Widersprüche und Ideologen

"Im Interesse des pluralistischen Meinungsaustausches" sei an dieser Stelle Herrn Dr. Stefan Kubon geantwortet, der vor ein paar Jahren ...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

… eine Dis­ser­ta­ti­on über die JF vor­ge­legt hat, und der nun auf einer all­seits belieb­ten lin­ken Auf­klä­rungs­sei­te  “den Wider­sprü­chen rech­ter Ideo­lo­gie” nach­geht. Da ich die Ehre habe, in die­sem Text nament­lich zitiert zu wer­den, sehe ich mich her­aus­ge­for­dert zu ant­wor­ten, auch wenn “End­sta­ti­on Rechts”-Chef Mathi­as Brod­korb inzwi­schen das Wich­tigs­te dazu gesagt hat.

Fan­gen wir an.

Gleich­zei­tig lobt das Blatt bestän­dig die bis zuletzt hit­ler­treue Wehr­macht, obwohl die­se auch Stauf­fen­berg auf dem Gewis­sen hat. Dass die JF die­sen ideo­lo­gi­schen Wider­spruch unter ihrem  Dach vereint,

Die­se Sät­ze zeu­gen für jeman­den, der sei­nen Dok­tor­ti­tel für eine Dis­ser­ta­ti­on über die JF bekom­men hat, von einer bla­ma­blen Unkennt­nis sei­ner Mate­rie. Wer sei­nen Geg­ner wider­le­gen will, soll­te wenigs­tens imstan­de sein, des­sen Posi­tio­nen kor­rekt wiederzugeben.

Able­sen läßt sich dar­aus zunächst drei­er­lei: der Autor hegt 1. ein sim­pli­fi­zier­tes Bild der Wehr­macht 2. ein sim­pli­fi­zier­tes Bild des Zwei­ten Welt­kriegs und 3. ein sim­pli­fi­zier­tes Bild von Stauf­fen­berg. Das sind natür­lich fata­le Prä­mis­sen, die die Urteils­kraft bis zur Erblin­dung schwä­chen, und zwei­fel­los “ideo­lo­gi­sche” Grund­la­gen haben.

Andern­falls wäre es näm­lich unver­ständ­lich, wie jemand auf die selt­sa­me Idee kommt, daß aus­ge­rech­net die Ver­eh­rung von Stauf­fen­berg und die his­to­ri­sche und mili­tä­ri­sche Wür­di­gung der Wehr­macht nicht unter einen Hut zu brin­gen sei­en. Wenn hier etwas “wider­sprüch­lich” ist, dann eben die kom­ple­xe his­to­ri­sche Lage, in der Stauf­fen­berg gehan­delt hat.

Die JF hat seit Jah­ren gera­de über die­se Zusam­men­hän­ge aus­führ­lich, sach­kun­dig und dif­fe­ren­ziert publi­ziert. Nach­le­sen kann man das in dem dick­lei­bi­gen Sam­mel­band “Hel­den der Nati­on”, mit Geleit­wor­ten von Phil­ipp Frei­herr von Boe­se­la­ger und Wolf Jobst Sied­ler, ein Buch,  das ich Herrn Dr. Kubon hier­mit auch als Crash­kurs-Ein­füh­rung in die Gedan­ken­welt des natio­nal­kon­ser­va­ti­ven Wider­stan­des emp­feh­le. Auch die sorg­fäl­ti­ge Lek­tü­re von Wolf­gang Ven­ohrs Stauf­fen­berg- Bio­gra­phie wür­de hier weiterhelfen.

Der fol­gen­de Abschnitt, der auf Det­lef Kühns Arti­kel über die Reha­bi­li­tie­rung der Deser­teu­re Bezug nimmt, zeugt eben­falls von einem bestür­zend grob­schläch­ti­gen und unin­for­mier­ten Geschichts­bild. Es ist hier nicht der Platz, das Stück für Stück aufzuspießen.

Ich sprin­ge wei­ter und kom­me zu der Stel­le, an der sich Dr. Kubon mit einem Leit­ar­ti­kel von mir zum 20. Juli beschäftigt.

Dabei wird ersicht­lich, dass der Autor das Geden­ken an Stauf­fen­berg für sei­ne eige­nen Zwe­cke instru­men­ta­li­sie­ren möchte.

Gut gebrüllt, Tiger. Das klingt zwar sinis­ter, aber im eng­li­schen Sprach­raum wür­de man soet­was einen “true-ism” nen­nen. Ich kann nur wie­der­ho­len, was auch Brod­korb schon auf den Punkt gebracht hat: “Stauf­fen­berg für die natio­na­le Rech­te in Stel­lung zu brin­gen, mag eine Instru­men­ta­li­sie­rung sein, aller­dings eine, die dem Geis­te Stauf­fen­bergs durch­aus gerecht wird.”

Dem­entspre­chend bemüht sich Licht­mesz, Stauf­fen­berg nicht nur als Geg­ner des Natio­nal­so­zia­lis­mus, son­dern auch als Wider­sa­cher der Kriegs­geg­ner des Deut­schen Rei­ches zu präsentieren

Ich “bemü­he” mich nicht um irgend­was, es han­delt sich hier um eine unbe­strit­te­ne Tat­sa­che, die in jeder guten Stauf­fen­berg-Bio­gra­phie nach­zu­le­sen ist.

Die dicks­te Nudel kommt aber erst:

Licht­mesz redet nicht zuletzt die demo­kra­ti­schen Tra­di­ti­ons­li­ni­en der deut­schen Geschich­te klein, indem er sug­ge­riert, die Mehr­zahl der Deut­schen habe die Nach­kriegs­zeit (zunächst) nicht als Befrei­ung, son­dern als „Unter­wer­fung“ erlebt, die durch „Wohl­stand, Sta­bi­li­sie­rung und Umer­zie­hung“ flan­kiert wor­den sei.

Man muß nicht “sug­ge­rie­ren”, die Deut­schen hät­ten die (unmit­tel­ba­re!) Nach­kriegs­zeit “zunächst nicht als Befrei­ung, son­dern als Unter­wer­fung emp­fun­den”. Die Fak­ten- und Quel­len­la­ge über den Zusam­men­bruch des Jah­res 1945, die kon­kre­te Besat­zungs­po­li­tik und das Erle­ben der Zivil­be­völ­ke­rung  ist so über­wäl­ti­gend, reich­hal­tig, ein­deu­tig und unmiß­ver­ständ­lich, daß ich Herrn Kubon erneut auf­for­dern muß, sei­ne Haus­auf­ga­ben zu machen. Man muß dazu nicht ein­mal die JF lesen. Gui­do Knopp reicht für ein dies­be­züg­li­ches Grund­wis­sen völlig.

Dass sich die Deut­schen mitt­ler­wei­le in über­wäl­ti­gen­der Mehr­heit der poli­ti­schen Kul­tur des Wes­tens ver­bun­den füh­len und zudem fast aus­schließ­lich ein ent­spann­tes Natio­nal­be­wusst­sein an den Tag legen, scheint Licht­mesz Sor­gen zu bereiten.

Eben­so ist es Fak­tum, daß die west­deut­sche Demo­kra­tie von 1949 sich nicht direkt aus den “demo­kra­ti­schen Tra­di­ti­ons­li­ni­en der deut­schen Geschich­te” und ihrer sou­ve­rä­nen Hand­ha­bung ablei­tet, son­dern von der US-Besat­zungs­macht unter Anwen­dung der “Re-Edu­ca­ti­on”  instal­liert wur­de. So konn­te auch ein stram­mer Sozi­al­de­mo­krat wie Kurt Schu­ma­cher Ade­nau­er abschät­zig als “Alli­ier­ten­kanz­ler” bezeich­nen.  Die­se Gene­se zeigt sich ja auch dar­an, daß sich das poli­ti­sche Selbst­ver­ständ­nis des heu­ti­gen deut­schen Staa­tes nicht etwa auf 1848 (oder 1871 oder 1918), son­dern auf 1945 bezieht. Die heu­ti­ge nahe­zu kon­kur­renz­lo­se Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der “poli­ti­schen Kul­tur des Wes­tens” ist die direk­te his­to­ri­sche Fol­ge davon, und das beto­nen ja deren Apo­lo­ge­ten und Kri­ti­ker des (angeb­li­chen) “deut­schen Son­der­wegs” selbst immer wieder.

Was Herr Kubon unter einem “ent­spann­ten Natio­nal­be­wußt­sein” ver­steht, weiß ich nicht. Er selbst mag ja pri­vat ein ent­spann­ter und sorg­lo­ser Mensch sein. Mei­ne all­täg­li­che Erfah­rung ist eine ande­re. Sie zeigt mir, daß die Deut­schen ins­ge­samt weit ent­fernt davon sind, mit sich im Rei­nen zu sein, und das betrifft sowohl die zwang­haft NS-fixier­te poli­ti­sche Ebe­ne als auch die per­sön­li­che Iden­ti­täts­fra­ge des Ein­zel­nen.  Das sind erns­te Din­ge, die sich nicht mit Fuß­ball-WMs und “Volks­piz­zas” von Dr. Oet­ker ent­span­nen las­sen. Und ja, das macht mir sogar sehr gro­ße Sorgen.

Es bleibt die Fra­ge, war­um die JF und ihre Leser kein augen­schein­li­ches Pro­blem mit dem skiz­zier­ten Wider­spruch der gleich­zei­ti­gen Stauf­fen­berg- und Wehr­machts-Ver­herr­li­chung haben.

Wie gesagt: Es gibt hier weit und breit weder ein Geheim­nis noch einen “Wider­spruch”.  Und eben­so­we­nig soll­te man hier ein gro­ßes Wort wie “Ideo­lo­gie” gebrau­chen, vor allem nicht, wenn man an den Gren­zen sei­ner Ver­ständ­nis­ka­pa­zi­tät ange­langt ist.

P.S.  Eine Poin­te ist Herrn Dr. Kubon lei­der ent­gan­gen: Ja, auch ich habe mich der “Ver­herr­li­chung der Wehr­macht” schul­dig gemacht, und wer­de es bei Gele­gen­heit gewiß wie­der tun, soviel ver­spre­che ich.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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