Vom Cover blickt das strenge Gesicht des Erzengels Michael…
..darunter stehen zwei Worte: “Deus Vult”: 12 Jahre ist es her, das mit “Greifenherz” die letzte Veröffentlichung der deutschen Neofolk-Größe ORPLID das Licht der Welt erblickte, nun steht ein neues Machwerk in den Startlöchern.
Es ist ein ruhiges Album, soviel vorab. Düster und herbstlich wie ein Gute-Nacht-Lied, das zu einem Schlaf bettet, an dessen Ende ein ungewisses Erwachen wartet. Wer subkulturell versiert ist, kann frühe Gothic-Einflüsse wiederkennen, wie sie auch schon auf dem Vorgängeralbum “Greifenherz” dominierten.
Die Stimme und den Gesangsstil von Frank Machau mag man dabei entweder, oder man mag ihn nicht – in jedem Fall ist die gesamte Komposition darauf ausgelegt, den Fokus des Hörers auf die Texte zu lenken. Die stammen – wie bei den meisten Stücken der Gruppe – vom Merseburger Dichter Uwe Nolte, der im vergangenen Jahr bereits in dieser Kolumne gastierte.
Nolte ist ein alter Punk, der sich nicht viel um Konventionen schert. Das merkt man spätestens, wenn man ihn kennenlernt, das kann einem aber auch auffallen, wenn man die breite Palette der in seinen Gedichten abgehandelten Themen betrachtet: Er besingt den antikommunistischen Märtyrer Jan Palach ebenso wie die Guerillera Tamara Bunke, die “Madonna von Stalingrad” findet einen gleichberechtigten Platz neben einer Coverversion des Neil-Young-Klassikers “Cortez”.
Auch wer Noltes Facebook-Beitrag zur Veröffentlichung liest, wird wissen was ich meine:
ORPLID “Deus vult” – Neofolk ist out! Hier wird gedeutscht & gerockt, daß der Discokugelhimmel des in den Untergang tanzenden Abendlandes für Momente glücklich lächelt. Wem Wolfgang Niedecken zu politisch und Wolle Petry zu alltäglich ist, der scheint bei Orplid an der richtigen Adresse zu sein. Sie liefern den perfekten Soundtrack für berufstätige Romantiker, die zum Feierabend bei einem Faß Rotwein ihrer Todessehnsucht frönen. Besonders die Titel “Deutschland 2016” und “Bald kommt der Krieg in dein Haus” eignen sich, um die abendliche Tagesschau im TV zu illustrieren. Ein akustischer Knabberspaß fürs heimatliche Sofa! Der Media-Markt meint: ein Must have!
“Deutschland 2016” und “Bald kommt der Krieg in Dein Haus” – genau diese zwei Stücke sind es, die eindrücklich Zeugnis von den Spuren ablegen, die die vergangenen 12 Jahre in Noltes Dichtung hinterlassen haben: Die Klage inmitten von Ruinen, die romantische Ode an das Vergangene, wie man sie aus früheren Veröffentlichungen kannte, ist längst der echten und aufrichtigen Sorge um die eigene Heimat gewichen. Eine Entwicklung, die bereits kurz nach der Veröffentlichung auch die ersten pikierten Rezensionen linker Musikjournalisten auf den Plan rief.
Der Tenor ist erwartbar: Hier wurde eine Linie überschritten, hier muss Farbe bekannt werden, hier gilt es einen Strich zu ziehen usw. usf. Man hat diesen beleidigten Leberwursttonfall in den vergangenen Jahren überall dort zur Genüge gelesen, wo Fans sich genötigt sahen, ihren ehemaligen Idolen ob deren mangelnder Linientreue öffentlich abzuschwören.
Dass Nolte und Machau nicht als braune Pappkameraden taugen, dass ORPLID sich auch 2020 weder von hüben noch von drüben unter Hygienevorschriften zwingen lässt, und dass Ihr neues Album vor Allem ein melancholischer Abschied von einer sich neigenden Zeit ist, werden solche Menschen nicht begreifen. Das müssen sie auch nicht. Der geschätzten Leser mit einer Vorliebe für die dunklere Seite des Neofolk findet “Deus Vult” indes hier zur Bestellung:
https://de.prophecy.de/kuenstler/orplid/orplid-deus-vult-book-cd.html
Glast
Die Texte sind wundervoll. Musikalisch liegt mir die Gruppe nicht. Zu synthetisch. Darkwood, Jännerwein und Forseti sind für mich die besten Neofolk-Gruppen.