Manche Menschen müssen Großes tun. Anders läßt es sich vermutlich kaum erklären, weshalb sich ein 20jähriger Student mitten auf einem vielbelebten Platz in Prag seelenruhig mit Benzin übergießt und mit einem Streichholz entzündet.
Vor dieser Schwelle muß man ein Stück weit fremd bleiben; wenn es an die Toten geht – mögen sie Mishima, Venner oder Beltrame heißen, scheint mir auch heute noch eine Barriere, eine Grenze, etwas Unhintergehbares da zu sein, das sich in der allfälligen Ironie und Unwesentlichkeit sein Heiligtum bewahrt. Wo das Opferblut dampft – das gilt seit Urzeiten – da geschieht etwas Eigentliches.
Vergangenen Mittwoch, ich steckte eigentlich mitten in den Vorbereitungen für unsere Vortragsveranstaltung, stieß ich durch Zufall wieder auf das Gesicht des tschechoslowakischen Märtyrers Jan Palach. “Warum ist so wenig Schicksal in Eurem Blicke?” fragte Nietzsche in seinem Zarathustra – an diese Redewendung mußte ich unweigerlich denken, als ich das Portraitfoto betrachtete. Schicksal in den Augen – besser kann man diese ganz bestimmte Ausstrahlung nicht beschreiben.
Ein schönes Gesicht jedenfalls; eines, das man nicht leichtfertig den Flammen überantwortet. Ich las also nach, versuchte zu verstehen, was diesen Jungen dazu bewogen hatte, sich in jene “Fackel Nr. 1” zu verwandeln, als die er in die Geschichtsbücher eingehen sollte, auf ewig verschmolzen mit dem 16. Januar 1969.
Ich glaube: Wer schreibt, daß Palach mit seiner Tat gegen die Besatzung der Tschechoslowakei durch die Sowjetunion oder gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings protestieren sollte, der greift zu kurz, weil er klingt, als würde er aus einem Geschichtsbuch zitieren.
„Angesichts dessen, daß unsere Nationen am Rand der Hoffnungslosigkeit angelangt sind, haben wir uns entschlossen, unserem Protest Ausdruck zu verleihen und das Volk dieses Landes auf folgende Weise wachzurütteln. Unsere Gruppe besteht aus Freiwilligen, die entschlossen sind, sich für unsere Sache zu verbrennen. Ich hatte die Ehre, die Eins zu ziehen…“
Ein menschliches Licht gegen die Hoffnungslosigkeit der Völker – die Zeilen stammen aus Palachs Abschiedsbrief. In der zitierten Übersetzung fand ich sie in einem Artikel der tschechischen Schriftstellerin Libuše Moníková, die ihn in der ZEIT veröffentlichte.
Der Artikel ist inzwischen 25 Jahre alt, Moníková starb im Januar 1998 und Jan Palach erlag seinen Verbrennungen gestern vor 50 Jahren – sein Licht aber leuchtet.
Andrenio
Jan Palach, ja das war ein wirklicher Held! Er ist in Tschechien nicht vergessen.
Warum redet bei uns niemand von Oskar Brüsewitz?