Deswegen ist es schön, daß Sie auf „weiter“ geklickt haben und meine Ausführungen zu diesem wenig sensationalistischem Thema hören möchten. Die aktuellen Ereignisse rund um den Bildungsstreik müßten uns eigentlich dazu drängen, endlich Position zu beziehen.
Ich möchte beginnen mit einer Prognose: Der hauptsächlich von Linken angeführte Bildungsstreik wird diejenigen Forderungen durchsetzen können, die den Staat kein Geld kosten. Das heißt:
- Zulassungsbeschränkungen werden weiter gelockert. Selbst Bundespräsident Horst Köhler hat am letzten Mittwoch in seiner Rede zum 600. Geburtstag der Uni Leipzig dafür plädiert, die Hürden für ein Studium zu verringern und den Universitätszugang jungen Leuten aus allen sozialen Schichten zu ermöglichen. Im Klartext: Das Abitur soll nicht länger die zwingende Voraussetzung für ein Universitätsstudium sein.
- Das Niveau wird weiter herabgesetzt. Die Abschaffung der Anwesenheitspflicht war die erste Forderung, die der Bildungsstreik an der TU Chemnitz gegenüber dem Rektorat durchsetzen konnte. Nun wird es nicht dabei bleiben, daß man als Student künftig einfach häufiger fehlen darf. In einem zweiten Schritt werden die Klausuren einfacher, damit auch die Studenten, die nicht vor um Zwölf aufstehen, ihren Abschluß schaffen können.
- Die Studenten werden noch mehr Macht in den Hochschulgremien bekommen. Dort sitzen dann wahrscheinlich noch mehr linke Langzeitstudenten, die auf ihren Pöstchen den Klassenkampf gegen die Wirtschaft, Studiengebühren und pragmatische Professoren führen.
Ferner ist eins aber auch sicher: Der Verfall des Bildungssystems schreitet unaufhaltsam voran. Bundesbildungsministerin Anette Schavan (CDU) hat letzte Woche einen „Bologna-Gipfel“ für April 2010 angekündigt. Dort werden dann häppchenweise einige Forderungen der Studenten erfüllt und ein paar Euro zur Verfügung gestellt, um ein paar alte Fenster in den Unis auszuwechseln.
Daß dies eine Politik des faulen Kompromisses ist, brauche ich hier niemandem zu erklären. Bei der Frage, was wirklich getan werden müßte, wird es trotzdem schwierig. Als Diskussionsgrundlage möchte ich deshalb kurz zu den wesentlichen Kernproblemen Stellung beziehen:
- Weg von der Schulpflicht hin zu einer Bildungspflicht. Hausunterricht sollte also legalisiert werden.
- Stärkung der MINT-Fächer (Mathe, Informatik, Physik, Bio, Chemie). Um den Fachkräftebedarf in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen abdecken zu können, müssen die dazu notwendigen Kompetenzen früher erlernt werden. Der Freistaat Sachsen ist hier ein erfolgreicher Vorreiter. Mathe, Physik, Bio und Chemie müssen hier bis zum Abitur belegt werden. Die Schüler können diese Fächer nicht abwählen. Aus eigener Erfahrung: Wenn man nicht einen Karlheinz Weißmann als Lehrer hat, wird in den geisteswissenschaftlichen Fächern sowieso zuviel rumgequasselt. Wöchentlich ein paar Stunden weniger hiervon stellen meines Erachtens kein Problem dar. Damit verbunden muß auch eine Entpolitisierung der Bildung und eine Stärkung des praktischen Sinns sein.
- Stufenweise Selektion I. Um drohende Jugend-Arbeitslosigkeit zu verschleiern, hat die Bundesrepublik ab den 70er-Jahren immer mehr Menschen ein Hochschulstudium ermöglicht. Die nicht ausgesprochene Logik dahinter: Wenn jemand bis 30 studiert, ist er zumindest nicht arbeitslos. Gerade im Hinblick auf die demographische Entwicklung wird sich diese Strategie als ein Irrweg erweisen. Deshalb brauchen wir eine Kehrtwende: Lieber mit 16 eine gute Ausbildung beginnen, als orientierungslos mit 28 im überfüllten Hörsaal sitzen. Um dies zu erreichen, müssen frühzeitig die richtigen Weichen gestellt werden: Die Guten (Schnitt 2,0 oder besser) gehen nach der Grundschule aufs Gymnasium. Die weniger Guten auf die Realschule.
- Stufenweise Selektion II. Derzeit sind an deutschen Hochschulen über zwei Millionen Studenten immatrikuliert. Das ist viel zu viel, um eine echte Elite herauszubilden. Mittelfristig sollten 500.000 bis eine Million junge Menschen ein wirklich gutes Studium absolvieren. Nur durch eine Verringerung der Studentenzahlen sind kleine Seminare und ein gutes Betreuungsverhältnis möglich. Die Zulassungsbeschränkungen müssen dafür deutlich erhöht werden. Es sollte zur Regel werden, daß für ein Studium mindestens ein Abitur mit 2,5 oder besser nötig ist. Für den Rest ist es sowieso besser, eine gute Ausbildung anzufangen.
- Studiengebühren: Um eine hochwertige Lehre zu gewährleisten, sind Studiengebühren derzeit leider unumgänglich. Die Universitäten helfen allerdings Studenten aus einkommensschwachen Familien durch die Vermittlung von Stipendien und Ausnahmeregelungen für sozial Schwache.
- Bachelor/Master haben ihre Untauglichkeit unter Beweis gestellt. Mittelfristig müssen wieder mehr Magister- und Diplomstudiengänge angeboten werden.
- Nicht weniger, sondern mehr Kooperation mit der Wirtschaft. Überall dort, wo Unternehmen Forschung und Lehre sinnvoll unterstützen, entsteht eine Gewinnsituation für alle. Die Hochschulen erhalten Geld und Praxiserfahrung. Die Unternehmen können talentierte Arbeitskräfte an sich binden. Und die Studenten schnuppern früh Praxisluft.
- Elite-Universitäten: Es ist sinnlos, bestimmten Unis ein bißchen mehr Geld hinterherzuwerfen. Statt dessen sollten wir den guten außeruniversitären Forschungseinrichtungen vertrauen.
Freedy
Im Grunde werden Uni-Abschlüsse heute kaum weniger inflationär ausgegeben als Papiergeld. Ihre Entwertung geht damit einher.
Es bleibt nicht viel mehr, als die Idee der Universität neu zu beleben. Fern vom Staat und seinen Vorschriften, Eingriffen und Belohnungen für Anpassung. Bildung war und bleibt ein schwer erreichbares Gut.
https://ef-magazin.de/2009/12/01/1707-falsche-bildung-als-wahnvorstellung-von-fdp-bis-linke-wollt-ihr-die-totale-bildung