Die Rede ist von der “Verschwörungstheorie”, wonach Brigitte Macron, die Gattin von Emmanuel Macron, in Wahrheit ein Mann ist.
So abstrus sie klingen mag, sie macht gerade die Runde in amerikanischen und französischen Medien, nachdem sie von der schwarzen Influencerin Candace Owens (6,8 Millionen Folger auf Xitter) in einer sechsteiligen Serie auf Youtube einem Massenpublikum verköstigt wurde (Teil 1 hat bis dato 3,7 Millionen Klicks).
Weitere Verbreitung fand sie durch Werbung von Tucker Carlson, dem derzeit wohl einflußreichsten amerikanischen Journalisten auf konservativer Seite. (Inzwischen hat auch Joe Rogan angebissen, damit wird das Ganze wohl bald “alternativer Mainstream” werden.)
Carlson schilderte, wie skeptisch er zunächst gegenüber dieser vehement vertretenen Theorie seiner klugen und netten Freundin Candace gewesen sei. Das sei ihm, bei aller Liebe, als “Flache Erde”-Territorium erschienen, das er lieber nicht betreten wolle.
Doch nun, o Wunder, müsse er verblüfft zugeben: “And then it turns out – she’s right! My mind is blown!” Sein Interviewpartner, ein ehemaliger Fox-News-Kollege namens Clayton Morris, eingeladen, um Licht auf die berüchtigte israelische Attacke auf ein amerikanisches Schiff im Jahr 1967 zu werfen, stimmte enthusiastisch zu:
Die Beiträge von Candace Owens zu diesem Thema sind phänomenal. Ich spreche Candace Owens meine volle Anerkennung dafür aus, daß sie diese Story aufgegriffen hat, die zuerst von französischen Journalisten aufgedeckt wurde. Sie wurden dafür, glaube ich, geächtet, und ihnen wurde mehr oder weniger befohlen, zu schweigen.
Ich weiß nicht, ob Carlson und Morris die insgesamt mehr als sechs Stunden durchgesessen sind, in denen Owens “Fragen gestellt” und die Sache präsentiert hat, oder ob sie die englische Übersetzung des Buches Becoming Brigitte des rechten französischen “Investigativjournalisten” Xavier Poussard gelesen haben, die nun unter Owens’ Namen vermarktet wird (es handelt sich vermutlich um eine nur wenig oder schlampig redigierte KI-Übersetzung; so wechseln zB ständig die Personalpronomen manchmal innerhalb eines einzigen Satzes).
Auch wenn ich mir die Serie auf Youtube nur teilweise angehört habe, so habe ich doch angebissen und mir das Buch bestellt. Es erwies als eine fesselnde und durchaus lehrreiche Lektüre, die mich ein paar Tage in ihren Bann hielt, jedoch aus gänzlich anderen Gründen als von Xavier Poussard vorgesehen.
Worum geht es? Es fing alles an mit einer Dame namens Natacha Rey, die von Xavier Poussard (ein häufiger Gast auf Alain Sorals Portal Égalité & Reconciliation, das seine Arbeit regelmäßig bewirbt) als “gewöhnliche, autodidaktische Bürgerin” beschrieben wird, also keine Journalistin, die entlang der “üblichen Methodologie” geforscht hätte.
Sie war irritiert von Brigitte Macrons “ungewöhnlichem” Körperbau, wie sie auf Facebook schrieb:
… die Breite ihres Halses, ihre Schultern, die Länge ihres Brustkorbs im Vergleich zu ihrem schmalen, taillenlosen Unterleib. Daher diese unausgewogene Silhouette, dieser männliche Gang mit stets langen Schritten, diese Art, entspannt mit gespreizten Beinen zu sitzen.
Die in der Tat markante, tendenziell ins herb-maskuline tendierende Optik von Brigitte Macron (geboren 1953) ist einer der Gründe, warum die Transsexuellen-Theorie vielen Leuten auf Anhieb plausibel oder zumindest denkbar erscheint. Ein anderer ist die ungewöhnliche Optik des Ehepaares Macron selbst.
Emmanuel Macron (geboren 1977) ist ein gutaussehender, noch relativ junger Mann, der vom Typus her ein wenig an Alain Delon erinnert. Dieser ist nun seit 2007 mit einer fast 24 Jahre älteren Frau verheiratet, die altersmäßig seine Mutter sein könnte.
Da die sexuelle Attraktivität von Männern aus biologischen (und sozio-biologischen) Gründen langsamer schwindet als die von Frauen, handelt es sich um eine Konstellation, die weitaus seltener ist als die Variante unter umgekehrten geschlechtlichen Vorzeichen. Noch ungewöhnlicher wird die Geschichte durch die Tatsache, daß die Liebesbeziehung bereits begonnen hat, als Emmanuel noch ein Teenager war und Brigitte seine 40jährige Lehrerin.
Hinzu kommt, daß sich das Paar ausgesprochen “LGBTQ”-freundlich inszeniert, und an Macron eine gewisse narzisstische, verdächtig homosexuell anmutende Aura wahrzunehmen ist (zumindest mir geht es so, wenn ich ihn betrachte). Wie auch immer es sein mag, “normal” scheint er nicht gewickelt zu sein.
Natacha Rey war nun in dem Dokumentarfilm “Un roman français” von Virginie Linhart aus dem Jahr 2018 auf ein Foto der Familie Trogneux (Brigittes Mädchenname) aus dem Jahr 1954 gestossen, das sie stutzig machte.
Es zeigte angeblich Baby Brigitte auf dem Schoß ihrer Mutter, aber Rey hatte den Eindruck, daß eine andere Person ganz links auf dem Bild der heutigen Brigitte weitaus ähnlicher sah, ja wie “aus dem Gesicht geschnitten” erschien. Wie später herauskam, handelt es sich dabei “offziell” um Brigittes älteren Bruder Jean-Michel Trogneux, geboren 1945.
Die erste von Natacha Rey aufgrund dieser Intuition gesponnene Version lautete nun so: Brigitte sei in Wirklichkeit der Junge links, nicht das Baby rechts auf dem Foto. Nach einer Geschlechtsumwandlung nannte sich dieser Jean-Michel “Brigitte” und ist identisch mit der Brigitte Macron, wie wir sie heute kennen.
Vor seiner “Wandlung” zeugte (immer noch nach Natacha Rey) dieser Jean-Michel mit einer Frau namens Catherine Audoy jene drei Kinder, die heute als Brigittes offizielle Sprößlinge aus ihrer ersten Ehe mit dem Bankier André Auzière gelten: Sébastien (1975), Laurénce (1977) und Tiphaine (1984).
Sie tragen Rey zufolge deshalb den Nachnamen “Auzière”, weil sie von einem Mann namens Jean-Louis Auzière, der später Catherine Audoy heiratete, adoptiert wurden.“Brigitte Trogneux” und “André Auzière” sind in dieser Fassung der Geschichte fiktive Charaktere, erfunden, um Brigittes wahre Identität und Biographie zu verbergen.
Poussard zufolge geschah nun folgendes: Im Juni 2021 schickte Rey Madame Audoy via WhatsApp zwei Sets mit Fotos, die beweisen sollten, daß Jean-Michel identisch mit Brigitte und Jean-Louis identisch mit André ist, begleitet von den Worten: “Ich weiß alles. Ich weiß alles über Sie, Jean-Michel, Sébastien, Laurence und Tiphaine!”
Drei Wochen später stand die Polizei vor Reys Haustür, alarmiert von Madame Audoy, verhaftete sie und unterwarf sie einem harschen Verhör, in dessen Verlauf sie bedroht und schikaniert wurde. So zumindest hat sie es (unter anderem) der Journalistin Emmanuelle Anizon erzählt, die ein Buch gegen die “Fake News” dieser Verschwörungstheorie geschrieben hat.
Poussard berichtet, daß es auch bei einem Webmaster seiner eigenen Seite Faits & Documents, die die Theorie im Mai-April 2021 mit einem großen Dossier aufgegriffen hatte, zu Hausdurchsuchungen und einer Verhaftung kam, nachdem Rey Poussard als einen ihrer journalistischen Kontakte genannt hatte (er selbst wohnt in Italien und wurde darum nicht direkt von der französischen Polizei behelligt).
Natacha Rey bekam erneut Ärger, als sie am 10. Dezember 2021 ihre Anschuldigungen und Theorien über die Identität von Brigitte Macron in einem vierstündigen (inzwischen vom Netz verschwundenen) Youtube-Interview (das gleichzeitig auf Twitch, Facebook, VK und Odysee verbreitet wurde) mit einer Hellseherin mit dem Künstlernamen Amandine Roy in epischer Breite darlegte.
Beide Damen mit dem “königlichen” Nachnamen wurden wegen übler Nachrede zu einer Schadensersatzleistung von 8000 bzw. 5000 Euro verurteilt, zu zahlen an Brigitte Macron und ihren Bruder Jean-Michel Trogneux, der zusammen mit den Auzière-Sprößlingen und seiner Schwester als Kläger auftrat – und somit also offenbar tatsächlich existiert.
Diese harten Reaktionen schürten natürlich den Eifer der Amateurdetektive noch mehr. Waren sie tatsächlich auf ein Staatsgeheimnis gestossen? Und warum veröffentlichte Brigitte nicht einfach Dokumente, die die Identität aller Beteiligten ohne jeden Zweifel bestätigen, warum keine Fotos aus ihrem “früheren” Leben als Madame Auzière und Mutter dreier Kinder? Damit wäre doch die Sache ein- für allemal vom Tisch gewischt!
Der Mangel an öffentlich zugänglichen Fotos und Dokumenten aus der Zeit, bevor Brigitte Trogneux-Auzière Emmanuel Macron kennenlernte, ist eines der wichtigsten Verdachtsmomente der “Verschwörungstheoretiker”. Sie vermuten, daß hier gezielt ein Geheimnis verborgen wird.
Die Wahrnehmung, daß nur wenig Material über Brigittes Leben als Madame Auzière greifbar ist, ist offenbar keine Einbildung. Die Familie scheint sehr erpicht darauf zu sein, private Angelegenheiten nach außen abzuschirmen. Poussard zitiert Virginie Linhart, die Regisseurin von “Un roman français”:
Mit Ausnahme ihrer ehemaligen Schüler waren alle Interviewpartner vom Élysée-Palast autorisiert und sehr vorsichtig mit dem, was sie sagten. Es herrscht eine dicke Mauer des Schweigens. Das Ausmaß der Kontrolle ist, nun ja, ziemlich erstaunlich. (…) [Der Film] ist ein 90-minütiges, sehr persönliches Porträt. Um eine Entwicklung zu zeigen, brauchte ich Fotos von der jungen Brigitte Macron, von kleinen Kindern etc., nicht bloß die von der Agentur Bestimage genehmigten. Was darin nicht herauskommt, ist alles, was ihrem früheren Leben zu tun. Es gleicht einem totalen Blackout.
Daran knüpft sich ein weiterer Grund, warum die Verschwörungstheorie bei vielen verfängt: Poussard & Co haben zweifellos recht, wenn sie betonen, daß sowohl Brigitte Macrons als auch Emmanuel Macrons öffentliche Persona mediengemachte glänzende Fassaden sind.
Macron, ursprünglich ein Investmentbanker im Dienste von Rothschild & Cie, war von Anfang an eine Art Politiker “aus der Retorte”, der gezielt aufgebaut und aus dem Hut gezaubert wurde, um den Wählern 2016 als zentristischer Retter vor der “rechtspopulistischen” Gefahr präsentiert zu werden. Jacques Attali, eine graue Eminenz der globalistischen Eliten in Frankreich, prahlte sogar unverhohlen: „Ich habe Emmanuel Macron entdeckt. Ich habe ihn erfunden.”
Die Medienoffensive zugunsten Macrons mußte auch seine seltsame Beziehung zu Brigitte schmackhaft darstellen. Hierbei kam es offenbar zu etlichen “Schönheitskorrekturen” (etwa was Emmanuels Alter angeht, als die beiden sich kennenlernten), auf die sich die Aufdecker nun stürzen. Die Triebfeder ist wie so häufig ein profundes Mißtrauen gegenüber den herrschenden politischen Eliten, das an sich selbstverständlich völlig gerechtfertigt ist.
Im Gefolge der ersten Version der Theorie, die sich wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien ausbreitete, machten sich nun verschiedene Investigatoren auf die Suche nach Dokumenten, die sie entweder widerlegen oder bestätigten sollten.
Auch Poussard fand in alten Zeitungen Geburtsanzeigen von Brigitte Trogneux (die ihren Bruder Jean-Michel erwähnen) wie auch der Kinder Sébastien, Laurence und Tiphaine, natürlich unter dem Namen “Auzière”. Als er Natacha Rey damit konfrontierte, tat sie all diese Funde mit der immergleichen Antwort “Das ist alles Fake!” ab.
Nachdem nun ausreichend Bestätigungen aufgetaucht waren, daß Brigitte Trogneux und Jean-Michel Trogneux zwei verschiedene Personen sind und Brigitte 1974 tatsächlich einen real existierenden, inzwischen verstorbenen Mann namens André Auzière geheiratet hatte, mußte die Theorie modifziert werden.
Sie lautet nun in der revidierten Fassung von Xavier Poussard so: Eine am 13. April 1953 geborene Brigitte Trogneux habe tatsächlich existiert. Sie sei die Person, die auf den wenigen Fotos zu sehen ist, die offiziell die heutige Brigitte Macron vor 1986 zeigen: das Familenfoto von 1954, ein Erstkommunionsfoto von 1963 und ein im April 2019 in der Zeitschrift Le Point publiziertes Hochzeitsfoto von 1974.
Und jetzt kommt der Knaller: Diese Brigitte Auzière née Trogneux ist aber Poussard zufolge nicht identisch mit der Brigitte Macron, die wir heute kennen.
Diese Brigitte Auzière sei irgendwann in den achtziger Jahren gestorben. Danach habe ihr Bruder Jean-Michel ihre Identität übernommen. Brigitte Macron ist demnach also nicht die Mutter, sondern die Tante (resp. der Onkel) von Sébastien, Laurence und Tiphaine. Es gibt in diesem mysteriösen Familienroman also zwei Brigittes, eine echte (Trogneux), die verstorben ist, und eine falsche (Macron), die ihre Identität angenommen hat.
Das ist der Angelpunkt, mit dem Poussards Theorie steht oder fällt, und gerade diesen kann er in keiner Weise belegen oder beweisen, nicht einmal “indirekt”.
Da es von Brigitte Trogneux weder eine Sterbeurkunde noch ein Grab gibt, muß ihre Familie geschlossen ihren Tod vertuscht haben. Wie war das möglich? Gab es sonst niemanden außerhalb der Familie, der ihr Verschwinden bemerkt hatte? Gab es niemanden, der gemerkt hat, daß nun eine völlig andere Person unter ihrem Namen auftritt? Und wohin ist ihr Leichnam verschwunden? Im Garten der Auzières?
So wie es in dem Buch skizziert wird, ist all dies pure Erfindung, um die entscheidende Lücke in der Theorie füllen, wie nämlich Jean-Michel zu Brigitte werden konnte. Wie soll man sich diesen Vorgang überhaupt vorstellen? Poussard fabuliert, eingeschoben in Klammern, die echte Brigitte Trogneux habe „im Wissen, daß sie durch eine schwere Krankheit dem Tod geweiht war, diesem Bruder, dem sie so nahe stand und der sich immer wie eine Frau gefühlt hatte, die Vormundschaft über ihre Kinder und ihre Identität” anvertraut.
Ein solch unwahrscheinliches, melodramatisches Szenario würde aber immer noch nicht erklären, warum dieses ganze Manöver durchgezogen wurde und warum es der gesamte Auzière-Trogneux-Clan unterstützt hat.
Es gibt nun noch eine weitere Komplikation für Poussards Theorie, eine, die sie völlig zunichte macht.
Mehr im davon im zweiten Teil!
Maiordomus
Eine Anregung für einen Roman mit der Thematik der Paranoia unserer Zeit, mehr nicht. Die Geschichte hätte auch auf maximal 4000 Zeichen Platz gehabt.
ML: Nein, eben nicht, das ist ja das Tolle daran! ;)