Wenn in der deutschsprachigen Linken über Migration, Flüchtlinge und Zuwanderung gestritten wird, stehen sich zwei Blöcke nahezu unversöhnlich gegenüber: Auf der einen Seite die menschenrechtsuniversalistisch argumentierende, hypermoralisch auftretende »Open Border«- Mehrheitsfraktion (man denke an Katja Kipping in der Parteipolitik, an kreischende Linksteenies beim Flüchtlingsgucken an Bahnhöfen oder an antifaschistische Pamphlete) – sie ist beinahe ausnahmslos der Meinung, zur AfD übergegangene Wähler sollen als »Rassisten« da bleiben, wo sie hinübergewechselt sind.
Auf der anderen Seite die um einen wirklichkeitsnahen Blick bemühte, entlang von Sachfragen operierende, realistische, »altlinks«-materialistisch argumentierende Gruppe (man denke an Sahra Wagenknecht in der Parteipolitik oder an Wolfgang Streeck in der Publizistik), für welche die AfD-Erfolgsgeschichte auch oder gar vor allem linken migrationspolitischen Unzulänglichkeiten geschuldet sei – sie wird für ihre vermeintliche »Rechtsabweichung« von Antifa-Akteuren und linken Jugendgruppen immer wieder angegriffen, auch tätlich.
So dichotomisch ist die Situation links der Mitte tatsächlich. Die Kluft zwischen beiden Fraktionen, die intern gewiß wieder zu untergliedern wären, ist seit dem Beginn der Migrationskrise 2015 stetig gewachsen und scheint angesichts der verhärteten Fronten allmählich unüberwindbar.
In der Frage von Migration und Zuwanderung verdichten sich die verschiedenen Konfliktlinien der heterogenen Linken. Rainer Balcerowiak, ein Journalist im ideologischen Umfeld Wagenknechts, bringt dies auf die Formel »Gemeinschaftsdenken gegen universale Vereinzelung«, in politischer Diktion: »Kommunitarismus vs. Kosmopolitismus«; es gehe »um alternative Lebensentwürfe urbaner Citoyens vs. das Bedürfnis nach Heimat, Geborgenheit und sozialer Sicherheit«.
Diese Entwürfe, die in der Linken in verschiedenen Abstufungen vertreten werden, sind aufgrund ihrer unterschiedlichen zugrundeliegenden Paradigmen und Gesellschaftsentwürfe schlechterdings nicht harmonisierbar; die Kluft ist größer als jeder derzeit feststellbare Graben innerhalb der Rechten.
Hans-Jürgen Urban, Vordenker einer arbeitsteiligen Linken, mahnt dementsprechend, daß die noch nicht einmal konstituierte »Mosaiklinke« bereits drohe, an der Migrationsfrage »zu zerschellen«. In der Öffentlichkeit, auch in der rechten, wurde diese vorhandene substantielle Spaltung oft unterschätzt.
Das lag zum einen an der medialen Überrepräsentation, ja an der gefühlten Omnipräsenz der Open-Border-Fraktion, was vermuten ließ, andere Standpunkte zur Massenmigration, kritische zumal, wären in der Linken nicht existent. Zum anderen lag dies an der Defensivhaltung respektive Pro-forma-Selbstgeißelung einer realistischeren Linken, die im »Diskurs«, der untrüglich keiner war, oftmals zu schweigen schien, um den Furor der Hypermoralisten nicht noch stärker auf sich zu ziehen.
Das ändert sich nun, und die Auseinandersetzung nimmt nicht zuletzt seit der Inauguration der »Aufstehen«- Gruppierung um Sahra Wagenknecht, Bernd Stegemann und einige andere sowie aufgrund der damit verbundenen Auseinandersetzungen an Fahrt auf.
Weil trotz eigener essentieller Lücken (vgl. meinen Beitrag »Die Lücke, das Volk, die Linke« in Sezession 85) gewisse Annäherungen dieser um Nationalstaatsrealismus bemühten »populistischen« Linken an konservative bis neurechte Standpunkte wahrzunehmen sind, lohnt sich ein näherer Blick insbesondere auf die innerlinken Gegner der »Grenzen-auf-für-alle«-Apologeten.
Es könnte nämlich zu einer direkten Konkurrenzsituation für jene Teile der Rechten kommen, die dabei sind, als »links« wahrgenommene Themen zu kapern. Denn obschon die Rhetorik des Zuwanderungsfanatismus in der vielfältigen linken Publizistik Deutschlands über Jahre hinweg unantastbar schien, so kann man nun, vor allem aufgrund des maßgeblichen Drucks, unter den die Linke von rechts geraten ist, ungewohnte Überlegungen vernehmen.
Die Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der (gewerkschaftsnahen) Hans-Böckler-Stiftung, Anke Hassel, mahnt beispielsweise, »der häufig kritisierte Satz ›Sozial geht nur national‹« sei »in erster Linie eine empirische Tatsache«.
Für die Leser der dezidiert migrationsfreundlichen Blätter für deutsche und internationale Politik sind das verstörende Töne. Hassel ahnte wohl die folgenden Reaktionen, wenn sie ihre These, wonach es einer (linken) Revision der Migrationspolitik in Richtung einer Regulation der Zuwanderung bedürfe, mit dem Appell schließt, man müsse doch endlich »Foren der Diskussion und des Ausgleichs« schaffen, damit Themen wie Migration offen debattiert werden könnten – dieser Aufruf erinnert frappierend an die Vorschläge Martin Sellners.
Hassels Verdikt impliziert die (für rechte Leser unspektakuläre) Erkenntnis, daß linke Medien keine solchen Foren ermöglichten. Dort dominiert bisher eine gefühlsmäßig und moralisierend aufgeladene »liberale Hyperkultur« (Andreas Reckwitz), die von kulturell linksliberalen Markern durchdrungen ist und migrationspolitisch keine andere Losung als jene der bedingungslosen Aufnahme von Migranten jeder Art akzeptiert.
»Bisher« – denn in betont kleinen Schritten vollzieht sich eine partielle theoretische Öffnung in Richtung anderer Ansichten. Parallel zu Hassels Beitrag in den linken Blättern erschien denn auch im Zentralorgan der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte ein vergleichbares Plädoyer zum Umdenken.
Julian Nida-Rümelin vermaß das Gelände der Migration neu: Einwanderung, so der Münchner Professor für Philosophie und Politische Theorie, müsse »sozial- und kulturverträglich in den Aufnahmegesellschaften sein«. Der Leiter der SPD-Grundwertekommission von 2009 bis 2013 bemerkt im Hinblick auf unsere südlichen Nachbarn, daß es »durchaus legitim« sei, »wenn ein großer Teil der italienischen Gesellschaft es ablehnt, dass junge Männer aus den Mittelschichten des subsaharischen Afrikas die Bahnhöfe und Straßen der süditalienischen Städte zu Zigtausenden bevölkern«.
In diesem Kontext verweist Nida-Rümelin auch auf die Bevölkerungsexplosion in Afrika: Der Kontinent wird 2050 wohl 2,5 Milliarden Bewohner haben. Nida-Rümelins Analyse wird dadurch besonders brisant, daß der Autor aus diesen und weiteren Aspekten schlußfolgert, die deutsche Sozialdemokratie werde sich inhaltlich öffnen müssen, und zwar »in der Sozialpolitik nach links, in der Migrationspolitik nach rechts«, gegen »Globalismus à la TTIP und WTO«.
Abgesehen davon, daß ein Terminus wie »Globalismus« aufgrund allfälliger rechter Globalisierungskritik – etwa von Manfred Kleine-Hartlage – vielen links sozialisierten Lesern schon als »anrüchig« erscheinen könnte, ist es bemerkenswert, daß hier ein unter Gerhard Schröder als Kulturstaatsminister reüssierender Sozialdemokrat offen einen Rechtsschwenk in Zuwanderungsfragen fordert – im selben Maße wie Anke Hassel, wenn sie eine ziemlich deutlich rechts konnotierte Losung wie »Sozial geht nur national« rehabilitiert.
In eine ganz ähnliche Richtung geht auch Nils Heisterhagen. Der ehemalige Grundsatzreferent einer sozialdemokratischen Landtagsfraktion hat eine dezidiert linke Kritik des kosmopolitisch-linksliberalen Ungeists des eigenen Milieus in einem Programmbuch verdichtet. Die liberale Illusion (hier bestellen) ist ein Appell, den »liberalen Moralismus« samt inhärenter Political Correctness zu überwinden.
Deutlicher und radikaler als Hassel und Nida-Rümelin kritisiert Heisterhagen das Treiben der rotgrünen »postmodernen Identitätspolitiker«, die nicht nur jedes Maß verloren hätten, sondern auch als »emotional Getriebene« wirken, die ihren
Moralismus nicht einmal mehr für rational begründungspflichtig erachten, sondern apodiktisch als das Gute voraussetzen.
In dieser Logik, so kann man Heisterhagens Ansätze in seinem jüngsten Buch und in diversen Zeitschriftenbeiträgen deuten, werden Hedonismus und Konsumismus mit menschenrechtlich argumentierendem Universalismus zur neuen, »kulturlinken«, postmodernen Heilslehre synthetisiert.
Ganz vernutzend, ist dieser Geist nur der Gegenwart zugewandt, in der sich das von Bindungen befreite Individuum selbst bejuble und sich für die Zukunft und seine vielfältigen politischen Herausforderungen blind zeige. Statt einer substantiellen Kritik an solchen eminent liberalen Entwicklungen, folge links jedoch die Apologie der »Diversity-Politik«, die nach Heisterhagen eben nicht links, sondern liberal, nicht grundsätzlich, sondern postmodern beliebig anzusehen ist.
Aus diesem Lebensgefühl der »postmodernen Linken« erwachse eine genuine Arroganz gegenüber all jenen, die diese »Lebenswelt« nicht kennen, nicht selbst erfahren, sprich: es bildet sich Überheblichkeit samt Überlegenheitsgefühl dieser urbanen, kosmopolitischen neuen Linken gegenüber der Bevölkerungsmehrheit heraus.
Heisterhagen analysiert letztlich das, was Norbert Bormann in Warum rechts? einige Jahre vor ihm darlegte: Der Fixpunkt heutiger linker Politik, speziell der tonangebenden Open-Border-Fraktion, ist die offene Gesellschaft, nicht die soziale oder solidarische; die primäre Stoßrichtung der Kritik verläuft gesellschaftspolitisch, nicht allgemein politisch und ökonomisch.
Man hat die »großen Fragen« preisgegeben, um im »postmodernen Wohlfühllinksliberalismus« aufzugehen. Linke Politik artikuliert sich allenfalls noch als »Nehmt bitte mehr Flüchtlinge auf«, wie Heisterhagen speziell in bezug auf die Jungsozialisten (Jusos) der SPD moniert, die diejenigen seien, »die am lautesten für offene Grenzen und gegen jede Flüchtlingsbegrenzungspolitik sprechen«.
Die Kluft zwischen grundsätzlichen Linken, zu denen Heisterhagen zu rechnen ist, und jener Lifestyle-Linken, deren Feld weit umfassender ist als die Juso-Strukturen, besteht nicht nur habituell, sondern fundamental. Heisterhagen weiß, was die postmoderne Linke ihm und seinesgleichen für Bärendienste erweist; er fürchtet nicht zuletzt aufgrund dieser Mängel ein weiteres Erstarken einer politischen Rechten mit sozialer Ausrichtung.
Denn dem Befund vieler seiner Weggefährten, die AfD sei in weiten Teilen »neoliberal« oder, weniger pejorativ, »wirtschaftsliberal«, und man müsse daher als rot-rot-grünes Lager keine sozialpolitische Konkurrenz durch die Alternative fürchten, mangelt es – ausgerechnet – an internationalem Weitblick.
Denn Heisterhagen verweist mit Recht darauf, daß fast alle erfolgreichen Projekte rechter Populisten in Europa als marktliberale Plattformen begannen. Doch erlebten sie früher oder später (mit Ausnahme Geert Wilders’) eine explizit soziale und etatistische Wende.
Bereits jetzt ist darüber hinaus die AfD in den »populären Klassen«, also bei den »Prekären«und in der unteren Mittelschicht, die stärkste Kraft, und das trotz der (noch) recht marktliberalen Programmatik. Was, so läßt sich mit Heisterhagen argwöhnisch (er fürchtet die »Konterrevolution von ganz rechts«), aus unserem Blickwinkel jedoch hoffnungsfroh fragen, passiert dann erst, wenn die Alternative und ihr Umfeld sich 2019ff. auch noch eine authentisch sozialorientierte Ausrichtung verpassen würden?
Eine vereinigte Linke, die, wie eben ein Nils Heisterhagen, von »nationalen Verteidigungslinien gegen den neoliberalen Kapitalismus« spricht und kommunitaristische, also gemeinschaftsbefürwortende Signale aussendet, wäre für diese Wählerklientel, speziell im »Labor Ostdeutschland« (Albrecht von Lucke), eine Alternative; eine urban-kosmopolitische Open-Border-Linke, wie sie heute zu Heisterhagens Leid hegemonial ist, kann es hingegen nicht sein – sie ist in jeder Hinsicht infantil, mit einem hysterischen »Ohne-Grenzismus« (Régis Debray) an der Spitze.
In Frankreich, der politischen Versuchsanstalt Westeuropas, ist man einen historischen Entwicklungsschritt voraus und hat diese neuartigen Kinderkrankheiten des Linksradikalismus überwunden oder zumindest eingehegt. Jean-Luc Mélenchon, explizites Vorbild der AufstehenGruppe um Wagenknecht und Stegemann und Kopf der linkspopularen Bewegung »Unbeugsames Frankreich«, hat die Wandlung vom No-Border-Fetisch zu einer mithin »rechten« Migrationspolitik bereits annonciert: Im September 2018 weigerte er sich mit anderen Spitzenpolitikern seiner Formation, einen Appell für die offensive »Seenotrettung« von Migranten im Mittelmeer zu unterzeichnen.
Mélenchon argumentierte, er sei schlicht nicht für die Freizügigkeit aller Menschen, man müsse vielmehr die Fluchtursachen bekämpfen, damit die Menschen zuhause, in ihrer Heimat, bleiben könnten. Mélenchon hätte diese populistische, korrekte Feststellung auch ausführlicher mit den Forschungsergebnissen des Oxforder Professors für Politische Theorie David Miller begründen können.
Miller versucht, die Linke vom universalistischen Kosmopolitismus der offenen Grenzen zu lösen; nur drei Prozent der Menschen weltweit seien schließlich Migranten. In seinem Plädoyer für eine Neuausrichtung linker Theorie zur Migrationsfrage verknüpft Miller verschiedene Ansätze und erinnert dabei immer wieder an die Analysen Rolf Peter Sieferles, dargelegt etwa in Das Migrationsproblem (hier bestellen).
Miller fordert das Recht eines jeden Landes auf Abweisung und Ausweisung Fremder, wo es dem Staat (und eben nicht moralisch argumentierenden Dritten) notwendig erscheint, und zugleich verlangt er als Sozialdemokrat Chancengleichheit für jene Zuwanderer, die dauerhaft im Land verbleiben dürfen.
Damit wäre Klarheit im Zeichen eines wirkungsvollen Realismus hergestellt. Realistisch und ohne jeden erhobenen Zeigefinger erweist sich Miller auch in bezug auf die Fremdheitserfahrungen durch die autochthone, aufnehmende Gesellschaft: Schließlich vertrauen Menschen eher jenen, die sie kennen, als jenen, die sie als »anders« wahrnehmen: Miller nennt dies die »landsmännische Parteilichkeit«.
Dieses gegenseitige Vertrauen sei unabdingbar für den Zusammenhalt einer Gesellschaft wie für die Legitimität eines jeden Staates, zumal eines Wohlfahrtstaates (Wagenknecht postuliert es ganz ähnlich in Reichtum ohne Gier); denn Solidarität kann nur dort wirkmächtig sein, wo Identität geteilt, wo emotionale Verbundenheit hergestellt wird.
Miller formuliert darauf aufbauend die These, wonach die Bürger eines Staates dort am ehesten bereit seien, soziale Gerechtigkeit anzustreben, wo »die nationale Identität am stärksten ausgeprägt ist«. Auch deshalb fordert Miller für jede Nation ein »Recht auf Gebietshoheit«, das »Recht auf die Kontrolle und den Gebrauch der Ressourcen« sowie das »Recht auf Kontrolle der Waren- und Personenbewegungen«.
Diese drei Rechte des Staates sind unabdingbar, und doch werden sie links der Kluft nicht ansatzweise affirmiert, ebensowenig wie Millers Hinweis darauf, daß die Menschen je ein Anrecht darauf besäßen, »zu entscheiden, inwieweit sie ihr nationales kulturelles Erbe schützen und kulturelle Vielfalt innerhalb ihrer Grenzen zulassen wollen«.
Eine ähnliche Stoßrichtung hat die Kritik der Migration des linken Wiener Verlegers Hannes Hofbauer. Er stellt in seiner Studie zuvorderst fest, daß die Norm der Seßhafte sei, nicht der Migrant. Die Verklärung der Migration als Ideal sei schlechterdings »pure Ideologie der globalistisch-liberalen Moderne«, die zu allem Übel mit den bekannten Folgen einer Deregulierung des Arbeitsmarktes einhergehe.
Der Migrationsdruck aus materiellen Gründen werde vom Kapital geschürt, soziale und regionale Differenzen würden ausgenutzt, um Wanderungsbewegungen zu forcieren und Migranten als mobiles Kapital zu verschieben.
Hofbauer verknüpft die nationale Frage der Migration unmittelbar mit sozialen Fragen: Wie der neurechte Borrmann und der sozialdemokratische Heisterhagen nimmt er wahr, daß die tonangebende Linke das »Kampfgebiet« wechselte: Nicht mehr Verteilungsfragen stehen seitdem im Zentrum der Agitation, sondern das Engagement für sexuelle und kulturelle Identitäten (man muß hier freilich den »Kampf gegen Rechts« ergänzen). Die herrschende Klasse könne damit hervorragend leben; die Multikulti-Linke leiste (ungewollt) »den menschenrechtlich argumentierten Flankenschutz für globale Ausbeutungsstrukturen«.
Der Migrant erscheint in diesem Spiel der Marktkräfte und der dem internationalen Kapital folgsamen westeuropäischen Staaten ebenso als Opfer der Profitwirtschaft wie der Einheimische, der mit dem Migranten fortan mindestens um Wohnraum und Anstellungsverhältnisse zu konkurrieren hat. Gewinner sind im globalen kapitalistischen Wettbewerb naturgemäß andere Strukturen und Interessensgruppen, insbesondere die großen Konzerne.
Es sind dies einerseits Standpunkte, die Alain de Benoist und andere Denker der Neuen Rechten bereits vor einigen Jahren einnahmen und andererseits sind es Auffassungen, die in dem in multikulturellen Fragen dogmatisch festgelegten linken Milieu der Bundesrepublik nicht hegemonial werden können – zum Nachteil der realistischen, strategisch denkenden Linken, die mal subkutan, mal offensiv von geistiger Selbsterdrosselung bedroht ist, aber zum Vorteil der politischen Rechten und ihrer Wahlpartei AfD.
Deutschland verfügt damit über eine im europäischen Feld einmalig primitive Linke, in welcher sich der »menschenrechtliche Universalismus« (Hans-Jürgen Urban) stabil erweist und hypermoralisch zementiert zu sein scheint. Einzelnen Versuchen des Aufstehens wider diesen Ballast gelingt es nicht, die »links-kommunitaristische Repräsentationslücke« (Andreas Nölke) zu schließen; die Resonanzräume bleiben einstweilen auf Periodika und Blogs beschränkt.
Insbesondere bei jüngeren Linken stößt man hingegen – im besten Falle – auf taube Ohren oder zieht sich – im naheliegenden Falle – den Zorn antifaschistischer Doktrinäre zu. Engagierten, »kommunitaristischen« – d.h. hier: gemeinschaftsbefürwortenden – Intellektuellen wie Heisterhagen und Konsorten fehlt beispielshalber jedwede junge aktivistische Basis; linken, »kosmopolitischen« Aktivisten fehlt derweil jedwede intellektuelle Substanz, sprich: ein polittheoretischer »Überbau« jenseits linksliberaler Wohlfühlfloskeln und postmoderner Ich-Politik.
Eine tiefe Kluft trennt beide Hauptlager der linken Parallelwelt, und eine integrierende Dynamik oder auch Person ist zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der Unversöhnlichkeit der Anschauungen nicht denkbar. Die Rechte sollte einen solchen, in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzenden Startvorteil nutzen und an einer weiteren Vertiefung migrations- und sozialpolitischer Konzepte arbeiten.
Die Linke wird unterdessen an der aussichtslosen Überbrückung ihrer substantiellen Kluft irreparablen Schaden nehmen. Es ist vorstellbar, daß jene, die heute versuchen, Realismus und Gemeinschaftsdenken aufs neue in die Linke einzubringen, aus diesem hybriden Konstrukt verstoßen werden.
Bei antifaschistischen Wannabe-Exekutoren wetzt man in diesem Sinne bereits die publizistischen Messer: Der Grandseigneur des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Wolfgang Streeck, kritisierte nicht nur die »verweltbürgerlichte Linke«, sondern äußerte zuletzt bei einer »Aufstehen«- Veranstaltung, eine Gesellschaft ohne Grenze sei keine Gesellschaft und man könne zudem eine Grenze nur öffnen, wenn man sie habe.
Er wurde daraufhin von Hermann L. Gremliza (konkret) spöttisch in die Nähe des ausländerfeindlichen Terrorismus gebracht: »Wenn ein Ausländerheim nicht brennt, kann man’s nicht löschen.«
Wer solche Genossen hat, wird angesichts dieser Verfallsform der gegenwärtigen Mehrheitslinken nicht mehr unbekümmert und vorwärtsdrängend am Projekt des Aufstehens arbeiten können. Die Mosaik-Rechte vertrüge indes die Stärkung ihres sozialen Flügels in Theorie und Praxis. Ob Miller, Hofbauer oder auch Heisterhagen – sie fänden dort ohnehin erkenntnisfrohere Leser und hoffnungsfrohe Strukturen.
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