… haben die bandes desinées bzw. fumetti in der populären Kultur Frankreichs und Italiens einen weitaus höheren Stellenwert als in Deutschland. Besonders im frankophonen Raum erfreuen sich die Bilderfolgen großer Wertschätzung, und Gestalten wie Tintin, Asterix oder Spirou gelten als nationale Klassiker.
Das läßt sich z.B. von Fix und Foxi und ähnlichen deutschen Produkten, deren Qualität deutlich gegenüber den französischen abfällt, nur sehr eingeschränkt sagen. Kein Wunder also, daß Comics auch in der “Metapolitik” der diversen Nouvelle Droites eine nicht geringe Rolle spielen.
Gelegenheit, an dieser Stelle das Magazin Réfléchir & Agir (“Überlegen und Handeln”) vorzustellen, untertitelt “revue autonome de désintoxication idéologique”, also etwa “autonome Zeitschrift für ideologische Entgiftung”, der freilich eine “intoxication” anderer Art gegenüber steht. Die Hefte sind nicht ganz leicht zu bekommen, und die Internetpräsenz des Magazins ist ziemlich dürftig.
Ein Freund hat mir vor einiger Zeit ein paar Hefte importiert, und ich war erstaunt bis begeistert über Aufmachung und Inhalt. R&A ist aufwendig produziert, durchgehend attraktiv bebildert und auf hochwertigem Papier gedruckt, dabei scharfkantig rechts bis “fascisant”, zugleich aber verblüffend eklektizistisch und undogmatisch. Vor allem eines ist das Magazin nicht: langweilig.
Man versteht sich als neuheidnisch, antichristlich und “identitär”, die Themen sind klassisch “neurechts”, wie etwa die obligate Pflege von Ikonen wie Julius Evola, Ernst Jünger, René Guénon, Emil Cioran oder Jean Raspail und von Dauerbrennern wie “Ethnopluralismus”, Regionalismus, Anti-Globalismus und Eurasienbewegung (Alexander Dugin); dabei wird “libérons-nous des colonies” ebenso gefordert wie eine “jeunesse européenne du sang et du sol” und ein “Europe des patries”.
Die Autoren sind mitunter hochkarätig. In Heft 21/2005 schrieb der Schriftsteller Jean Parvulesco, Evolianer und Weggefährte der Nouvelle Vague, über “Angela Merkel au pouvoir, un danger pour Europe”, ein weiterer prominenter Mitarbeiter des Heftes war der 2006 verstorbene Jean Mabire. Garniert wird das Ganze mit Skurrilitäten wie einem Interview mit Brigitte Lahaie. Fixer Bestandteil sind Dossiers über Filmregisseure wie Jacques Becker, Pierre Schoendoerffer, Bertrand Tavernier oder auch Tim Burton; über Kultbands wie Joy Division und The Smiths und Schriftsteller wie Jack London, D. H. Lawrence oder James Ellroy. Der Rezensionsteil behandelt Neuerscheinungen im Bereich Pop, Neofolk, Techno und Black Metal, ebenso Kinderbücher, Sachbücher, Belletristik, und eben auch Comics. Heft 17/04 stellte den rechten Cartoonisten und Satiriker Konk (geb. 1944) mit einem “entretien choc” vor.
Heft 21/2005 präsentierte als Cover-Story den 1921 geborenen Zeichner und langjährigen Mitarbeiter von Hergé Jacques Martin mit einem langen Interview. Martin ist der Schöpfer des Klassikers Alix. Die antiken Abenteuergeschichten im Stil der ligne claire kann man als eine Art Bindeglied zwischen Tintin und Asterix beschreiben. R&A zitierte den Schriftsteller Jean-Louis Curtis, der die literarischen Qualitäten des Comics pries:
(Alix) war eine Offenbarung. Ich habe darin den Atem der großen Romane von Walter Scott und von Lewis Wallace’ Ben-Hur wiedergefunden, das Cinemascope, das mich im Nachkriegskino so entzückt hat. Es gibt in Alix keinen moralischen Manichäismus, wenn man auch weiß, daß er alles Recht auf seiner Seite hat. Er zweifelt, leidet, er fühlt, er provoziert heroische Glanzleistungen, und zur gleichen Zeit sucht er nach seinen Wurzeln. Alles, was ich an der Literatur und am Kino schätzen gelernt habe, habe ich in Alix wiedergefunden.
Für bundesdeutsche Verhältnisse ist verblüffend, daß ein populärer Künstler einem Magazin der äußersten Rechten offenbar unbefangen ein Interview gibt und sich dafür nicht einmal Ärger einhandelt – man stelle sich vor Hier & Jetzt wurde dasselbe mit Hansrudi Wäscher tun, der alte Herr fände keine Ruhe mehr. Bemerkenswert empfand ich allerdings auch das “Unpolitische” des Interviews mit Martin, das sich fast ausschließlich um dessen Leben und Kunst dreht.
Für mich ist das ein gutes Beispiel für eine geglückte metapolitische Anbindung: eine rechte Subkultur darf sich nicht ständig krampfhaft fragen, wie man was politisch verwerten könnte, sondern sich mit wachem und aufrichtigem Interesse den Dingen, und dabei vor allem der Kunst, nähern. Es geht weniger um “Vereinnahmungen”, als um das wache Finden von “Berührungsflächen”, wie es Peter Glotz einmal im Hinblick auf Hans-Dietrich Sander formulierte. Wer die Augen aufmacht, wird davon auf Schritt und Tritt entdecken. So wird sich vielleicht einmal durchsetzen, was für die Linke selbstverständlich gilt, daß auch die Rechte einen Teil der Wirklichkeit vertritt, der allen gehört und von allen verstanden wird.