge. Wir wollten den "demokratischen Sozialismus" und suchten frische Quellen. Da ging es um Trotzki und die alternative, thälmannlose Geschichte der KPD (Thalheimer, Ruth Fischer etc.) und das waren wohl hauptsächlich Sozis. Die erste Offenbarung war, als ich anfing einen Text abzuschreiben, und daraufhin einer lächelnd den Raum verließ und mir 10 Minuten später das Konvolut in die Hand drückte: er hatte alles kopiert. Kopiergerät! Eine Teufelsmaschine! 
Dann fuhren wir in seinem Westwagen zum Essen, und er sagte, das Auto sei geleast - der nächste Schock! So was gab es also? Der Westen hatte mich zum ersten Mal erschüttert.

Monika

7. März 2025 11:41

1/2 Ich erinnere mich an ein Treffen 1983 mit unserer christlichen Gruppe in Dresden Freithal bei der dortigen FDJ. Irgendein Funktionär hielt einen Vortrag über den Sieg  des Sozialismus. Dann sollten wir gemeinsam ein Lied singen. Mein Vorschlag "Die Gedanken sind frei" wurde leider abgelehnt, da man dieses Lied hier nicht singen würde.  Einige FDJ- Mädels waren völlig aufgebrezelt, fast nuttig, was ich mir damals mit meinem naiven Kopf zunächst nicht erklären konnte. Auch schien sie der Vortrag eher zu langweilen. Zu einer Diskussion kam es auch nicht. Es ging gleich in eine wilde Feierei über, denn ein paar aufgeweckte Westjungs hatten ihre Chance gewittert. Sie hatten Schnaps und Cola dabei. Da fielen schnell die ideologischen Barrieren. Ein Westjunge schleppte ein Ostmädel ins Hotel ab. Nachts wurde das Mädchen von irgendeinem Ostfunktionär aus dem Zimmer geschmissen. Der Junge bekam eine scharfe Verwarnung. Ich denke, die Kontakte der linken West-Jugendlichen verliefen auch nicht viel anders, jetzt aber geduldet. Da kommt das linke Weltbild nicht ins Wanken. Mit der deutschen Mark warst Du der König. 

Der Gehenkte

7. März 2025 12:28

@ Monika "Mein Vorschlag "Die Gedanken sind frei" wurde leider abgelehnt, da man dieses Lied hier nicht singen würde."
Ein schönes Bsp., wie subjektive Wahrnehmungen und Erfahrungen das Bild trügen können. Tatsächlich war das Lied weit verbreitet, ist schließlich ein altes Volkslied. Dean Reed hat es gesungen, auf der bekannten "Gaudeamus Igitur"- Amiga-LP war es drauf, auf der sehr populären LP von "Horch": "Der Lautenschläger" war es zu hören usw. Sie hatten vermutlich das Pech, an einen vertrockneten FDJ-Sekretär geraten zu sein und vielleicht wollte man es vor westdeutschem Publikum eher nicht wagen. Es hätte vermutlich aber auch ganz anders kommen können. 
"nuttig" - ungarische Soldaten liebten auch ostdeutsche Mädchen am Balaton; die waren nicht so verklemmt wie die eigenen. Ich habe die Erotik als vollkommen natürlich empfunden; man mußte sich alles selbst erklären und erobern, aber das Interesse war beidseitig und weder prüde noch promisk. 

H. M. Richter

7. März 2025 13:44

Ehrlich gesagt, ist mir hier etwas zu viel von „wir“ und „unsere“ die Rede. Zwar gab es beipielsweise innerhalb der Kirchen in der DDR durchaus linke Gruppierungen wie die „Intiativgruppe Nicaragua“, aber eben auch Leute wie jenen Superintendenten aus Brandenburg, der mich fragte, als ich ihm von der Verhaftung Honeckers berichtete, ob ich ein Farbfernsehgerät besitzen würde, denn dies müsse er in Farbe sehen. Was wir dann auch gemeinsam taten.
 
Es waren gar nicht so wenige, die bis zum Schluß eine bewundernswerte Distanz zur DDR-Diktatur wahrten. Und die hatten dann auch eher Sympathie für Strauß, Reagan und Thatcher als für Gorbatschow, geschweige denn Krenz oder Lafontaine.

Umlautkombinat

7. März 2025 15:45

Hier gibt es wieder fuer alle Teile zu lernen. Was gut ist. Schaerfungen und Korrekturen des Blicks vom Osten auf den Westen in einigem in den Auffassungen der beiden ehemaligen NVA Uffze (ich stecke sie deswegen gern oefter mal zusammen) Bosselmann und des Gehenkten. Auf der anderen Seite die etwas speziellen Auffassungen von Laurenz zu "ueberzeugten" DDR-Frauen und Promiskuitaet im verblichenen Land. 
 
Aber ganz wesentlich auch der Einwurf von H.M. Richter. Das ist eine Welt, die B und G eher lange fremd geblieben sein duerfte. Der im Artikel verlinkten Turmgesellschaft von Tellkamp allerdings z.B. nicht. Auch ich selbst kam erst mit ernsthafterem Konflikt zur DDR-Gesellschaft nach der achten Klasse mit diesem Personenkreis aus kirchlich bestimmtem Umfeld in Beruehrung. Vorher hatte man halt ein paar Hanseln in der Klasse, die zur Konfirmationsstunde gingen ohne sich darueber selbst Riesengedanken zu machen. Und noch viel spaeter gab es seltsame Absurditaeten wie einen erdverbundenen Pfarrer, der 1978 gegen vormilitaerische Ausbildung in der Schule auftrat und Leute mobilisierte - und dann nach 1990 als Stasispitzel enttarnt wurde, auch schon zur genannten Zeit. Es gab also etliches in der DDR selig. 

Monika

7. März 2025 16:44

@ der Gehenkte: Natürlich können subjektive Wahrnehmungen täuschen. Ein Teil der Jugend wollte  das Lied auch singen, dieser vertrocknete FDJ- Funtionär wollte es halt nicht. Es kann immer auch ganz anders kommen. Das stimmt. Das erotische Abenteuer mit dem Ostmädel konnte für den Westbesuch aber auch eine Falle darstellen, die ihn erpressbar machte. Nicht subjektiv ist meine kleine, unbedeutende Stasi-Akte. Da ich laut Aussage dieser Akte "in einer westlichen Feindorganisation (Anmerkung d.i. Die IGFM) tätig war", wurde ich bei späteren Besuchen in der DDR beobachtet, unter dem "Verdacht, dass meine Einreisen dazu missbraucht werden, um Hetzmaterial  in die DDR einzuschleusen" . Hetzmaterial waren etwa Bücher von Siegmar Faust , Ulrich Schacht u.a. Der Mitarbeiter der Stasi wollte mir bekannte Leute (Kirchenmitglieder) zu "heißen Partys" in seiner Datsche überreden, um sie zu kompromittieren. Ich durfte später nicht mehr einreisen. Fazit: Ein unbefangener Kontakt zwischen DDR- Bürgern und BRD Bürgern war kaum möglich.

Monika

7. März 2025 17:44

Und die Spaltung in Hetzer, Faschisten auf der einen Seite und Demokraten auf der anderen Seite, die früher durch die physische Teilung Deutschlands manifestiert wurde, verläuft heute durch die Köpfe der Menschen. Eigentlich wurde die Teilung nie überwunden. Die beiden Systeme sind ineinander diffundiert. Das macht es schwieriger, das Wahre und Falsche, das Gute vom Bösen zu trennen.

dojon86

7. März 2025 19:44

Heino Bosselmann beschreibt das westlinke "juste milieu" bissig, aber sehr treffend. Allerdings bestand und besteht dieses "juste milieu" nur zum kleinen Teil aus Kindern des alten Bürgertums. Die Mehrheit kam aus dem saturierten Proletariat und Kleinbürgertum, das seinen Kindern wo möglich den sozialen Aufstieg durch Bildung ermöglichte, wie RMH ganz richtig bemerkte. Der größte Teil dieser neuen vergrößerten Akademikerklasse kam beim Staat unter, wo ihr Lebenshorizont durch Laufbahnschemata, aber nicht durch die Erfahrung von Produktion und Konkurrenz geprägt wurde. Im Staatsdienst waren sie auch vor der einwandernden Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt gut geschützt. Der Verdienst war und ist auch für die Mehrheit dieser neuen Akademikerschicht nicht so großartig, wie man sich das denken mag. Aber das macht nichts. Wenn auch der erhoffte Aufstieg bloß kleinbürgerliche Dimensionen erreicht und meist nur durch Doppelverdienertum und nur einem Kind möglich ist, wird das erfolgreich durch das Gefühl, zu den Guten zu gehören, kompensiert.

Gracchus

7. März 2025 19:49

"Es gab etliches in der DDR selig." (@Umlautkombinat). Das würde ich für das eigenartige unheimliche Gebräu BRD ebenso reklamieren. Natürlich nichts einzuwenden gegen die persönlichen Schilderung Bosselmanns, ein gewisser Typus Westlinker ist gut getroffen. Allerdings erklärt dieser nicht den anhaltenden Erfolg. Die "linken Schluffis" haben  sich ja als überaus zäh und durchsetzungsfähig erwiesen. Der (v. a. die) heutige bürgerliche Linke ist das Produkt mehrerer Generationen, m. E. auch das Produkt von Ost & West (nicht nur West, wie es bei Bosselmann anklingt). 

t.gygax

7. März 2025 20:07

@Monika: "Eigentlich wurde die Teilung nie überwunden". Genau so ist's. Ich bin aus einer süddeutschen Großstadt in eine ländliche Region in Sachsen-Anhalt gezogen und lebe da nicht schlecht. Aber trotzdem: Es ist eine andere Welt. 40 Jahre völlig unterschiedliche Lebenswelten sind auch 35 Jahre nach der "Wiedervereinigung" hier überall präsent.

MARCEL

7. März 2025 21:22

@RMH
Nun ja...
Eher Typologien linker Ausprägung bzw. Herleitung oder plakativer: 1917 vs. 1968 
Links-West war anders als Links-Ost, mehr nicht

RMH

7. März 2025 21:34

@t.gygax,
ich bin eher beim zweiten Teil von @Monikas Aussage:
"Die beiden Systeme sind ineinander diffundiert."
Der Hauptunterschied zwischen ehem. Ost und West ist doch heute, dass die ehem. DDR Bürger ihre Akte bis 89 einsehen können (so nicht geschreddert) und der Rest vom Land nicht und ab 91 haben wir das gemeinsam.

Laurenz

7. März 2025 22:29

@Alle Debattanten ... Sie interpretieren in meinen Augen eklatant zu viel in diesen HB-Aufsatz. Vor allem verstehe ich Ihre luschige Gefühlwelt mal 0. Wenn HB über Sein Deutschsein schreibt, auch wenn Er asketisch preußischer Spartaner & ich eher Hedonist bin (HB beschreibt es ja korrekt im Aufsatz), ist es zu meinem Deutschsein emotional zu 99,9 % deckungsgleich. HB ist mein Landsmann & ethnischer Bruder, physisch, wie im Geiste. Die Lebensart, egal, ob Linker, Rechter, Mitter, Obener & Untener in beiden Deutschen Staaten ergab sich zwangsläufig aus den örtlichen Gegebenheiten. Das, was uns BRDler & DDRler noch grundlegend unterscheidet, ist rein die materielle & die soziale Frage. Daß die ehemaligen DDR-Bürger eine Voll-Diktatur mehr hinter sich haben & die Ex-BRD-Bürger besser verhandeln können, ist spürbar, und? Wären in den ehemals Neuen Ländern die finanziellen, also sozialen Verhältnisse dieselben, wie in den ehemals alten Ländern, wäre die Stimmabgabe für die AfD nicht kongruent, aber nur leicht höher als im Westen.

Herr K aus O

8. März 2025 07:42

Sicher gibt es im Kapitalismus erhebliche Kritikpunkte. Andererseits war die DDR keine Alternative. Daher haben die sog. "Linken" einen Kompromiss gebaut, eine DDR mit Westwagen und Reisefreiheit: Den öffentlichen Dienst. Nicht schlecht bezahlt, als Beamter mit erheblichen Vorteilen in der Altersversorgung und unkündbar. Addiert man hier in Berlin die Urlaubstage mit den durchschnittlichen Fehlzeiten kommt man im Berliner ÖD auf 90 Tage Urlaub :). Was will man mehr? Mit der Schuldenbombe von Merz wird sich dieses System noch eine Weile perpetuieren, aber irgendwann ist damit Schluß. Und dann haben wir ein Kuba ohne Sonnenschein, ein Wanne-Eickel mit Muezzin. Übrigens gab es im Westen auch Menschen, die nicht gepampert waren, leider immer wieder nervig, dass man als Westdeplorable immer den immanenten Zahnarztsohn reingeschoben bekommt.

Rudolf Kayser

8. März 2025 09:53

1/HBs Text trifft vieles gut und die Kommentatoren geben auch aufschlußreiche Kontras, berechtigte Differenzierungen und Zugaben. Der ganze Komplex berührt das Grunddilemma: Beiderseits der Mauer wurden die Deutschen nach dem zweiten Weltkrieg enterdigt. Wenn man das als Komplementärform zu beerdigt auffasst. Das Grab der Enterdigigung schaufelte im Osten Ideologie und im Westen nach Land- und Stadt sehr differenziert zu betrachten, die Suhrkamprepublik und ein surrealer Reichtum. Ich selbst bin ostdeutsch sozialisiert, und was mir nach der Wende aufgefallen ist: Es gibt einen westdeutschen neu hinzugekommenen Nachkriegs-Sprachdialekt, eine Art WG-Näseln, als hätte sich eine virtuelle kommunitaristisch kollektivistische Zungen-Gaumenspalte ausgebildet, in der  "kommuniziert" wird, wer den Müll rausbringt, oder in der jemand "wahnsinnig unkooperativ" ist, anstatt einfach nur lustlos. 

Rudolf Kayser

8. März 2025 10:06

2/ Das Wirken der Enterdigung betrifft nicht nur Worte, sondern auch Stimmlagen und Resonanzräume. So kann man heute noch bei linksgerichteten oder besonders feministisch orientierten Politikerinnen aber auch auf Lesungen von experimentellen Lyrikerinnen die völlige Abwesenheit des artikulierenden Bauchraums wahrnehmen. Linke weibliche Stimmen enden resonant oft unterhalb des Kehldeckels. Der Bauch als Boden oder als nährender Unterbau existiert nicht. Es dominiert eine kehlige Kopfstimme. Hier ist also etwas abgeschnitten, und man hört es als Zeichen einer grundlegenden und generationenübergreifenden Tiefenamputation. In den letzten Jahren konnte man auch schon deshalb keine öffentlich rechtlichen Radiomoderatorinnen mehr ertragen. 

Majestyk

8. März 2025 12:47

@ Laurenz:
"Wären in den ehemals Neuen Ländern die finanziellen, also sozialen Verhältnisse dieselben, wie in den ehemals alten Ländern, wäre die Stimmabgabe für die AfD nicht kongruent, aber nur leicht höher als im Westen."
Damit reduzieren Sie die AfD und durch diese artikulierte Überzeugungen rein auf soziale Lebensverhältnisse und zumindest indirekt übernehmen Sie das Narrativ von der Partei der Abgehängten, nur etwas blumiger formuliert.
 

Majestyk

8. März 2025 13:11

@ H. M. Richter: "Ehrlich gesagt, ist mir hier etwas zu viel von „wir“ und „unsere“ die Rede."
Mir sowieso. Ist ähnlich wie bei jenen die mir mit #wir schaffen das drohen oder #wir haben Platz und die Demokratie für sich reklamieren. Im Grunde geht es da immer darum mir etwas wegzunehmen und mich draußen zu halten. Wie ich mich nun aber zu Leuten zugehörig fühlen soll, die mich als "Wessi" abwerten als müsse man sich über seine westdeutsche Herkunft und Prägung schämen oder über Proletarier die Nase rümpfen als wären jene eine Lebensform irgendwo zeischen Affe und Mensch ist mit schleierhaft. Wenn ich mich dann als der Prolet der ich nun einmal bin weiter entwickele und mir eine freiheitliche Sichtweise aneigne, dann paßt das auch wieder nicht und wird als undeutsch verpönt. Im Grunde lebt eben jeder für sich allein und weder die politisch Linke, noch die politisch Rechte entwickeln hierzulande Vorstellungen wie Deutschland für verschiedene Schichten und das Gemisch welches nun einmal entstanden ist zukunftsfähig lebbar wird. Dazu paßt dann auch die latente Ostalgie und die stetig herauszulesende Ablehnung von Kapitalismus und selbstverantwortlicher Lebensführung. 

Gracchus

8. März 2025 13:53

Ost & West hatten gemeinsam, dass beide Staaten nicht souverän waren und das gemeine Volk - wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung im Westen mit einer zusätzlichen korporatistischen Komponente- wenig bis nichts zu melden hatte. Es waren Topdown-Demokratien. Im Westen war die Erzählung, dass das Nazi-Volk erst noch Demokratie erlernen muss und durch Arbeit & Wohlstand ruhig gestellt werden muss. Das hat sich im Prozess der Wiedervereinigung gezeigt und hiernach noch verstärkt. Die West-Linke (aber eben nicht nur) hat nach der Wiedervereinigung die Bildung eines neuen nationalen Bewusstseins blockiert und die Einbindung in die EU und deren Erweiterung forciert, paradoxerweise im Einklang mit den neoliberalen Feinden. (Unter neoliberal verstehe ich die Doktrin, dass der "freie Handel" vor unberechenbaren demokratischen Entscheidungen geschützt werden muss, was dadurch erreicht wird, dass suprationale Entscheidungsebenen eingezogen werden, die demokratischer Kontrolle entzogen sind).  

Gracchus

8. März 2025 14:17

In der Berliner Republik hat sich so - unterstützt durch einen medialen Wandel - eine polit-mediale Kaste etabliert, die nur noch mit sich selbst spricht und nur sich selbst hört. 
@dojon86: Der soziale Aufstieg, von dem Sie sprechen, ist wohl oft mit einem Hass auf das eigene kleunbürgerliche Herkunftsmilieu verbunden. Daher auch die heutige Verachtung. Für die West-Linke spielt sicherlich eine Rolle, dass sich die Arbeiter für ihre Revolutionsspiele als untauglich erwiesen haben. In den 70ern/80ern hat sich die Linke auf andere Felder aufgespalten (Ökologie, Feminismus, 3. Welt). Die Leute unten standen ihren Weltverbesserungsplänen im Wege, dies muss - wenn überhaupt - topdown durchgesetzt werden. Wie gesagt, m. E. bildet dies aber lediglich ein Anhängsel zur "neoliberalen" Agenda. 
 

Gracchus

8. März 2025 14:42

@Rudolf Kayser: Welche experimentellen Lyrikerinnen meinen Sie denn? 
Enterdigung = Entkörperlichung? 
"Suhrkamprepublik"? Suhrkamp hat ja unterschiedliche Theoretiker beherbergt. Der Philosoph der alten BRD ist wohl Jürgen Habermas (bei Suhrkamp verlegt, wo aber auch Antipoden wie Luhmann, Sloterdijk, Derrida anzutreffen sind). Man sollte Habermas nicht völlig abqualifizieren.

Carsten Lucke

8. März 2025 15:16

@ Rudolf Kayser
"... eine Art WG-Näseln ..." - vorzüglich !
Auch Ihre Theorie von den Stimmveränderungen der Damen im ÖRR (übrigens nicht nur dort, wie ich finde) überzeugt  auf Anhieb !
" Meine Bauchstimme gehört mir. " 

tearjerker

8. März 2025 15:24

@Gracchus: Lassen wir Habermas einfach selbst zu Wort kommen und lassen den Leser entscheiden: „Die Sprachvermittlung des Weltbezugs erklärt die Rückbeziehung der im Handeln und Sprechen unterstellten Objektivität der Welt auf die Intersubjektivität der Verständigung zwischen Kommunikationsteilnehmern.“ Alter...

Laurenz

8. März 2025 16:17

@Majestyk @L. ... Damit reduzieren Sie die AfD & durch diese artikulierte Überzeugungen rein auf soziale Lebensverhältnisse. ... Exakt das. Und ich habe Recht damit. Habe im Falle einer gleichen sozialen Klassengewichtung flächendeckend den ehemals Neuen Ländern etwas mehr AfD-Wähler zugewiesen, weil die ehemaligen DDR-Bürger bereits zur Genüge mit der lächerlichen Rhetorik der Kultur-Marxisten vertraut sind. Also, Majestyk, erklären Sie den SiN-Lesern doch, warum ein Wähler, der mit seiner Existenz, vor allem materiell, zufrieden ist, was anderes wählen sollte? Wegen der besseren Argumente? Das hatte schon während meiner Schulzeit, also in den 80ern (Abi '84), keine Sau interessiert. Nur ein kleiner Teil des Volkes kann poltisch abstrakt über die eigene Existenz hinaus denken. Beim großen Rest zählen nur das ökonomische Glück oder Schmerz.

higigu

8. März 2025 17:14

Ich finde diese "Wir-Form" verstörend. Oder könnte mir da eine unterschwellige Ironie entgangen sein?

Majestyk

8. März 2025 18:41

@ Laurenz:
Auch wenn ich geneigt bin, Ihnen bezüglich Lethargie der Mehrheit zuzustimmen, wem verschafften denn SPD, SED oder Grüne jemals ökonomisches Glück außer sich selbst? 
Ich kenne übrigens mindestens zwei mehrfache Millionäre und mehrere Rentner, denen es eigentlich egal sein könnte, wie es hierzulande weitergeht, die aber AfD wählen, einfach weil sie dies aus Überzeugung richtig finden. Vielen hiesigen Teilnehnern scheint es wirtschaftlich auch nicht gerade schlecht zu gehen. Ich denke, ein wirklich erwachsener Mensch handelt doch auch politisch, wie es geboten scheint. Ist es nicht vielmehr so, daß linke Parteien (inklusive Union) vor allem deshalb Erfolg haben, weil Teile des Wahlvolks aufgrund von linker Erziehung, medialer Beschallung, Konsumdekadenz und Drogenkonsum künstlich infantil gehalten werden?

Gracchus

8. März 2025 19:23

@tearjerker:
Geschenkt. 
Im Studium habe ich mich durch Faktizität und Geltung durchgequält (und seither von Habermas-Lektüre Abstand genommen). Immerhin haben er und sein Team, allen voran & radikaler I. Maus, sich damals Gedanken über eine stärker prozedurale partizipative Demokratie gemacht, sprich wie der Bürger stärker in die politischen Entscheidungen eingebunden werden kann. Das alles natürlich sehr theorielastig. Dass Habermas als Promoter des herrschaftsfreien Diskurses selbst ein autoritärer Charakter ist, ist irgendwie witzig und auch typisch - deutsch. In der Praxis hat man dann doch eher Angst, dass sich das Volk zu Wort meldet. 

Le Chasseur

8. März 2025 19:32

@Majestyk"Damit reduzieren Sie die AfD und durch diese artikulierte Überzeugungen rein auf soziale Lebensverhältnisse und zumindest indirekt übernehmen Sie das Narrativ von der Partei der Abgehängten, nur etwas blumiger formuliert."
Die AfD hat eben die Linke als "die Ostpartei" abgelöst. Und es ist belegt, dass sogenannte Einkommensschwache verstärkt AfD wählen: https://www.telepolis.de/features/Geld-oder-AfD-Wie-Mietkrise-und-Inflation-Deutschland-veraendern-10236914.html

Laurenz

8. März 2025 20:45

@Majestyk @L. ... Abgesehen davon, daß Ihnen @Le Chasseur freundlicherweise schon eine sinnige Antwort gegeben hat, mag ich Sie darauf hinweisen, daß Sie, wie so viele Rechte, Sich zu wichtig nehmen. Ihr/e Welt/bild ist zu egozentrisch. Kenne noch mehr Millionäre als Sie, die AfD wählen. Und? Ist doch logisch. Leute, wie wir, umgeben Sich doch mit unseresgleichen, am besten Denkern. Uns wäre es sonst doch viel zu langweilig. Seit der Fakedemie-Diktatur wurden wir auch zwangsweise sortiert, teils quer durch Familien. Für mich sind mehr als 10 Sekunden Bärziege schon Folter, unerträgliche Blödheit, die Brechreiz auslöst. Die Zeiten, daß ich über das 9jährige Kind auf dem Trampolin lachen konnte, sind lange vorbei. Das gilt für die gesamten Antifanten-Blödel, inkl. Tilo Jung. Was glauben Sie denn, warum ich hier!!!, auf der SiN, lese, Debatten, Vorträge schaue, Buchvorstellungen lausche, meine Überlegungen der Debatte stelle? Für meinen Geschmack sind wir hier zu Rechts(Justiz)-, Politik- & Philosophie-lastig. Es fehlt ein Ökonom, der gut & leicht verständlich schreiben kann. Aber, die Ökonomen verdienen woanders mit dem, was sie tun, mehr. Meine Meinung spielt auch für das SiN-Programm keine Rolle, es ist nicht mein Blog, sondern der vom Chef.

Rudolf Kayser

8. März 2025 20:48

@Graccus mit Enterdigung meinte ich so eine Mischung aus Entkörperlichung und Entheimatung, Theorie und Ideologie als Ersatzgehäuse anstelle von Erde und Heimat und Landschaft. Der "Bauch" jeder gesunden nährenden (mütterlichen?- warum nicht) und heimatlichen Stimmung und Gestimmtheit bildet den Resonanzraum für wahre Glaubhaftigkeit, sowohl des Sprechenden als auch des Hörenden. Antipoden hin oder her, sowohl Habermas als auch Luhmann als auch Sloterdijk empfinde ich als Philosophen ohne Grund. Bodenloses, grundloses, erdverlorenes Theoretisieren. Mit den Antipoden haben Sie recht. Ich hab da bewusst etwas überrissen, um rhetorisch eine Gesamtschau zu simulieren. Hier ist so eine typische Stimme: https://www.lyrikline.org/de/gedichte/menschenseilschaft-halbaffenbeil-12378

Wuwwerboezer

8. März 2025 23:02

I

Rudolf Kayser

Habe innerlich gejauchzt bei Ihren Zeilen! Danke! So wie ich das sehe, liegt wieder das Somewhere-Anywhere-Thema zugrunde. Diese Doku

https://www.youtube.com/watch?v=j5D2dccYJ6E

in ihrer Retortenrtrivialität rätselt hilflos, warum so viele in die Schweiz übergesiedelte Deutsche von den Schweizern kalt auflaufen gelassen werden, so dass sie entweder wieder ihre Koffer packen müssen oder hier als Erratiker leben (und hier ihre bizarren Deutschen-Stammtische als Inseln im Ozean ihrer sozialen Isolation gründen). Die eigentlichen Ursachen hierfür werden weder von den Betreffenden selbst noch von den Filmemachern gesehen, sie liegen auch nicht auf der Oberfläche, sie liegen vielmehr genau auf der Ebene, von deren Beobachtung auch Sie berichten:

Wuwwerboezer

8. März 2025 23:03

II

1. Diese sind im zunehmenden deutschen (Miß-)Verhältnis zum Raum begründet. Gerade der Typus "deutscher Streber", der hier in der Schweiz grösstenteils verteten ist, ist in sich unsicher, kompensiert diese Unsicherheit mit seinem raumgreifenden Gehabe und macht sich vor allem damit hier sozial unmöglich. Seine "Fachkompetenz" wird gern benutzt und sehr gut bezahlt, aber menschlich wird er von den allermeisten Schweizern nur als Störfaktor gesehen. Die betreffenden deutschen Trampel verwechseln dann auch noch gern die Schweizer Höflichkeit mit vermeintlicher Freundlichkeit - ein feiner Unterschied!

2. Die meisten in die Schweiz gekommenden Deutschen hatten bereits vorher keinerlei Art Wurzeln mehr, weder in der Erde, noch bspw. in der Nationalkultur, noch sonstwo - und erst recht ja übrigens nicht im Himmel. Damit fallen sie hier, wo jeder und alles völlig selbstverständlich eingewurzelt ist, in doppeltem Masse als Wurzellose auf.

Wuwwerboezer

8. März 2025 23:03

III

Woran wird dieser Kontrast besonders anschaulich? Na - klar doch, ... an der Stimmlage! Gar nicht mal so sehr, weil der Schweizer bekanntlich die Laute in der Kehle und nicht hinter der Stirn oder in einer Blase über dem Kopf bildet; vielmehr, weil der Schweizer mit jeder Faser seines Daseins in einem Sprachleib mit der Erde lebt. Somit erwecken die betreffenden Deutschen hier allein mit ihrer Stimmlage den Anschein von Ausserirdischen!

In der Doku kommen gleich mehrere Überverkopfte zu Wort, die ihre Übersiedlung und dann auch noch den Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen (was so niemals gelingen kann, nicht mal von Deutschen zu Deutschen) rein vom Kopf her mit dem Baukastensystem des Projektmanegements zu betreiben gedenken. Bemerken ihre Skurrilität ja nicht mal!

Betrifft nach meiner Beobachtung am häufigsten Charaktere der Stämme aus den Gefilden um Elbmündung, Weser, Leine, Ruhr und Niederrhein sowie speziell die Preussen ...

... Und, ja, auch ich musste, - durfte -, hier sehr viel lernen - durfte als Deutscher hier eigentlich meine gesamte Persönlichkeit umbauen!

- W.

Gracchus

8. März 2025 23:18

@Laurenz: Sie haben natürlich nicht ganz Unrecht. Vor der ökonomischen Sicherheit kommt aber die körperliche Sicherheit. Was Sie auf dem Konto stehen haben, nutzt Ihnen nichts, wenn Sie von einem tödlichen Virus, einer Bombe Putins oder vom Klimawandel dahingerafft werden (natürlich auch nicht, wenn Sie von einem Messerangreifer niedergestochen - letzteres Risiko wird aber in der offiziellen Bewertung nicht so hoch gewichtet). Also spielt politische Propaganda mit Ängsten der Wähler. Trump ist Trumpf - und reicht aus, damit der Wähler - Umfragen zufolge - die neue Schuldenpolitik goutieren. Man kann auch den Wählern einen Sinn und Zweck liefern, wozu sie darben. Man kommt dann auch rasch zu Zugehörigkeit/Identität als politischen Faktoren. Wer für ein höheres Ziel darbt, kann sich effizienter organisieren und braucht weniger. Etc. pp. Natürlich funktionieren diese Tricks nicht "ewig".
 
 

Rudolf Kayser

9. März 2025 06:04

@Wuwwerboezer, danke für ihre schweizer Eindrücke, die ich nur indirekt haben kann. Interessant. Ich glaube selbst, dass die Verheerungen, die psychologischen oder mental-soziologischen Verwüstungen, die das 20. Jahrhundert im seelisch-mentalen Sprach-Bauch-Erddialekt der Deutschen hinterlassen haben, kaum aufgearbeitet sind. Weil das Wund- und Schadensbereiche betrifft, die nicht mit Psychologie oder mit "Diskurs" (auch so ein bauchloses Wort) erreicht werden können. Denn gerade diese erdllosen Rhetortenexistenzen im Ersatzgehäuse ihrer Stelzentheorien, ihrer landschaftslosen Stelzen- und Managementartikulation und ihrer bauchlosen Stelzenstimmen haben sich ihre metallisch klirrenden Ersatzgehäuse  aus Stelzen- und Metafächern wie Psychologie, Konflikttheorie, Diskurs- Kommunikationstheorie und Projektmanagement zusammengelötet. Ihre "Fachkompetenz", wie Sie es bezeichnen, gehört ja selbst schon zum Pathologischen.  Dieser durchaus hässliche Deutsche als Anywhere möchte Weltbürger sein. In Wahrheit ist er jedoch weltlos, was höchstwahrscheinlich im ungünstigsten Fall mit seelenlos gleichgesetzt werden kann.

Laurenz

9. März 2025 06:43

@Gracchus @L. ... Stimme Ihnen völlig zu. Einen Punkt gebe ich Ihnen noch zu Bedenken. Wenn man Frau & Kinder haben will, beide Eltern malochen, auf jeden Centavo achten müssen, kleine Wünsche (auch der Kinder) unerfüllt bleiben, nichts über bleibt zum ansparen, macht das Leben nicht wirklich Spaß. Hier sehen Sie den Goldreis der letzten 5 Jahre (ca. 80% Steigerung), der ganz gut die Inflation abbildet.  https://gold5.de/ Aber um hier die Inflation auszugleichen, müssen Sie erstmal das Geld über haben, Gold zu kaufen. Dann wird auch offensichtlich, daß Frisur- & Schminkkosten des Außenmassakers auf Steuerzahlers Kosten von über 130k Euro im Jahr, ein Tritt mitten ins Gesicht des kleinen, ja selbst mittleren Mannes ist. Das ist gerade für AfD-Politiker eminent wichtig im Kopf zu haben. Frau Weidel kleidet sich zwar gut, aber wesentlich schlichter als zB Frau Wagenknecht, mit gutem Grund. @Majestyk ... Hatte den wichtigsten Satz vergessen. Wir sind in keiner Weise repräsentativ. Was wir hier treiben, ist purer Luxus.

Rudolf Kayser

9. März 2025 10:40

@wuwwerboezzer, um das nicht allzusehr auf Westseite zu schieben: Es ist kein Wunder, dass diese sprachleiblose enderdigte Funktions"elite" mit der FDJ-Quantenphysikerin Angela ihren präkersten und nachhaltigsten Schadenseintrag in die Gesellschaft (der CDU) einbringen konnte. Denn sie lag mit ihrer klirrend vorpräferierten und enterdigten Funktionsbiografie bereits perfekt auf Linie einer Latenz von allem, was in der Generation von Daniel Günther und Co. auf Westseite ebenfalls angelegt war. Das Timing ihrer Heraufkunft 2005  traf den sich ankündigenden Zeitgeist der globalistischen Enterdigung von allem und jedem. Ihr Kairos bestand darin, dass sie bereits hochgeschult worden war, erst in der DDR, dann als Kohls schlaues Mädchen. Das Mädchen aus der klirrenden Klassenkampf-Funktionsrethorte. Heute überrascht es kaum noch, dass die handelnden Figuren sich in ihrer sterilen und enterdigten Geruchlosigkeit kaum noch unterscheiden: Merz, Habeck, Klingbeil, Scholz, völlig egal. 

Diogenes

9. März 2025 13:30

@Laurenz: "(...) Was wir hier treiben, ist purer Luxus." - Meinen Sie? Manche Leute gehen Angeln, andere hocken mit einem Humpen oder Glase auf ihrer Terrasenbank und schauen vom Tagewerk oder weiß der Kuckuck was erschöpft dem Nachwuchs beim Spielen im Garten zu... Und wieder andere Leute greifen danach zu Stift und Papier oder Bildschirm und Tastatur und fangen das Schreiben an. Gedanken veräußern sind kein Luxusgut. Luxus ist, es eben nicht zu tun, trotz man die Mittel dazu hätte (Luxus setzt Freiheit voraus). Und das ist es, was Sie meinen: Die Freiheit haben Dinge zu tun oder zu lassen, ungezwungen. Eine nette Illusion, denn irgendwo ist irgendwer immer gezwungen in die Freiheit des jeweils anderen Protagonisten einzugreifen. Hier kann man dann ins spirituell-materielle Mühlrad das unsere Wege/Schicksale mehr oder weniger vorherbestimmt eingehen. 

RMH

9. März 2025 15:09

@Wuwwerboezer,
Ihre Schilderung Altschweizer versus deutscher Immigranten (wobei die Schweizer auch zum großen Teil Deutsche sind, wenn sie es auch nicht selber so erkennen), erinnert gleichfalls an Westdeutsche, die nach Mitteldeutschland kamen, Preußen, die nach Bayern kommen etc. Da erkenne ich mithin ein gewisses, allgemeingültiges Muster.

Majestyk

9. März 2025 15:35

Wenn ich sonntags zum Bäcker spaziere und mir ein Stück Torte gönne, dann ist das für mich Luxus, für andere vielleicht alltäglich. Schreiben ist mein Überdruckventil und gelegentlich hilft es Gedanken ordnen, soviel zur Egozentrik. Es gibt eben kein "Wir" in der Realität, in der Not ist man allein.
@ RMH:
Das allgemeingültige Muster findet sich auch, wenn Städter aufs Land ziehen und der Hahn nicht mehr krähen darf oder wenn in meinem Ort mitten im Karnevalshochburggebiet nächstes Jahr kein Festzelt mehr errichtet werden darf, weil einem Zugezogenen die Musik nicht gefällt. Ist aber auch kein typisch deutsches Phänomen, sondern findet sich auch anderswo

ede

9. März 2025 23:08

Was der Kayser schreibt gefällt mir, obwohl ich es nicht recht verstehe. Merkel mit Physik in Verbindung zu bringen ist aber ungehörig. Zu Neuschweizern, Günther, und den aus NRW passt sie aber prima, mithin Repräsentanten der Hälfte der Deutschen.
Wenn man in der DDR hätte leben können wie in der BRD, würde Ost und West heute gleich wählen? Ja, wenn die Katze ein Pferd wäre, könnte sie die Bäume hochreiten.
Im Übrigen war mir das DDR Bild Bosselmanns diesmal erstaunlich vertraut.

ede

9. März 2025 23:27

Erstaunlich ist doch eigentlich, dass ein solcher Text 35 Jahre nach der Wiedervereinigung ein solches Echo hervorruft. Trump entlässt uns praktisch in die Freiheit, beendet einen uns schädigenden Krieg, und allenthalben ist Unwille statt Optimismus zu hören. Man erwägt Bunkerkrankenhäuser und eigene Atomwaffen. Der Kanzlerkandidat verhandelt mit allen gegnerischen Parteien, ausser mit der die ihm programmatisch am nächsten steht, und das obwohl ihn der Hegemon sogar dazu ermuntert. 
Was stimmt mit Deutschland nicht? 
 

links ist wo der daumen rechts ist

10. März 2025 01:20

Zum Habermas-Bashing:
Klar, nichts leichter als das, obwohl ja gerade das Forum hier der beste Beweis für einen herrschaftsfreien Diskurs wäre. Wie mich Letzterer auch immer an das „endlose Gespräch“ der Romantiker in der Lesart des Doch-nicht-Dezisionisten und De-facto-Opportunisten Carl Schmitt erinnert. Beendet wird das ganze bekanntlich durch den Bademeister.
Aber die berühmte Maschke-Anekdote zieht natürlich immer.
Zur „Erdhaftigkeit“:
Das mag für Erdmännchen gelten, wir Menschen schwanken immer zwischen dem „verschwiegenen Zuruf der Erde“ (Heidegger) und dem Wunsch, sich buchstäblich aus dem Staub zu machen (Levinas); ins Weltliche übertragen sind das die Gegenpole Nation und Weltbürgertum, von denen Meinecke als dem Grundschwanken des Deutschen auf dem Weg zum Nationalstaat geschrieben hat.
Ich verleugne nicht meine Herkunft (den Ort meiner Kindheit), möchte aber nicht wie ein Tier klassifiziert werden. Aus diesem Grund etwa lehne ich meinen dumm-brutalen Herkunftsdialekt (ein verwässertes Bayerisch) ab, obwohl mich die Sprachfärbung natürlich „enttarnt“.
Die deutsche Kulturnation ist Teilhabe am Weltbürgertum; leider hat diese Ansicht, wie sie v.a. Scheler vertreten hat, nicht dazu ausgereicht, den verdammten Ersten Weltkrieg zu gewinnen.

Laurenz

10. März 2025 01:46

@Diogenes @L. ... SiN, der pure Luxus, oder nicht? ... Denke, Sie täuschen sich fundamental. Entspannung & Freiheit ist es, wie GK mit 4 Ziegen außer Haus zu gehen. Was wir hier betreiben, politisch rechts-konservative Artikel & Aufsätze zu kommentieren, auf einer anderen Ebene, wie zB bei Tichys, zu debattieren, ist der puren Leidenschaft, bei mir die Leidenschaft für das Vaterland & das Deutsche Volk, geschuldet. Ein Christ würde das vielleicht eher Passion nennen. Bei mir ist der Glaube an das Deutsche Vaterland die einzig legitime Religion. Wenn ich auf der SiN kommentiere, ob publiziert oder nicht, schreite ich voller Demut in meinen Gottesdienst. Ist das bei Ihnen nicht so? Werter Diogenes, wir sind hier nicht beim Relotius zur Märchenstunde mit tausend Konjunktiven.

RMH

10. März 2025 07:53

"Die deutsche Kulturnation ist Teilhabe am Weltbürgertum;" @l.w.d.d.r.i., danke, dass sie wieder einmal daran erinnern. Die Idee des Weltbürgertums findet sich breit in der dt Kulturgeschichte (sehr prägnant auch bei I. Kant). Damals war D noch kein einig Vaterland oder aber das Reich nur noch eine recht lose Hülle, mit eigentlich bereits teilweise souveränen Gliedern. Was lag da näher, als gleich groß zu denken? Die Spannung zwischen die Welt als Maßstab & dem Regionalen hat das Nationale als Mittlerstellung leider mehrfach scheitern lassen. Kein Wunder, dass das Weltbürgerliche unter Verdacht geraten konnte, der Schuldige zu sein & streckenweise panische Abwehrreaktionen, insbesondere bei der Rechten, ausgelöst hat. Aber damit springt man zu kurz, eine Überbetonung des Regionalen ist am Ende dann meist doch nur akzeptierter Provinzialismus & Kleingeistigkeit. Das ging mir, als im fränk. Teil Bayerns lebend, am bayer Patriotismus zumeist schwer auf den Senkel. Im Bayerischen durfte man auf einmal als Ausdruck des "Colorits" über andere schimpfen, sie dissen (wenn es andere Deutsche waren! Den St. MiHiGru haben sie auch hier aufgerichtet), sich so negativ aufführen, wie es den Deutschen generell als negativ angedichtet wird. Dieser Provinzialismus mag erdig sein, aber wer zu lange auf dem Acker war, den lässt man auch nur noch gewaschen an den Esstisch bzw. macht er das selber, wenn er einen Funken echter Kultur hat.

Le Chasseur

10. März 2025 09:46

@ede
"Der Kanzlerkandidat verhandelt mit allen gegnerischen Parteien, ausser mit der die ihm programmatisch am nächsten steht, und das obwohl ihn der Hegemon sogar dazu ermuntert."
Die Frage ist, ob die derzeitige US-Regierung den Hegemon repräsentiert. Und will Trump den Krieg wirklich beenden oder vielleicht nur die USA ein Stück weit herausziehen? Wird US-Waffenproduzenten untersagt, Waffen an die Ukraine zu liefern? Und wer sind die Anteilseigner der europäischen Waffenproduzenten, die jetzt von den massiven Aufrüstungsprogramme profitieren, die am Ende die Steuerzahler der EU-Staaten finanzieren? Um mal eine Vorstellung zu bekommen: Eine DM63 Panzergranate von Rheinmetall kostet 2.500 bis 3.000 Euro pro Stück.

Umlautkombinat

10. März 2025 09:48

aber wer zu lange auf dem Acker war,

 
Andersherum gilt das natuerlich auch, was Sie sicher auch wissen. Ich habe ja lange genug Zeit im Ausland verbracht, um zwangslaeufig immer wieder einmal in eine reflektierende Stellung zum Deutschen zu kommen. Das hat seinen eigenen Wert, einen der von innen allein naturgemaess nicht erwerbbar ist. 
 
Stumpfe anywhere/somewhere-Diskussionen sind nicht zielfuehrend. Bleiben sie derart binaer wie oft von rechts gefuehrt, zeigt das letztlich ein inneres Problem der Diskutanten. Wenn "Deutsches" explizit ins Spiel kommt werde ich immer aufmerksam. Heimat liegt unter dem  sprachlich Expliziten (der erwaehnte Bauchraum ist auch ein spezieller Teil dieser impliziten Dimension). Hat natuerlich trotzdem schwer mit Sprache zu tun, aber nicht in deren Verwendung als unaufhoerlichem Versuch der Beschreibung (hier eher schon Beschwoerung) der Herkunft. Das ist ein versuch der Selbstvergewisserung, was zwingend Unsicherheit voraussetzt,  und es ist viel interessanter warum jene in nie endender Form gerade fuer Deutsche derart notwendig ist. Oder auch befoerdert wird. Wer auf dem Niveau verbleibt, wird auch immer wieder extra Angriffsflaechen bieten und reale Emanzipation weiter verzoegern.

Laurenz

10. März 2025 11:17

@RMH ... Muß Ihnen hier deutlich widersprechen. Die Kräfte der Deutschen Kulturnation, die global dachten, waren ausnahmslos vaterlandslose Gesellen, nicht anders als heute auch, von Bärziege bis ex-Siemens-Chef Joe Käser. Auch beim heutigen Grünen Pack soll am Deutschen Wesen die Welt genesen & nicht nur Deutsche Teilhabe akzeptiert werden. Verstehen Sie den Unterschied? Bereits seit 1952 betreibt Deutschland Scheckbuch-Politik, wenn seinerzeit auch erst in kleinen Anfängen. Das kann jeder Trottel, dazu muß man nicht Kant heißen. Der Planet hat vor uns mehr Respekt, wenn wir mit Leistung & diplomatischen Interessenausgleich punkten. Solange wir globale Interessen wahrnehmen & keine Deutschen -, nimmt uns eh keiner ernst, schon gar keine Deutsche Deppen-Kulturnation & Hanswurst-Zivilgesellschaft. Die historische Undanbarkeit der Afrikaner gegenüber dem spendablen Deutschland ist doch offensichtlich.  https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Aufst%C3%A4nde_in_den_deutschen_Kolonien

Rudolf Kayser

10. März 2025 11:31

@RMH das Problem ist, dass der Deutsche Weltbürger es nie oder selten verstanden hat, seinen (durchaus legitimen und auch wünschenswerten Hang) nach Kultiviertheit und Bildung von einem sterilen Universalismus abzugrenzen. Es geht ja nicht gegen das Essen mit Messer und Gabel. Es geht auch nicht um wohlfeile Intellektuellenfeindlichkeit oder um das Ausspielen von ländlich regional wurzelnder Existenz in heideggerscher Eigentlichkeit gegen das achso verlotterte Stadtleben. Es geht um den merkwürdigen Effekt, dass der deutsche Weltbürger seinen Eintritt in die Weltbürgerlichkeit und Bildung immer aus einem Minderwertigkeitskomplex heraus betreibt, der ihm sagt: Der Deutsche an sich ist kein Weltbürger. Er muss erst einer werden. Und daraus resultiert Unterwerfung auf der einen Seite oder Großmannssucht und Snobismus auf der anderen Seite. 

Adler und Drache

10. März 2025 12:02

@ Laurenz
Wenn ich auf der SiN kommentiere, ob publiziert oder nicht, schreite ich voller Demut in meinen Gottesdienst.
"Voller Demut" - der war gut!

Diogenes

10. März 2025 13:05

Wer von sich selbst als die Menschheit; die Weltgemeinschaft; das Weltbürgertum; also einen entwurzelten Universalismus (mit seiner internationalisierenden Menschentümelei) anhimmelnd, spricht, ist mir - wenn er dazu noch von sich behauptet das "Rechtsintellektuelle" bzw. "Deutschintellektuelle" zu vertreten - weltanschaulich suspekt-entfremdet. Das Getragene (Nationsgut, das in Art und Wesen Kultivierte/Entwickelte) kann nicht wichtiger sein als der Träger der Heimatkultivierung selbst, sprich: Das Volk, das nicht seelenlose und blutleere Massen-/Mengenangabe an beliebig reproduzierbaren (d.h. austauschbaren) Arbeitskräften ist. In dem Sinne also "Kulturnation" als getragener Rucksack, dessen Inhalt man auch braucht (Wegzehrung), der aber ohne den Wanderer am Weltenrand, den Gipfelstürmer namens "Deutsches Volk", ohne Sinn ist.
 
@Laurenz: Ich habe neulich den Sprachgebrauch im (Un)Sinne von Aneinander-vorbeireden kritisiert ( https://sezession.de/70057/ueber-die-ontologie-des-toetens ). Die Begrifflichkeit der Leidenschaft formuliert sich anders als der Luxusbegriff, z.B.: "Denke ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht." In anderen Worten: Wenn man statt A von B schreibt, kann man nicht A meinen. Zur Politik gehört Zweierlei - brennend Herz (Antrieb) und kühle Berechnung (langer Atem). Wenn mir auf Hälfte des Weges die Luft ausgeht, ist das politischer Freitod.

Ekstroem

10. März 2025 13:57

@Rudolf Keyser: Ja, Angele Merkel ist ein anderes Kaliber als alle Politiker nach ihr. Zustimmung: Sie wurde intensiv für ihre Aufgabe ausgebildet, und zwar seit frühester Kindheit. Gerold Keefer schrieb die einzige ernstzunehmende Biografie über Merkel. Hier seine Netzseite: https://kanzlerin.ch/ Doch selbst Herr Keefer deutet einiges nur an. Er macht einen Bogen um für ihn zu brisante Themen (Paragay, das Foto, das Merkel als Jugendliche mit Th. May und D. Grybauskaite zeigt...). Das schmälert nicht den Wert der Biografie.

Laurenz

10. März 2025 14:13

@Diogenes @L. ... Leidenschaft & Luxus ... Will Ihnen gar nicht so sehr widersprechen. Allerdings, bleiben Sie doch bei der Grundlage. Es können Sich nur Leute Leidenschaften leisten, die in der Lage sind, ohne Probleme Verzicht zu üben. @Adler & Drache @L. ... Demut oder nicht. ... War klar, daß Sie jetzt damit um die Ecke getänzelt kommen. Ist ja schön, wenn Sie am Heiligen Sonnentag was zu lachen hatten. Allerdings, haben Sie natürlich bewußt überlesen. Ich bin meinem Gott, dem Vaterland, gegenüber demütig. Aber warum sollte ich im Interesse des Vaterlands Demut üben? Mein Missionseifer auf der SiN ist vergleichsweise bescheiden, wenn wir ihn mit dem der Jesus- oder von-Mises-Follower auf der SiN vergleichen. Sie übersehen noch etwas ganz Grundlegendes. Dieses Versäumnis hätte ich Ihnen so nicht zugetraut. Ideologie - & Religionsanhänger sind in Ihrem Sein beliebig, jeder agiert hier freiwillig. Ich nicht. Sehe das auch anders als MS. Man ist Deutscher oder man ist Leugner/Verräter, Arminius oder Flavius. Als Fremder ist man Fremder & es dauert erstmal Bekannter zu werden. Das ist unabänderlich gottgegeben, wie Bruder, Schwester, Vater & Mutter.

RMH

10. März 2025 14:49

Getreu mancher (physio-)therapeutischer Regel, in den Schmerz hineinzuarbeiten, haben @l.w.d.d.r.i. & meine Wenigkeit beim Thema Weltbürgertum offenbar einen Punkt getroffen. Ich sehe es wie @R. Kayser. Das Weltbürgerliche ist aus einer Position der Souveränität heraus zu betreiben & es verleugnet mitnichten die Völker (die berühmten Ausführungen Nietzsches aus dem Zarathustra zum Thema Staat vers. Volk erspare ich mir an dieser Stelle - die Nazis dachten, man könne Volk & Staat in völlige Kongruenz bringen, was aber nicht möglich ist, ohne dass damit eigentlich ein neues Volk geschaffen wird und das alte vergeht. Ähnliches auch bei anderen sozialistischen Versuchen, die aber immerhin dann vom "neuen Arbeiter" etc. sprechen). @Umlautkombinat hat mit seinem Einwand auch Recht. Ich persönliche sehe die Nation als wesentliche, nicht wegreduzierbare Mittlerfunktion im nicht verhinderbaren oder vermeidbaren globalen Geschehen. An diesen Punkte muss man immer wieder einmal ran. Man ist immer ein ein abgestuftes Wesen, Teil der Familie, der Sippe, Deutscher, Europäer & als Mensch Weltbürger.  Kein Teil kann den anderen verdrängen oder ist höher-oder minderwertiger. Es ist mMn integeral zu verstehen.

Le Chasseur

10. März 2025 15:33

@Ekstroem
"das Foto, das Merkel als Jugendliche mit Th. May und D. Grybauskaite zeigt..."
Die beiden Mädchen neben Merkel sind nicht May und Grybauskaite. Hier ein Foto der jungen Theresa May: https://i.dailymail.co.uk/1s/2024/03/08/10/7335928-13172551-image-a-42_1709894413075.jpg

Laurenz

10. März 2025 15:43

@RMH ... Weltbürgertum ... Sie verwischen hier nur Ihre Spuren, wollen beschönigen. Wer liest schon Nietzsche? Robert Habeck? Fritze Merzel? Saskia Esken (die weiß noch nicht mal, wer das ist)? Auch die Nationalsozialisten mit 6 Jahren Frieden anzuführen, also nicht mal der halben Amtszeit Merkels oder Kohls, wirkt da nicht wirklich überzeugend. Gerade im Zusammenhang mit dem NW-Artikel, https://sezession.de/70065/die-amerikanische-rechte-fraktionen-und-figuren sind die Trumpisten viel überzeugender als Sie. Die reduzieren, zumindest formal, alles auf das Interesse der US Amerikaner im Sinne der Nation, lehnen Ideologien bis auf die Verfassung ab & stellen rein auf Merit, also Leistung & eben nicht auf Stand oder Status ab. Das Weltbürgertum ergibt sich einzig aus dem Interessenausgleich in den bilateralen Beziehungen zwischen Staaten, der sich auch immer wie gestaltet.

Diogenes

10. März 2025 15:56

@Laurenz: "(...) Es können Sich nur Leute Leidenschaften leisten, die in der Lage sind, ohne Probleme Verzicht zu üben." - Nun, die Angst und der Mut sind an sich weder gut/schlecht (was des Einen Problem/Stoppschild, ist des Anderen Ansporn) und liegen in der Gefühlsorgel (gehen ineinander über) nahe beieinander im Überwindungsgrad des Selbst, wenn man nach Nietzsche/Fichtes Philosophie geht. Die Leidenschaft ist im Intuitiven veranlagt, z.B.: "Die Jagd ist meine Leidenschaft.", oder "Ich kann das Rennfahren leiden.“, also einen Fühler/Riecher für etwas haben, denn das Leiden (können oder nicht) leitet sich vom Spüren/dem Gespür ab (liegt mit Beruf|ung zusammen): Man könne gar nicht anders als leidenschaftlich handeln (?). Ich stimme Ihnen aber bei der "Betriebestemperatur" zu, denn das "Überlegt-kühle" in Art und Wesen unserer (germanisch/nordischen) Menschen ist dem des eher "heißeren" südeuropiden (romanischen) Mittelmeertypus befremdlich (un-nahbar-un-heimlich), nicht wahr? 

Diogenes

10. März 2025 16:42

@RMH: Die Wesenheit der jeweiligen Menschenart ist nun mal volksspezifisch von Stamm und Wurzel geprägt (d.h. je weiter und ferner von uns, desto fremder und abstrakter (verschwommener o. unsinniger) der Gemeinschaftsbegriff, daher: "Weltgemeinschaft/Weltbürgertum" = wirklichkeitsfremd/ideologisch bestimmt), aber die Annahme irdisches Leben lebe auf ein und der selben Kartoffel (nimmt man die Oberflächenmeere weg) stimmt natürlich.
 
Nur was A) am Punkt B) der Weltkugel braucht ist nicht mein volksbezogenes Interesse als C) am Punkt D); bestenfalls hat A) auf seinem Flecken einen Rohstoff oder eine Ware die ich als Punkt C) auf meinem Flecken gebrauchen kann und umgedreht, wodurch also Handelsbeziehung möglich ist und diplomatisches Vertrauen aufgebaut werden kann, so lange das Gleichgewicht Einfuhr/Ausfuhr beidseitig stimmig ist. Unstimmigkeiten durch rein gleichmacherische Staatsplanwirtschaft genauso wie rein privater, kapitalistisch-grenzenloser (d.h. Volkswirtschaften zerstörend) Freihandel, dienen keinem Menschenvolk. Jedenfalls nicht auf Dauer, denn der Konflikt ist vorprogrammiert wo die eine Seite durch die andere Seite übervorteilten Ausbeutung unterliegt. Das ist eines der Gegenwartsprobleme das sich nicht von alleine auflösen wird. 

Wuwwerboezer

10. März 2025 17:16

Rudolf Kayser

"... das Problem ist, dass der Deutsche Weltbürger es nie oder selten verstanden hat, seinen (durchaus legitimen und auch wünschenswerten Hang) nach Kultiviertheit und Bildung von einem sterilen Universalismus abzugrenzen. Es geht ja nicht gegen das Essen mit Messer und Gabel ..."

Die Ost-West-Kiste auf zwei Philosophen heruntergebrochen:

* im Westen - kantianisches Weltbürgertum (sich wie der Pitbull in den Gummiball in die kantianische Lebenseinstellung basierend auf Fiktion und Abstraktion verbissen habend). Sind folglich antiautoritär gepolt.

* im Osten - hegelianische Staatsfrömmler (die aus der Rotlichtbestrahlung sehr gut den Marx herausgefiltert haben, so daß bei ihnen der Hegel sogar in gereinigter Form übriggeblieben ist. Sind folglich autoritär gepolt.

Auf Fiktionen abonniert sind sie aber beide. Bspw. der jeweils trivialisierte kantianische Kategorische Imperativ, der ja geradezu die Mutter aller Fiktionen ist, lautet:

* im Westen (Utopisten und Moralisten ...) - "Weil wir alle AB (sind, gemacht haben, wollen), müssen wir alle XY" (werden, machen, wollen).

* im Osten (Neidgesellschaft ...) - "Wo kämen wir denn hin, wenn jetzt alle XY machen würden" (bspw. die "Prinzen aus dem Morgenland" / "Goldstücke" / "geschenkten Menschen" - einfach in der sog. sozialen Hängematte rumhängen!) oder "Wo kämen wir denn hin, wenn jetzt alle YZ hätten" (damals: Chromradkappen am Trabant!).

- W.

Wuwwerboezer

10. März 2025 17:18

Rudolf Kayser

"... FDJ-Quantenphysikerin ..."

Mutti hat gerichtlich die Blockierung ihrer Stasi-Fotoaufnahme vom Grundstück Robert Havemanns während dessen Hausarrests verfügt. Die Schwarmintelligenz oder besser Schwarmdämlichkeit in der investigativen Szene hat damals sofort gekurzschlußfolgert, somit könne sie ja nur selbst für die Stasi gearbeitet haben. Sonderbarerweise hat sich dort noch nie jemand dafür interessiert, für wen Havemann eigentlich gearbeitet hat und welche Geheimdienste sich außerdem noch so bei Havemann getummelt haben. Dieser Pastor

https://www.youtube.com/watch?v=yaMiOqZ-AoE

(offenbar ein wenig sehr naiv, aber da war / ist er nicht der Einzige) hat bis heute nicht begriffen, daß er als Kandidat bei einem Geheimdienst-Assessment-Center eineladen war, durchgeprüft wurde und durch das Prüfungsraster durchgefallen ist. Schriftprobe, wie bei einem Dienst üblich, mußte er dennoch abliefern, Ordnung muß schließlich sein!

Für die Zeit nach 1990 wurde bekannt, daß Jeffrey Gedmin

https://de.wikipedia.org/wiki/Jeffrey_Gedmin

Muttis Coach war. Sie soll jede Woche bei ihm auf dem Schwanwenwerder gewesen sein. Er hatte bereits die DDR mit seinen Besuchen frequentiert gehabt. (Aber ich spekuliere ja nicht ...).

- W.

Rudolf Kayser

10. März 2025 19:40

@wuwwerboezzer, es gab im Osten bekanntlich den Unterschied zwischen einer Edeldissidentenszene (Biermann, Havemann, Heiner Müller, Heym etc); die war sowas wie Oberliga, hatte mit dem Regime zwar Zipperlein, blieb im Herzen aber utopo- kommunistisch gepolt, und es gab eine Schmuddeldissidentenszene aus Anarchos. Die haben Bezirksliga oder Kreisliga gespielt. Erstere waren geschützter durch Westöffentlichkeit, aber auch sehr diffus geblockwartet mit einer undurchsichtigen Personage aus Kirchenfunktionären und Edelführungsoffizieren der Stasi. Die Kreisliga war ungeschützter und musste öfter geräuschlos über die Klinge springen. Falls Merkel irgendwie in quasidissidenten aber niemals wirklich antikommunistischen Kreisen der Oberliga aufgetaucht sein sollte, sagt das fast nichts oder hat kaum Nachrichtenwert. Sicher mag es bei ihr auch eine Orientierungsphase gegeben haben.

Rudolf Kayser

10. März 2025 20:53

@wuwwerboezer der deutsche Idealismus eignet sich in unserem Kontext sicherlich als Punchingball. Und in schlecht gelaunten Momenten würde ich ihnen zustimmen.   Mit guter Laune würde ich heute sowohl Kant als auch Hegel eher einen Entschuldigungsschreiben ausstellen. Einerseits, weil Philosophen oft wenig für ihre nachfolgende nichtphilosophische Fanbase können, die ihre Meister, ohne zu transzendieren, als plumpe Gebrauchsanweisung oder Weltwaschzettel lesen, anstatt als inneres Gespräch oder Aufmunterung zum Selberdenken.(Und Transzendenz meint nicht automatisch Universalismus oder hermetische Innerlichkeit) Andererseits, weil dieser oft verprügelte deutsche Idealismus bei Hegel vielleicht noch mehr als bei Kant ziemlich an das Christentum angebunden bleibt. Frau Sommerfeld bearbeitet das Thema hier intensiv und hat hier schon viel dazu geschrieben. Aber klar, ohne Transzendenz gelesen, führt Kant natürlich fast schon in die Vorhölle der Postmoderne und Hegel schnurstracks in den Gulag kollektivistischer Geschichtsplanverwalter.

Ekstroem

10. März 2025 21:01

@Le Chasseur Ich respektiere Ihre Meinung bezüglich des Fotos. Nur eine Frage bzw. Anmerkung: Wissen Sie sicher, daß Ihre Behauptung über das Foto wahr ist?

Le Chasseur

10. März 2025 22:06

@Ekstroem
"Wissen Sie sicher, daß Ihre Behauptung über das Foto wahr ist?"
Ich erkenne weder May noch Grybauskaite auf dem von Ihnen angesprochenen Foto. Glauben Sie, dass das von mir verlinkte Foto nicht die jugendliche Theresa May zeigt? Und die Behauptung ist ja offenbar, dass Merkel, May und Grybauskaite im jugendlichen Alter gemeinsam in irgendeiner Einrichtung politisch indoktriniert wurden, mit dem Ziel, sie 30, 40 Jahre später als Regierungschefinnen dreier europäischer Staaten zu installieren. Das halte ich für abwegig, auch wenn ich immer für eine gute Verschwörungstheorie zu haben bin.

links ist wo der daumen rechts ist

10. März 2025 23:00

@RMH - ad Debatte Weltbürgertum:
Ich habe zu diesem Thema in den letzten Jahren genug geschrieben (gäbe es einen entsprechenden Account, könnte man die Beiträge nachlesen, ausdrucken und zu einer Broschüre „Zur Gesundung der deutschen Seele“ binden).
Friedrich Meinecke hat den 80jährigen Weg zur Nationswerdung nachgezeichnet. Am Beginn stand eine Geistesnation, die erstaunlicherweise gerade auch bei den Angelsachsen als jung und kraftvoll angesehen war. Am Ende – vor WK1 – waren wir kulturell Everybody's Darling, der angelsächsische Vetter etwas verschnupft, der französische „Erbfeind“ besiegt, der russische Vetter wäre ohne österr. Provokation via Serbien der schlafende Riese geblieben.
Es kam dann halt, wie es kommen mußte. Wilson und Lenin setzten sich durch und nicht Rudolf Steiners Mitteleuropa-Konzept.
Der – ursprünglich berechtigte – Revanchismus nahm totalitär-monströse, i.e. undeutsche Züge an. Ethnische Flurbereinigungen im größten Maßstab, Rußland als „unser Indien“? Das mußte scheitern. Durch die Vergeltungsmaßnahmen der Alliierten wurden wir endgültig zur Schicksalsgemeinschaft, was aber für die meisten Politiker nach 1945 nur eine leere Worthülse war.
Die Schmach des letzten Krieges, die Verkehrung all dessen, was uns einmal heilig war, ist für mich eine innerfamiliäre Auseinandersetzung.
So versuche ich bei den „Ideen von 1914“ anzuknüpfen.
 

Laurenz

11. März 2025 04:11

@Links ist, wo der Daumen rechts ist @RMH ... Ihr historischer Überblick ist keiner, also nicht nur knapp vorbei, sondern voll daneben. Die Habsburger investierten riesige Summen in das bodenlose Faß Bosnien, warum auch immer, vernachlässigten ihre Rüstung. Die Industrie, wie die Reserven waren bei Kriegsbeginn in einem desolaten Zustand. Hätten die Entente-Mächte eine Revision des Berliner Abkommens von 1878 gewollt, hätte man das sicher irgendwie zuwege gebracht, aber diese Absicht bestand gar nicht. Hätten die depperten Mittelmächte Rußland/Serbien von sich aus Angebote gemacht, vor allem einen Adria-Zugang, wäre das ganze Gefüge verschoben worden. Es zeigt die geistige Degeneration des Hoch-Adels. Sie mißverstehen, daß die Deutsche Einigung zum II. Reich den Kolonialmächten & Rußland immer noch aufstieß. Wir, heute, sind deswegen immer noch ungeliebt & Ziel einer überbordenden Ausbeutung. Es gab, auf jeden Fall nach Bismarcks Abgang, keine Annäherung an Rußland, das II. Reich war isoliert. Man hätte nach Mitteln & Wegen suchen müssen, um die Russische Industrialisierung zu unterstützen, Rußland zu stabilisieren. Dazu hätte es vor allem eines guten Geheimdienstes bedurft, der die Reichs-Führung über das Ausmaß des Franko-Britischen Vernichtungswillens informiert hätte.

RMH

11. März 2025 08:04

in seinem Aufsatz  "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" lag Kant 1784 (da war Hegel gerade einmal 14 Jahre alt) sehr nahe beim späteren Hegel. Für Kant ist der "Weltbürger" nichts, was aktiv erzwungen wird, sondern das schlichte Ergbnis des steten gesellschaftlichen Antagonismus, der eben irgendwann einmal zu diesem Ergebnis führt. Für Leute, die bestimmte Ziele aktiv erreichen und gestalten wollen, sind solche Feststellungen von Gesetzmäßigkeiten eigentlich nichts, da sie fast schon etwas "Schicksalhaftes" an sich haben (es kommt, wie es kommt). Etwas, was man nicht gestalten oder dem man sich nicht entziehen kann. Die Bejaher solcher geschichtlicher Gesetzmäßigkeiten können sich als "Player" dann eher zu den Beschleunigern ("Aktivsten") oder den Aufhaltern zählen. Ich kenne mich mit Marx nicht genug aus, aber ich hatte nie den Eindruck, dass er zu den aktiven Revolutionären gehörte. Ich halte ihn eher für einen, der meinte, er habe Mechanismen gesehen und verstanden, die zu einem von ihm formulierten Ergebnis führen würden. Der Begriff "Weltbürger" ist einer, den man vom Sockel holt und dann stellt man fest, dass selbst Rechte eigentlich keine Beißreflexe deshalb bekommen müssen.

Diogenes

11. März 2025 10:47

Der "Weltbürger" (die "Weltflucht"?) ist eine unbewiesene Annahme einer falsch genommenen Weggabelung in der Geistesgeschichte. Kein Grund, als deutscher Mensch nicht umzudrehen und den Irrweg hinter sich zu lassen um wieder in die Spuren der Geistesurgeschichte unserer volksspezifischen Ahnen zu gelangen. "Menschheitsfamilie" ist ja auch so ein Wort für diese Annahme. Ersonnen von völkisch-entwurzelten Liberalistischen als Vorstellung vom "Waldgang", sozusagen. Der Antagonist als Gegenspieler des Protagonisten setzt das Lebensrad des dt. Volkslebens zu einem intellektuellen Theaterstück herab, indem "irgendwie" von "irgendwem" dann das religiös/ideologische Übermorgenland; der Nicht- o. Anti-Ort, stände. Wer immer nur von "Gesellschaften" redet und den mit Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft organisch-verwachsenen Volksbegriff als blutsmäßige Abstammung meidet (bzw. durch Menschentümelei verdrängt), muss ein Problem aus einer rein-materialistischen Welterfassung heraus als wiss. u. polit. Ansatz der Weltbeschau mit irdischen Gesetzmäßigkeiten haben.

Laurenz

11. März 2025 11:29

@RMH ... Langsam reicht's, RMH. Ihre Hanswurst-Philosophen lebten in der Kolonial-Zeit, als der Deutsche Adel Franzmännisch sprach, die Franzosen von den Briten auf See bereits regelmäßig auf die Fresse bekamen (außer in der Schlacht vor der Chesapeake Bucht, der Britische Oberkommandierende Graves war ein Depp), weil weder in Frankreich noch in Spanien, im Gegensatz zu Britannien, ein politischer Vernichtungswille existierte, die Amerikanische Revolution stattfand & sich Kant, entsprechend Ihrer Aussage, gemeinsam mit den Amazonas-Indianern als Weltbürger erklärte. Wen wollen Sie hier verarschen? Die Briten liebten Seekriege, weil man die Handelsflotten anderer Mächte durch Blockade in den Ruin treiben konnte. Was spielte es da für eine Rolle, daß Bonapartes Armeen in geschmuggelten Britischen Tuch marschierten? Solange John Company den großen globalen Reibach machte. Als Frankreich sich ab 1865 aufmachte, Indochina zu erobern, fanden sich die geschlagenen Chinesen & nun von Frankreich unterjochten Asiaten sofort als Weltbürger zurecht, wie wunderbar.

Ekstroem

11. März 2025 11:35

@Le ChasseurGibt es einen Zusammenhang zwischen unserer Wahrnehmung und unseren Meinungen? Wie auch immer, es wäre doch abgründig (!), wenn das Foto wahr wäre. Dann würden die drei Mädchen in jungen Jahren am Tavistock Institut (und nicht irgendwo) umfassend ausgebildet. Mehr noch, zwei von den Mädchen würden einfach so inmitten des Kalten Krieges aus Ostblock-Ländern für längere Zeit nach London gebracht. Ich schreibe im Konjunktiv. Gerold Keefer hat das Foto nicht einmal erwähnt. Das ist sicher wahr: "Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde..."

Rudolf Kayser

11. März 2025 12:26

@RMH guter Hinweis, letztlich wissen wir alle, dass der erste Weltbürger kein Mensch war, sondern wahrscheinlich eine Pfeilspitze aus Feuerstein, irgendwann dann das Tauschmittel Salz oder Geld. Der Universalismus des Kapitals und des Handels- oder einfach gesagt - des Materials - hat Marx zu dem Trugschluss verleitet, aus der universalen und beweglichen Tauschmasse Kapital und Material müsse der Weltmasse/Klassenmasse-Weltmensch zwingend hervorgehen. Der Proletarier als Klasse so ortlos wie die Masse Technik und Handel. Aber genau dieses Denken ist eben plattester Materialismus ohne Transzendenz. Nichtsdestotrotz müsste eine rechte Theorie des Kontra-Universalismus selbst universalistisch aufgebaut sein, um mit dem Universalismus von Technik und Handel gegen den Universalismus der Määänschheit zu argumentieren. Schwieriges Feld. Also eine universalistische Theorie gegen den Universalismus.

heinrichbrueck

11. März 2025 13:19

Was ist denn das Endergebnis dieser Debatte? Der Weltbürger existiert schon im Ersten Gebot. Es herrscht keine Verwirrung, alles ist klar. Hohe Ideale und praktische Ausführungen werden getrennt behandelt. Die Dreifaltigkeit ist auch kein vergleichbarer Monotheismus. Wie ein Gefangener, der seine Fesseln quält...

Diogenes

11. März 2025 16:02

Man muss nur infrage stellen was "Rechts" sei und man gelangt recht schnell vom Allgemeinplatz "Konservatismus" und dessen im letzten Jahrhundert "verschlafenen" Revolution zur volksbezogenen Weltbeschau die von Wurzel und Stamm des Heimat- und Nation-Begriffes ausgeht. Ist das ausreichend universalistisch-einheitlich im Sinne der Anwendbarkeit auf alle Menschenvölker/Menschenrassen (?). Unitarismus funktioniert nicht abstrakt, sondern nur in Rückkopplung direkt mit dem in Heimat, Volk und Nation verwurzelten Weltbeschauer. Es gibt nicht "die" allgemeingültige Antwort als Erdanschauung aller. Die Unterschiede verlangen unterschiedliche Erdanschauungen aus dem heraus aus dem man wurde was man ist (von Stamm u. Wurzel). 

Le Chasseur

11. März 2025 17:19

@Ekstroem"es wäre doch abgründig (!), wenn das Foto wahr wäre."
Das Foto ist ja wahr, nur zeigt es eben lediglich Merkel als Teenager zusammen mit zwei Freundinnen bei einer Silvester-Party 1972 in Ostdeutschland. Sie wissen vermutlich, dass es auch die Verschwörungstheorie gibt, dass Hitler nach dem 1. WK an besagtem Tavistock Institut ausgebildet wurde?

Diogenes

12. März 2025 01:52

@heinrichbrueck: "(...) Der Weltbürger existiert schon im Ersten Gebot. (...)" Interessant, dieser "Abstractus" Weltwürger. - Die "Sich/Sik-selbst-Bezogenheit" als Universalismus. Gehen Sie weiter und vergleichen den Religionsmythos des Christentums bzw. der Christianisierung mit dem Staatsmythos der BRD, was stellen Sie fest? Alles, was unmittelbar >vor< der Mythisierung war, ist mit religiös/ideologisch geprägten und mit Abwertung aufgeladenen Idiomen wie "Heide" oder "Nazi" belegt, welche als "Warnschild" vor denjenigen Wohl- u. Heilsbringern funktionieren sollen, die in Streit/Herausforderung zur eigenen Existenzbegründung stehen (könnten). Und alleine dieses "Könnten" reicht schon aus. Mit Wohl- und Heilsbringer meinen die Anerkennung dessen als Faktor, der einem die "Köpfe" streitig macht - und als machtzentrischer Absolutismus stehen ja mir alle "Köpfe" alleine zu! - So der im Mythos wurzelnde Fanatismus, der mal hier und mal dort das Monolithische des Abrahamismus/Marxismus als Universallehre widerspiegelt. Der Islam bzw. die Islamisierung sprengt dann gerne alte vorislamische Statuen in die Luft oder klaut die Sandsteinverkleidung der großen Pyramiden von Gizeh für seinen Moscheegroßbau. Von dem, was die Christianisierung anrichtete, fange ich gar nicht erst an (Es reicht, die Brandstiftung der großen Bibliothek von Alexandria durch religiöse Fanatiker zu erwähnen.) und auch das Judentum verhält sich absolutistisch in seinem eigenhändig verbrieften Auserwähltenanspruch.

Adler und Drache

12. März 2025 10:56

Wann immer etwas als schlechthinniges Grundübel, als leibhaftiger Gottseibeiuns an die Wand gemalt wird, ist Vorsicht geboten. So auch hier mit dem Begriff und Phänomen des Universalismus. Es wird munter drauf eingedroschen, ein ums andere Mal - ich find's ermüdend! -, ohne Erkenntnisfortschritt oder überhaupt -gewinn, nur dass man halt was hat, worauf man mit Lust eindreschen kann.
Warum eigentlich? Was wäre verwerflich oder auch nur unverständlich an dem Gedanken, dass alle Menschen Zweige desselben Stamms seien? Das ist doch an sich erstmal selbstverständlich und als "das Gewachsene" auch nicht weiter begründungspflichtig, und überdies älter als die Linke und die Moderne und das Christentum.
Schön dargestellt in jener Anekdote, in der Aristoteles den jungen Alexander mahnt, die Griechen wie Griechen und die Barbaren wie Barbaren zu behandlen, woraufhin dieser antwortet "Nichts Menschliches ist mir fremd!" 
 

Ekstroem

12. März 2025 12:58

@Le Chasseur Der eigentliche Ursprung unseres Austauschs ist meine Empfehlung der Biografie über A. Merkel von G. Keefer (Kommentar 10. März, 13:57). Im Kommentar erwähne ich das Foto, um das unser Austausch kreist. Sie stellten eine Behauptung auf (10. März 15:33), die mich zu einer Frage nach deren Substanz veranlasste. In Ihrem Kommentar von gestern, 17:19, stellen Sie eine neue Behauptung auf bezüglich des Fotos. Meine erneute Frage: Sind Sie sicher, daß Ihre Behauptung wahr ist? Vielleicht sollten wir es dabei belassen. Heil und Segen

Wuwwerboezer

12. März 2025 13:21

Rudolf Kayser RA mH

"Einerseits, weil Philosophen oft wenig für ihre nachfolgende nichtphilosophische Fanbase können, die ihre Meister, ohne zu transzendieren, als plumpe Gebrauchsanweisung oder Weltwaschzettel lesen, anstatt als inneres Gespräch oder Aufmunterung zum Selberdenken."

Da tragen Sie bei mir Eulen nach Athen. Hätte es über das Wort "trivialisiert" hinaus noch ausdrücklich hinzufügen sollen, gerader im Hinblick auf die (Vulgär-)Kantianer. Leider sickern die Verschlagwortungungen tief ins Subkutane ein.

Heino Bosselmann

Wir sehen uns am Hegel-Imbiß!

https://sezession.de/66041/platte-ii

- W.

Le Chasseur

12. März 2025 14:19

@Ekstroem"Meine erneute Frage: Sind Sie sicher, daß Ihre Behauptung wahr ist?"
Merkel ist auf dem Foto relativ zweifelsfrei zu identifizieren, May und Grybauskaite sind es dagegen nicht. Gibt es außer dem Foto denn noch irgendeinen anderen Anhaltspunkt, dass die drei zusammen am Travistock Insitut waren? Oder dass sie sich in ihrer Jugend auch nur einmal getroffen hätten? Bei manchen gilt ja die Devise, "Credo quia absurdum est", ich hätte aber gerne schon ein paar Beweise.

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.