Rudolf Burger über Moral und Politik (Fundstücke 20)

Ein Nachtrag zu den letzten "Fundstücken": da gab es einiges zum Lachen über einen Kummerkastenonkel...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

der Süd­deut­schen Zei­tung mit human­ge­ne­ti­schen Nei­gun­gen, der einer besorg­ten Lese­rin erklär­te, war­um inti­me per­sön­li­che Bezie­hun­gen mit “Rechts­extre­men” eine Sün­de sei­en (übri­gens gel­ten Men­schen, die Ehe­schlie­ßun­gen mit Mos­lems für eine schlech­te Idee hal­ten, inzwi­schen als “ras­sis­tisch”).  Begrün­det hat Dr.Dr.Dr. Som­mer das so:

Eine poli­ti­sche oder reli­giö­se Ein­stel­lung, die Men­schen ihren Zie­len unter­ord­net, Grund­ideen wie glei­che Rech­te, Frei­heit oder glei­che Wür­de des Men­schen negiert, die bereit ist, Men­schen zum Mit­tel zu machen, geht so sehr an den Kern des Mensch­li­chen, dass sie sich von der Per­son mit die­ser Ein­stel­lung nicht tren­nen lässt.

Ich habe in mei­nem Kom­men­tar aus­ge­führt, daß man die­se Kri­te­ri­en pro­blem­los auch auf jede belie­bi­ge poli­ti­sche Rich­tung anwen­den kann, ins­be­son­de­re die Grü­nen, die Ein­wan­de­rungs­lob­bys und das mit ihnen ver­knüpf­te “Integrations”-Business, deren Ver­tre­ter kei­ne drei Sät­ze ohne die Voka­beln “Men­schen” und “Mensch­lich­keit” bil­den kön­nen, wohl damit ja kei­ner dar­an zweif­le, wie sehr sie vor letz­te­rer gera­de­zu aus den Näh­ten platzen.

Nun fin­de ich in dem exzel­len­ten Groß-Essay “Im Namen der Geschich­te” des öster­rei­chi­schen Phi­lo­so­phen Rudolf Bur­ger fol­gen­de Bemerkung:

Jedes poli­ti­sche Han­deln ist unaus­weich­lich pra­xis und poie­sis zugleich. Umgang mit Men­schen als Sub­jek­ten und deren Degra­da­ti­on zum Mate­ri­al. Wer es auf pra­xis redu­zie­ren und mora­lisch “bin­den” will, ist ent­we­der ein Heuch­ler oder er weiß nicht, was er sagt. Den ande­ren nie­mals nur als Mit­tel zu gebrau­chen, wie es in einer sei­ner Fas­sun­gen der Kan­ti­sche Impe­ra­tiv ver­langt, heißt zuge­ge­ben, daß er immer auch ein Mit­tel ist, und je wei­ter der ange­streb­te Zustand vom gegen­wär­ti­gen ent­fernt ist, des­to stär­ker tritt die­ses Moment her­vor. In dem Maße, in dem das Han­deln sich selbst als his­to­risch ver­steht, hebt es das mora­li­sche Urteil im poli­ti­schen auf.

Das liegt wahr­schein­lich jen­seits des Ver­ständ­nis­ho­ri­zonts von Dr.Dr.Dr. Som­mer, der mit einem heh­ren phi­lo­so­phi­schen Anspruch auf­tritt und sich wie Bur­ger auf Aris­to­te­les beruft. Für ihn spielt sich das “Poli­ti­sche” etwa in die­sem Rah­men ab (man ver­zei­he mir, daß ich mal wie­der das Tri­via­le mit dem Anspruchs­vol­len mische, aber Tri­via­li­tä­ten wie eine Kum­mer­spal­te in der SZ zei­gen eben recht gut, wie­viel ideo­lo­gi­scher Gehalt bereits in die kleins­ten Rit­zen des All­tags ein­ge­drun­gen ist):

Abge­se­hen davon, dass man sich oft nicht aus­su­chen kann, in wen man sich ver­liebt, soll­ten poli­ti­sche Ein­stel­lun­gen mei­nes Erach­tens das Mit­ein­an­der nicht domi­nie­ren. Wie hoch der Spit­zen­steu­er­satz sein soll, wel­che Schul­form die bes­te ist oder wie das Gesund­heits­sys­tem zu orga­ni­sie­ren, sind am Ende tech­ni­sche Fra­gen, unter­schied­li­che Ein­stel­lun­gen und Ideen, wie das Zusam­men­le­ben am bes­ten gestal­tet wer­den kann.

“Poli­tik” wird hier vor allem als Manage­ment und Sach­ver­wal­tung ver­stan­den. Nur knapp dar­über beginnt dann aller­dings schon die nicht mehr zur Dis­po­si­ti­on ste­hen­de “höhe­re Moral”, in die­sem Fall der “Men­schen­rech­te”, und damit die eigent­li­che Poli­tik.  Daß auch die­se Form der Bin­dung des Poli­ti­schen kei­nes­wegs so harm­los ist, wie es auf den ers­ten Blick schei­nen mag, ist ein wesent­li­ches The­ma des selbst­er­klär­ten “Skep­ti­kers” Bur­ger. Dabei zeigt er sich völ­lig unbe­ein­druckt von der übli­chen sen­ti­men­ta­li­sie­ren­den Ver­wen­dung des Begrif­fes “Mensch­heit” (man könn­te auch ergän­zen: “Mensch­heits­fa­mi­lie”, wie die nach­kon­zi­lia­re Kir­che so ger­ne sagt):

Solan­ge Men­schen exis­tie­ren, die den Namen Men­schen ver­die­nen, wer­den sie dar­über strei­ten, was in kon­kre­ten Lagen gut ist und was böse. Und sie wer­den für ihre Über­zeu­gun­gen auch kämp­fen, wenn es sein muß auf Leben und Tod. Selbst wenn alle Men­schen ein­mal Schwes­tern wer­den soll­ten und Brü­der, wür­de sich dar­an nichts ändern: Die Atri­den waren auch eine gro­ße Familie.

Und er ruft die alte Bin­sen­weis­heit in Erin­ne­rung, daß der Weg zur Höl­le mit guten Vor­sät­zen gepflas­tert ist, als War­nung an alle poli­ti­schen Lager (auch den Rech­ten gibt er eini­ges zu kauen):

Wir wis­sen heu­te, oder könn­ten es wis­sen: Alle gro­ßen Ver­bre­chen ent­sprin­gen gro­ßen Idea­len, nicht dem bösen Wil­len, die Täter ver­fol­gen aus ihrer Bin­nen­per­spek­ti­ve immer “das Gute”, ihr Antrieb ist stets eine “Begier­de des Ret­tens” (Hegel) und sie sind um Objek­ti­vie­run­gen nie ver­le­gen, hei­ßen die­se Ras­se, Klas­se, Volk oder Nati­on: man kann den Natio­nal­so­zia­lis­ten oder Sta­li­nis­ten vie­les nach­sa­gen, aber nicht, daß sie kei­ne “Wer­te­ge­mein­schaf­ten” gewe­sen sei­en – der Kom­mu­nis­mus als Ide­al war eine “Wer­te­ge­mein­schaft” sogar im wört­li­chen Sin­ne. Heu­te mobi­li­siert man im Namen der “Mensch­lich­keit”, was den Geg­ner impli­zit zum Unmen­schen erklärt. Die fürch­ter­lichs­ten Mas­sa­ker wur­den nie­mals von Skep­ti­kern oder Nihi­lis­ten ver­übt, son­dern von Gläu­bi­gen und Uto­pis­ten, im Namen von mäch­ti­gen Idealen.

Am Bei­spiel des Ter­rors der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on zeigt Bur­ger, wie die Moral als “regu­la­ti­ves Prin­zip” außer Kraft gesetzt und nach “stra­te­gi­schen Kal­kü­len” bestimmt wird, sobald sich der “Funk­tio­när und Mili­tan­te” ihrer bemäch­tigt, der sich als “Exe­ku­tor einer geschicht­li­chen Ten­denz” versteht:

Moral geht aller­dings als Impuls sei­nem Han­deln vor­aus, das sei­ner­seits einen Zustand her­stel­len soll, der als in sich sitt­li­cher des mora­li­schen Regu­la­tivs nicht mehr bedarf – was aller­dings den Bruch gege­be­ner Struk­tu­ren impli­ziert und also die Anwen­dung von Gewalt nicht ausschließt. (…)

Spä­tes­tens seit 1789 beruft der Revo­lu­tio­när sich dar­auf, daß er wah­re Rechts­ver­hält­nis­se erst her­stel­len will und daß er die Gewalt nicht erfun­den, son­dern vor­ge­fun­den hat und gegen ihre eigent­li­chen Urhe­ber kehrt. Para­dig­ma­tisch steht dafür Saint-Just, der den Ter­ror als Mit­tel zur Tugend emp­fahl (in der Rede zu den Ven­tôs-Dekre­ten z. B.) und natür­lich vor allem Robes­pierre, der in sei­ner gro­ßen Rede “Über die Prin­zi­pi­en der poli­ti­schen Moral” (1794) den Schre­cken gera­de­zu zum Aus­fluß der Tugend erklär­te (“er fließt aus der Tugend”, wie er wört­lich sagt). Da die­se Män­ner selbst aus Tugend her­aus han­del­ten, war die­ser Schritt nur kon­se­quent, denn der Tugend ist, wie Hegel schreibt, “das Gesetz das Wesent­li­che, und die Indi­vi­dua­li­tät das Auf­zu­he­ben­de”. Ihre abs­trak­te Gewalt abs­trakt zu ver­wer­fen, wie es die kon­ven­tio­nel­le Moral ver­langt, heißt mit ihrem Mit­tel­cha­rak­ter das Ziel ver­ur­tei­len, das in der Abschaf­fung gewalt­för­mi­ger Ver­hält­nis­se liegt. Mit ande­ren Wor­ten, die Amo­ra­li­tät des poli­ti­schen Mili­tan­ten ist nur die zu Ende gedach­te Mora­li­tät selbst.

Bur­ger folgt Alex­an­der Kojè­ve, der die The­se auf­stell­te, daß es nach Hegel im Grun­de nur mehr “Hege­lia­nis­mus” gege­ben habe, das bedeu­tet unter ande­rem die Auf­fas­sung, daß die Geschich­te ein “Telos” , ein “End­ziel” habe, in dem sich ein höhe­res (mora­li­sches) Prin­zip ver­wirk­li­che und ver­voll­komm­ne. Rechts führt der Hege­lia­nis­mus zum “bür­ger­lich-kapi­ta­lis­ti­schen”, links zum “kom­mu­nis­tisch-pro­le­ta­ri­schen” Block,  mit der welt­po­li­ti­schen Kul­mi­na­ti­on in dem Dua­lis­mus USA – UdSSR.  Bur­ger kommentiert:

Auf der Ebe­ne der Ideo­lo­gie ver­tra­ten bei­de Blö­cke eine uni­ver­sa­lis­ti­sche Moral, doch kei­ne von bei­den war uni­ver­sal, son­dern bloß regio­nal auf ihre jewei­li­gen Macht- und Ein­fluß­sphä­ren beschränkt:  Der men­schen­recht­li­che Uni­ver­sa­lis­mus der “Frei­en Welt” stand dem pro­le­ta­ri­schen Inter­na­tio­na­lis­mus der kom­mu­nis­ti­schen gegenüber (…).

Seit 1989 hat sich die “rech­te” Les­art des “hegel­schen Tex­tes” durch­ge­setzt. Heu­te (Bur­gers Buch erschien 2007) sei kein “höhe­res Prin­zip” mehr “in Sicht” als

der lai­zis­ti­sche, bür­ger­lich-libe­ra­le Ver­fas­sungs­staat mit Mas­sen­de­mo­kra­tie und Gewal­ten­tei­lung auf Basis einer kapi­ta­lis­ti­schen Öko­no­mie, sozi­al­staat­lich viel­leicht ein biß­chen auf­ge­weicht, öko­lo­gisch sup­ple­men­tiert und durch Kunst am Bau ein wenig ver­schö­nert (…). Es ist das adäqua­te Gehäu­se für jene Figur, die Nietz­sche den “letz­ten Men­schen” nennt, der bei sich selbst das Glück gefun­den hat, und dabei blin­zelt: Denn die Kämp­fe, die seit Beginn des 19. Jahr­hun­derts, bewußt oder nicht, Kämp­fe um die rich­ti­ge Aus­le­gung eines Tex­tes waren, sind zu Ende.

Man kann viel­leicht sagen, daß die­sem “Arran­ge­ment” (Bur­ger) nun nichts ande­res mehr übrig bleibt, als sich selbst im Namen eines noch höhe­ren mora­li­schen Prin­zips, das wie­der­um nur sei­ne eige­ne, “zu Ende gedach­te”, also: radi­ka­li­sier­te Mora­li­tät bedeu­tet, abzu­schaf­fen. Inso­fern wird Micha­el Wolff­sohn (nicht nur) als His­to­ri­ker schon wis­sen, was er tut, wenn er die welt­ge­schicht­li­che Unaus­weich­lich­keit der aktu­el­len “Revolutions”-Welle behaup­tet und ihr noch die Bahn frei­schau­feln will, vor­aus­ge­setzt, daß irgend­wel­che noch nicht vor­han­de­nen und noch aus­zu­den­ken­den “Kon­zep­te” dafür sor­gen, daß alle Betei­lig­ten frei nach Lenin ord­nungs­ge­mäß ihre Bahn­steig­kar­ten lösen, auch wenn sie eines schö­nen Tages zu 50% aus Mus­li­men, und nicht aus Deut­schen bestehen. Also genau das, was man von einem erwar­tet, der hier­zu­lan­de als “Kon­ser­va­ti­ver” gehan­delt wird.

Die Deut­schen bezeich­net Wolff­sohn in dem oben ver­link­ten Focus-Arti­kel übri­gens als “Alt­bür­ger”. Damit ist zum Bei­spiel die ein­jäh­ri­ge Toch­ter eines Ber­li­ner Freun­des, der mir gera­de in den Sinn kommt, eben­so gemeint, wie deren noch vor dem Krieg gebo­re­ne Groß­mutter. Oder noch deut­li­cher: Damit sind auch all jene Deut­schen “ohne Migra­ti­ons­hin­ter­grund” gemeint, die heu­te, an eben die­sem Tag, frisch und fun­kel­na­gel­neu und erwar­tungs­ge­mäß im Säug­lings­al­ter gebo­ren wer­den. Und das sind in die­ser Denk­wei­se die “Alt”-Bürger eines Lan­des, das auch von ande­ren Zeit­ge­nos­sen tag­aus-tag­ein als “über­nah­me­r­eif” erklärt wird, solan­ge, bis es jeder gehört hat und alle glauben.

Was die zu Revo­lu­tio­nen gehö­ri­gen Saint-Jus­ts und Robes­pierres betrifft,  so wer­den gewiß genug davon in ihren Start­lö­chern war­ten. Das ver­mu­tet auch der Phi­lo­soph Jür­gen Große:

Man sieht auf allen Stra­ßen bereits die künf­ti­gen Hen­ker, Hand­lan­ger, Hel­fers­hel­fer, die Tat­kräf­ti­gen am Scha­fott und am Schreib­tisch. Und doch ist ganz und gar noch unsicht­bar die Idee, die über ihren Taten leuch­ten wird. Wun­der­sa­me Geheim­nis­tue­rei des Unheils…!

Man kann auch fol­gen­den Gedan­ken durch­si­ckern las­sen, viel­leicht mit der Lek­tü­re von Arthur Koest­lers “Son­nen­fins­ter­nis” im Hin­ter­kopf: war­um fin­den die gleich­sam als Kol­la­te­ral­schä­den baga­tel­li­sier­ten Opfer der lau­fen­den gesamt­eu­ro­päi­schen Total­ver­b­un­tungs-Poli­tik, ob in Deutsch­land, Eng­land, Frank­reich oder Skan­di­na­vi­en, eigent­lich sowe­ni­ge Advo­ka­ten, sowe­ni­ge Empör­te, sowe­ni­ge men­schen­rechts­be­seel­te Anklä­ger?  War­um wer­den sie wie Opfer zwei­ter Klas­se behan­delt, war­um fal­len ihre Leben weni­ger ins Gewicht als ande­re? War­um wird soviel über sie gelo­gen, beschö­nigt, her­um­ge­druckst, geklit­tert? War­um wer­den sovie­le Aus­re­den für die Täter fabri­ziert, war­um wer­den die Opfer selbst dann noch ver­däch­tigt und miß­trau­isch beäugt, wenn kei­ne erkenn­ba­re Schuld auf ihrer Sei­te lag?

Man könn­te mit Bur­ger antworten:

 In dem Maße, in dem das Han­deln sich selbst als his­to­risch ver­steht, hebt es das mora­li­sche Urteil im poli­ti­schen auf.

Also anschei­nend aus kei­nem ande­ren Grund, weil eine herr­schen­de Ideo­lo­gie es für oppor­tun hält, sie unter dem Man­tel einer “höhe­ren” Moral mehr oder weni­ger in Kauf zu neh­men und aus dem Blick­feld zu ratio­na­li­sie­ren. Das “bun­te Euro­pa” wird von sei­nen Vor­an­trei­bern schließ­lich als ein his­to­ri­sches “Telos” auf­ge­faßt, in dem die Geschich­te end­lich, aber dies­mal auch wirk­lich end­lich-end­lich, an ihr Hap­py-End kom­men soll (wenn alle brav die Bahn­steig­kar­ten lösen).

Mehr aus dem gehalt­vol­len Buch Rudolf Bur­gers viel­leicht ein ander­mal – der Autor hat auch zu ande­ren Aspek­ten der mora­lisch-his­to­ri­schen Recht­fer­ti­gung von Poli­tik eine Men­ge zu sagen, was ihm in der Ver­gan­gen­heit wie­der­holt gro­ßen Ärger sei­tens der getrof­fe­nen Hun­de ein­ge­bracht hat.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (13)

Nihil

28. Oktober 2013 02:31

Rudolf Burger ist einer der großen österreichischen Unzeitgemäßen - wunderbar. Leider hat er keine brauchbaren Schüler und bisher noch kein zentrales Werk hinterlassen, aber viele interessante Fragmente. Oder irre ich?

Rumpelstilchen

28. Oktober 2013 08:16

Noch ein aktuelles Fundstück zu Moral und Politik:

Die neue Aktion der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau heißt:

Toleranz üben üben.

Ein Fundus von Ungereimtheiten und Wirrnissen ist da im Netz zu finden:
Die Bibelstelle Mk 12,31 wird abgewandelt in:
"Liebe deinen Mitmenschen, denn er ist ( nicht) wie du."
Frage an Dr. Sommer:
Heißt das, dass wir auch Rechte oder Rechtsradikale lieben dürfen ?

yvonne

28. Oktober 2013 09:37

Die Skeptiker und Nihilisten haben vielleicht selten großen Schaden angerichtet, aber sie haben eben auch niemals geherrscht. Wenn ein beklagenswerter Zustand in einen anderen seiner Art überführt werden soll, so braucht es in der Regel nun mal Gewalt.
Man kann zwar darüber streiten, ob der Zweck die Mittel heiligt, aber am Ende entscheidet die „Macht des Faktischen“, die sich für Moral gar nicht interessiert.

Fünf

28. Oktober 2013 12:36

Bei Wikipedia findet man die "Psychopathie-Checkliste von Robert D. Hare"

Dimension 1: ausnützerisch

- trickreich sprachgewandter Blender mit oberflächlichem Charme
- erheblich übersteigertes Selbstwertgefühl
- pathologisches Lügen (Pseudologie)
- betrügerisch-manipulatives Verhalten
- Mangel an Gewissensbissen oder Schuldbewusstsein
- oberflächliche Gefühle
- Gefühlskälte, Mangel an Empathie
- mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit, Verantwortung für eigenes Handeln zu übernehmen

Psychopathie ist also eine zwingende Eigenschaft von Politikern.

Kint

28. Oktober 2013 14:55

Der zitierte historische Moralbegriff der Revolution steht natürlich im Widerspruch zu Wolffsohn. Der findet keine Gewalt vor und will dennoch alles umkrempeln.

M.L.: Er wittert doch überall "Antisemiten" und "Nazis", das ist doch schon "strukturelle Gewalt" genug, die man beseitigen müßte...

Und sagt nicht, warum ("weil es so ist, weil es kommt, nicht anders geht, alternativlos ist".) Deutlicher kann kaum werden, dass hier politische (somit wohl auch ideologisch begründete) Ziele im Dunkeln, unter "Deckmäntelchen" verfolgt werden. Von Politikern, die keine Ahnung von den Zielen haben oder wenigstens vorgeben, zu dumm zu sein, sie zu erkennen, verlangt er sowohl Durchsetzung als auch Konzepte für den gewaltfreien Verlauf. Damit macht er den Bock zum Gärtner - bzw. benennt Sündenböcke schon im voraus.

Die Logik ist übrigens erkennbar bemerkenswert. "Du glaubst nicht, dass Frau Holle es schneien lässt? Bist ein selten dummer Mensch. Siehst doch, dass es funktioniert". In Form von Witzen immer wieder ein Genuss.

Die Macht des Faktischen - sie appelliert an die Moral und macht sie sich, ins Gegenteil verkehrt, zu Nutze.

Amoral spielt Blindekuh, mit allen andern.

Nachtrag, da Kommentare zu: Der Broder hat an etwas gewonnen, was ich normalen Menschenverstand nennen würde. Jedenfalls klingt manches so. Die Erwähnung von Akif Pirincci zuletzt könnte in diese Richtung zielen. Alte Kamellen will doch keiner einer positiven Entwicklung in die Speichen werfen.

Wahr-Sager

28. Oktober 2013 15:52

@Fünf:

Interessant. Ich habe genau diese "Psychopathie-Checkliste" mal vor geraumer Zeit gegenüber Antifanten angewandt.
Passend dazu ist auch ein Artikel eines amerikanischen Psychiaters namens Dr. Lyle Rossiter, der "Liberals" (im Deutschen vergleichbar mit "Gutmenschen") für psychisch krank hält.

Rossiter geht davon aus, daß das öffentliche zur Schau gestellte Gutmenschentum nur als psychologische Krankheit verstanden werden kann: “Ein Sozialwissenschaftler, der die menschliche Natur versteht, wird die wichtige Rolle freier Entscheidungen, freiwilliger Zusammenarbeit und moralischer Rechtschaffenheit nicht abtun, wie Gutemenschen [sic] dies tun. Ein politischer Führer, der die menschliche Natur versteht, wird nicht die persönlichen Unterschiede in Talent, Antrieb, persönlichem Einsatz und Arbeitsethos ignorieren, und dann versuchen der Bevölkerung wirtschaftliche und soziale Gleichheit aufzuerlegen, wie Gutmenschen dies tun. Ein Gesetzgeber, der die menschliche Natur versteht, wird keine Gesellschaft schaffen, welche die Bürger eines Landes überreguliert und überbesteuert, ihren Charakter verdirbt und sie zu Zöglingen des Staates macht, wie Gutmenschen dies tun.”

Dr. Rossiter führt weiter aus, wie sich Gutmenschen die Schwächen und Ängste zunutze machen, indem sie der Gesellschaft einreden, daß bestimmte Gruppen benachteiligt wären und sie deshalb ein Recht auf Vorzugsbehandlungen oder sonstige Kompensationen hätten. Außerdem lehnten Gutmenschen die Eigenverantwortlichkeit des Individuums ab und ordnen das Individuum vielmehr dem Willen des Staates unter. Auch nährten Gutmenschen immer wieder die Gefühle von Neid und Mißgunst.

Hier geht's weiter.

Wahr-Sager

28. Oktober 2013 16:02

Zum 2. Link, der auf eine Seite verweist, auf der es um die Frage geht, ob Bildung Rassismus verhindern kann, heißt es:

Man sollte annehmen, dass die Universität ein Ort des freien, kritischen Geistes ist, international und weltoffen. Und weiter: je gebildeter die Menschen, desto toleranter. Eine Studie zeigt nun, dass die Gedanken von vielen Studierenden durchsetzt sind von Vorurteilen. Was klingt wie eine NPD-Parole, finden auch 50 Prozent der Studenten: "Mit weniger Ausländern gäbe es in Deutschland weniger Probleme." Antisemitische Denke wie "Juden nutzen den Holocaust und den Nationalsozialismus für ihre eigenen politischen Zwecke aus" erhält 40 Prozent Zustimmung. Und mehr als 60 Prozent bejahen antimuslimische Aussagen wie diese: "Deutsche Frauen sollten keine Muslime heiraten."

Das macht ja richtig Hoffnung, dass Deutschland noch nicht ganz verloren ist!

In dem Artikel des tiefroten Senders NDR wird wieder der Begriff Minderheiten bemüht. Als ob es sich prinzipiell um Behinderte handelte, die man mit Samthandschuhen anfassen müsste, weil sie niemandem etwas zuleide tun könnten. Das gilt selbstverständlich nicht für Deutsche - die haben auch als Minderheit braunes Blut in den Adern.

Stil-Blüte

28. Oktober 2013 16:18

Ist die Moral der Macht per se nicht zu bewerkstelligen?

Wer erinnert sich nicht an die pragmatische Fischer-Ära der Realos mit dem Marsch in die Institutionen und auf der anderen Seite der Moral einer Dittfurt, eines Bahro der Fundis, also der Idealisten, in der Mitte der 70er Jahre? Streit ohne Ende. Da flogen die Fetzen und Menschen. Die Idealos = Fundis unterlegen

An der Macht fuhren die Realos doppelgleisig als Fraktion pragmatisch, als Partei moralisch.

Meßlatte für uns? Das preußische Ideal des Staatsdienens, vom König Friedrich II. proklamiert (er, d e r Souverän, und eben nicht das Volk!), praktiziert (unermüdlicher pflichtbewußter Staatsdiener) und - wenig zelebriert, ritualisiert (Philosoph, Schöngeist). War das sein Verhängnis?

Und hier auch das Gedeihliche der Einwanderung, weil es verfolgten Einwanderern u n d Staat gleichermaßendiente/nutzte (beispielhaft die Juden und Hugenotten). Warum aber dann Preußen untergegangen ist, nicht sang- und klanglos, aber untergegangen, wer kann mir diese Frage beantworten? Profitierten doch alle Schichten, alle Strömungen, alle Existenzen, alle Andergläubige davon.

Allerdings gab es eine Voraussetzung: Preußen war (wenn auch viel kleiner) wie andere klassische Einwanderungsländer Amerika, Kanada, Neuseeland, Australien Pionierland.

Als in der BRD die Einwanderungswellen anrollten, war jeder Pflasterstein, jeder Feldrain, jedes Haus, jeder Garten schon x-mal vermessen, registriert, ge-/verkauft, verhökert, besetzt gewesen.

(Tut mir leid, zensiert nun M. L.: 'Thema verfehlt, setzen'?)

M.L.: Ist zwar ein bißchen "meta", aber paßt scho'.

Kint

28. Oktober 2013 17:27

„strukturelle Gewalt“ genug, die man beseitigen müßte…

Ja, aber damit meint er ja... stimmt: Gewalt, die keine ist. Nur die entgegenstehende Meinung derer, die seine krausen Umkehrungen nicht mitmachen wollen.
Ich wollte schon sagen: die Kräfte, die seine Revolution nicht wollen. Aber das einzig Gewalttätige ist seine Revolution selbst und sind deren Vorboten. Während er als Gewalttäter statt dessen die Nichtrevolutionäre verunglimpft. (Und die Politik dafür verantwortlich macht, weder die "Gedankengewalt" noch die tatsächliche zuzulassen.)
So ist das. Man verheddert sich in dem verqueren Zeug. Danke.

GFC

28. Oktober 2013 20:40

Einiges zu besprechen hier:

@Fünf und Wahr-Sager:
Die von Euch aufgelistete Psychopathen-Beschreibung passt, aber mir ist’s unwohl wenn es um die Einführung der Psychologie bei politischen Themen geht. Nicht, weil nichts daran ist, sondern weil das eine bevorzugte Methode des Feindes ist - die Gegenseite als geisteskrank zu verleumden. Nach Stalin wurde das sehr häufig in der UdSSR gegen Dissidenten angewandt und nun feiert diese Praxis ein Comeback, zumindest hier in den USA, wo von linker Seite her Versuche kommen , Konservatismus und desgleichen als eine Art Geisteskrankheit zu klassifizieren. Ich glaube, es wird z.Zt. fieberhaft daran gearbeitet, “Rassismus” ins nächste Ausgabe des DSM (“Diagnostical and Statistical Manual of Mental Disorders”) zu bringen.

Nun, ich bezweifle nicht, dass leidenschaftliche Gutmenschen Züge der Psychopathie tragen; was mich fasziniert und entsetzt ist die Tatsache, dass viele solcher Gutmenschen nicht psychopathisch am Anfang waren. Ideologie kann krank machen. Wenn man sich diese Ideologie annimmt, zum Glaube macht, wird man zwangsläufig Psycho.

@ML
Man kann auch folgenden Gedanken durchsickern lassen, vielleicht mit der Lektüre von Arthur Koestlers „Sonnenfinsternis“ im Hinterkopf: warum finden die gleichsam als Kollateralschäden bagatellisierten Opfer der laufenden gesamteuropäischen Totalverbuntungs-Politik, ob in Deutschland, England, Frankreich oder Skandinavien, eigentlich sowenige Advokaten, sowenige Empörte, sowenige menschenrechtsbeseelte Ankläger? Warum werden sie wie Opfer zweiter Klasse behandelt, warum fallen ihre Leben weniger ins Gewicht als andere? Warum wird soviel über sie gelogen, beschönigt, herumgedruckst, geklittert? Warum werden soviele Ausreden für die Täter fabriziert, warum werden die Opfer selbst dann noch verdächtigt und mißtrauisch beäugt, wenn keine erkennbare Schuld auf ihrer Seite lag?

Das ist was ich so verblüffend finde: es ist klar, das Totschweigen deutscher Opfer fremder Gewalt (oder hier zu hause, weiße Opfer schwarzer Gewalt, usw.) bzw. Verhöhnung der Opfer bedient politische Ziele, aber wie kommen so viele Menschen auf diese Ideen und diese Handlungsweisen, ohne direkt darin unterrichtet zu werden? Es ist als ob sie Signale empfangen, die ich nicht spüren kann. Ich habe die gleiche Schulung durchgemacht wie sie, aber wenn z.B. ein schwarzer Mob einen Weißen überfällt, sie wissen darüber zu schweigen, während ich mich empöre; oder wenn, wie im Zimmerman-Fall in Florida, ein nicht-Schwarzer einen Schwarzen aus Selbstverteidigung erschießt, ohne jegliche Details zu erfahren fangen sie sofort an, dem Täter alles mögliche böse Motiven zu unterstellen. Keiner hat sie jemals gesagt, ihr sollt zu jeder Zeit an den Untergang alles eignes und herkömmliches, aber irgendwie wissen sie stets, wie sie im bestimmten politischen Sinne zu handeln haben.

Endgültige, sozial- oder naturwissenschaftliche Erklärungen fehlen mir; als Katholik habe ich kein Problem damit, Satan am Wurzel dieses bösen Rätsels zu orten. Vielleicht ist die Lage in der westlichen Welt so verrückt und verdorben geworden, da genügen nur religiöse Erklärungen.

Wahr-Sager

28. Oktober 2013 22:45

@GFC:

Im Grunde ist die Problematik auf einen Aspekt zurückzuführen, der einen religiösen "Touch" hat...

Revolte

29. Oktober 2013 00:06

Von dem Mythos, die Moral gepachtet zu haben und für Menschen und die Menschlichkeit zu kämpfen, leben die Linken bis heute.
Wie heißt es im Lied der Partei: "Wer die Menschheit verteidigt, hat immer recht."

Martin Lichtmesz

29. Oktober 2013 08:57

Badeschluß, Dank an alle!

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