Bruch 1: Abschied von Leitkultur und Assimilationsdruck – Krah kehrt der Idee von Leitkultur und kulturellem Druck auf Parallelgesellschaften den Rücken. Das Problem der nicht-assimilierten „Paßdeutschen“ war lange, auch bei Krah, ein Kernthema.
Wie damit umzugehen ist, war strittig – aber nicht, daß man es thematisieren muß. Der „Binnen-Ethnopluralismus“, den Krah nun vorschlägt, wendet sich davon ab. Krah fordert das Ende staatlicher Kultur- und Assimilationspolitik. Das widerspricht klar seinen früheren Positionen. Wenn er diesen Gesinnungswandel verständlicher erklären würde, wäre das ein neuer Standpunkt, über den man sachlich debattieren kann.
Bruch 2: Hinnahme der Verrechtlichung des Politischen – Krah gibt den Kampf gegen die juristische Aushöhlung rechter Politik nicht nur auf, er rechtfertigt sie. Selbst unsere Gegner im rechten Lager kritisieren bisher stets die immer extremere Interpretation des Grundgesetzes.
2023 spottete Krah noch über die „Rechtsstaat“-Fraktion, die mit juristischen Argumenten kommt, wenn es um Politik geht. Nun macht er genau das. Gerichtsurteile werden nicht primär inhaltlich analysiert, sondern als Argumente gegen binnenrechte Gegner gewendet. Es ist ein strategischer Rückzug, getarnt als juristische Klugheit. Das Signal an die politischen Gegner ist: Ihre Drohkulisse wirkt.
Krahs Aufgabe als Volljurist wäre es meiner Meinung nach, unser gemeinsames Remigrationskonzept aus den Jahren 2023 und 2024 juristisch zu verteidigen, selbst wenn er es strategisch nicht mehr vertritt. Doch um seine neue Strategie zu stärken, macht er sich in meinen Augen zum Vertreter der Gegenseite. Das ist der dritte Bruch.
Bruch 3: Angriff auf die eigenen Reihen – Das unübersichtliche Hin und Her auf X, wo Krah im Zusammenhang mit meinem Remigrationskonzept von „Staatsfeindlichkeit“ sprach, hätte man noch als Mißverständnis entschuldigen können. In einem Interview mit T‑Online stellte Krah aber unwiderruflich klar, was er vorhat. Er unterstellt jenen, die sich für sein bisheriges Konzept von Remigration einsetzen, nicht nur eine falsche Strategie, sondern eine verbotene Gesinnung. Er nennt Remigration einen „Kult“, der ihm bei der Werbung um türkische Wählerstimmen in die Quere komme.
Ich war ehrlich bestürzt zu sehen, daß Krah typische Methoden des Gegners anwendet: Die Unterstellung geheimer Absichten hinter dem, was wir sagen. Ich zitiere aus dem Artikel:
Zwar sei nie der weitgefasste Begriff “Remigration” von Sellner Parteiprogramm der AfD gewesen. Dessen Intention übersetzt Krah so: “Sie sagen, sie wollen nicht ausbürgern. Aber sie wollen natürlich diskriminieren – und das entlang der ethnischen Grenzen.” Es gebe zulässige und unzulässige Diskriminierung, so der Jurist Krah. “Aber ich würde sagen, es riecht stark nach unzulässig.
Krah warnt nicht vor juristischen Angriffen auf den bisherigen Konsens. Er führt diese Attacken selbst. Er erklärt der Mainstreampresse: Remigration, wie er und ich sie 2023 vertraten, sei rechtswidrig, selbst wenn wir etwas anderes behaupteten.
Das geht über jede Distanzierung hinaus. Selbst liberal-konservative Kritiker haben diese rote Linie bisher nie überschritten.
Krahs Neupositionierung – Warum der plötzliche Bruch? Warum die gezielte Eskalation in den Medien? Der Grund ist aus meiner Sicht simpel: Krah will mitspielen. Er will Macht. Er erkennt den Zeitgeist und positioniert sich nach seiner neurechten Episode nun als „gemäßigter Realo“. Dabei nutzt er frühere Weggefährten als Prellbock, um genau diese Schlagzeilen zu produzieren: „Krah bekämpft Sellners Remigration.“ (T‑Online) Meine Dämonisierung wird damit zu seinem politischen Kapital. Dazu kommt ein weiterer, möglicher Grund, der sich hinter seiner neuen These versteckt.
Zum Binnen-Ethnopluralismus – Der „Binnen-Ethnopluralismus“, den er als neue Strategie vorschlägt, ist für mich derzeit kein überzeugendes Konzept. Was bisher vorliegt, ist voller Widersprüche. Ein Vielvölkerstaat ist kein bunter Garten, in dem „alle glücklich werden“.
Ja, eine „Asterix-Option“ (Höcke) oder eine „Strategie der Sammlung“ wird dann relevant, wenn wir zur Minderheit im eigenen Land geworden sind. Doch Krah romantisiert dieses „libanesische Szenario“ – und wirft die Flinte ins Korn, obwohl die Lage noch lange nicht aussichtslos ist. Im Gegensatz zu Simon Kießling (Das neue Volk) und Frederik Höfer (Feindbild Islam als Sackgasse) argumentiert er dabei nicht mit Demografie, sondern mit Gerichtsurteilen. Obwohl noch eine kritische Masse für Remigration existiert, will er schon vor den entscheidenden Urteilen, Verfahren und Verboten den Vielvölkerstaat als neue Normalität hinnehmen.
Was die migrantischen „selbstverwalteten Räume“, für die er eintritt, konkret sein sollen (laut T‑Online „kleine Parallelgesellschaften“), ist mir nicht klar. Was wäre die Position des Binnen-Ethnopluralismus etwa bei den arabisch-deutschen Straßenschildern in Düsseldorf? Wenn selbstverwaltete Migranten neben der Amtssprache ihre Muttersprache sichtbar machen wollen: Was hätte Krahs Konzept dagegen einzuwenden?
Was sagt die neue These zum Muezinruf in einem migrantisch selbstverwalteten Viertel? Gilt auch hier das neue Diktum „Mut zur Heterogenität“? Die Idee erinnert mich stark an Ulrike Guérots Konzept, von dem sie sich später distanzierte:
Die Flüchtlinge sollen die Städte aus ihrem Heimatland nachbauen. Unweit von München, Berlin oder Köln soll es also bald ein Neu-Bagdad, ein Neu-Damaskus oder ein Neu-Kabul geben.
Neben allen Unklarheiten ist eindeutig, daß Krah staatliche Kulturpolitik ablehnt. Migranten sollen ihre Identität behalten dürfen, oder, wie Erdogan sagte: „Assimilaton ist ein Verbrechen“. Krah setzt auf kleinteilige kulturelle Netzwerke, die das Überleben der Einheimischen sichern sollen. Wenn er von Märchenvereinen, Goethe-Theatern und Volksliedchören spricht, klingt das nett. Mich es erinnert es leider stark an Merkel im Jahr 2016. In einer berühmt gewordenen Aussage reagierte sie auf Sorgen über die Islamisierung wie folgt:
Wie viele christliche Weihnachtslieder kennen wir denn noch, und wie viele bringen wir denn unseren Kindern und Enkeln noch bei? Dann muss man eben mal ein paar Liederzettel kopieren und jemanden, der noch Blockflöte spielen kann, bitten.
Das klingt lieb, rettet aber kein Volk. Es gibt keinen Grund, warum eine kulturpolitische Erneuerung und Re-Ethnisierung die bisherige Linie der Remigration und Leitkultur ersetzen sollen. Beide Ansätze widersprechen sich nicht. Sie ergänzen sich. Leitkultur und Assimilationsdruck führen auch nicht automatisch zum „Melting Pot“, sondern wirken vor allem als Push-Faktor, gegen Ersetzungsmigration.
Selbstverwaltete migrantische Räume, in denen islamische Siedler frei walten könnten, wären dagegen ein massiver Pull-Faktor. Ein kleines Kalifat plus Bürgergeld ist der Traum von Millionen auswanderungswilliger Muslime.
Wie Krah in einem germanoarabischen Vielvölkerstaat Abschiebungen, Grenzschließungen und Einbürgerungsstopps durchsetzen will, bleibt mir daher ein Rätsel. Autonome Migranten-Communities werden rasch eigene Parteien gründen und alles tun, um zu wachsen. Sie werden sich naturgemäß weiter für Kettenmigration und Masseneinbürgerung ihrer Landsleute einsetzen.
Krah könnte türkische Wähler vielleicht für Syrer-Abschiebungen gewinnen und umgekehrt. Aber türkische Nationalisten werden kaum gegen Visafreiheit mit ihrer Heimat stimmen. Ob das „teile und herrsche“ hier aufgeht, darf bezweifelt werden.
Ich bin also grundsätzlich anderer Meinung: Selbst wenn man Krahs resignative Position akzeptiert und Remigration im großen Stil für gescheitert hält, wäre die Konsequenz eine andere. Die AfD müßte in einem libanesischen Szenario zu einer Volksgruppenpartei werden, die eine räumliche Sammlung der Restdeutschen organisiert.
Krahs mögliche Agenda – Den „Binnen-Ethnopluralismus“ hat Krah (meiner Vermutung nach) hastig nachgeschoben, um eine Praxis zu legitimieren, die er längst verfolgt: Er sucht aktiv den Schulterschluß mit nichtassimilierten Migranten. Beim Barbier lobt er Erdogan, anderswo wirbt er offen um Staatsbürger, die sich als Türken identifizieren.
Polemisch könnte man sagen: Krah will der CDU die Stimmen der grauen Wölfe abjagen. Will er sich als genderkritischer, islamfreundlicher Erdoganfan positionieren, um mit den Stimmen eingebürgerter Türken eine neue Machtbasis zu schaffen? Schafft er das, was etwa Daniel Fiß bezweifelt, würde er wirklich zur Machtfigur innerhalb der AfD: ohne Vorfeld und Landesverband, aber als Broker der ethnischen Wahl.
Man unterschätze hier nie den Opportunismus der Politik: Sollte Krah wirklich signifikant Migrantenstimmen mobilisieren, würde er, vor allem im Westen, zu einer gefragten Schlüsselfigur. Daß dieser Kurs der Partei schadet, ist aus meiner Sicht offensichtlich. Aber für Krah könnte er den Durchbruch bedeuten. Das ist, wie gesagt, nur meine persönliche Vermutung. Das kommende Verhalten von Krah wird zeigen, ob sie zutreffend ist.
Wie weiter? – Maximilian Krah verwirft das Werkzeug der Leitkultur und Assimilation, akzeptiert den Vielvölkerstaat und legitimiert die Verrechtlichung der Debatte durch die Justiz. Er will sich radikal neu positionieren, distanziert sich dafür von Mitstreitern und wirft ihnen tendenziell „Staatsfeindlichkeit“ vor. Ich nehme das zur Kenntnis und werde persönliche Schlüsse daraus ziehen, solange Krah dieses Verhalten nicht einstellt und seine Fehler und Meinungswechsel verständlich macht.
Unabhängig davon bleiben aber die brennenden politischen Fragen: Wann tritt der demografische Kippunkt ein? Wie reagieren wir auf Repression und neue „rote Linien“, die von Gerichten gezogen werden? Wie wägt man zwischen Strategie und Weltanschauung ab? Dafür braucht es taktische Klugheit, politischen Mut und weltanschauliche Geradlinigkeit. Ob Krah das glaubwürdig vertritt, mag jeder selbst beurteilen.
RMH
Danke! Teil 2 beantwortet meine Frage aus dem Debattenstrang unter Teil 1.