Ein aus Sachsen-Anhalt stammender 27jähriger Mann mit dem Namen “Stephan B.”, ausgerüstet mit einer Phantasieuniform, einem Helm und selbstgebastelten Waffen versuchte am Jom-Kippur-Tag in eine Synagoge einzudringen, um dort ein Blutbad anzurichten. Drinnen hielten sich 70–80 Menschen auf. Hier sieht man einige von ihnen ausgelassen feiern, daß sie dem Todesengel entronnen sind.
Als es dem Täter nicht gelang, die Synagogentür aufzubrechen, tötete er aus blankem Frust eine zufällig vorbeikommende Passantin mit einem Schuß in den Rücken; anschließend den Besucher einer Döner-Bude, der sich hinter einem Kühlschrank versteckte und um Gnade flehte. Beide Opfer waren offenbar Deutsche ohne Migrationshintergrund.
Da seine Do-it-yourself-Waffen ständig Ladehemmungen hatten, kamen etliche potenzielle Opfer mit dem Leben davon. Drei Menschen wurden schwer verletzt. Nach einer Verfolgungsjagd quer durch Sachsen-Anhalt gelang es der Polizei schließlich, ihn zu fassen.
Nach dem Vorbild von Brenton Tarrant filmte er seine Taten und übertrug sie per Livestream ins Internet. Ein Bekannter schrieb mir, es sehe aus, als hätten Mel Brooks oder die Coen-Brüder eine böse Slapstick-Parodie auf das Christchurch-Video gedreht. Die permanenten Pleiten und Pannen, die Selbstbezichtigungen des stümperhaften, offenbar erzdummen Täters als “Loser”, all das entfalte eine gewisse makabre Komik.
In Wahrheit gibt es hier nichts zu lachen. Was geschah, ist grauenhaft und niederschmetternd. Zwei wehrlose, unschuldige Menschen, die das Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, sind anlaßlos und feige ermordet worden, wurden Opfer des Ego-Shooter-Wahns einer lemurenhaften Gestalt, deren Erbärmlichkeit und Niedertracht schier unfaßbar sind. Und hätte dieses (vermutlich psychisch schwer gestörte) Wesen sich nicht so amateurhaft angestellt, wären es noch viele Opfer mehr geworden.
Das gesamte Video ist mit einigem Geschick schnell in den Untiefen des Internets zu finden. Wer es sich ersparen will (so wie ich), kann zum Beispiel hier eine Zusammenfassung nachlesen.
Angeblich ist, wie üblich in solchen Fällen, ein Manifest aufgetaucht, in dem der Täter ankündigt, “Anti-Weiße“ umbringen zu wollen, „bevorzugt“ Juden. Ich konnte das Original bislang nicht im Netz entdecken. Aber die paar kolportierten Zitate verweisen auf eine Inspiration aus den dunkleren Nischen der “Alt-Right” und des “White Nationalism” US-amerikanischer Provenienz.
Dabei fallen folgende Punkte auf:
1. Dieser Anschlag ist der erste seiner Art in Deutschland und kopiert ein nordamerikanisches Phänomen, das ich ausführlich beschrieben habe. Das Prinzip ist (zumeist) der Angriff auf das religiöse Zentrum (Moschee, Kirche, Synagoge) einer verhaßten Minderheit, wobei möglichst viele Menschen getötet werden sollen. Die Täter sind in der Regel “einsame Wölfe”, verschrobene Einzelgänger ohne Anbindung an politische Gruppen außerhalb des Internets.
Sekundiert wird dies durch kräftige Markierungen im Internet: Manifeste, markige Abschiedspostings, schriftlich oder als Video, und seit Christchurch auch via Livestream. Auch “Fälle” wie der selbsternannte “supreme Gentleman” Eliott Rodger, der aus sexueller Frustration “Rache an der Menschheit” nehmen wollte, gehören in diesen Zusammenhang.
Beliebte Plattformen für diese Offenbarungen und Ankündigungen sind die Portale 4chan, 8chan oder Reddit, die ein berüchtigtes, weitgehend unzensiertes Sammelbecken für Internetsubkulturen aller Art sind und als wildwuchernder geistiger Giftsumpf gelten. Aus Verachtung für “politische Korrektheit” und Lust am Tabubruch kann hier rasch nihilistische Abstumpfung und Radikalisierung werden. (In dieser Hinsicht lohnt es vielleicht, sich das ausgezeichnete Video des “Schattenmachers” zu Christchurch nochmal anzusehen.)
Bei “geglückter” Tat steigen die Gewächse dieser Subkultursümpfe in das Walhalla des schwarzen Internet-Metahumors auf und werden durch zynische Meme “ironisch” (und am Ende oft: eben doch nicht ironisch) verherrlicht – was wiederum Nachahmer auf den Plan ruft.
Stephan B. ist offensichtlich trotz seines provinziellen Ossi-Hintergrundes ein Kind genau dieser Subkultur. Wie Brenton Tarrant spielt er den “coole” Sprüche klopfenden Live-Action-Player eines selbst inszenierten Computerspiels, in dem andere Menschen nur Staffagen sind, deren Abschuß Punkte und “Lulz” bringt.
“Denkt dran, Jungens, abonniert PewDiePie”, sagte Tarrant, bevor er zur Tat schritt, auf den krpytorechten Ruf des schwedischen Gamers und Provokateurs anspielend; “Nobody expects the Internet SS”, so “witzelte” Stephan B. in Anlehnung an einen klassischen Monty Python-Sketch. Überhaupt trat B. als eine dümmere, weniger “intellektuelle”, unprofessionellere, und damit auch (etwas) weniger gefährlichere Version von Tarrant auf.
B. spricht sein Publikum bezeichnenderweise vorwiegend auf Englisch an, mit einem dicken Akzent. Zu Beginn des Videos stellt er sich so vor:
Hi, my name is Anon. I think the Holocaust never happened. Feminism is the cause of the decline of the West which acts as a scapegoat for mass immigration. And the root of all these problems is the Jew. Would you like to be friends?
Dies ist ein klarer Verweis: “Anon” ist der übliche Username auf den Foren von 4chan und 8chan. Dort ist die peer-group, bei der er Ruhm und “Likes” abstauben will. Er will ein Mem werden, wie Rodger und Tarrant.
Jedenfalls ist dieses Statement momentan so ziemlich das einzige, was wir über seine Weltanschauung wissen. An allen Problemen des untergehenden Abendlandes ist “der Jude” schuld, und darum sei es nun irgendwie geboten, ein paar zufällig angetroffene Juden zu erschießen. Also mithin exakt das, was AfD oder Identitäre Tag für Tag vermitteln und predigen (Ironie aus).
2. Abgesehen von dem mißglückenden Versuch, sich als fleischgewordenes 4chan-Mem zu inszenieren, entspricht Stephan B. optisch genau dem Bild, das man sich hierzulande vom tumben und “dumpfen” Naziskinhead macht. Er ist zwar gefährlich genug, Menschen zu töten, aber er ist keine trainierte, effektive Killermaschine à la Breivik.
Daß er am Ende wahllos um sich ballerte, und killte, wen er gerade vor die Flinte bekam, scheint ziemlich bezeichnend für seine eigentliche Geistesverfassung jenseits aller ideologischen Hülsen zu sein. Er entspricht dem Bild des Extremisten, dessen Haß keine rationale Basis hat und sich genauso gut an anderen, beliebigen Objekten austoben könnte.
B.’s Vater äußerte gegenüber der Presse:
Sein Sohn sei ein Eigenbrötler gewesen, sagt der Vater: „Er war weder mit sich noch mit der Welt im Reinen, gab immer allen anderen die Schuld“, sagte er gegenüber der „Bild“. Der Killer Stephan B. habe kaum Freunde gehabt. Zudem habe er nur vor dem Computer gesessen.
Offenbar war B. auch ein Scheidungskind, das bei seiner Mutter lebte. Mithin erfüllt er das Bild des frustradikalisierten “Incels”, nach einer männlichen, vorwiegend weißen Subkultur, die in linken Medien als angeblich besonders terrorschwangerer Buhmann beliebt ist (was offenbar den Joacquin-Phoenix-Film “Joker” beeinflußt hat, zumindest, wenn man der Exegese mancher Kritiker glaubt.)
3. Mein erster Gedanke, als ich die Nachricht hörte, war, daß es sich womöglich um eine “False Flag”- bzw.“Deep State”-Aktion handelt, passenderweise kurz vor den Landtagswahlen im “blauen” Thüringen, und nicht zuletzt wegen des Standorts Halle, wo sich auch das umstrittene identitäre Barprojekt “Flamberg” befindet. Wie verlockend wäre es für die Freunde vom Staatsschutz, hier eine Verbindung konstruieren zu können!
An dem Narrativ von der Bedrohung der Republik “von rechts”, quintessentiell personifiziert durch militante Neonazis, wird jedenfalls schon lange gebastelt. Hier werden gezielt Angst und Hysterie geschürt.
Just am Tag des Anschlags fand eine großangelegte Razzia in der NS-Szene statt.
Im September berichtete der Tagesspiegel vom Anstieg der Kampfsportbegeisterung zum Zwecke der Aufrüstung für den “Tag X” in der rechtsextremen Szene.
Auch das Gespenst der “Terrorzelle” in spe namens “Revolution Chemnitz”, die den “Umsturz des demokratischen Rechtsstaats” geplant haben soll (wie sie das vollbringen wollten, möchte mal wissen) spukte in letzter Zeit wieder gehäuft durch die Medien.
Gleichzeitig ist es um den im Juli hemmungslos aufgebauschten “Mordfall Lübcke” ziemlich still geworden. Es war wieder neues Heizmaterial nötig. Im Gegensatz zu Lübcke und zum “NSU”-Phantom handelt es sich bei Halle jedoch vermutlich um einen genuinen Fall von Rechtsterrorismus, wofür wohl auch die Stümperhaftigkeit der Durchführung spricht (dennoch sind “Anstoßer” im Hintergrund keineswegs ausgeschlossen; und andererseits erweist sich die Operation auch ohne viele Tote als sehr effektiv, was den Alarmierungs- und Schockeffekt betrifft).
Damit hätte sich diese Gestalt zum “nützlichen Idioten” der herrschenden Klasse gemacht, die endlich ihr bislang eher nur mühsam beschworenes “Nazi”-Gespenst in seiner häßlichsten und klischiertesten Form materialisiert sieht. Das vereinfacht die Lage erheblich!
4. Wie eine gutgeölte Maschine setzen nun wieder die altbekannten “Gleichsetzungsdelirien” ein. Es wird das etablierte Narrativ aktiviert, wonach die häßlichste Manifestation der Rechten ihr eigentlicher Kern sei, der nur durch Camouflage und Mimikry verdeckt werde. Die Fratze des Stephan B. sei das wahre Gesicht der Rechten, ob sie nun Gauland, Höcke, Sellner oder Kubitschek heißen.
Inzwischen haben zahlreiche Politiker, wie das Amen im Gebet, reflexartig, ohne jegliche rationale Begründung, allein durch Geraune, Assoziationsketten und Anpatzerei “die AfD” für den Anschlag in Halle “verantwortlich” oder “mitverantwortlich” gemacht (etwa hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier), und dies obwohl die meisten ihrer Vertreter dezidiert philosemitisch (und israelfreundlich) auftreten. Und natürlich wird auch gleich wieder Schnellroda in den Topf der angeblich Mitschuldigen gerührt, und sei es nur durch die geographische Nähe zu Halle. Über die Infamie dieser Manöver muß man wohl kein weiteres Wort verlieren.
Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Es ist brutales politisches Spiel. Die “Mitschuld” oder “Mitverantwortung” wird einfach so behauptet und gedreckschleudert, um die politische Opposition zu dämonisieren und weitere Repressionen zu rechtfertigen. Wenn irgendetwas den Namen “Hetze” verdient, dann dies.
Die Reaktionen laufen also erneut nach einem altbekannten Schema ab: Während die Untat rechts einhellig verdammt und das zweier- oder dreierlei Maß beklagt wird, mit dem die Medien rechten, linken und islamischen Terror beurteilen, oder “False Flag”- und “Strategie der Spannung”-Manipulationen vermutet werden, wird links unterstellt, daß Rechts insgeheim doch von genau solchen Untaten träume und sie indirekt “ermutige” und füttere. Rechts Demoralisierung durch Ohnmacht und Verleumdung, links Radikalisierung durch Zorn, Angst und wohl auch lizensierten Blutdurst.
5. Noch ein anderes Phantom hat sich in Halle manifestiert, eines, auf das das Establishment schon lange gewartet hat. Fast stelle ich mir sein perverses, insgeheim erleichtertes Aufatmen vor.
Seit langem wird in Deutschland eine heuchlerische Debatte über den Anstieg des Antisemitismus geführt, und nahezu jeder möchte sich mit diesem schier unangreifbaren Schild panzern (und gelegentlich hinter ihm auf andere eindreschen), ob links oder rechts. Daß dieser ohne Zweifel wachsende Antisemitismus vorwiegend mit der ohne Zweifel wachsenden Präsenz gewisser importierter Bevölkerungsgruppen zu tun hat, ist zwar schon durchgesickert, wird aber immer wieder vertuscht, verwischt, vernebelt und relativiert.
Das gilt übrigens auch für etliche jüdische Organisationen und Vertreter, die offenbar insgesamt mehr Angst vor der AfD als vor dem Islam haben. Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, äußerte über Halle, “die Brutalität des Angriffs übersteige alles bisher Dagewesene der vergangenen Jahre (…).” Tatsächlich, auch den Anschlag vom Breitscheidplatz, bei dem immerhin 12 Menschen umkamen, darunter eine israelische Staatsbürgerin?
Es war nun ausgerechnet die AfD, die am beharrlichsten den Finger in die Wunde gelegt hat, was das Problem des “importierten” muslimischen Antisemitismus angeht – dieselbe AfD, die nun mirnixdirnix für Halle verantwortlich gemacht wird.
Mit dem Anschlag von Halle und dem hausgemachten Bilderbuch-Rechtsextremisten scheint die Welt für viele ideologisch wieder ins Lot gekommen zu sein. Dies ist allerdings eine Illusion, die nicht lange halten wird.
Die “gewaltige Radikalisierung und Spaltung der gesamten Gesellschaft, der Staat eingeschlossen” (so ein Leser von Michael Klonovsky) steht wohl unglücklicherweise erst am Anfang, und sie wird exakt von denselben Leuten am vehementesten vorangetrieben, die glauben, in Halle eine Keule gegen die Gesamtrechte gefunden zu haben – aus dem einfachen Grund, daß sie sich über die Ursachen der Radikalisierung und Spaltung täuschen, vor allem, was ihre eigene Rolle betrifft.
Simplicius Teutsch
O je! Das hätte nicht passieren dürfen. Die Linken dürsten ... - Kann Höcke die Hetze überleben?