“Manche der diesjährigen Oscar-Favoriten befeuern hinter der Fassade von Fortschrittlichkeit die Regression”, so Hoppe weiter, und an der Wortwahl erkennen wir unschwer, daß sich der Autor in einem linken Koordinanten- und Wertungssystem bewegt (unabhängig davon, wie Hoppe, der auch für die Jungle World schreibt, sich selbst sehen mag. Er ist offenbar pro-zionistisch, islamkritisch, zum “Antideutschen” neigend und skeptisch gegenüber US-linker Standardware.)
“Regressiv” ist für Hoppe vor allem die Hinwendung mancher Hollywoodfilme zur “Identitätspolitik”, auch wenn er diesen Begriff nicht benutzt. Dabei hat er insbesondere das Afro-Superheldenspektakel “Black Panther” und den Oscar-Gewinner “Green Book” vor Augen, aber auch an dem mexikanischen Kritikerliebling “Roma” hat er etwas auszusetzen.
Zu Beginn seines Artikels beschwört Hoppe den Schutzpatron der filmischen Ideologiekritik, Siegfried Kracauer. Dessen bekanntestes Werk ist die Studie von “Von Caligari zu Hitler”, in der er das Kino der Weimarer Republik als eine Art Schlangenei zeichnete, in dem bereits die Konturen des heraufziehenden Faschismus erkennbar gewesen seien. Filme, auch und gerade die populären, sind demzufolge “Träume der Gesellschaft”, die man gleichsam psychoanalytisch entschlüsseln könne. So sah Kracauer in den tyrannischen Monstren des deutschen Stummfilms, etwa den Doktoren Caligari und Mabuse, Nosferatu und Algol, Vorwegnahmen Hitlers.
Kracauers Buch hat auch meinen Erstling “Besetzes Gelände” nicht unerheblich beeinflußt. Wer sich mit dem deutschen Film der Zwischenkriegszeit beschäftigt, kommt nicht daran vorbei. Es übt bis heute einen gewissen Reiz aus, obwohl es von Filmhistorikern wie Thomas Elsässer mehr oder weniger in Stücke zerlegt wurde und beträchtlich an Nimbus verloren hat. Die Crux an Kracauers Betrachtung ist, dass er seine Erkenntnisse nicht nur rückblickend (1947) gewonnen hat, sondern selbst eine dicke, freudianisch-marxistische Brille trug.
Das Lesen im Kaffeesatz der Popkultur gerät auf diese Weise rasch zum “Ideologie-Scannen”: Was nicht in die eigenen Vorstellungen (etwa von “Fortschrittlichkeit”) paßt, wird verworfen, anderes so lange gebogen und umgedeutet, bis es die eigenen Thesen bestätigt. Man schaltet mit anderen Worten in den “Entlarvungs”-Modus um, der viele linke Kunstbetrachtungen so öde bis gemeingefährlich macht. Hans-Dietrich Sander nannte dies die “Tribunalstruktur” der marxistischen Kritik.
Ein “Scannen” dieser Art betreibt auch Hoppe, und daran ist an sich nichts auszusetzen. Als ich noch Filmkritiken für die Junge Freiheit schrieb, habe ich stets darauf geachtet, was aus einem Film an rechten oder konservativen Tendenzen, Motiven, Berührungsflächen oder Anknüpfungspunkten herauszuholen ist. So geht Metapolitik, und so betreibt es auch die Linke mindestens seit Kracauers Zeiten. Gewiß gibt es an dieser Stelle die Gefahr, daß man sich seine ästhetische Urteilskraft allzu sehr mit politischen Filtern vernagelt, und Kracauer ist ein mitunter ziemlich abschreckendes Beispiel für eine fast schon gewaltsam ideologisierende Filmkritik.
Hoppe jedenfalls folgt einer, nennen wir es, “altlinken” Betrachtungsweise, die angesichts der Exzesse der “Social Justice Warriors” ein erhebliches Unbehagen verspürt. Ähnliches findet sich bei dem Filmanalyseschnösel Wolfgang M. Schmitt, der schon letzten August im Freitag meine Besprechung von “Black Panther” kommentierte:
Es ist daher folgerichtig, dass die Neuen Rechten ausgerechnet die Marvel-Comicverfilmung »Black Panther« für ihre »identitäre Message« feiern, wie es Martin Lichtmesz im »Sezession«-Blog tut. Hieran zeigt sich das Dilemma der gegenwärtigen Filmkritik, die höchstens noch pseudo-ideologiekritisch denkt, wenn sie die identitätspolitisch korrekte Repräsentation von schwarzen Superhelden beklatscht. Gewiss, bislang machte Marvel um schwarze Figuren einen großen Bogen, doch die Ideologie von »Black Panther« ist geradezu anti-emanzipatorisch, sie ist identitär und ethnopluralistisch. (…)
Lichtmesz hat deshalb recht, wenn er sagt, »Black Panther« sei »vielleicht der erste Altright-Film«. Unter dem Gewand der von Marvel intendierten linksliberalen Identitätspolitik steckt nichts anderes als eine rechte Identitätspolitik. Diese zu entlarven, wäre die Aufgabe von Filmkritikern.
Schmitt fürchtet sich übrigens vor Superheldenfilmen, weil er darin das Gespenst eines “neuen Autoritarismus” herumspuken sieht (was auch immer er sich darunter vorstellt), vielleicht wie weiland Kracauer den Faschismus in Dr. Mabuse. Das begründet er so:
Und zu fragen wäre auch, ob nicht die das Mainstreamkino dominierenden Superheldenfilme gut in die Zeit eines neuen Autoritarismus passen. Die Bürger kommen in diesen Werken bloß noch als Claqueure vor, die Geschicke der Welt liegen in den Händen von T’Challa, Thanos, Thor und anderen Übermenschen.
Hoppes NZZ-Beitrag ist im Grunde nur ein Aufguß von Schmitts Artikel, und auch ihm dient meine “Lobpreisung” des Wakanda-Epos als Beweis für seine reaktionäre Tendenz. Beiden scheint entgangen zu sein, daß meine Besprechung absichtlich ironisch-überspitzt formuliert, weitgehend “tongue in cheek” war; “Black Panther” als “ersten Altright-Film” zu bezeichnen, war eher boshaft gemeint, und Schmitt wie Hoppe blenden meinen Zusatz “in einem verqueren Sinn” aus. Sie erwähnen auch beide nicht, daß der Film am Ende die Kurve hin zum Universalistisch-Globalistischen kratzt: Als eine Art Epilog tauchen die Wakandier bei den Vereinten Nationen in Wien auf, um ihre “Abschottung” zu beenden und die Welt mit ihrer überlegenen Technologie zu beglücken.
Schmitt irrt sich übrigens, wenn er “Killmonger”, den Widersacher von König T’Challa, als “antikolonialistischen und internationalistischen Revolutionär” charakterisiert. Killmonger ist vielmehr ein “schwarzer Nationalist”, der den Rassenkrieg globalisieren will, während T’Challa an einer friedlichen, selbstgenügsamen Politik des “Wakanda First!” festhalten will. (Wakanda ist den europäischen Nationen nämlich auch moralisch überlegen: Niemals hat es seine Superwaffen benutzt, um andere Länder und Völker anzugreifen, zu erobern oder gar zu“kolonisieren”.)
Solche Fehlleistungen scheinen mir bezeichnend zu sein. Schmitt benebelt sich hier selbst ein wenig, müßte er doch an diesem Punkt mehr oder weniger rechtes Gelände betreten, wenn er die Ideologiekritik ernsthaft durchhalten will.
Das Amüsante und Bemerkenswerte ist für mich eher, daß an “Black Panther” und seiner Rezeption (vor allem im schwarzen Publikum) die doppelten Standards der “Identitätspolitik” gut sichtbar werden. Was bei Weißen als tabu, “rassistisch” und “faschistisch” gilt, nämlich die bewußte Feier der eigenen ethnokulturellen Identität, wird von den Kritikern des linksliberalen Mainstreams über den grünen Klee gepriesen und wie eine Mondlandung behandelt, wenn es sich dabei um Schwarze handelt.
Dies geschieht allerdings in Form einer “Black Supremacy”-Phantasie über Afrikaner, die unbehelligt vom Hemmschuh des weißen Kolonialismus eine überlegene Technologie entwickelt haben, wie sie bislang nur Europäer und Ostasiaten hervorgebracht haben. Der Film ist ein auf zwei Stunden ausgedehntes “We wuz Kangz”-Mem. Diese Parodie trifft es auf ziemlich lustige Weise:
We invented everything ahead of you
Peanut butter, traffic lights, open heart surgery too
WHEN WE WUZ KANGZ DOWN IN AFRICA
But then the white man came and took civilization awayBlack Panther movie’s woke as fuck
Vibranium’s almost as powerful as melanin!
Wakanda’s what Africa’d be like
If those bastard colonizers had just left us alone
A Star Trek Mali Empire
The flying saucer’s a‑whisking you away…
Damit fördert “Black Panther” eine Vorstellung, die unter Schwarzen erhebliches Ressentiment gebiert, nämlich daß ihre technologische Unterlegenheit und ihre gesellschaftlichen Probleme auf weiße Unterdrückung und Ausbeutung zurückzuführen wären (Chuck Palahniuk hat sich darüber in seinem neuen Roman “Adjustement Day” lustig gemacht). In der Tat hat “Black Panther” eine unterschwellige antiweiße Tendenz.
Hoppe nimmt nun an, “Black Panther” gefiele mir deswegen so gut, weil er “das neurechte Konzept des Ethnopluralismus zu bedienen scheint.” Dieses gibt er so wieder:
Laut diesem sind alle Kulturen in ihrer Gegebenheit zu erhalten, da ihnen ein Wert an sich zukomme. Eine Vermischung verschiedener Ethnien, von denen unabhängig keine einzelnen Individuen gedacht werden könnten, sei zu verhindern, um einzelne Kulturen rein zu halten. Authentische Völker sind das Ziel dieser Ideologie, die ihre Verwandtschaft zum herkömmlichen Rassismus nur schwer verbergen kann.
Ich würde das anders formulieren, lasse es aber einmal so stehen. In meinem dieses Jahr erscheinenden Buch “Ethnopluralismus” werde ich näher auf das linke Framing der ethnopluralistischen Konzepte eingehen (es gibt ihn nicht als einheitliche Doktrin, sondern nur in der Mehrzahl).
Hoppe hat nun womöglich seinen Egon Flaig gelesen, und sieht auch auf der Linken das Übel des “Ethnopluralismus” am Werk:
“Black Panther” führt damit nur eine bereits verbreitete gesellschaftliche Entwicklung fort. In weiten Teilen der antirassistischen Linken hält man universalistische Ideale für eurozentrische Anmassungen und stellt nun in postmoderner Manier beliebig Kulturen unter Naturschutz. So gilt es in Teilen der amerikanischen Linken, die sich dem Konzept der “kulturellen Aneignung” verschrieben hat, bereits als rassistisch, wenn Weisse Musik, Mode oder Symbole adaptieren, die als Produkt einer genuin “schwarzen” Kultur wahrgenommen werden.
Dem geselle sich ein Kulturrelativismus bei, der etwa Zwangsverschleierung oder Genitalverstümmelung “als integraler Teil einer fremden Kultur verklärt – in die man sich nicht einzumischen habe.” Er sieht eine Konvergenz zwischen Antirassismus und Rassismus:
Einzelne sind nur noch als Abkömmlinge ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder ihrer Nation zu sehen. Und diese seien als Teil der Identität vor jeder Kritik in Schutz nehmen.
Hoppe übersieht hier einen wesentlichen Punkt, daß dieses Gebot nämlich ausschließlich für “People of Color” gilt. Bei Weißen wird schon jeder gefühlte Ansatz eines weißen Selbstbewußtseins dämonisiert und im Keim erstickt. Der in diesen Kreisen übliche Vorwurf des “weißen Privilegs” dient nichts anderem als einer Entmachtung der Weißen und einer Selbstprivilegierung und Selbstimmunisierung der eigenen Gruppe (siehe hier ein buntdeutsches Beispiel).
Es werden von der antirassistischen Linken eben nicht “beliebig” Kulturen “unter Naturschutz gestellt”, sondern es handelt sich hier um eine gezielte Frontenbildung gegen die weiße Mehrheitsgesellschaft, personifiziert im Feindbild “heterosexueller weißer Mann” (mehr darüber in meinem Kaplaken “Rassismus – Ein amerikanischer Alptraum”).
Das Paradoxe ist, daß Aufklärung und Universalismus tatsächlich europäische, also “weiße” Kinder sind. Es gilt Huntingtons Diktum:
What is universalism to the West, is imperialism to the rest.
Diese Form des “Antirassismus” ist eine Art rassischer, um nicht zu sagen: rassistischer, antiweißer Neomarxismus. Den “Weißen” wird die Rolle der globalen Expropriateure zugesprochen, während die “People of Color” die Expropriierten darstellen und damit das neue revolutionäre Subjekt sollen. Wie gesagt finden sich auch in “Black Panther” Spurenelemente dieser Vorstellung, die ihre Wurzeln im Antikolonialismus Fanon’scher Façon hat.
Hier könnte man auch ein ideologiekritisches Augenmerk auf die antiweißen Tendenzen zahlloser Hollywood-Filme jüngeren Datums werfen. “Twelve Years a Slave”, “Django Unchained”, “Birth of a Nation”, “Selma” oder “The Help”, die die Grausamkeiten der Sklaverei und der Rassensegregation frisch ins kollektive Gedächtnis holen, aber auch Filme wie “Get Out” oder die “The Purge”-Serie haben etliches dazu beigetragen, um Rassenhaß auf das traditionelle weiße Amerika, ja auf Weiße schlechthin zu schüren.
Ich wundere mich immer wieder über die verblüffende Blindheit der weißen Wohlmeiner, was diese Tatsache betrifft. Sie selbst werden sich diese Filme vielleicht mit ethnomasochistischem Behagen ansehen und sich nachher wie bessere, aufgeklärte Menschen fühlen; ein schwarzes Publikum wird sich schlicht und einfach in seinem Ressentiment gegen Weiße bestärkt fühlen, vor allem emotional. Zorn und Haß sind die Folge. Man kann leicht in den sozialen Medien überprüfen, daß dies in der Tat die Folge ist. Auch “Bird Box”, “BlacKKKlansman” oder der berüchtigte Gillette-Spot gegen “toxische Maskulinität” (nicht der erste seiner Art) fallen in diese Kategorie.
Insofern ist es geradezu putzig, wenn Hoppe das Haar in der Suppe eines Films wie “Green Book” (der in der Tradition von “antirassistischen” Oscar-Siegern wie “In der Hitze der Nacht”, “Driving Miss Daisy” oder “Twelve Years a Slave”) ausgerechnet darin findet, daß er
an einigen Stellen unterschwellig den Umstand skandalisiert, dass der schwarze Pianist sich nicht stärker in seiner “eigentlichen” Musik, dem Jazz, engagiert. Die Verquickung eines Individuums mit seiner mutmasslichen “kulturellen Identität” ist der Höhepunkt, auf den der Film zusteuern soll.
“Green Book” propagiere daher “Diversität im schlechtesten Sinne”, als “Toleranz gegenüber angeblich unveränderlich Kollektiven”. Warum? Weil der Film einen schwarzen Musiker zeigt, der sich im Jazz am meisten zuhause fühlt, dies aber verleugnet? Da ich den Film nicht gesehen habe, kann ich kein Urteil über dieses Urteil abgeben, aber es scheint mir ein wenig arg rigoros auszufallen.
(Es erinnert mich nebenbei ein wenig an eine Szene, die ausgerechnet Oswald Mosley in seiner Autobiographie berichtet. 1940 wurde er als NS-Sympathisant und damit potenzieller Landesverräter inhaftiert und in eine Zelle mit einem Schwarzen gesteckt. Mosley fragte ihn, was er denn verzapft habe, und dieser teilte ihm mit, daß er verdächtigt werde, ein deutscher Spion zu sein, weil er zuvor Musiker in Berlin war. Darauf Mosley: “Oh, ich mag Jazz!” – “Ich war bei den Berliner Philharmonikern”, erwiderte sein Zellengenosse.)
An “Roma” wiederum stört Hoppe, daß er den Klassenstandpunkt ungenügend herausstreicht:
Dem Film fällt kein einziges Mal ein, das gezeigte Abhängigkeitsverhältnis zwischen Angestellter und arbeitgebender Familie zu hinterfragen. Zudem gibt er nie Antwort auf die Frage, was an einem einfachen Leben, geprägt von unangenehmer Plackerei so bewunderswert sein soll. – Letzteres suggerieren die zweifellos perfekt durchkomponierten Bilder ständig.
Das ist genau die Falle, von der ich anfangs sprach: Aus einem Film den Zeitgeist herauslesen, den er womöglich widerspiegelt, ist eine Sache, ihn einem ideologischen Tribunal zu unterziehen eine andere. Beanstandet wird dann weniger, daß z.B. “Hollywood” oder sonstjemand in “die Ideologie abtaucht”, sondern daß es eben die falsche Ideologie, das falsche Bewußtsein ist. Ideologien, mit denen man einverstanden ist, werden häufig weder als solche wahrgenommen noch beanstandet.
Wenn z.B. Schmitt schreibt:
Heute liegt über den dämlichsten Superheldenfilmen Hollywoods schon das Getöse des neuen Autoritarismus. Wenn die Filmkritiker nicht langsam aufwachen, wird nicht nur das Kino bald ein sehr unbequemer Ort sein.
Well, dann kann ich nur antworten, dass für uns schlechte Rechte das Mainstream-Kino schon lange ein “unbequemer Ort” ist, nämlich der “soften”, aber penetranten Indoktrination, Gehirnwäsche und Lüge (freilich: diesen Vorwurf, ein “Markt der schönen Lügen” zu sein, wie Brecht schrieb, hat man dem Kino immer schon gemacht), und das nicht gerade mit “neurechter” Tendenz.
Schmitt findet Superhelden nicht bürgernahe und basisdemokratisch genug, was nicht ganz verkehrt ist (vor allem, was ihren “vigilantischen” Zug betrifft; Alan Moore hat ihn in seinen “Watchmen” bis zur Persiflage überspitzt), mir fällt eher auf, daß sie fast ausnahmlos amerikanische Liberale sind, die sich einem egalitären Humanismus und der Rettung der Menschheit verpflichtet haben (mit Ausnahme vielleicht von Batman), während die Schurken in der Regel “rechte”, elitäre, faschistoide Züge tragen.
An den Beispielen Hoppe und Schmitt kann man ablesen, daß es für linke Kulturkritiker immer schwieriger wird, die laufende Popkulturproduktion links zu überholen. Im Grunde läuft es immer darauf hinaus, an linken Filmen zu bekritteln, was an ihnen immer noch nicht links genug ist. Dazu gehört mitunter erhebliche Gehirnakrobatik.
Hier ein Beispiel von Christian Baron: Der als “feministisch” angepriesene Film “Battle of the Sexes” etwa “bagatellisiert” in Wahrheit “die Diskriminierung von Frauen”, und auch er vernachlässigt sträflich den Klassenstandpunkt:
Dieser Film schien etwas auszulösen: In erstaunlich dichter Folge starten seit anderthalb Jahren feministisch vermarktete Leinwandwerke in den Kinos, die starke Frauenfiguren in den Mittelpunkt rücken. Deren Lebensziel ist die Selbstverwirklichung. Dabei fällt auf, dass es in den meisten Fällen um Menschen aus der gehobenen Mittelklasse oder sogar der Oberklasse geht. Selten zu sehen sind Geschichten von Frauen, die in Armut und Perspektivlosigkeit leben müssen und sich dort herauskämpfen wollen.
Als Beispiel nennt er das “We wuz Astronauts”-Epos “Hidden Figures” und andere “Starke Frauen”-Filme:
«Hidden Figures» begleitet afroamerikanische Mathematikerinnen auf ihrem Weg in Führungspositionen der Wissenschaft. «Jackie» zeigt das Leben der privilegierten Präsidentengattin Jacqueline Kennedy, «The Post» porträtiert eine schwerreiche Medienmanagerin, die sich mit der amerikanischen Regierung anlegt, «On the Basis of Sex» glorifiziert eine Harvard-Absolventin aus den fünfziger Jahren, in «The Children Act» bangt eine beherzte Spitzenrichterin wegen eines heiklen Falls um ihre Reputation, und «The Wife» inszeniert eine Ehe, in der die Frau früher eine vielversprechende Autorin war, ihre Karriere jedoch für den notorisch untreuen und zu Weltruhm gelangten Ehemann an den Nagel hängt.
Und er kommt zu dem Schluß:
Den Frauen droht in Hollywood das, was der Stalinismus der Arbeiterklasse angetan hat: Eine privilegierte Gruppe vereinnahmt sie, macht sich mit ihnen gemein. Und sie überhöht die Frauen als Trägerinnen des zuvor männlich konnotierten Strebens nach Macht und Karriere, bis nur noch ein Zerrbild übrig ist, hinter dem Probleme wie die fehlende materielle Anerkennung häuslicher Betreuungsarbeit verschwinden.
Glenn Close, deren Vermögen auf 275 Millionen US-Dollar beziffert wird, schwingt sich zur Sprecherin aller Frauen auf. Sie erfindet ein «Wir», das die Frauen über jede Grenze sozialer Klassen hinweg als homogene Masse begreift. So kommt niemand auf die Idee, ungerechte Vermögens- und Eigentumsverhältnisse infrage zu stellen. Es ist die meritokratische Entsprechung des Stalinismus, der die Vielfalt der proletarischen Lebens‑, Arbeits- und Leidenswelt leugnete, um eine gleichartige Volksfront zu konstruieren.
Gut, aber warum spricht auch Baron dann von “den Frauen”, als wären sie eine eigene homogene Klasse mit eigenen Klasseninteressen? Davon abgesehen ist er zu Recht einem wichtigen Punkt auf der Spur: Das “Linke” der Mainstreamfilme ist in der Tat auf ein Publikum zugeschneidert, das die Werte der “globalistischen Klasse” teilt oder bis zu einem gewissen Grad an ihr teilhat oder teilhaben will. Es sind “emanzipatorische”, “feministische”, “antirassistische” Feelgood-Filme für ein urbanes Publikum.
Persönlich glaube ich nicht, daß es einen “ideologiefreien” Film geben kann. Hollywood “taucht” nicht erst jetzt in “die Ideologie” ab. Jeder Film hat einen Standpunkt, eine Perspektive. Irgendwo muß die Kamera aufgestellt werden.
Das von Hoppe und Schmitt angesprochene Problem der eskalierenden Identitätspolitik hat sich in den USA jedenfalls derart zugespitzt, daß sich nun auch Francis Fukuyama in einem Buch mit dem Titel “Identität” damit beschäftigt hat. Er gehört zu der wachsenden Zahl der Liberalen (“Neokonservative” sind im Kern Liberale) die erkannt haben, dass die “Identitätspolitik” der Linken den Bogen überspannt hat, was eine Hauptursache für den Rechtsruck in der westlichen Welt ist, manifestiert etwa in der Wahl Trumps, im Brexit, im “Rechtspopulismus”, im “weißen Nationalismus” und ähnlichen Strömungen. Sie sehen es als ihre Aufgabe, “zentristisch” dagegenzusteuern, um das Projekt der “liberalen, marktwirtschaftlichen Demokratie” zu retten – also eben jenes Ziel oder “Ende” der Geschichte, das Fukuyama in seinem bekanntesten Werk behandelt hat (auch Jordan Peterson zählt zu dieser Gruppe.)
Fukuyamas Buch handelt von der Tatsache, dass auch in liberalen Demokratien die universale “Anerkennung” des bloßen Menschseins den Immer-noch-nicht-letzten-Menschen offenbar nicht genügt, ihren unausrottbaren “Thymos” nicht ausreichend befriedigt. Sie wollen nicht bloß ihre Menschenwürde anerkannt haben, sondern auch ihre partielle und kollektiv-individuelle Würde als, z.B., Männer, Frauen, Juden, Muslime, Schwarze, Weiße, Gelbe, Transsexuelle, Migranten, Schwule, Lesben, Genderfluide, usw., als Angehörige einer Nation, Religion, Sekte, Rasse oder Ethnie.
Die “Bedrohung” durch “Identitätspolitik” ist die Quittung für einen egalitären Rechenfehler in Bauplan der modernen “liberalen Demokratie” (oder auch im “historisch einzigartigen Experiment” nach Yascha Mounk). Man hat unterschätzt, daß sie nur bei einem ausreichenden Maß an Homogenität funktionieren kann. Indem man sie als inhärent multikulturalistisch (oder multirassisch, multiethnisch) konzipierte, indem man sie mit der Ideologie der “Diversität” amalgamieren wollte (wohl, um mit ihrem Universalismus und Egalitarismus radikaler “ernstmachen” zu können), hat man ihre Selbstzerstörung quasi vorprogrammiert.
Altlinke (rechnen wir mal Hoppe und Schmitt hinzu, so genau kenne ich ihre Positionen nicht) und Liberale (Fukuyama, Egon Flaig) sehen diese Entwicklungen als “Regression” (ein Begriff, der freudianisch-psychoanalytische Konnotationen hat), und den linken Multikulturalismus und den rechten Ethnopluralismus als zwei Enden eines regressiven Hufeisens. Sie haben Differenzen, wie die “Progression” aussehen soll, aber sie sind sich im Grunde einig, dass der Universalismus die Antwort und nicht das Übel oder die Ursache ist, daß er dem Wesen der Vernunft selbst entspricht, während in der Identitätspolitik die irrationale, tribale Natur des Menschen wieder ihr gezähmt geglaubtes Haupt erhebt.
Aber der Staatsbürgernationalismus auf der Basis der sogenannten “westlichen Werte”, wie ihn Fukuyama und andere Liberale und Konservative propagieren, kann die immer heterogener werdenden westlichen Nationen und Gesellschaften schon jetzt kaum zusammenhalten. Es genügt ein dummer Superheldenfilm, der explizit “identitäre” Sentiments anspricht, und schon sind alle diesbezüglichen Illusionen weggefegt, insbesondere, was den Thymos der “People of Color” angeht, die in (noch-)weißen Gesellschaften leben. Das war der eigentliche Punkt meiner Rezension.
Der_Juergen
Ich habe "The Green Book" kürzlich gesehen und empfand den Streifen als amüsant, obgleich er natürlich stark propagandistischen Charakter trägt. Der schwarze Musiker Donald Shirley, im Film zum Jahrhundertpianisten hochstilisiert, wird um der Political Correctness willen als Schwuler vorgestellt, der dabei erwischt wird, wie er es mit einem weissen Mann treibt, obgleich der (2013 verstorbene) historische Shirley heterosexuell und verheiratet war. Zum Verständnis der heutigen totalen Ideologisierung von Hollywood ist der Streifen zweifellos sehr wichtig.