Keine Stunde des Populismus?

Oder hat der Populismus als Stil wie als wandelbares Ideologiegehäuse seinen Zenit überschritten,...

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

ist ein über­schätz­tes Phä­no­men, zumal in Deutsch­land? Letz­te­re Posi­ti­on ver­tritt expli­zit die Ber­tels­mann-Stif­tung in ihrer neu­en Stu­die, deren Ergeb­nis­se die FAZ wie folgt auf den Punkt bringt:

Knapp 30 Pro­zent der Wahl­be­rech­tig­ten sind zwar popu­lis­tisch ein­ge­stellt, wie eine am Diens­tag von der Ber­tels­mann-Stif­tung ver­öf­fent­lich­te Stu­die ergab. Doch jeweils mehr als ein Drit­tel lehnt sol­che Posi­tio­nen ab (36,9 Pro­zent) oder stimmt ihnen nur teil­wei­se zu (33,9 Pro­zent). Popu­lis­ten ver­tre­ten laut der Stu­die in Deutsch­land zudem „eher mode­ra­te und kei­ne radi­ka­len Ansich­ten“. Sie leh­nen dem­nach demo­kra­ti­sche Insti­tu­tio­nen oder die EU nicht grund­sätz­lich ab, son­dern kri­ti­sie­ren ihr Funk­tio­nie­ren. Für eta­blier­te Par­tei­en loh­ne es sich daher nicht, „im Wahl­kampf popu­lis­ti­schen Extrem­po­si­tio­nen hin­ter­her­zu­lau­fen“. Stif­tungs­exper­te Robert Vehr­kamp zeig­te sich über­zeugt: „Von einer Stun­de der Popu­lis­ten ist das poli­ti­sche Kli­ma vor der Bun­des­tags­wahl weit entfernt.”

Jetzt kann man treff­lich dar­über strei­ten, was den Kern des Popu­lis­mus-Begriffs eigent­lich aus­macht. Und es wenn es, wei­ter im Text, schul­ter­klop­fend heißt, »die Par­tei mit den unpo­pu­lis­tischs­ten Wäh­lern ist dem­nach die CDU«, dann sagt das wenig dar­über aus, ob das jetzt im poli­ti­schen Sin­ne »gut« ist (weil man sich nicht dem soge­nann­ten Stamm­tisch andient) oder einer Volks­par­tei »schlecht« zu Gesicht steht, weil das Wort »Volk« ja immer­hin vom latei­ni­schen popu­lus abstammt. Der beim Ter­mi­nus »Popu­lis­mus« sich hier anschlie­ßen­de Suf­fix »-ismus« zeigt eine welt­an­schau­li­che Fokus­sie­rung auf das vor­an­ge­gan­ge­ne Wort an; Popu­lis­mus ist also – ety­mo­lo­gisch betrach­tet – letzt­end­lich nichts ande­res als die welt­an­schau­li­che, ideo­lo­gi­sche oder dok­tri­nä­re Fokus­sie­rung auf das Volk, wobei eben­die­se Kate­go­rie unter­schied­lich mit Inhalt gekop­pelt wird.

Gewiß: Die­se Defi­ni­ti­on ist kaum ver­brei­tet. Popu­lis­mus gilt land­läu­fig als Ver­hal­ten, das auf eine Her­ab­wür­di­gung (etwa von »Eli­ten«) sowie Aus­gren­zung (etwa von Min­der­hei­ten) besteht. Der Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Flo­ri­an Hart­leb meint in sei­nem kur­zen Lehr­gang der Popu­lis­mus­for­schung gar, mit dem Popu­lis­mus »scheint sich das Vul­gä­re in die Poli­tik hin­ein­zu­fres­sen«. Schon auf den ers­ten Blick ist die­ser Vor­wurf, der sich im fol­gen­den frei­lich pri­mär gegen rechts­ori­en­tier­te Popu­lis­ten rich­tet, dop­pel­bö­dig. Denn um was ande­res als Vul­gär-Gepol­ter han­delt es sich, wenn eta­blier­te Alt-Poli­ti­ker in Rich­tung der jun­gen rechts­po­pu­lis­ti­schen Kon­kur­renz in Gestalt der AfD for­mu­lie­ren, sie sei­en eine »Schan­de für Deutsch­land« (Wolf­gang Schäub­le), man dür­fe sich mit Extre­mis­ten nicht aus­ein­an­der­set­zen (Peter Tau­ber), man benö­ti­ge die Inter­ven­ti­on des Ver­fas­sungs­schut­zes (Sig­mar Gabri­el) oder man emp­feh­le einen »Arzt­be­such« (Ralf Stegner)?

So, wie also der Vul­ga­ri­täts­vor­wurf auf ihre Erfin­der zurück­fällt, ist auch ein zwei­tes Bei­spiel irre­füh­rend. Popu­lis­ten wird immer wie­der unter­stellt, sie wür­den kom­ple­xe Vor­gän­ge in Wirt­schaft, Gesell­schaft oder Poli­tik ver­ein­facht dar­stel­len und ver­kürzt agie­ren. Dabei wird gera­de dies voll­zo­gen, wenn man eine welt­an­schau­li­che oder inter­es­sen­ge­lei­te­te poli­ti­sche Grup­pie­rung als »popu­lis­tisch« dar­stellt, ohne sich tief­schür­fen­der mit ihr aus­ein­an­der­zu­set­zen. Das Ver­dikt »Popu­list« erscheint somit als unzu­läs­si­ge Ver­ein­fa­chung und Kom­ple­xi­täts­re­du­zie­rung in bezug auf den poli­ti­schen Geg­ner. So kom­men wir also an die­ser Stel­le nicht wei­ter, wenn­gleich es sich lohnt, die unter­schied­li­chen Theo­rie- und Pra­xis­an­sät­ze der man­nig­fal­ti­gen Popu­lis­mus-Erschei­nun­gen genau­er unter die Lupe zu neh­men – das Insti­tut für Staats­po­li­tik hat dies in sei­ner neu­en Stu­die Die Stun­de des Popu­lis­mus geleistet.

Doch wen­den wir uns, zwei Mona­te vor der Bun­des­tags­wahl, der Real­po­li­tik im Zei­chen des all­mäh­lich anlau­fen­den Wahl­kampfs zu. Schenkt man der Medi­en­land­schaft in Deutsch­land Glau­ben, und zwar von der als bür­ger­lich gel­ten­den FAZ bis zur links­al­ter­na­ti­ven taz, so han­delt es sich bei der AfD um eine dezi­diert rechts­po­pu­lis­ti­sche Par­tei. Das Urteil erfolgt dabei im Regel­fall ohne sub­stan­ti­el­le Aus­ein­an­der­set­zung. In der Poli­tik­wis­sen­schaft, zumin­dest in ihren nicht-lin­ken Teil­be­rei­chen der nor­ma­ti­ven Extre­mis­mus­for­schung, fällt die­ses Urteil dif­fe­ren­zier­ter aus. Eck­hard Jes­se und Isa­bel­le-Chris­ti­ne Pan­reck geben in der Zeit­schrift für Poli­tik (1/2017) etwa zu Beden­ken, daß die AfD »die Eigen­schaf­ten einer popu­lis­ti­schen Par­tei nur teil­wei­se« erfül­le. Typisch popu­lis­tisch sei, so die Chem­nit­zer For­scher zutref­fend, die Beto­nung des Ant­ago­nis­mus Volk ver­sus Eli­te. Auch nut­ze die Par­tei popu­lis­ti­sche Stil­ele­men­te in Wahl­kämp­fen und Medi­en­auf­trit­ten, dar­un­ter »Ste­reo­ty­pi­sie­rung« und »Ver­ein­fa­chung«.

Doch wo der impli­zi­te Vor­wurf mit­schwingt, »Ver­ein­fa­che­rer« zu sein, kann die AfD gelas­sen blei­ben. Was ist, wenn die Lösun­gen zumin­dest eini­ger zen­tra­ler, ers­ter Punk­te nun mal »ein­fach« wären? Was ist, wenn eine zuge­spitz­te, »popu­lis­ti­sche« For­de­rung nach siche­ren Gren­zen die nahe­lie­gen­de und »im Volk« auf frucht­ba­ren Boden fin­den­de Ant­wort auf schein­bar kom­ple­xe Affir­ma­tio­nen einer »bor­der­less world«  dar­stellt? Neben die­ser eigent­lich bana­len Fest­stel­lung, sind es wei­te­re aktu­el­le Ent­wick­lungs­strän­ge der bun­des­deut­schen Poli­tik, die – Ber­tels­mann-Stif­tung hin oder her, zumal die­se Stif­tung hin­läng­lich bekannt dafür ist, eige­ne Stand­punk­te und Inter­es­sen offen­siv zu ver­brei­ten – zuguns­ten einer »popu­lis­ti­schen« AfD verlaufen.

Flo­ri­an Hart­leb nennt dies­be­züg­lich die »Sozi­al­de­mo­kra­ti­sie­rung der CDU« im Sin­ne eines Links­schwenks, die Gro­ße Koali­ti­on im Bund, die kon­sen­sua­le Situa­ti­on aller eta­blier­ten Par­tei­en in Grund­satz­fra­gen, die Schwä­che des Libe­ra­lis­mus und wach­sen­de gesell­schaft­li­che Unzu­frie­den­heit (v. a. im Osten der Repu­blik). So rich­tig die­se Auf­lis­tung ist, fehlt doch ein ent­schei­den­der Aspekt, der bei Bernd Ste­ge­mann adäquat gewer­tet ist. Die­ser macht in sei­ner her­aus­ra­gen­den Schrift Das Gespenst des Popu­lis­mus die »tota­li­tä­re Schlie­ßung des poli­ti­schen Fel­des durch die alter­na­tiv­lo­se Poli­tik der Kanz­le­rin« dafür ver­ant­wort­lich, daß in Deutsch­land eine rele­van­te popu­lis­ti­sche Bewe­gung von rechts ent­stan­den ist – mit der AfD als Wahl­par­tei in ihrer Mit­te. Da ins­be­son­de­re die Flücht­lings­po­li­tik der Bevöl­ke­rung ex cathe­dra als »alter­na­tiv­los« ver­kauft wur­de, »ent­lädt sich an die­sem Punkt eine lan­ge auf­ge­stau­te Wut gegen die beleh­ren­de Art der libe­ra­len Poli­tik, bei der der Ein­zel­ne als Schü­ler betrach­tet wird, der von einer Eli­te erzo­gen wer­den muss«.

Zwei­fel­los: Es sind dies her­aus­ra­gen­de Start­be­din­gun­gen für eine »popu­lis­ti­sche« AfD, die den Ter­mi­nus »Popu­lis­mus« selbst­be­wußt beim Wor­te nimmt und als volks­na­he Poli­tik begreift, die, weil es die Lage erfor­dert, mit ein­fa­chen, aber über­zeu­gen­den Bil­dern arbei­tet, die wohl oder übel nötig sind, um die wach­sen­de Unzu­frie­den­heit wahl­tech­nisch zu kanalisieren.

Die »Brech­stan­ge des Popu­lis­mus« (Ste­ge­mann) ist also – der­zeit – nötig gegen die alter­na­tiv­lo­se Poli­tik der Mer­kel-Schulz-Fron­de. Die hier auf­schei­nen­de »Unver­söhn­lich­keit« der AfD in der Agi­ta­ti­on »Volk« ver­sus »Eli­te«, die Eck­hard Jes­se als emi­nent popu­lis­tisch betrach­tet, ist daher einst­wei­len (und von oppo­si­tio­nel­ler War­te her) wich­tig und rich­tig. Das all­ge­mei­ne Unbe­ha­gen an den herr­schen­den Ver­hält­nis­sen, das durch Stu­di­en sei­tens links­li­be­ra­ler Main­stream-Stif­tun­gen nur unzu­rei­chend erfaßt wird, kann in der momen­ta­nen Pha­se nur popu­lis­tisch, also ver­ein­fa­chend und um kla­re, offe­ne Spra­che gegen­über dem Volk bemüht, mobi­li­siert wer­den. Ange­sichts der exis­ten­ti­el­len Kri­se, in der sich Deutsch­land und Euro­pa auf­grund der Miß­wirt­schaft des poli­ti­schen, wirt­schaft­li­chen und gesell­schaft­li­chen Estab­lish­ments befin­det, muß sich hier­bei nicht vor­aus­ei­lend ent­schul­digt oder die eige­nen Akti­ons­wei­sen inhalt­lich bzw. sti­lis­tisch abge­schwächt werden.

Die AfD ist immer­hin eine Par­tei, die – neben den bereits Über­zeug­ten – vor allem Nicht­wäh­ler und ent­täusch­te Anhän­ger ande­rer Par­tei­en für sich mobi­li­sie­ren möch­te. Sie sieht sich dabei mit dem – nicht sel­ten semi- oder ille­ga­len – Wider­stand sämt­li­cher gesell­schaft­lich rele­van­ter Grup­pen, Medi­en und Orga­ni­sa­tio­nen kon­fron­tiert, die dar­an arbei­ten, daß »das Volk« eine ideo­lo­gisch ver­zerr­te Wahr­neh­mung von der AfD und ihren Mit­glie­dern erhält. Popu­lis­mus ist hier sowohl inhalt­lich als auch sti­lis­tisch legi­tim, um die Dif­fa­mie­rungs- und Ver­fäl­schungs­agen­da zu durch­kreu­zen. Defen­si­ver for­mu­liert bleibt Popu­lis­mus, wie Alex­an­der Gau­land betont, min­des­tens »nichts Ver­werf­li­ches«.

Der AfD kann jedoch zugleich auf­grund ihrer Viel­ge­stal­tig­keit und regio­na­len Dif­fe­ren­zen trotz fest­ste­hen­der »Leit­the­men« (u. a. Einwanderungs‑, Establishment‑, Medien‑, Brüs­sel- und Euro-Kri­tik) kein pau­scha­ler Rat erteilt wer­den, was die popu­lis­ti­sche Essenz einer oppo­si­tio­nel­len Bewe­gungs­par­tei anbe­langt. Fest steht indes, daß die AfD gegen die vom Estab­lish­ment gepre­dig­te Alter­na­tiv­lo­sig­keit anzu­ge­hen hat. Mit Bernd Ste­ge­mann gilt es, dar­auf hin­zu­wei­sen, daß die »tota­li­tä­re Schlie­ßung« des poli­ti­schen Fel­des – popu­lis­tisch gefaßt: durch »die da oben« – auto­ma­tisch Gegen­re­ak­tio­nen her­vor­ruft, die wie­der­um von der AfD genutzt, ver­mehrt und in ihrer Inten­ti­on bestärkt wer­den können.

Die Behaup­tung von Alter­na­tiv­lo­sig­keit auf­grund von kom­ple­xen Sach­ver­hal­ten, die man nicht »ver­all­ge­mei­nern« oder »ver­ein­fa­chen« dür­fe, ist heu­te, so Ste­ge­mann, »das wich­tigs­te Macht­mit­tel der Eli­ten gewor­den«. Auch auf lin­ker Sei­te begrei­fen in der Fol­ge daher ers­te Köp­fe, etwa Jac­ques Ran­ciè­re in sei­nem Auf­satz »Der unauf­find­ba­re Popu­lis­mus«, daß die Medi­en­hatz ob der »töd­li­chen Gefah­ren des Popu­lis­mus« dar­auf abzie­le, »in der Theo­rie die Idee zu begrün­den, dass wir kei­ne ande­re Wahl haben« als Anpas­sung an den Main­stream und ent­spre­chen­des Agie­ren im vor­ge­zeich­ne­ten Spiel­feld desselbigen.

Jen­seits der AfD bleibt nach der Rol­le des meta­po­li­ti­schen kon­ser­va­ti­ven oder neu­rech­ten Lagers im popu­lis­ti­schen Feld zu fra­gen. »Um poli­tisch zu han­deln«, hob Chan­tal Mouf­fe in Über das Poli­ti­sche her­vor, »müs­sen Men­schen sich mit einer kol­lek­ti­ven Iden­ti­tät iden­ti­fi­zie­ren kön­nen, die ihnen eine auf­wer­ten­de Vor­stel­lung ihrer selbst anbie­tet«, ihnen mit­hin eine Iden­ti­tät (zurück) geben, »die der Erfah­rung der Men­schen einen Sinn ver­lei­hen und die ihnen Hoff­nung für die Zukunft geben«. Das ist nichts ande­res als ein popu­lis­ti­sches Mini­mal­pro­gramm, das beson­ders sei­tens eines kämp­fe­ri­schen Kon­ser­va­tis­mus für sich in Anspruch genom­men wer­den muß, der das Gefühl für Hei­mat, das Bewußt­sein eige­ner Iden­ti­tät und das Stre­ben nach sozia­ler Gerech­tig­keit in ihrer Bedeu­tung als wesens­ge­mäß zusam­men­hän­gend erkennt und für wei­te Tei­le der Gesell­schaft – nicht nur für das eige­ne Milieu – hin­rei­chend darlegt.

Um so abge­ho­be­ner von den Belan­gen des »ein­fa­chen Vol­kes« und um so lebens­fer­ner sich die herr­schen­de Klas­se einem hyper­ka­pi­ta­lis­ti­schen und kos­mo­po­li­ti­schen Stre­ben hin­gibt, um so stär­ker wird die Gegen­be­we­gung in Rich­tung einer neu­en Suche nach Ver­wur­ze­lung und Ver­or­tung, nach sozia­ler Für­sor­ge und soli­da­ri­scher Gemein­schaft aus­fal­len. Die popu­lis­ti­sche Zuspit­zung beschleu­nigt nur das Ent­ste­hen von Bewußt­sein für die­se Pro­zes­se, ver­stärkt nur das Ent­ste­hen der Kluft zwi­schen »Volk« und »Eli­te« – sie löst die­se Ent­wick­lun­gen nicht aus.

Die Lin­ke, auch ihre popu­lis­ti­sche Aus­prä­gung (in Deutsch­land: Wagenknecht/Lafontaine, in Spa­ni­en: Pode­mos, in Frank­reich: Mélen­chon), wird nun aber frü­her oder spä­ter dar­an schei­tern, eine posi­ti­ve (Gegen-)Erzählung zum herr­schen­den Neo­li­be­ra­lis­mus auf die Bei­ne zu stel­len, weil sie bereits damit zu kämp­fen hat, sich gewiß zu wer­den, was ein »Volk« über­haupt aus­macht, wer also das Sub­jekt sein könn­te, das gegen die Eli­te oder gegen die olig­ar­chi­sche Füh­rung kon­tras­tiert wird, und für wel­ches man die posi­ti­ve Visi­on über­haupt erar­bei­ten könn­te. Die­se Unklar­heit läßt sich nicht durch aka­de­mi­sche Debat­ten oder geis­ti­ge Kon­struk­tio­nen gemein­sam kämp­fen­der »sub­al­ter­ner« Klas­sen lösen; zudem wird der lin­ke Popu­lis­mus durch sich selbst als »eman­zi­pa­to­risch« dün­ken­de lin­ke Anti-Popu­lis­ten an sei­ner poten­ti­el­len Ent­fal­tung gehin­dert, indem er wahl­wei­se in die »Quer­front«-Ecke gestellt oder direkt als ver­kappt rech­te Strö­mung dif­fa­miert wird (dazu mehr in der kom­men­den August-Sezes­si­on).

So oder so: »Popu­lis­mus« wird als The­ma der For­schung und Bericht­erstat­tung, als Kampf­be­griff in der poli­ti­schen Are­na – min­des­tens in den kom­men­den Wochen und Mona­ten – akut blei­ben. Bis­wei­len gibt es gar »Exper­ten« für die­ses Sujet, die aus­gie­big dar­über fach­sim­peln, aber die rea­le Grund­la­ge, die Bedin­gun­gen für das Ent­ste­hen, ja die mate­ri­el­len und geis­ti­gen Vor­aus­set­zun­gen für ein Auf­kom­men popu­lis­ti­scher Erschei­nun­gen mit kei­ner Sil­be erwäh­nen. Anders ver­fährt Alain de Benoist. Er erkennt die Kri­se der reprä­sen­ta­ti­ven, libe­ral­ka­pi­ta­lis­ti­schen Demo­kra­tie als Grund­vor­aus­set­zung für das Ent­ste­hen jed­we­der moder­ner Popu­lis­men an. Im Zeit­al­ter des glo­ba­len Kapi­ta­lis­mus schwin­de die Sou­ve­rä­ni­tät des Vol­kes, der Schwer­punkt der Macht wan­de­re zu olig­ar­chi­schen Struk­tu­ren, d. h. zu Kapi­tal­grup­pen, Tech­no­kra­ten und Par­tei­funk­tio­nä­ren. Die Demo­kra­tie blei­be auf der Strecke.

Der Popu­lis­mus jedoch, wie Benoist ihn ide­al­ty­pisch in sei­ner Publi­ka­ti­on Le Moment popu­lis­te (Ende 2017 in dt. Spra­che) auf­greift, favo­ri­sie­re, im schärfs­ten Wider­spruch zur neo­li­be­ra­len Ent­wer­tung und Abschaf­fung der Volks­herr­schaft ste­hend, die direk­te, die par­ti­zi­pa­to­ri­sche Demo­kra­tie – was in der Ten­denz durch­aus in Ein­klang zu brin­gen ist mit der Aus­sa­ge der Ber­tels­mann-Stif­tung, wonach Anhän­ger popu­lis­ti­scher Stand­punk­te die Demo­kra­tie nicht grund­sätz­lich ableh­nen, son­dern ihr momen­ta­nes Funk­tio­nie­ren kritisieren.

Eine sol­che Kri­tik der Funk­ti­ons­wei­se des bestehen­den Appa­rats ist für Benoist inte­gra­ler Bestand­teil popu­lis­ti­scher Arti­ku­la­ti­on. Akti­ve Staats­bür­ger­schaft, der Sinn für Gemein­wohl und gemein­sa­me Wer­te, die instink­ti­ve Abnei­gung von Finanz­ka­pi­ta­lis­mus und der Markt­lo­gik prä­gen im wei­te­ren Ver­ständ­nis Benoists den Popu­lis­mus. Als sol­ches sei er direk­ter Geg­ner der herr­schen­den Ver­hält­nis­se, ers­ter Her­aus­for­de­rer des Estab­lish­ments. Ein wenig opti­mis­tisch sieht Benoist nun die Stun­de des Vol­kes, die Stun­de des Popu­lis­mus gekom­men; er for­mie­re sich als »Bewe­gung neu­en Typs«, als Revol­te des Vol­kes gegen die clas­se diri­ge­an­te, als Revol­te der Gemein­schafts­be­für­wor­ter gegen die libe­ra­le Hege­mo­nie und ihre indi­vi­dua­lis­ti­sche Para­dig­men, als Revol­te der Glo­ba­li­sie­rungs­kri­ti­ker – ob links oder rechts – gegen die »Glo­ba­lis­ten« jeder Cou­leur, was in unse­rer Zeit als fun­da­men­ta­ler Schlüs­sel­kon­flikt zu gel­ten habe.

Ganz in die­sem Sin­ne denkt auch Bernd Ste­ge­mann. Wie für Benoist, ver­läuft auch für ihn der pri­mä­re Front­ver­lauf »nicht mehr zwi­schen der offe­nen Gesell­schaft und ihren Fein­den, son­dern […] zwi­schen der glo­ba­len Macht des Kapi­tals und den Men­schen«. Ste­ge­mann hat in sei­nem bereits ange­führ­ten Essay dem­entspre­chend auf die beson­de­re Rol­le des libe­ra­len Ver­sa­gens ver­wie­sen, was die Ent­ste­hung popu­lis­ti­scher Momen­te anbe­langt. Es las­se sich schlech­ter­dings nicht über­se­hen, daß »gera­de in den libe­rals­ten Gesell­schaf­ten die größ­ten Kri­sen­sym­pto­me ent­ste­hen«, so der Pro­fes­sor für Dra­ma­tur­gie. Der Libe­ra­lis­mus habe über Jahr­zehn­te kon­kre­te Wider­sprü­che in abs­trak­te For­meln (»Para­do­xien«) ver­wan­delt und ablen­ken kön­nen; nun wer­den aber die gesell­schaft­li­chen Wider­sprü­che ganz real, die Kri­tik suche sich ein Ventil.

Es bleibt zu hof­fen, daß sich – im wahl­tech­ni­schen Bereich – die Alter­na­ti­ve für Deutsch­land als ein sol­ches anbie­ten wird.

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Wei­ter­füh­rend:
Insti­tut für Staats­po­li­tik – Die Stun­de des Popu­lis­mus. Das Volk, die Eli­te und die Kri­se der Reprä­sen­ta­ti­on (44 S., 5 €, hier bestel­len)

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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Kommentare (20)

Philip Stein

25. Juli 2017 18:10

Unübertroffen!

Der_Jürgen

25. Juli 2017 18:40

Ich finde diesen Beitrag von Benedikt Kaiser wesentlich weniger ergiebig als seinen letzten, der ja den Anstoss zu einer regen, allzu früh beendeten Debatte gab. Bei der Beurteilung des Programms einer Partei,  Organisation oder Bewegung interessiert mich dessen inhaltliche Substanz. Keinen Deut interessiert mich hingegen, ob die betreffende Gruppierung laut der Terminologie des Feindes "populistisch", "rechtspopulistisch" oder "rechtsradikal" ist. All diese Worthülsen sind nämlich nichts anderes als Totschlagvokabeln zur Diskreditierung jeder echten Opposition.

Da man den Kritikern nicht auf fachlicher Ebene antworten kann, klebt man ihnen Etiketten an: "Populisten", "Rechtsextremisten", "Fremdenhasser", "Faschisten", "Verschwörungstheoretiker" und was der Koseworte mehr sind. Wem eine dieser Etiketten angeheftet wurde, gilt bestenfalls als unseriöser Aussenseiter und schlimmstenfalls als Unmensch, wenn nicht gar als Untermensch ("Pack", "braune Brut" etc.). Wir sollten uns nicht auf dieses Spiel einlassen und das Jonglieren mit undefinierten und inhaltsleeren Begriffen dem Gegner überlassen.

Die Begriffe "rechts" und "links" taugen immer noch, wenn man sie so definiert, dass der rechts Denkende die Welt und den Menschen so sieht, wie sie sind, und der links Denkende so, wie sie seinen Theorien nach sein sollten. Doch zur Kennzeichnung politischer Positionen, die nicht unmittelbar mit dieser Kardinalfrage zusammenhängen, sind sie unbrauchbar.

Ich betrachte mich beispielsweise als dezidiert rechts, wenn ich das eben erwähnte weltanschauliche Kriterium anlege, hingegen in sozialpolitischer Hinsicht als "links", weil ich für eine protektionistische Handelspolitik, ein staatliches Monopol auf Geldherstellung, eine Nationalisierung der Banken und eine Mischform aus Markt- und Planwirtschaft eintrete. Ob diese Vorstellungen nun "populistisch" sind oder nicht, ist mir gleichgültig; darüber mögen sich Geschwätzwissenschaftler, die sonst nichts Besseres zu tun haben, ihre hohlen Köpfe zerbrechen.

Franz Bettinger

25. Juli 2017 19:15

Populismus. Das ist also die Fokussierung auf das Volk, d.h. das Gegenteil einer Fixierung auf Eliten, Oligarchen, Monarchen. Was soll daran falsch sein? Irrt das Volk häufiger als der Adel? Das ist historisch nicht belegbar. Die Schweiz scheint das Gegenteil zu beweisen. Wenn das Wort Populist, z.B. im Hinblick auf die AfD, aber synonym mit "Vereinfacher" gebraucht wird, geht der Schuss noch weit mehr nach hinten los, denn von allen Parteien in der BRD gibt die AfD die präzisesten Antworten auf die Hauptkrisen in unserem Land - Euro-Verfall, Invasion, Ausländer- und EU-Kriminalität. Benedikt Kaiser hat dies gut dargelegt. Für die Katastrophen, die Deutschland gewärtigt, sind  keine komplexen Lösungen nötig. Jeder Kindergarten weiß besser als die Merkelianer, was zu tun ist. Als erstes der eigenen Schleuser-Marine inklusive deren NGO-Gehilfen das Handwerk legen. Für den Rest gibt es ebenfalls einfache, praktische Lösungen.

Wenn eine Hautwunde blutet, hält man den Finger drauf, bis sie nach 5 Minuten nicht mehr blutet. Das ist eine einfache Lösung. Warum eine komplexe suchen? Klar, man kann dem Patienten auch einreden, man müsse nähen und vorher röntgen, und eine Narkose bräuchte man sowieso, am besten im Krankenhaus. Fazit: "Never ask an expert" oder "never ask a local", wie Paddler sagen. Okay, ich weiß schon, was Ihr sagen wollt, aber Übertreibungen haben auch ihre Berechtigung. Es gibt sie, die einfachen Lösungen! Sie funktionieren. Die ganze Welt macht Merkelanien vor, wie's geht. Nur wir, allen voran unsere grün gestrichenen "Eliten", wir lieben die Innen-Ansichten eines Clowns mehr als die Wahrheit, erst recht wenn sie einem ins Gesicht springt.   

Populismus. Aber natürlich! Warum denn nicht? Ja, will man denn jeden Humor, jede Pointe, jede Verkürzung, jede Würze, allen Volkswitz aus den Debatten prügeln? Im Namen von was? Von mehr Objektivität? Mehr nüchterner Expertise? Das wäre nicht im Sinne der Wahrheitsfindung. Gerade das Volk hat mit seinem Spürsinn für die Kurzfassung (Das ist Populismus!) Enormes geleistet, sogar Literarisches! Am so verpönten Stammtisch lernt man oft mehr als in der Berliner Quatsch-Bude, genannt Parlament. Ich erinnere an Sternstunden des Populismus:

Lafontaine's Sesselfurzer-Vergleich, F J Strauß's Vox Rindvieh-Vergleich, Jockel Fischer's "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch" (FB: Der Satz wäre heute wieder angebracht), Schmidt's "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen", Kennedy's "Ich bin ein Berliner", Kohl's "Entscheidend ist, was hinten raus kommt", Adenauer's "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern", Thatcher's "I want my money back", Norbert Blühm's "Die Rente ist sicher", Obama's "Yes, we can", und unübertroffen Merkel's "Wir schaffen das". Diese Simplizismen trafen ohne stundenlange Erörterungen den Nagel auf den Kopf. Jeder wusste, was gemeint war. Ein Hoch auf den Populismus! Man halte ihn in Ehren! Er ist eine Kunst.

Herr K.

26. Juli 2017 00:47

Wirklich exzellenter Artikel! Besonders der Blick auf die atomisierte Gesellschaft, für die nun linke Populisten kein einigendes Narrativ  finden können (schon ein bisschen doof wenn das Individuum alles ist und die Gemeinschaft nichts...), da ihnen da ihre linke Ideologie auf die Füsse fällt...touché!

Nur aus Hoffnung, von linker Seite vlt doch noch geliebt zu werden, und daher auf den Populismus zu verzichten wäre Dummheit pur. Was bitteschön ist denn der Terminus "Klassenkampf"... kein Populismus auf sozialer Ebene??? Achso, das kennt die neue Linke nicht mehr...so ein Pech aber auch.

Heinrich Brück

26. Juli 2017 01:00

„eher moderate und keine radikalen Ansichten" = Gute (und ungefährliche) Populisten = Systemkritiker. „Von einer Stunde der Populisten ist das politische Klima vor der Bundestagswahl weit entfernt." = Schlechte (und gefährliche) Populisten = Systemgegner. Nur 30% Populisten = Keine Gefahr für die offenen Grenzen.

Neander vom Thal

26. Juli 2017 13:54

praeclarus

Arminius

26. Juli 2017 14:12

Danke, Herr Kaiser, für diese Einschätzung des "populistischen" Potentials - zwei Monate vor der Wahl. Wenn man das Programm der AfD vorurteilsfrei studiert, wird man zu dem Ergebnis kommen, daß diese Partei die von Ihnen erhoffte Ventilfunktion souverän wahrnehmen könnte, wenn sich nur das Parteipersonal dessen auch bewußt wäre. Anstatt sich gegenseitig öffentlich zu diskreditieren, sollte es mit rhetorischer Kraft dazu beitragen, den amtlichen Wunsch der Merkelianer nach sprachlicher Sedierung des Wahlvolkes zu durchkreuzen und die von den Altparteien thematisch vorsätzlich verdrängten Kernthemen (z.B. illegale Migration, faktischer Abschiebestop und EUrokrise) dorthin zu bringen, wo sie vor der Wahl auch gehören: In das Bewußtsein der Wähler. Die intellektuelle Vorarbeit der SiN-Autoren kann der noch jungen Partei bei der Suche nach griffigen Argumenten dabei sicherlich nicht schaden.

tOm~!

26. Juli 2017 18:24

Zu den Ausführungen von Herrn Kaiser möchte ich nichts anfügen, insbesondere die verschiedenen Definitionen des Populismus wurden sehr verständlich und passend erklärt.

Nur eine Sache:

"Anders verfährt Alain de Benoist. Er erkennt die Krise der repräsentativen, liberalkapitalistischen Demokratie als Grundvoraussetzung für das Entstehen jedweder moderner Populismen an. Im Zeitalter des globalen Kapitalismus schwinde die Souveränität des Volkes, der Schwerpunkt der Macht wandere zu oligarchischen Strukturen, d. h. zu Kapitalgruppen, Technokraten und Parteifunktionären. Die Demokratie bleibe auf der Strecke."

Soso, die Demokratie in der Krise und die Souveränität des Volkes schwindet also?

Da haben wir es ja wieder. Es ist offenbar gar nicht nötig, sich endlich einmal bewusst zu machen, daß Demokratie seit 1789 nichts anderes als Gelddiktatur und Fremdherrschaft für alle Völker bedeutet, die unter die Knute dieses Herrschaftssystems kommen.  Oder daß im Voraus in den meisten Fällen ein Völkermord [ Siehe Frankreich und die Massaker in der Vendée! ] erfolgt, der quasi als Fundament der Demokratisierung dient.

De Benoist ist ganz offensichtlich noch immer in der demokratischen Denkfalle verhaftet. Zu gerne würde ich ihm die Fragen stellen, wann jemals in Europa ein Volk der Souverän in einem Staat war. Da dieser "Vordenker" der "Neuen Rechten" zu der Schlussfolgerung kommt, daß die Demokratie heuer auf der Strecke bliebe, muss er ja logischerweise davon ausgehen, daß es zu einer anderen Zeit, Staaten gab, in denen die Macht vom Volk ausging, so wie man sich das in der Phantasie hübsch ausmalt, wo also dieses heilige politische System auf Kurs war..

Das allerdings gab es in der Realität nie und nirgendwo! Wer auch immer den Völkern die demokratische Ideologie schmackhaft machte, tat dies bestimmt nicht, um die Massen zu befreien, ihnen politische Teilhabe zu gewähren oder sie gar am Ende bestimmen zu lassen. Geht's noch, Monsieur Benoist?

Das Argument, laut der die Völker sich ihre demokratischen und liberalen "Freiheiten" damals hart erkämpften, hört man sehr oft, sowohl von Linken wie den Rechten.

Leider wurden ausnahmslos alle sogenannten "Revolutionen", die Europa während des 18. bis ins 20. Jahrhundert erlebte, durch international denkende Bankiers und Unternehmer finanziert, und die angeblich "versklavten" Massen, nichts weiter als der ungeliebte "Pöbel", heute als "Human Resource" bekannt, diente dabei lediglich als Kanonenfutter oder Werkzeug zur Durchsetzung der eigenen Ziele. Der ganze Prozeß, bei dem sich die europäischen Völker von ihrem Adel "befreit" haben, hat nie so stattgefunden, wie es einem die Vertreter der Demokratie heute weismachen wollen.

Auf dem Weg zum "globalen Kapitalismus", den de Benoist, was extrem unlogisch ist, für das Scheitern des demokratischen Systems verantwortlich macht, war die Demokratie und der dazugehörige (Wirtschafts-)Liberalismus, immer der Motor des Ganzen, das Herzstück sozususagen. In ihrer Phantasie, bilden sich viele Demokratiegläubige aber ein, ihr bevorzugtes politisches System könne ab jetzt auch ruhig mal als Bremse fungieren, würde es nur endlich richtig - also so wie der Demokratiegläubige es sich theoretisch vorstellt - umgesetzt werden.

Alain de Benoists Aussagen sind zum Vergessen, ich kann so einen Unsinn nicht mehr hören, bzw. lesen.

Ausführungen, bei denen es im Endeffekt darauf hinausläuft, daß die Demokratie, die früher ganz toll war, heute vor die Hunde geht, sind grober Unsinn. Wir erleben heute viel eher die Vollendung der Demokratie, als ihr Scheitern.

Daß es in Frankreich nicht gerade wenige Autoren gibt, die vom Prinzip her mit meinen Ausführungen völlig übereinstimmen, oder deren Erkenntnisse mich überzeugten, lässt de Benoist erst recht in einem schwachen Licht erscheinen:

"Le docteur en droit, Valérie Bugault, et l’ancien banquier international, Jean Rémy, viennent présenter l’ouvrage qu’ils ont cosigné : ”Du nouvel esprit des lois et de la monnaie”. Les deux auteurs démontrent que l’Ancien régime était plus démocratique que les actuelles républiques parlementaires. En effet, dès le XVIIIème siècle, le pouvoir économique, formaté au droit anglais, n’a eu de cesse de détruire les Etats et les souverainetés pour imposer l’esclavage légal."

*Dr. iur. Valérie Bugault und der ehemalige Bankier Jean Rémy veröffentlichen ein Buch mit dem Titel *Vom neuen Geist der Gesetze und des Geldes*. Die beiden Autoren zeigen, daß das Ancien Régime demokratischer gewesen sei als die aktuellen parlamentarischen Republiken. Seit dem 18. Jahrhundert habe die am englischen Recht orientierte ökonomische Macht nicht aufgehört, Staaten und Souveränitäten zu zerstören, um die legale Sklaverei durchzusetzen.*

"https://www.youtube.com/watch?v=8drPVDIfQPU"

tOm~!

26. Juli 2017 19:21

Lässt man mal die geschönte und naive Sichtweise in der Politik außen vor, ist Frankreich selbst das beste Beispiel dafür, wie schädlich und zerstörerisch die Demokratie in der Praxis wirkt. Es zählen die Tatsachen, und die Zustände in unserem westlichen Nachbarland sind mittlerweile katastrophal, noch schlimmer als hier. Wie lange herrscht schon "Ausnahmezustand"?

Bis ins 18. Jahrhundert war Frankreich dagegen, davon zeugt die wundervolle Landschaft mit all ihren Schlössern und Prachtbauten,  eines der florierendsten und prächtigsten Länder der ganzen Welt. Von diesem Gerüst zehrt die französische Republik noch heute, denn Hitler ließ in Frankreich nicht, wie Roosevelt und Churchill über Deutschland, tausende und abertausende Kilo an Sprenkörpern und Bomben abwerfen.

Seit die Demokraten aus Frankreich eine Republik gemacht haben, fiel man allerdings im internationalen Vergleich - mit einigen, durch Militärmacht "fremdfinanzierte", Ausreißer nach oben - nur noch ab. Diese Ausreißer nach oben, kamen natürlich später wie ein Bumerang zurück, mit Zinsen. Heute droht dem einstmals so stolzen und selbstbewussten, französischen Volk, das gleiche Schicksal wie uns Deutschen. Kann man bedauern, oder aber, cum grano salis, als Justice Immanente betrachten.

Auf jeden Fall kann man anhand dieser Entwicklung sehr schön sehen, wie weit man es mit Liberté, Égalité et Fraternité gebracht hat und wie die Zeiten sich ändern, wenn man als Volk im eigenen Land der "Souverän" ist. Bild von Jean-Marc Nattier (* 17. März 1685 in Paris; † 7. November 1766 ebenda):

"https://pbs.twimg.com/media/CvII70VUMAARZkQ.jpg"

calculus

26. Juli 2017 21:01

@tOm~!

wie weit man es mit Liberté, Égalité et Fraternité gebracht hat

Volle Zustimmung, insbesondere, was die Égalité betrifft!

De Benoist ist ganz offensichtlich noch immer in der demokratischen Denkfalle verhaftet. Zu gerne würde ich ihm die Fragen stellen, wann jemals in Europa ein Volk der Souverän in einem Staat war. Da dieser "Vordenker" der "Neuen Rechten" zu der Schlussfolgerung kommt, daß die Demokratie heuer auf der Strecke bliebe, muss er ja logischerweise davon ausgehen, daß es zu einer anderen Zeit, Staaten gab, in denen die Macht vom Volk ausging, so wie man sich das in der Phantasie hübsch ausmalt, wo also dieses heilige politische System auf Kurs war..

Allerdings komme ich zu einer anderen Einschätzung, was Benoist und die Neue Rechte angeht. Soweit ich es sehe, setzen sich Benoist und die Neue Rechte (jedenfalls diejenige im Windschatten des Hausherren) nicht für mehr Demokratie ein, sondern sie haben eine ganz klare Präferenz für ein elitäres System. Bei Benoist (https://antaios.de/buecher-anderer-verlage/aus-dem-aktuellen-prospekt/40825/kulturrevolution-von-rechts) kann gar kein Zweifel bestehen, erläutert er das doch recht detailliert, etwa daß ein solches System einer steten Auffrischung von unten bedarf. Auch Martin Sellner, nach meinem Eindruck der Kubitschek-Schüler schlechthin, macht aus seiner Präferenz für ein elitäres System keinen Hehl (https://antaios.de/gesamtverzeichnis-antaios/einzeltitel/41461/identitaer).

Die überkommene, über Jahrhunderte gewachsene, und damit legitime, Elite, hat man in Frankreich nach 1789 aufs Schafott geführt. Bei uns ist die Situation nicht grundsätzlich anders. Nach 1918 sind sie ihrer überkommenen, über Jahrhunderte ausgeübten und damit legitimen Rolle verlustig gegangen, und nach 1945 sind sie sowieso in aller Herren Winde zerstreut worden. Sowohl in Frankreich als auch hier in Deutschland ist die alte, legitime Elite ein für allemal untergangen, und es stellt sich die Frage, auf was man eine neue Elite gründen kann, so daß die als legitim anerkannt wird.

Wenn man sich einmal durch diese Brille und unter Zuhilfenahme von ein bißchen Phantasie den kürzlich gehaltenen Vortrag des Hausherren anschaut (https://www.youtube.com/watch?v=qZtd3Mn5d4Q), fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, wie das vonstatten gehen soll. Platt gesagt: sie erzählen uns nicht alles, solange, bis sie die Macht haben. Sellner äußert sich übrigens ganz ähnlich. Die Masse der Leute ist ja nachgerade blöd, sie benötigen lediglich eine schöne, bunte und vor allem emotinale Story (Sellner nennt es, glaube ich, Story telling). Einen Tag später haben sie sowieso schon wieder alles vergessen.

Es ist interessant, es einmal aus diesem Blickwinkel zu betrachten. Wie auch immer, nur so oder so ähnlich kann es gehen!

Alexander Sorge

26. Juli 2017 23:37

herrlich populisitisch ;-)

Ruewald

27. Juli 2017 01:01

"Ausführungen, bei denen es im Endeffekt darauf hinausläuft, daß die Demo-kratie, die früher ganz toll war, heute vor die Hunde geht, sind grober Unsinn."

Dem kann man im Prinzip (ohne überheblichem "grober Unsinn") zustimmen.

Aber was ist mit der zweideutigen Formulierung gemeint?
"Wir erleben heute viel eher die Vollendung der Demokratie, als ihr Scheitern."

Im (konträren) Komparativ "viel eher ... als" (ohne Komma)  würde ich das als "groben Unsinn" bezeichnen, in der Gleichsetzung Vollendung = Scheitern als zutreffend!

Franz Bettinger

27. Juli 2017 12:35

Bin mir nicht klar, ob der folgender Kommentar von mir verschickt oder aber von SiN, dann sicherlich aus guten Gründen, entfernt wurde. Hier nochmals:

Populismus, aber natürlich! Warum denn nicht? Ja, will man denn jeden Humor, jede Pointe, jede Verkürzung, jede Würze, allen Volkswitz aus den Debatten prügeln? Im Namen von was? Von mehr Objektivität? Mehr nüchterner Expertise? Das wäre nicht im Sinne der Wahrheitsfindung. Gerade das Volk hat ja mit seinem Spürsinn für die Kurzfassung - das ist Populismus! - Enormes geleistet, sogar Literarisches! Am so verpönten Stammtisch lernt man oft mehr als in der Berliner Quatsch-Bude, genannt Parlament. Ich erinnere an Sternstunden des Populismus:

Lafontaine's Sesselfurzer-Vergleich, F J Strauß's Vox Rindvieh-Vergleich, Jockel Fischer's "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch" (FB: Der Satz wäre heute wieder angebracht), Helmut Schmidt's "Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen", J F Kennedy's "Ich bin ein Berliner", Kohl's "Entscheidend ist, was hinten raus kommt", Adenauer's "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern", Thatcher's "I want my money back", Norbert Blühms "Die Rente ist sicher", Obama's "Yes, we can" und unübertroffen Merkels "Wir schaffen das". Diese Simplizismen trafen stets den Nagel auf den Kopf. Jeder wusste, was gemeint war. Ein Hoch auf den Populismus! Man halte ihn in Ehren! Er ist eine Kunst.

Populismus ist die weltanschauliche Fokussierung auf das Volk, d.h. das Gegenteil einer Fixierung auf Eliten, (Oligarchen, Monarchen). Was soll daran falsch sein? Irrt das Volk häufiger als der Adel? Das ist historisch nicht belegt. Die ur-demokratische, erfolgreiche und friedliche Schweiz scheint das Gegenteil zu beweisen. Wenn das Schmähwort Populist im Hinblick auf die AfD aber synonym mit Vereinfacher gebraucht wird, geht der Schuss noch mehr nach hinten los. Denn von allen Parteien in der BRD gibt die AfD die präzisesten Antworten auf die Krisen in unserem Land, Invasion, Euro-Verfall, Ausländer- und EU-Kriminalität. Für die Katastrophen, die Deutschland gewärtigt, sind  keine komplexen Lösungen nötig. Jeder Kindergarten weiß besser als die Merkelianer, was zu tun ist. Der eigenen Schleuser-Marine inklusive deren NGO-Gehilfen das Handwerk legen, als erstes. Und für den Rest gibt es ebenfalls einfache, praktische Lösungen.

Wenn eine Hautwunde blutet, hält man den Finger drauf, bis sie nach 5 Minuten nicht mehr blutet. Das ist eine einfache Lösung. Warum eine komplexe suchen? Man kann dem Patienten auch einreden, man müsse nähen und vorher röntgen, und eine Narkose bräuchte man sowieso, am besten ab ins Krankenhaus. Fazit: "Never ask an expert". Okay, ich weiß schon, was Ihr sagen wollt, aber Übertreibungen haben auch ihre Berechtigung. Es gibt sie, die einfachen Lösungen! Sie funktionieren. Die ganze Welt macht Merkelanien vor, wie es geht. Nur wir, allen voran unsere links und grün gestrichenen "Eliten", wir lieben die Innen-Ansichten eines Clowns mehr als die Wahrheit, erst recht wenn sie einem ins Gesicht springt.

Valjean72

27. Juli 2017 13:11

Ich teile die Kritik an der Begeisterung der real existierenden, parlamentarischen Demokratie und deren Verklärung.

Gerade am Beispiel der französischen Revolution ist es einerseits von Bedeutung sich der Massaker bewusst zu sein, die zur Durchsetzung  dieser "guten Sache" begangen wurden (z.B.: Die Ertränkungen von Nantes)

und sich andererseits mit den, auf der zeitgenössischen Darstellung der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, integrierten Symbolen auseinanderzusetzen und ebenso mit der Herkunft der Schlagwörter: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, (Laizität)

Franz Bettinger

27. Juli 2017 13:35

@Tom: 

Gut gebrüllt, Tom! Sehr interessanter Aspekt! Grosso modo Zustimmung zur These, dass die "Demokratie" vielfältig missbraucht wird, imperialistisch angelegt und ein Popanz ist. Aber gibt es keine Hoffnung? Demokratien (das Volk) können - so prognostiziere ich einmal - nämlich auch reifen und sich emanzipieren von der modernen Sklaverei und am Ende selbstbewusst und erwachsen werden, siehe Schweiz, in der eine Vorstufe schon erreicht ist. Die Schweiz erscheint mir eine ehrenwerte Ausnahme von Ihrer These zu sein. Meiner Meinung nach ist die Schweizer Demokratie die friedlichste und effektivste; eine, in der das Volk weit mehr zu entscheiden hat als bei allen anderen Fromen von Demokratie. Wie könnten wir dahin kommen? Vielleicht dazu mal ein Beitrag auf SiN?

@calculus: 

Ich kann nur warnen, schlechte Eliten durch vermeintlich gute ersetzen zu wollen. Das ist der Traum vom guten Diktator. Ja, es mag ihn geben - gegeben haben? Wo denn? - aber ich halte ihn für die Ausnahme. Wenn schon Fehler gemacht werden, so ist mir lieber, das Volk irrt, als dass Eliten sich im Namen und auf Kosten des Volkes irren. "Mein Irrtum gehört mir!" So soll es sein. Das ist meine Minimal-Forderung. Ergo: Schweizer Demokratie. - Und @"Die Masse der Menschen benötigt eine griffige eingehende Legende". Ja. Martin Sellner spricht in diesem Zusammenhang vermutlich von story bias und confirmation bias. Ganz wichtige Begriffe! Auch dazu wäre eine Vertiefung auf SiN wünschenswert.

tOm~!

27. Juli 2017 14:41

Aber was ist mit der zweideutigen Formulierung gemeint?

"Wir erleben heute viel eher die Vollendung der Demokratie, als ihr Scheitern."

Das bedeutet, daß die zersetzende Entwicklung in den westlichen Demokratien, keine Folge von Politikversagen oder undemokratischen Entscheidungen ist, sondern ein gezielt herbeigeführter Zustand, in dem die Grundwerte ( Geldherrschaft, Lüge, Raub- und Völkermord, Auflösung aller autochthonen Völker ) des globalen Demokratismus praktisch in die Realität umgesetzt werden. 

Und dieses globale (Herrschafts-)System ist keineswegs im Begriff zu scheitern, sondern steuert eher auf den "Endsieg" zu.

Heinrich Brück

27. Juli 2017 15:45

@ Franz Bettinger

Wer hat Deutschland zum Einwanderungsland gemacht? Die Kreuzchenmacher und Regierungswähler? Die Zuwanderung läuft seit Jahrzehnten, unabhängig der gewählten Regierungen. Auch die Schweiz hat dieses Problem. Wer haßt das deutsche Volk abgrundtief? Höhepunkt des Dauerfeuers unmoralischer Widerwärtigkeiten, eine Veröffentlichung der Jugendplattform funk: das Arier-Reservat. Dieser Haß fließt in die Erziehung der gesamten Jugend; von Zuhältermusik bis Pornographie ist alles dabei, soll jetzt durch ein Kreuzchen aufgehoben werden? Von welcher Wahrheitsfindung ist hier die Rede? Ein schrumpfendes Volk sucht keine Wahrheit, es arbeitet an seiner Auslöschung. Warum ist die Elite schlecht, wenn diese Vernichtung Absicht ist? Warum sollte eine Elite ihr eigenes Volk ausrotten? Wie groß ist die Macht dieser Elite? Wer gibt ihnen diese Macht?

tOm~!

27. Juli 2017 17:18

"Die ur-demokratische, erfolgreiche und friedliche Schweiz scheint das Gegenteil zu beweisen."

Ein weiterer, sehr weit verbreiteter Irrtum unter den Demokratiegläubigen. Leider in den allermeisten Fällen auch ohne fundierte Einblicke in die schweizerische Politik, weshalb dieser Staat zwangsläufig verklärt dargestellt wird. Es tut mir ja sehr leid, aber die Schweiz ist nicht die goldene, "demokratische" Ausnahme, die die Regel bestätigt. Vielmehr hat man sich das Wahlvolk dort halt so erzogen, daß die Entscheidungen sehr gut in das Programm des globalen Demokratismus passen. Und was nicht passt, wird passend gemacht. Ich glaube nicht, daß die Schweizer jemals eine Entscheidung gegen ihre Wirtschaft treffen würden. Der aus England in alle Welt exportierte Kapitalismus, steckt den Menschen dort längst tief unter der Haut. Am Besten fangen wir aber von vorne an. Was kaum jemand weiß, aber berücksichtigt werden muss, ist, daß die Schweiz beim Wiener Kongress zur Demokratie wurde. An der Stelle sollten bei einem kritischen Zeitgenossen, der sich mit Geschichte auskennt, bereits alle Alarmglocken angehen. Der Wiener Kongress stand erheblich unter dem Einfluss der Rothschilds, denn Fürst von Metternich war dieser Familie sowohl privat wie auch dienstlich verpflichtet. Das heißt also, Metternich war ein gekaufter Verräter. Das ist keine "Verschwörungstheorie", sondern sollte zur Allgemeinbildung gehören. Man kann es sogar politisch korrekt bei Wikipedia nachlesen. In Anbetracht dieser Tatsache, ist es abermals äußerst naiv anzunehmen, daß man die Schweiz damals ohne Verpflichtungen in die Freiheit entlassen hätte. Und wie hat sich das Land in der Folge entwickelt, wem diente dieser Staat wofür? Mal bitte an die Bankkonten von Waffen-, Drogen-, Kinder- und Frauenhändlern denken, nicht zuletzt an sogenannte, internationale "Despoten", die dort ihr Bargeld parkten. An dem Punkt sagt der dressierte Demokrat, daß Geld nicht stinkt. Auf der Basis gibt es für mich nichts zu diskutieren, und wer bereits so auf den abartigen Demokratismus geeicht ist, daß er zu dem Schluß kommt, daß monetäre Profite und Gewinne jegliche Sauerei rechtfertigen, stößt mit seinen Argugmenten bei mir sowieso auf Granit. Klar, das Schweizer Volk hat auf den ersten Blick profitiert. Wenn man die Sache aber nicht nur oberflächlich betrachtet, sollte man sehr schnell feststellen, daß das Land heute mit den gleichen Problemen konfrontiert ist, wie seine Nachbarländer. In der Schweiz herrscht seit jeher ein Internationalismus. Die Vorteile, die die  Schweiz zu bieten hat, sind allesamt materieller Natur. Wer nun als gut qualifizierter Facharbeiter oder Akademiker über die schlechten Verdienstmöglichkeiten in der BRD klagt, könnte dort sicher etwas besser gestellt sein. Dafür braucht es aber gewiss keine direkte Demokratie, ähnliche Verhältnisse könnte man beispielsweise in Luxemburg vorfinden. Das war es aber auch schon. Abgesehen von monetären oder materiellen Vorteilen, hat die Schweiz aus meiner Sicht nichts zu bieten, was sie von den anderen westlichen Demokratien unterscheidet. Gar nichts. Wenn wir uns die Ideale, Werte und Prinzipien ansehen, die in dieser ebenfalls "weltoffenen" Gesellschaft gelebt werden, findet man kaum eine Diskrepanz zu hier oder Österreich. Sehr gerne verweise ich in dem Zusammenhang darauf, wie herb die SVP blockiert und bekämpft wird. Daß ein Mann wie Roger Köppel für seine "fremdenfeindliche" Meinung mit dem Tod bedroht wurde, ist ebenfalls ein sehr guter Indikator dafür, wie stark die "linken" Gesinnungswächter dort vertreten sind. Und der Große Austausch läuft in der Schweiz mindestens schon so lange wie bei uns, reicht doch, einen Blick auf die "NATI" zu werfen, um festzustellen, wie buntgemischt das Land mittlerweile ist. Und das soll unser Vorbild sein?

Der_Jürgen

27. Juli 2017 17:27

@Franz Bettinger:

"Ich kann nur davor warnen, schlechte Eliten durch vermeintlich gute ersetzen zu wollen (...) Wenn schon Fehler gemacht werden, so ist mir lieber, das Volk irrt, als dass Eliten sich im Namen und auf Kosten des Volkes irren."

Dieser Argumentation liegt ein Denkfehler zugrunde. Noch nie in der Weltgeschichte gab es einen Staat, in dem "das Volk" regierte. Dies kann das Volk schlechthin nicht, weil es damit überfordert wäre. Wie kann das Volk beispielsweise kompetent darüber entscheiden, ob Deutschland Atomkraftwerke benötigt oder nicht? Das können nur Spezialisten, die wohlverstanden dem Gemeinwohl und nicht irgendwelchen privaten Interessen verpflichtet sind.

Selbst in der Schweiz, wo das Volk häufig zur Urne gehen kann, "regiert" es nicht. Es billigt oder verwirft lediglich gewisse Gesetzesvorlagen; wie der Volksentscheid umgesetzt wird, obliegt einer kleinen Elite (ich verwende das Wort hier und im folgenden absolut wertfrei). Manchmal ignoriert diese Elite das Abstimmungsergebnis souverän, wie im Fall der Initiative über die Ausschaffung ausländischer Krimineller, die vom Volk angenommen wurde, von den Politikern jedoch nicht verwirklicht wird.

Ein Regime wie das der BRD als Volksherrschaft zu bezeichnen, weil sich die Bürger alle vier Jahre zwischen Parteien entscheiden dürfen, die sich ungefähr so drastisch voneinander entscheiden wie ein Ei von einem anderen, ist abwegig. Ja, man kann eine Oppositionspartei wählen, aber die Eliten haben Mechanismen geschaffen, die verhindern, dass eine solche nennenswerten Einfluss gewinnt:

Erstens ist der Durchschnittsbürger enorm leicht manipulierbar und glaubt im grossen ganzen immer noch, was ihm die gleichgeschalteten Medien erzählen (immerhin existiert das Internet heute als Korrektiv, doch die grosse Mehrheit der Menschen schöpft ihre Informationen bzw. Desinformationen weiterhin aus Presse und Fernsehen). Und wenn ihn die Medien unisono vor den bösen "Rechtspopulisten" und den noch böseren "Rechtsextremisten" warnen, macht der Durchschnittsbürger sein Kreuz eben nicht bei der AFD, geschweige denn bei einer authentisch nationalistischen Partei.

Zweitens wird jede Oppositionspartei, die sich zur potentiellen Bedrohung für die herrschende Kaste entwickeln könnte, sofort unterwandert. Ein Paradebeispiel ist die NPD, in der es von VS-Agenten nur so wimmelt. Und wer mir weismachen will, eine ehemalige Mitarbeiterin von Goldmann Sachs wie Alice Weidel sei nicht in die AFD eingeschleust worden, um diese von innen her umzupolen und auf Regimekurs zu bringen, den schlage ich für einen Orden wider den tierischen Ernst vor.

Drittens wird jeder noch so vernünftige Vorschlag, der von der Opposition kommt, abgelehnt; so geschehen in den östlichen Bundesländern, wo die NPD im Landtag sass und ausnahmslos jeder ihrer Anträge, auch wenn es um Natur- oder Tierschutz ging, von den anderen Parteien einstimmig verworfen wurde. Genau so wird man nach dem wahrscheinlichen Einzug der AFD in den Bundestag mit Anträgen von ihrer Seite umspringen.

An die Stelle der durch und durch korrumpierten und volksfeindlichen Elite, die heute in Staaten wie der BRD die Macht innehat, muss in der Tat eine alternative Elite treten, aus der die Führungsschicht hervorgehen wird. Ein solches System nennt sich Meritokratie, Herrschaft der Besten. Wie es in der Praxis verwirklicht werden könnte, werden Sie da fragen. Die Antwort würde hier zu viel Raum erfordern und den Rahmen dieser Debatte sprengen. Es gilt jedoch: Zuerst sollten wir uns Rechenschaft darüber ablegen, was für ein System wir wollen. Erst wenn diese Frage beantwortet ist, brauchen wir uns die Köpfe über die Mittel zu zerbrechen, mit denen wir eben dieses System schaffen können.

Valjean72

28. Juli 2017 10:47

Seit über zehn Jahren lebe ich nun in einem Städtchen in der französischen Schweiz. Laut der Internetseite der hiesigen städtischen Verwaltung haben 38% der Einwohner keinen Schweizer Pass, sind also Ausländer. Darunter fällt ja auch meine Familie. Besehe ich die Zusammensetzung der Schulklassen auf der Grundschule meines Sohnes, so ist der „gefühlte“ Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund bei mindestens 70%. In einem ländlich geprägten Städtchen von gut 20.000 Einwohnern wohlgemerkt. Auch in unserem Kanton sind mittlerweile zwei Vorschuljahre vor der Grundschule verpflichtend angeordnet. Als unser Sohn vor zwei Jahren in eine solche Vorschule kam, haben wir feststellen können, wie gewissenhaft die Klasseneinteilung erfolgte. Es wurde bei den Zusammensetzungen der Klassen penibel darauf geachtet die Kinder hinsichtlich Ihrer unterschiedlichen „Migrationshintergünde“ (die beiden größten Gruppen sind Kosovo-Albaner und Portugiesen, danach müssten schon „Afrikaner“ kommen)  und insbesondere die wenigen französisch sprechenden Schweizer Kinder gleichmäßig zu verteilen. Mit diesen Maßnahmen soll gewährleistet werden, dass zur Einschulung in die Grundschule alle Kinder über ausreichend Sprachkenntnisse verfügen, um den Lehrstoff aufnehmen zu können. Das ist gut und richtig, verdeutlicht aber auch, in wie weit das Phänomen des „Großen Austausches“ auch und gerade in der Schweiz schon fortgeschritten ist.

Das Schweizer Modell zu verklären hilft uns nicht weiter.

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