Folgt man der Schilderung von Storchmeister Mathias Brodkorb, dann war die Veranstaltung offenbar mal wieder eine alarmierende Zurschaustellung der allgemeinen Politvertrottelung auf seiten der Linken. Höflicher kann ich es leider nicht ausdrücken – gegen die richtig dicken Schwarten helfen eben keine feinen Messerchen mehr.
Eine dieser bretterdicken Schwarten hat ein Dr. Werner T. Bauer von der “Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung” (ÖGPP) aufgelegt:
Für Bauer geht dabei die eigentliche Bedrohung des demokratischen Rechtsstaates keinesfalls von eindeutig rechtsextremistischen Kräften wie der NPD, sondern in Deutschland von rechtspopulistischen Organisationen und Milieus zwischen NPD und Union aus.
Es mag nicht ganz fair sein, Herrn Dr. Bauer nun aus zweiter Hand, aufgrund einer fremden Zusammenfassung zu kritisieren. Aber vermutlich liegt es nicht an einer Unterschlagung Brodkorbs, sondern am Vortragenden selber, daß hier die beiden spannendsten Fragen gar nicht beantwortet werden: inwiefern diese besagten Rechtspopulisten denn nun a) den Rechtsstaat und b) “die Demokratie” gefährden. Angesichts so dramatischer Behauptungen will man schon Details wissen. Vor allem erstere stellt angesichts landläufiger Tendenzen die Tatsachen geradezu auf den Kopf. Solange derlei “Gefahren“meldungen nicht argumentativ begründet werden, bleiben sie reine Klingelglöckchenrhetorik.
Und nun bitte vor allem: wer oder was ist denn nun überhaupt gemeint, wenn von “rechtspopulistischen Organisationen und Milieus zwischen CDU und NPD” die Rede ist? Ich überlege krampfhaft, und da fallen mir eigentlich nur zwei ein, die heute irgendeine Relevanz haben: die Betreiber und Fans des Netzportals Politically Incorrect und die diversen, mit PI eng verknüpften Pro-Bewegungen, denen man nun nicht gerade rauschende Erfolgswellen nachsagen kann. Und die sind nun also eine “Bedrohung des demokratischen Rechtsstaates”. Aha. Warum?
Als nächstes haben wir einen ganz besonderen Leckerbissen vor uns:
Während die NPD nämlich aufgrund der breiten Ablehnung neo-nationalsozialistischer Positionen in der Bevölkerung eher ein Fall für die Polizei als für politische Debatten sei,
Also: Eine Partei ist aufgrund der breiten Ablehnung ihrer Positionen in der Bevölkerung ein Fall für – die Polizei? Sehr interessant. (Was wird die Polizei erst machen, wenn die Positionen dieser Partei plötzlich breite Zustimmung in der Bevölkerung bekommen?)
Im Gegensatz zur NPD
… stelle sich dies bei den “nicht offen nationalsozialistisch” agierenden Rechtspopulisten ganz anders dar.
Merke: es gibt nur “offen” und “nicht offen nationalsozialistisch” agitierende Rechte, letztere müssen sich nämlich ständig vor so klugen “Politberatern” wie Dr. Bauer verstecken, der ihnen aber natürlich trotzdem immer auf die Schliche kommt.
Eine Nummer für sich ist auch das:
Als Kernmerkmale rechtspopulistischer Parteien nannte Bauer dabei u. a. ihren Bewegungscharakter und die Selbstinszenierung als “Anti-Partei”, die Herausstellung eines “charismatischen Führers” sowie ihr “anti-intellektueller” Anspruch, der komplizierte soziale Prozesse auf einfache Erklärungsmuster reduziere.
Nun ist die “Selbstinszenierung als ‘Anti-Partei’ ” ja kein Alleinstellungsmerkmal von rechtspopulistischen Bewegungen, sondern von Protest- und Bürgerbewegungen überhaupt (wie auch der Rest der angeführten Kriterien). Das Geschwätz vom “charismatischen Führer” ist mal wieder Wortgeklingel, nur um den Schauerbegriff “Führer” ins Spiel zu bringen, denn einen solchen wollen die Rechten ja angeblich immer irgendwie haben. Wenn man rhetorisch skrupellos genug ist, könnte man den Begriff ohne weiteres auf jeden Spitzenkandidaten anwenden, der vor allem von den politischen Oppositionsparteien in die Runde geschickt wird, um auf Stimmfang gegen die Regierung zu gehen. Wenn die Linken dann ihren Gysi, Lafontaine, Ströbele oder Gerhard Schröder in die vorderste Front schicken, oder wie in guten alten Zeiten ihre Dutschkes & Co hervorbringen, wie nennt man das dann?
Nun mal die Stichprobe: man nenne mir bitte eine einzige “charismatische Führerfigur” aus dem Umfeld von PI oder den Pro-Bewegungen. Mir fällt keine ein. Ein Markus Beisicht ist das nämlich bestimmt nicht. Und sonst? Allenfalls denkt man an den in diesen Kreisen grassierenden Geert-Wilders-Kult, aber der ist erstens kein deutscher Politiker, und zweitens besteht, siehe oben, keine dringende Veranlassung, ihn nun im Gegensatz zu anderen Parteichefs und Charismatikern sinister als “Führerfigur” zu titulieren.
Was den “anti-intellektuellen Anspruch” betrifft, “der komplizierte soziale Prozesse auf einfache Erklärungsmuster reduziere”: diese ganzen dummen, illiteraten Rechtspopulisten können den hohen “intellektuellen Ansprüchen” von Geistesriesen wie Angela Merkel oder Christian Wulff, mit ihrer profunden Kenntnis der “komplizierten sozialen Prozesse” in diesem Land zweifellos nicht das Wasser reichen. Ich habe aber so einen gewissen Verdacht, daß der Ausdruck “einfache Erklärungsmuster” inzwischen genauso als gestanzte Antifaphrase benutzt wird wie etwa “rechtes Gedankengut”, “Menschenverachtung” oder “Demokratiefeindlichkeit”.
Es gibt so etwas wie einen “intellektuellen Anspruch” der Dummen, der eben nicht mehr ist als das: ein Anspruch, eine bloße Behauptung. Man adaptiert ein paar Formeln, Attitüden, einen Jargon, und meint, daß das allein schon ausreiche, auf der richtigen Seite zu sein. Man borgt sich die Endergebnisse von anderen und geht damit hausieren. Man präsentiert sich als “intellektuell”, indem man das Wörtchen “kompliziert” möglichst oft benutzt, dabei aber niemals zu Potte kommt, was denn nun genau wo und warum “kompliziert” sei. Dann wird die Rede von der “Komplexität” zur bloßen Ausrede für die eigene Apperzeptionsverweigerung und zur Nebelgranate gegen jene, die die Dinge scharf ins Visier zu nehmen verstehen. Für “intellektuell” oder gar “intelligent” halten sich dann einige schon allein deshalb, weil sie z. B. SPD wählen oder “gegen Rechts” sind. Die ganzen ER-Kommentarspalten etwa sind voll von solchen Tröpfen, weil “Rechtssein” ja per se “Dumm-” und “Unaufgeklärtsein” bedeutet. Das ist eben alles eine Frage von gutem Marketing, nicht anders, als wenn man Zigaretten oder T‑Shirts verkauft.
Und damit wären wir bei der eigentlichen Crux der Sache, die auch Brodkorb in seinen kritischen Anmerkungen zu der Tagung offenbar nicht aufgefallen ist: Wenn man darauf verzichten soll, “komplizierte soziale Prozesse auf einfache Erklärungsmuster” zu “reduzieren”, dann kann man sich auch den ganzen Wahlkampf schenken, der ja auf nichts anderem basiert. Man zeige mir ein einziges Wahlplakat einer beliebigen Partei, das nicht mit Verschlagwortungen, Vereinfachungen und sonstigen “anti-intellektuellen” Taktiken arbeitet. Wie sonst soll man denn bitte seine Inhalte in einer Blicksekunde an den Mann und die Frau bringen? Etwa mit langen Traktaten, die jeder Staatsbürger, vom Bauarbeiter bis zum Universitätsprofessor, mit dem gespitzten Bleistift durcharbeiten muß, ehe er in die Wahlzelle gehen darf?
Nun stellt sich Dr. Bauer einen im Gegensatz zum Rechtspopulismus “guten Populismus” vor, der so aussehen soll:
Die richtige Antwort der nicht-rechtspopulistischen Kräfte müsse nämlich in der Entwicklung eines “neuen, unverbrauchten Typs” von Politikern bestehen, die in den Bierzelten stärker Kontakt zur Basis suchten. Gefragt sei mithin der “gute Populist”.
Nun: darauf verstanden sich Strauß, Stoiber und Strache ja auch glänzend. Aber selbst der “gute” SPD-Populist, der auf diese Tour mit Vertretern seiner “Basis” einen trinken geht, muß ja irgendwie vermitteln, warum man gerade ihn und seine Partei wählen soll. Wie macht er das denn? Mit “intellektuellen” Disputen beim Oktoberfest? Mit mausegrauem, “uncharismatischem” 08/15-Auftreten? Mit der Betonung, daß man doch eine seit Ewigkeiten im Sattel sitzende Establishment-Partei sei, die es diesen bürgerbewegten Emporkömmlingen und Nörglern schon zeigen werde? Dr. Bauer hätte sich seinen Sermon sparen können: der “gute” Populist ist offenbar vor allem deswegen “gut”, weil er links ist.
Und nun zum Schluß noch ein typischer Brodkorb:
Und schließlich hätte es der Veranstaltung vielleicht auch gut getan die Frage zu erörtern, ob es einen “guten Populismus” überhaupt geben kann oder ob dieser nicht seinerseits eine Inszenierung als Anti-Partei, charismatische Führung sowie eine anti-intellektuelle Verkürzung politischer Diskurse notwendig zur Voraussetzung hat, weil er sonst eben gar kein Populismus wäre. Ob dies jedoch einer aufgeklärten, am rationalen Diskurs orientierten Demokratie überhaupt zuträglich wären, darf getrost bezweifelt werden.
Zur Erinnerung: die Vorstellung von der Herrschaft durch einen “aufgeklärten, rationalen Diskurs”, also eines “governments by discussion” entstammt nicht der Gedankenwelt der Demokratie, sondern des zu ihr ursprünglich im Gegensatz stehenden Liberalismus. Diese latenten Gegensätze können jederzeit wieder virulent werden, und das zeigt auch das Beispiel Brodkorbs, der etwa furchtbare Schwierigkeiten hat, einen konkreten Demos zu definieren, und immer wieder darum herumschwurbelt, z.B.: “Denn in der Demokratie sind fast alle Menschen im staatspolitischen Sinne Bürger und somit für die Demokratie mit-verantwortlich…” Müßte das nämlich nicht korrekt heißen: “In der Demokratie sind fast alle Staatsbürger für die Demokratie im politischen Sinne mit-verantwortlich” ?
Demokratie und Populismus sind siamesische Zwillinge, wenn sie in der Massengesellschaft nicht gar ident sind. Es kann keine Demokratie geben ohne “Populismus”, dabei Demokratie verstanden im Wortsinne als “Volksherrschaft” und mit freiem Wahlrecht für jeden Staatsbürger. Das ist so zwingend logisch wie eine mathematische Gleichung. Wer Ja zur “Demokratie” sagt, muß auch Ja zum “Populismus” sagen. Niemand wird SPD wählen, weil er über einen “rationalen Diskurs” nachgegrübelt hat. Die beste Möglichkeit, den “Populismus”, die “Inszenierung als Anti-Partei”, die “charismatische Führung” und die “anti-intellektuelle Verkürzung”, also known as “Wahlkampf” auszuschalten, bestünde schlicht darin, überhaupt das allgemeine Wahlrecht abzuschaffen. Dann könnten sich ja die Vertreter der “clasa discutidora” gegenseitig wählen und ungestört endlose “aufgeklärte, rationale Diskurse” führen, während sie in weißen Gewändern über die Akropolis wallen, wie sie das ja auch gewiß Tag und Nacht im Sinn haben.
Das Thema scheint nun übrigens, vielleicht auch im Zuge der Sarrazin-Debatte, gerade wieder “in” zu sein. Hier ein Artikel von Michael Wolffsohn aus der Welt: “Demokratie oder Populismus?”.
Bauer Gerhard
Vielleicht sind ja so Leute wie Axel Reitz gemeint?
Na ja, zwischen der NPD und Union ist viel Platz, vielleicht meint er auch die Trachten- und Schützenvereine, da sind sie doch allesamt beisammen und brüten dumpf über die Wiedererrichtung des ns-Reiches.