die Bilder des Maidan-Platzes in Kiew, Putschversuche in Bananenrepubliken oder vielleicht noch – aber mit Abstrichen, weil nicht wirklich politisch – die alljährliche Gewalt am 1. Mai im Kopf. Jedenfalls scheint das für Nicht-Krawalltouristen weit weg. Manchmal genügt aber eine Fahrt nach Frankfurt am Main.
Eine Fahrt zu einem Vortrag von Manfred Kleine-Hartlage etwa. MKH ist als Sezession- und Buchautor für scharfe und treffende Analysen wie Formulierungen bekannt. Addiert man seine Möglichkeiten, Innenansichten linken Denkens beizusteuern, hinzu, macht es ihn augenscheinlich zu einem geeigneten Haßobjekt der Linken. Damit würde man den linken Mob aber deutlich überschätzen, der sich am Abend des 25.2 vor dem Veranstaltungsort zusammenrottete.
Eine sachliche Darstellung der Ereignisse wurde bereits hier veröffentlicht, sodaß ich nun weiterführende Gedanken einspeisen möchte.
Durch die Veranstaltungsgegner wurde ein Flugblatt verteilt, das eine auffällig unauffällige Tonalität hat, ja sogar durchaus richtige, beinahe sachliche Informationen enthält. Dieses steht in denkbar krassem Gegensatz zum Verlauf der „Gegendemonstration“. Rückblickend kann man es mir vermutlich als Mischung aus Größenwahn und Naivität auslegen, dass ich trotz der „medialen Aufmerksamkeit“ des vergangenen Sommers alleine durch die Meute hindurch wollte, denn das Flugblatt kannte ich natürlich nicht. Aber vom rotznäsigen Pennäler zum vermummten und bewaffneten Angreifer ist es dann doch noch ein erheblicher Schritt.
Jedenfalls wurde ich mit Namen „begrüßt“ und was sich dann ereignete, war nichts anderes als orchestrierte Gewalt. Vom koordinierten Anmarsch einer großen Gruppe, über den gestaffelten Angriff – erst unvermummt „light“, dann vermummt, bewaffnet und mit gezielten Schlägen gegen den Kopf – bis hin zur Strategie, die Vermieter von zukünftigen Vermietungen zu „demotivieren“, war das eine in gewisser Hinsicht beeindruckende Demonstration – auch wenn das Ziel der Gegendemonstranten, die Veranstaltung zu verhindern, verfehlt wurde.
Getreu Lenins Diktum „erschieße einen, erziehe hundert“ richtete sich diese Demonstration gegen die Besucher und Vermieter für solche Veranstaltungen. Für beide werden die Hürden zunehmend höher gelegt und irgendwann ist die Schmerzgrenze überschritten, wie zuletzt beim Logenhaus in Berlin zu besichtigen war. Das könnte man elaborieren, lohnt aber nicht.
Lohnender scheint mir eine Analyse der scheinbar widersprüchlichen Symbiose vermeintlich bürgerlicher CDU-Kräfte mit Antifaschisten. Zugegebenermaßen tauge ich wenig als objektiver Analyst der Karbener Verhältnisse, aber die fraktalen, also strukturgleichen Elemente dürften vielfältig übertragbar sein.
Zunächst dürfte es sich um ein Zweckbündnis handeln, bei dem jeder den anderen als nützlichen Idioten für eigene Ziele einzusetzen meint. Der bürgerliche Parteikarrierist, der auf die „progressive Karte“ setzt, kann die Antifanten als Kronzeugen herbeigelogener Diffamierung zitieren und muss nicht fürchten, von den ehemaligen linken Erzfeinden angegriffen zu werden. Gleichzeitig zwingt er den „paläo-bürgerlichen“ oder gar konservativen Fossilien in den eigenen Reihen das gleiche Bekenntnis ab. Ansonsten riskierten sie das gleiche Schicksal wie das Zielobjekt.
Die auch und gerade parteiinterne Wirksamkeit der Political Correctness ist hinlänglich erwiesen und dominiert mittlerweile sogar die Alternative für Deutschland. Man lasse sich daher bloß nicht von Gauweilers Reanimation oder dem Theaterdonner des „wer betrügt, der fliegt“ blenden.
Aus Sicht der Antifanten ist das Ganze noch großartiger. Der ehemalige Erzfeind kommt angeschleimt, bewirft einen mit Staatsknete, verzichtet mühelos aus Koalitionsraison auf die Demokratieerklärung (Extremismusklausel) und verlangt dafür…nichts. Ja, genau: gar nichts.
Die bekloppte Logik des Antifaschismus, die zu Zeiten des Kalten Krieges nur zynisches Gelächter erzeugte, wird sich bei der nächstbesten Gelegenheit natürlich auch wieder gegen die CDU und sonstige (Pseudo-) Bürgerliche richten. Dem aktuellen Profiteur ist das egal, der Parteibasis auch?
Wenn wir in die konkrete Situation in Frankfurt respektive Karben hineinzoomen, läßt sich ein großflächiges zivilgesellschaftliches Organversagen diagnostizieren. Die Festlegung eines vermeintlich seriösen Politikers auf ein derart risikoloses und dennoch furchteinflößendes Ziel hat einen unwiderstehlichen Herdentrieb entfacht. Völlig ohne Prüfung der Vorwürfe hat das gesamte Partei- und Vereinswesen sich in Ergebenheitsadressen geradezu überboten. Man vergleiche das mit den aktuelle „Überlegungen“ zur Unschuldsvermutung im Fall Edathy.
Ob dieser totalitäre Gesinnungsdruck intendiert war, ist schwer zu sagen, aber vor allem unerheblich. Ähnlich wie die Frage, ob die Protagonisten der Denunziation intellektuell oder moralisch limitiert sind, ist das völlig egal, solange das Ergebnis das gleiche ist.
Die Initiatoren der Diffamierung gegen IfS, Antaios-Verlag, Blaue Narzisse, die Projektwerkstatt oder wasauchimmer haben nie stichhaltige Argumente oder gar Beweise vorgelegt. Wenn Lügner Lügen von Lügnern abschreiben, bleiben es natürlich Lügen, aber die wechselseitige Affirmation wirkt dennoch bestätigend und diese Autosuggestion verfestigt sich.
Daher haben sich diese vermeintlichen Retter von irgendwas als geistige Brandstifter betätigt. Sie verleihen dem gewalttätigen Mob den Anschein von Legitimität, simulieren gesellschaftlichen Rückhalt und haben sich vor allem in eine Situation manövriert, in der sie alle bedeutenden Werte unserer Gesellschaft verraten müssen, um nicht das Gesicht zu verlieren. Dieser Kollateralschaden ist irreparabel, da er gar nicht entstanden wäre, wenn es die Kraft, ihn zu kitten, noch gäbe.
Die Gretchenfrage „wie hältst Du es mit der politischen Gewalt?“ gilt es daher massiv zu stellen und die Antwort, gleichsam als Lackmustest, einzufordern.
Die Prognose über die Antwort ist leicht. In einem Beitrag auf der Seite der Projektwerkstatt Karben stellte ich das Gedankenexperiment an, was wohl passiert wäre, wenn Jürgen Trittin von Rechtsradikalen von einer Wahlkampfbühne geprügelt worden wäre. Völlig grundlos war das nicht, denn genau das war kurz zuvor Bernd Lucke widerfahren, nur nicht von Rechtsextremen, sondern von Linksextremen, was den Sachverhalt aus Sicht der „Qualitätsmedien“ automatisch zu einer Nichtnachricht machte. Das heißt, es wird wahrscheinlich gar nichts passieren, erst recht nicht, wenn ein (angeblich bürgerliches) Leitmedium wie die FAZ das Thema geflissentlich beschweigt.
Die einzig denkbare, aber gleichsam sehr erstrebenswerte Reaktion kann an der bürgerlichen Basis der CDU/CSU stattfinden. Das oben angerissene gesellschaftliche Organversagen ist vor allem ein Parteienversagen. Und das ist wiederum Demokratie- oder präziser Wählerversagen.
Wer ist denn verantwortlich für die CDU-Spitze, wenn nicht die CDU-Basis? Die CDU ist die destruktivste Kraft im deutschen Parteiensystem, sowohl hinsichtlich der führenden Persönlichkeiten als auch ihrer Strukturen und opportunistischen Positionierung.
Die „Logik“ und Wahlentscheidung zugunsten des vermeintlich kleineren Übels aus Sicht der Wähler hat das ultimative Übel erzeugt, nämlich ein Potemkinsches Dorf aus entkernter Demokratie und Pro-forma-Rechtsstaat, der weder willens noch in der Lage ist, die Grundrechte wirksam zu schützen.
Solange das primäre politische Organ der bürgerlichen, konservativen und liberalen Wähler ihr Portemonnaie ist, solange sich die „Elite der Leistungsträger“, die der Systemprofiteure sowieso, auf die richtige Seite des Zauns kaufen kann, solange wird es nicht besser werden.
Rumpelstilzchen
Ihr Einsatz für die Sache in allen Ehren, Herr Lichert, aber vielleicht kämpfen Sie an der falschen Front.
Die bekloppte Logik des Antifaschismus hat auch zu Zeiten des Kalten Krieges kein zynisches Gelächter erzeugt. Nein: Antifa und CDU-Bürgerliche passen zusammen wie der Arsch in die Hose. Sie brauchen sich.
Das wurde mir aber auch erst klar, als die Mauer fiel. In der JF Nr. 49/13
schrieb Karl Feldmeyer:
Während hier einige immer noch auf die Bürgerlichen hoffen, marschiert der neue Feind schon durch die Institutionen.
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/guelen-bewegung-auf-dem-marsch-durch-die-institutionen-12831578.html
Merke: in Deutschland beginnt alles immer mit einer Bewegung !