Sammelstelle für Gedrucktes (15)

Der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) wird bisweilen beschieden, eine Art neue »Westpresse« für Oppositionelle darzustellen. Das kann man positiv und negativ auslegen.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Ers­tens fin­det man dort tat­säch­lich ver­nunft­ori­en­tier­te Bericht­erstat­tung und Ana­ly­sen, die in der bun­des­deut­schen Tages­pres­se aus­ge­blen­det oder aber ideo­lo­gisch ein­sei­tig auf­be­rei­tet wer­den; die NZZ schließt damit gewis­ser­ma­ßen eine Infor­ma­ti­ons­lü­cke, so wie es einst das West­fern­se­hen für Tei­le der DDR über­nom­men haben soll.

Zwei­tens ver­weist der Ter­mi­nus »West­pres­se« aber eben auch auf den Wes­ten als Stand­ort des eige­nen Den­kens. Das macht sich in der außen­po­li­ti­schen Abtei­lung der NZZ Tag für Tag bemerk­bar. Die bis­wei­len moral­po­li­tisch daher­kom­men­de Par­tei­nah­me wider Natio­nal­staa­ten, die der libe­ra­len Welt­ord­nung gegen­über skep­tisch ope­rie­ren – von Ungarn bis Chi­na –, fin­den sich eben­so wie pau­scha­li­sie­ren­de Rußland-Schelte.

Ein mar­kan­tes Bei­spiel hier­für bie­tet nun Mar­kus Zieners Bei­trag auf der NZZ-Medi­en­sei­te (v. 14.4.2021) über »Jour­na­lis­mus als eine wei­te­re Waf­fe«. Deutsch­land, so erfährt man ein­lei­tend, sei »das Haupt­ziel rus­si­scher Pro­pa­gan­da«. Eine erheb­li­che Rol­le spie­le dabei der staats­na­he TV-Sen­der »RT« (ehe­mals: »Rus­sia Today«), der im deut­schen Sprach­raum bis­her ledig­lich vir­tu­ell als »RT Deutsch« operiert.

Seit dem »Fall Nawal­ny« habe dies zuge­nom­men, »Medi­en und Jour­na­lis­ten« gera­ten, so Zie­ner, ins »Faden­kreuz« der Russen:

Ein vor­läu­fi­ger Höhe­punkt war erreicht, als im März die Spre­che­rin des rus­si­schen Aus­sen­mi­nis­te­ri­ums, Maria Sacha­rowa, «har­te Gegen­mass­nah­men für die in Russ­land arbei­ten­den deut­schen Medi­en» androh­te. Sacha­rowa begrün­de­te ihre Dro­hung mit einem Streit über die Schlies­sung eines Geschäfts­kon­tos des rus­si­schen Pro­pa­gan­da­sen­ders RT DE bei der deut­schen Commerzbank.

Nun kann man dar­über strei­ten, ob die Wer­tung »Pro­pa­gan­da­sen­der« direkt in einen Bericht ein­flie­ßen muß, aber die Auf­he­bung der Schei­dung »Bericht« ver­sus »Kom­men­tar« erfolgt bedau­er­li­cher­wei­se auch zuneh­mend in der Schweiz. Zumin­dest weiß der Leser direkt, womit er es zu tun hat – und erfährt über die Kon­ten­kün­di­gung sei­tens der Com­merz­bank, daß BRD-Außen­mi­nis­ter Hei­ko Maaß poli­ti­schen Druck als Hin­ter­grund aus­schlie­ße. Erleichterung.

Der eigent­li­che Druck wer­de, so die frei­sin­ni­ge NZZ sel­ten staats­af­fir­ma­tiv, ohne­hin durch die Rus­sen ausgeübt:

Kein ande­rer EU-Staat wird hef­ti­ger ange­grif­fen als Deutsch­land. Laut der Ana­ly­se war Ber­lin seit Ende 2015 mehr als 700 Mal Ziel von Kam­pa­gnen rus­si­scher Medi­en. (…) Bereits im letz­ten Jahr hat­te auch das Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz vor rus­si­schen Medi­en gewarnt, die «auf ihren deutsch­spra­chi­gen Kanä­len Des­in­for­ma­ti­on und Pro­pa­gan­da über die Coro­na-Situa­ti­on in Deutsch­land» verbreiteten.

Da sind wir aber erleich­tert, daß Putins Ruß­land noch nie in bun­des­deut­schen Medi­en »hef­tig ange­grif­fen« wur­de, und daß Unvor­ein­ge­nom­men­heit und Fair­neß die ent­spre­chen­de Bericht­erstat­tung prä­gen; erleich­tert sind wir fer­ner, daß unse­re Staats­na­hen kei­ne »Des­in­for­ma­ti­on und Pro­pa­gan­da über die Coro­na-Situa­ti­on in Deutsch­land« zu betrei­ben gedenken.

Immer­hin muß man der NZZ zu gute hal­ten, daß sie auch, jour­na­lis­ti­schen Min­dest­stan­dards ver­bun­den, die Gegen­sei­te anhört.

«Wir betrei­ben kei­ne Des­in­for­ma­ti­on, und wir distan­zie­ren uns von Ver­schwö­rungs­theo­rien», sagt Alex­an­der Korost­e­lev, Pro­gramm­chef von RT DE, im Gespräch mit der NZZ. Er räumt aber gleich­zei­tig ein Image­pro­blem ein: «Unser Ziel ist es, nicht mehr als Quel­le der Des­in­for­ma­ti­on wahr­ge­nom­men zu wer­den. Dar­an wol­len wir arbeiten.»

Auch als rela­ti­ver Viel­le­ser der Tages­pres­se nimmt man immer noch gele­gent­lich mit Ver­wun­de­rung zur Kennt­nis, daß die Gül­tig­keit des­sen, was dem »Geg­ner« vor­ge­wor­fen wird, sel­ten kri­tisch auch für sich abge­wo­gen wird. Deut­lich wird dies bei der Ein­bet­tung Koros­to­levs durch eine ver­meint­lich neu­tra­le Expertin:

«Kri­sen­haf­te Ent­wick­lun­gen im Wes­ten, wie etwa der Brexit, wer­den her­aus­ge­stellt, west­li­che Regie­run­gen als unfä­hig beschrie­ben, und man pro­phe­zeit den Nie­der­gang der libe­ra­len Gesell­schaf­ten», sagt Susan­ne Spahn, die als Ost­eu­ro­pa-His­to­ri­ke­rin die Arbeit der Kreml-Medi­en seit vie­len Jah­ren genau beob­ach­tet. «Es gibt eine ganz kla­re Ein­tei­lung in Freun­de und Feinde.»

Legt man die­se Argu­men­ta­ti­ons­scha­blo­ne auf west­li­che Medi­en an, drängt sich die Fra­ge auf, ob Frau Spahn ent­gan­gen ist, daß auch die hie­si­gen (staats­na­hen wie pri­va­ten) Medi­en zuvor­derst dann über poli­ti­sche, wirt­schaft­li­che und gesell­schaft­li­che Pro­zes­se in Ruß­land berich­ten, wenn man den »Nie­der­gang« der Putin-Ord­nung in die Gescheh­nis­se pro­ji­zie­ren kann.

Auch die »ganz kla­re Ein­tei­lung in Freun­de und Fein­de« ist in West­me­di­en üblich – neben dem unga­ri­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Vik­tor Orbán sieht sich Putin regel­mä­ßig als Auto­krat oder Des­pot, wenn nicht als Sta­lin 2.0 dif­fa­miert. Auch dar­über: kein Ton der Selbstkritik.

Erhei­ternd wird es dann, wenn RT vor­ge­wor­fen wird, daß vie­le Bei­trä­ge »nicht den jour­na­lis­ti­schen Stan­dards ent­spre­chen« und das just damit unter­mau­ert wird, daß »Gegen­mei­nun­gen nicht ein­ge­holt« werden:

Quel­len wer­den nicht ein­ge­ord­net, oder es wer­den Quel­len mit bes­ten­falls gerin­ger Rele­vanz als Basis für Arti­kel mit alar­mis­ti­schem Grund­ton genom­men. Im Ergeb­nis wird ein Welt­bild sug­ge­riert, das mit den Rea­li­tä­ten nur in Aus­schnit­ten etwas zu tun hat.

Kei­ne Gegen­mei­nung ein­ge­holt? Quel­len mit gerin­ger Rele­vanz? Alar­mis­ti­scher Grund­ton? Das wäre ja gera­de so, als ob staats­na­he und pri­va­te Medi­en – bei­spiels­wei­se in Deutsch­land – die Objek­te ihrer Dif­fa­mie­rung nicht um Stel­lung­nah­men bäten und medio­kre Anti­fa-Han­seln als »Rechts­extre­mis­mus­exper­ten« ein­füh­ren wür­den. Oder es wäre so, daß man beim regel­mä­ßi­gen Kon­sum von Tages­schau, Zeit und Co. das Gefühl bekom­men könn­te, die Macht­über­nah­me einer her­bei phan­ta­sier­ten Arma­da von rechts stün­de kurz bevor.

Auch daß ein Welt­bild unge­fil­tert pro­pa­giert wird, wäre im Wes­ten natür­lich undenk­bar, wo ver­meint­li­che Fak­ten der staats­na­hen ARD immer­hin – kri­tisch, objek­tiv, ehr­lich – durch die staats­na­he ARD kri­tisch »gecheckt« wer­den.

Aber natür­lich steht der Feind im Osten, und dafür hat man eine wei­te­re sat­tel­fes­te Exper­ti­se ein­ge­baut: Die ame­ri­ka­ni­sche Denk­fa­brik Rand Cor­po­ra­ti­on kom­me eben­falls zu dem Ergeb­nis, daß rus­si­sche Medi­en Kon­flik­te schü­ren und ent­schie­den Par­tei ergrei­fen. Na dann!

Immer­hin darf RT parieren:

Nach Mei­nung von Alex­an­der Korost­e­lev bie­tet der rus­si­sche Sen­der ledig­lich alter­na­ti­ve Infor­ma­tio­nen an. «Die Men­schen in Deutsch­land ver­lie­ren das Ver­trau­en in die eta­blier­ten Medi­en», sagt der 30-Jäh­ri­ge. Des­halb wür­den sich die Nut­zer Medi­en wie RT zuwen­den. Nach Anga­ben von RT ran­gier­te der deut­sche Able­ger in den Mona­ten Novem­ber 2020 bis Febru­ar 2021 unter den fünf Bes­ten, was die Klick­zah­len von Vide­os auf Face­book angeht. Zudem sei­en die Sei­ten­zu­grif­fe auf RT DE im Ver­gleich zum Vor­jahr um 78 Pro­zent gestiegen.

Face­book ist aber nicht alles, zumal man dort gelöscht wer­den kann. Daher gedenkt man bei RT, »mas­siv in den Aus­bau des Pro­gramms investieren«:

Der­zeit sucht der Sen­der nach 200 zusätz­li­chen Mit­ar­bei­tern, um im Dezem­ber mit einem deut­schen TV-Kanal an den Start zu gehen. Der­zeit beschäf­tigt RT ledig­lich eini­ge Dut­zend Mit­ar­bei­ter in der Online-Redak­ti­on in Berlin.

Bei­zu­pflich­ten ist Mar­kus Zie­ner, daß es bei der Umset­zung die­ses ambi­tio­nier­ten Vor­ha­bens erheb­li­che Pro­ble­me geben dürfte:

Nach Aus­kunft der Medi­en­an­stalt Ber­lin-Bran­den­burg hat RT DE bis­her kei­nen Lizenz­an­trag zum Betrieb eines Fern­seh­sen­ders gestellt. Es ist auch kein Lizenz­an­trag bei einer ande­ren Lan­des­me­di­en­an­stalt bekannt. Viel wich­ti­ger indes ist: Staat­lich kon­trol­lier­te Sen­der kön­nen in Deutsch­land grund­sätz­lich kei­ne Rund­funk­li­zenz erhalten.

Doch die rus­si­sche Lösung könn­te eine euro­päi­sche sein:

RT besorgt sich eine Sen­de­li­zenz in einem EU-Nach­bar­land, das auf Staats­fer­ne weni­ger Wert legt, und kommt über die­sen Umweg ins deut­sche Kabel­netz. Die spa­ni­schen und bri­ti­schen Pro­gram­me von RT sind auf die­se Wei­se bereits in Deutsch­land empfangbar.

Spa­ni­sche, bri­ti­sche … und tür­ki­sche, kata­ri­sche, ara­bi­sche etc.

Die NZZ fragt sibyllinisch:

Hät­te damit die rus­si­sche Regie­rung über das Fern­se­hen noch mehr Zugriff auf die deut­sche Öffentlichkeit?

Mir wäre es per­sön­lich neu, daß die rus­si­sche Regie­rung über­haupt »Zugriff auf die deut­sche Öffent­lich­keit« besitzt – ist das also schon der wei­ter oben monier­te »Alar­mis­mus«? Nun­denn, Kri­ti­ker hegen jeden­falls Zwei­fel an der ver­meint­li­chen Unab­hän­gig­keit RTs vom rus­si­schen Staat:

Der Inves­ti­ga­ti­v­jour­na­list Alex­ei Kowal­jow drückt es so aus: «Jour­na­lis­ten, die für RT arbei­ten, wis­sen, was von ihnen erwar­tet wird.»

Jour­na­lis­ten, die für die ARD arbei­ten, wis­sen natür­lich nicht, was von ihnen erwar­tet wird. Des­halb ist die staats­na­he Medi­en­land­schaft hier­zu­lan­de ja so plu­ral, so offen, so kon­tro­vers. Oder?

– –

Blei­ben wir lie­ber in der Schweiz. Dort hat man, rechts der NZZ, mit der frei­heit­lich-kon­ser­va­ti­ven Welt­wo­che ein Maga­zin von For­mat, das sich neben kon­stan­ter Bericht­erstat­tung zu schwei­ze­ri­schen und euro­päi­schen The­men aus Kul­tur, Wirt­schaft und Poli­tik immer wie­der auch non­kon­for­mer Gesprächs­füh­rung wid­met. Nach dem kon­tro­ver­sen AfD-Aus­hän­ge­schild Björn Höcke (hier ent­lang, Arti­kel frei ver­füg­bar) ist dies­mal das kon­tro­ver­se Links­par­tei-Auf­hän­ge­schild Sahra Wagen­knecht an der Reihe.

Anlaß ist – natür­lich – das neue Buch Wagen­knechts: Die Selbst­ge­rech­ten. Sie sieht sich seit Ankün­di­gung des Titels und ver­stärkt seit Erschei­nen – erneut – dem Vor­wurf aus­ge­setzt, »rechts« zu den­ken. Der ver­ei­nig­ten Lin­ken (weit über Wagen­knechts Par­tei Die Lin­ke hin­aus) gehen Stand­punk­te wie jener, wonach »immer skur­ri­le­re Min­der­hei­ten« der Mehr­heit des Vol­kes ihren Wil­len auf­drü­cken, ein­fach zu weit.

Sie fra­gen: Ist das noch links? Und geben selbst die Ant­wort: Nein. Nicht jeder macht das so hys­te­risch wie der Blät­ter-Redak­teur Albrecht von Lucke, aber einig ist man sich schon dar­in, daß Wagen­knechts Vor­stoß der poli­ti­schen Lin­ken »nicht egal sein (kann), da es auf alle zurück­fällt«, wie Mar­ti­na Ren­ner, stell­ver­tre­ten­de Links­par­tei-Par­tei­vor­sit­zen­de und Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te, bei Twit­ter kundgab.

Was also bringt »frei­heit­li­che« (Lucke) wie dog­ma­tisch-anti­fa­schis­ti­sche (Ren­ner) Lin­ke so auf die Pal­me? Roger Köp­pel und Erik Ebne­ter wol­len es im Inter­view, das mit »Ich möch­te mit Vor­ur­tei­len auf­räu­men« in der aktu­el­len Welt­wo­che (v. 15.4.2021) über­schrie­ben ist, her­aus­fin­den, und zwar in einer heut­zu­ta­ge sel­ten vor­zu­fin­den­den Aus­führ­lich­keit. (Die Welt­wo­che gibt es übri­gens am Kiosk auch in Deutsch­land; ein­fach Stand­ort ein­ge­ben und nächst­ge­le­ge­ne Ver­kaufs­stel­le herausfiltern.)

Bereits mit der ers­ten Fra­ge benen­nen Köppel/Ebneter den Kern der Pro­ble­ma­tik: »Life­style-Lin­ke«. Die­sen Ter­mi­nus ver­sucht Wagen­knecht in ihrem Buch zu set­zen; man könn­te die­se Deprava­ti­on auch post­mo­der­ne Lin­ke, (neo)liberale Lin­ke oder, unspe­zi­fi­scher, Main­stream-Lin­ke nen­nen. Wagen­knecht wirft die­ser Was-auch-immer-Lin­ken nun vor, die eigent­li­chen Inter­es­sen lin­ker Poli­tik außer Acht zu las­sen, die eigent­li­chen Adres­sa­ten lin­ker Poli­tik zu igno­rie­ren oder aber zu verachten.

Die ver­schüt­tet gegan­ge­nen »Ur-Anlie­gen« beschreibt sie so:

Ein­satz für Men­schen, die es schwer haben und über wenig Auf­stiegs­chan­cen ver­fü­gen. Statt­des­sen defi­nie­ren sich die­se angeb­li­chen Lin­ken über Hal­tungs­no­ten und Lebens­stil­fra­gen. Sie ver­ste­hen sich als Welt­bür­ger und ver­ach­ten – man muss es lei­der so sagen – die Wer­te, die Lebens­wei­se, die Kul­tur der ein­fa­chen Leute.

Daß es soweit kam ist für Wagen­knecht der Libe­ra­li­sie­rung der Lin­ken anzu­las­ten, was eine neue Form mora­lis­ti­scher Lin­ker generierte:

Die­se ver­bin­den eine neo­li­be­ra­le Wirt­schafts­po­li­tik mit einer angeb­lich lin­ken Iden­ti­täts­po­li­tik. Das heisst, man beschäf­tigt sich obses­siv mit den Unter­schie­den zwi­schen Men­schen unter­schied­li­cher Abstam­mung oder mit sexu­el­len Orientierungen.

Die­se Syn­the­se libe­ra­ler und lin­ker Theo­re­me als »Links­li­be­ra­lis­mus« unter zeit­ge­nös­si­schen Bedin­gun­gen zu fas­sen, sieht Wagen­knecht nun aber gera­de nicht als gerechtfertigt:

Die SPD schuf als Regie­rungs­par­tei einen rie­si­gen Nied­rig­lohn­sek­tor. Vor allem Frau­en und Nach­fah­ren aus Ein­wan­de­rer­fa­mi­li­en wer­den seit­her in mise­ra­bel bezahl­te Jobs abge­drängt. Gleich­zei­tig schafft man Stel­len für Frau­en- und Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­be­auf­trag­te, um das lin­ke Gewis­sen zu beru­hi­gen. Doch letzt­lich beför­dert man so die Ungleich­heit, die man zu bekämp­fen vor­gibt. Dar­um ist auch die Bezeich­nung “links­li­be­ral” irre­füh­rend. Libe­ra­le strei­ten für glei­che Rech­te. Iden­ti­täts­po­li­tik ist kein Kampf um Gleich­heit, son­dern um Sonderrechte.

Wagen­knecht nimmt an Fahrt auf, und man nimmt ihr des­halb nach der Lek­tü­re die ver­söhn­li­chen, auf Har­mo­nie abzie­len­den Wor­te in Rich­tung inner­par­tei­li­cher Iden­ti­täts­po­li­ti­ker noch weni­ger ab, da sie deren Ideo­lo­gie­pro­duk­ti­on im Kern atta­ckiert, ja sogar als »insze­nier­tes Links­sein« verwirft:

Die­se Iden­ti­täts­po­li­tik ist an ame­ri­ka­ni­schen Eli­te­uni­ver­si­tä­ten ent­stan­den. Nach ihrer Logik kann eine schwar­ze Stu­den­tin, deren Eltern sich die Jah­res­ge­bühr von meh­re­ren zehn­tau­send Dol­lar leis­ten kön­nen, den weis­sen Haus­meis­ter auf­for­dern, sei­ne Pri­vi­le­gi­en zu che­cken. Die­se Ideen sind nach Euro­pa über­ge­schwappt, in die Uni­ver­si­tä­ten, die Medi­en, letzt­lich auch die lin­ken Parteien.

Man merkt in jeder Zei­le die inhalt­lich enge Bin­dung an Bernd Ste­ge­mann, mit dem gemein­sam sie beim Pro­jekt »Auf­ste­hen« schei­ter­te. Wie bei des­sen jüngs­tem Buch Die Öffent­lich­keit und ihre Fein­de zielt auch ihre nun­meh­ri­ge Kri­tik auf die Ver­nach­läs­si­gung des The­mas »sozia­ler Gerech­tig­keit« zuguns­ten der Bedie­nung von Min­der­hei­ten­fe­ti­schen ab. Wagen­knecht ver­dich­tet Ste­ge­manns aus­führ­li­che Schil­de­rung (vgl. die 10. »Sam­mel­stel­le«) in zwei Sätze:

Es gibt kei­nen Twit­ter-Sturm, wenn ein Unter­neh­men die Löh­ne drückt. Aber wehe, wenn es eine angeb­lich sexis­ti­sche Wer­bung schaltet.

Nach einem Hin und Her um Umbe­nen­nun­gen von Restau­rants oder Stra­ßen­nah­men machen die Welt­wo­che-Autoren einen Punkt, indem sie dar­auf ver­wei­sen, daß die Kri­tik der Iden­ti­täts­po­li­tik eigent­lich vor allem ande­ren eine Kri­tik der Grü­nen sein müß­te – doch die­se sind damit sehr erfolg­reich, die Links­par­tei nicht.

Wagen­knecht bestä­tigt die­sen Einwand:

Sie errei­chen damit eine bestimm­te Kli­en­tel. 25 bis 30 Pro­zent der Bevöl­ke­rung arbei­ten heu­te in gut­be­zahl­ten Dienst­leis­tungs­be­ru­fen für Hoch­schul­ab­sol­ven­ten. Das ist das Milieu der Grü­nen, ein neu­es Bür­ger­tum. Sozi­al­de­mo­kra­ten und ande­re Lin­ke soll­ten nicht ver­su­chen, mit den Grü­nen vor allem um die­se Wäh­ler zu kon­kur­rie­ren. Wenn wir sein wol­len wie die Grü­nen, ver­lie­ren wir die Men­schen, die wir eigent­lich ver­tre­ten soll­ten: Arbei­ter, Gering­ver­die­ner, die klas­si­sche Mit­tel­schicht. Beson­ders Arbei­ter wäh­len heu­te rechts.

Wagen­knecht hat Recht, und genau des­halb atta­ckiert sie, wenn sie die Wahl hat, öffent­lich vor allem sozi­al­po­li­tisch pro­fi­lier­te Poli­ti­ker der AfD um Björn Höcke, weni­ger Rechts­li­be­ra­le wie Jörg Meu­then oder Links­li­be­ra­le wie Robert Habeck. Wagen­knecht kann es nicht dul­den, daß sich eine sozi­al­pa­trio­ti­sche Kraft fest­setzt, die der Links­par­tei ihre klas­si­schen Wäh­ler – in ihren Wor­ten: »Arbei­ter, Gering­ver­die­ner, die klas­si­sche Mit­tel­schicht« – wei­ter abspens­tig macht und ihr nur noch jene »Life­style-Lin­ken« über­lie­ße, die frei­lich eini­ger­ma­ßen erfolg­reich von den Grü­nen umwor­ben wer­den, denen man dabei oft­mals sei­tens der Medi­en zu hel­fen bereit ist.

Denn klar ist:

Auch unter Jour­na­lis­ten gibt es nicht weni­ge Lifestyle-Linke.

Und sie tei­len bekann­ter­ma­ßen größ­ten­teils jene post­mo­der­ne Iden­ti­täts­po­li­tik, deren Ver­tre­ter jüngst Bernd Ste­ge­mann qua veri­ta­blem Shit­s­torm von Twit­ter ver­dräng­ten. Die ste­te Mone­ta­ri­sie­rung und dis­kur­si­ve Nutz­bar­ma­chung des Opfer-Nar­ra­tivs ist ohne­hin kon­sti­tu­ti­ves Ele­ment der Lifestyle-Linken:

Es geht dar­um, dass mit­tels Iden­ti­täts­po­li­tik immer skur­ri­le­re Klein­grup­pen for­miert wer­den, die dann sagen kön­nen: “Ich bin ein Opfer, und da ich ein Opfer bin, darf mich nie­mand kritisieren.”

Wagen­knecht führt das aus, man kann es in der Welt­wo­che und in ihrem Buch nach­le­sen; ent­schei­dend ist die Über­lei­tung der schwei­ze­ri­schen Jour­na­lis­ten zur Fra­ge nach der Unver­ein­bar­keit von Mas­sen­mi­gra­ti­on und Sozialstaat.

Köp­pel und Ebne­ter postulieren:

Wenn man die Gren­zen abschafft, geht der Sozi­al­staat zugrunde.

Und fra­gen:

War­um ist das so tabuisiert?

Wagen­knecht gibt dar­auf­hin eine kur­ze Ein­füh­rung in Argu­men­ta­ti­ons­mus­ter, die rechts der Mit­te seit Jah­ren eini­ger­ma­ßen kon­sens­fä­hig sind – aber links offen­kun­dig für Ent­set­zen sor­gen. Die Welt­wo­che ruft die migra­ti­ons­skep­ti­sche Links­re­gie­rung in Däne­mark in Erin­ne­rung und zitiert die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Pre­mier­mi­nis­te­rin Met­te Frederiksen.

Die­se sagt:

Wir müs­sen dar­auf ach­ten, dass nicht zu vie­le Flücht­lin­ge in unser Land kom­men, sonst könn­te unser sozia­ler Zusam­men­halt nicht exis­tie­ren. Er ist bereits in Gefahr.

Wagen­knecht ver­bes­sert ihre Lage in der hys­te­ri­schen Lin­ken wohl kaum. Denn sie ant­wor­tet unumwunden:

Ja, sie hat völ­lig recht. Däne­mark hat einen star­ken Sozi­al­staat, der könn­te nicht fort­be­stehen, wenn es zu viel Migra­ti­on gibt.

Die­se im par­tei­po­li­ti­schen Sin­ne in Deutsch­land bis dato nur von der AfD ver­tre­te­ne Hal­tung macht ver­ständ­li­cher, war­um Wagen­knecht im neu­en Buch die pol­ni­sche PiS-Regie­rung, die gesell­schafts­po­li­tisch »rech­te« Stand­punk­te ver­tritt, wirt­schafts- und sozi­al­po­li­tisch aber »lin­ke« Akzen­te setzt, posi­tiv hervorhebt.

Im Welt­wo­che-Gespräch blickt sie lie­ber auf die Insel, um auch dort eher rech­te Prak­ti­ker anzuführen:

Ich bin ja kein Fan von Boris John­son. Aber er wur­de in der deut­schen Pres­se als Clown lächer­lich gemacht. Nun öff­nen in Gross­bri­tan­ni­en die Pubs. Und Deutsch­land steht vor dem nächs­ten Lock­down. Es scheint also gar nicht so schlecht zu sein, von Clowns regiert zu werden.

Her­nach kehrt Wagen­knecht zur Ernst­haf­tig­keit zurück und offen­bart kurz vor Gesprächs­en­de erst­mals eine tie­fe Kluft zur poli­ti­schen Rech­ten, zumin­dest womög­lich:

Ein Vor­ur­teil lau­tet, “Nati­on” sei eine eth­nisch defi­nier­te Grös­se. Das ist Quatsch. Die Deut­schen sind eth­nisch äus­serst viel­fäl­tig. Aller­dings gibt es eine gemein­sa­me Geschich­te und Kul­tur, die für Zusam­men­ge­hö­rig­keit und Gemein­sam­keit sorgt.

Womög­lich: Denn daß die Deut­schen in sich eine rei­che Viel­falt bie­ten, wird ja gera­de rechts betont, und daß es kei­ne abso­lu­te eth­no­kul­tu­rel­le Homo­ge­ni­tät geben kann und soll, son­dern eine rela­ti­ve, wird nicht zuletzt in die­ser Zeit­schrift immer wie­der betont. Wagen­knecht läßt also ihren Volks­be­griff bewußt oder unbe­wußt im unkla­ren; einen Begriff, den ich in der Gelän­de­ver­mes­sung Blick nach links neben dem skep­tisch-rea­lis­ti­schen Men­schen­bild der »Neu­en Rech­ten« als ent­schei­den­de Trenn­li­nie ausmachte.

Kei­ne Zwei­fel läßt sie bestehen an der Quint­essenz eines jeden »Soli­da­ri­schen Patriotismus«:

Aber ein Sozi­al­staat beruht nun ein­mal auf der Bereit­schaft zur Soli­da­ri­tät, die nur da vor­han­den ist, wo es ein aus­ge­präg­tes Wir-Gefühl gibt.

Hier hät­te man sich gewünscht, daß die Jour­na­lis­ten insis­tie­ren: Wie soll das aus­ge­präg­te Wir-Gefühl bewahrt wer­den, wo es noch vor­han­den ist? Wie kann man etwas rekon­sti­tu­ie­ren, das durch Glo­ba­lis­mus, Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus und den libe­ra­len Ich-Fetisch pul­ve­ri­siert wur­de? Benö­tigt man hier­für nicht eine posi­ti­ve Iden­ti­täts­po­li­tik des Kol­lek­ti­ven, das man der nega­ti­ven Iden­ti­täts­po­li­tik der links­li­be­ra­len (oder Life­style-lin­ken) Krei­se ent­ge­gen­set­zen kann?

Das Welt­wo­che-Duo ent­schei­det sich aller­dings für einen Schwenk zur EU-Debat­te und der Fra­ge nach Sou­ve­rä­ni­tät. Wagen­knecht tou­chiert hier schon wie­der AfD-Pro­gram­ma­tik (»Dexit«), modi­fi­ziert die­se aller­dings kor­rek­ter­wei­se kapitalismuskritisch:

Deutsch­land soll­te sich für eine Ver­än­de­rung, einen Rück­bau der EU ein­set­zen. Die Kom­mis­si­on hat heu­te viel zu vie­le Mög­lich­kei­ten der Ein­mi­schung in die natio­na­le Poli­tik. Sie hat die Fel­der, in denen sie Ein­fluss neh­men kann, immer mehr aus­ge­wei­tet. Und sie hat die­sen Ein­fluss in der Regel genutzt, um Arbeit­neh­mer­rech­te zu schlei­fen, Pri­va­ti­sie­run­gen vor­an­zu­trei­ben oder gros­sen Kon­zer­nen Vor­rang auf loka­len Märk­ten zu verschaffen.

Fas­sen wir zusam­men: Kri­tik der Life­style-Lin­ken und ihrer Fetisch­po­li­ti­ken; posi­ti­ve Bezug­nah­men auf ein Wir-Gefühl; die Beto­nung der Not­wen­dig­keit natio­na­ler Schutz­me­cha­nis­men, um den Sozi­al­staat zu sichern; sub­stan­ti­el­le EU-Schel­te. Das sind aus­rei­chend Grün­de, will man mei­nen, um der ver­ei­nig­ten zeit­ge­nös­si­schen Lin­ken ein Dorn im Auge zu sein.

Den­noch, und genau dies muß man Wagen­knecht vor­wer­fen, will sie wei­ter die­ser Lin­ken, die all das fun­da­men­tal ablehnt, ihr Renom­mee, ihre Exper­ti­se, ihre Power zur Ver­fü­gung stellen:

Ich bin über­zeugt, dass wir mit mei­nen Ideen weit mehr Men­schen errei­chen könn­ten, als es die lin­ken Par­tei­en heu­te tun.

Davon bin ich eben­falls über­zeugt und des­halb eini­ger­ma­ßen erleich­tert, daß die heu­ti­ge Lin­ke (ob par­tei­po­li­tisch in der SPD, bei den Grü­nen oder in der Links­par­tei orga­ni­siert) in ihrer uni­so­no erfol­gen­den Wagen­knecht-Ver­dam­mung ein­drück­lich beweist, daß mit einer Wagen­knecht-affi­nen Wen­de nicht ansatz­wei­se zu rech­nen ist.

Ein­mal mehr die Fra­ge also: Ist das Geschrie­be­ne, ist Wagen­knecht, ist ein Pro­gramm sozia­ler Ein­bet­tung in ein auf gewach­se­nem Ver­trau­en und kon­kre­ter Soli­da­ri­tät beru­hen­des Gan­zes, ist das alles noch links?

Sie selbst bejaht die­se Frage:

Ich wün­sche mir eine Gesell­schaft, in der ech­te Chan­cen­gleich­heit besteht und die Anstren­gung und Leis­tung des Ein­zel­nen über sei­ne Per­spek­ti­ve ent­schei­det, nicht die sozia­le Her­kunft. Kin­der aus ärme­ren Fami­li­en haben heu­te viel schlech­te­re Bil­dungs­chan­cen als Kin­der wohl­ha­ben­der Eltern. Und wer nicht wenigs­tens Abitur macht, hat kaum noch Aus­sicht auf einen soli­den Wohl­stand. Vie­le schuf­ten, leben mehr als beschei­den und haben am Ende des Monats trotz­dem ein lee­res Kon­to. Das fin­de ich uner­träg­lich. Die­sen Men­schen will ich eine Stim­me geben. Dar­um bin ich links.

Mit der­sel­ben Begrün­dung lie­ße sich auch pos­tu­lie­ren: »Dar­um bin ich rechts.« Und eben dies wird Wagen­knecht nicht mehr ver­zie­hen wer­den. Aus Sicht der hege­mo­nia­len Strö­mun­gen in der gesam­ten deutsch­spra­chi­gen Lin­ken ist sie end­gül­tig zu weit gegangen.

Man darf auf die Ent­wick­lun­gen der kom­men­den Zeit gespannt sein, ohne von einem »Über­lau­fen« oder ähn­li­chem aus­zu­ge­hen. Wagen­knecht ist die Ver­ge­gen­ständ­li­chung der Wider­sprü­che in der zeit­ge­nös­si­schen Lin­ken. Aber man­che Wider­sprü­che las­sen sich eben nicht lösen oder auf­he­ben – son­dern läh­men die sie per­so­ni­fi­zie­ren­den Trä­ger bei der Über­tra­gung des theo­re­tisch Pos­tu­lier­ten in prak­ti­sche Politik.

Für die Links­par­tei ist das im Super­wahl­jahr kei­ne gute Nachricht.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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Kommentare (58)

Leander

16. April 2021 19:33

Wagenknecht in Metamorphose? Gegen die sie wegen ihrer Sozialisierung (noch) ankämpft?

Oder einfach gesunder Menschenverstand, der weder ideologistisch links noch rechts ist?

Albin

16. April 2021 19:40

Sehr treffend. Danke.

Phil

16. April 2021 20:19

Ja, die NZZ scheint – wie die deutschen Mainstreammedien – atlantisch ausgerichtet: leider keine schweizer Neutralität bei entsprechenden Themen.

Kritik an der deutschen Regierung findet man dort (immerhin). Die findet man auch beim zu Unrecht gescholtenen RT.

Das alte Weltwoche-Interview mit Höcke kannte ich. Von solch respektvollem, normalem Umgang mit Höcke sind unsere "Qualitätsmedien" bekanntermaßen Lichtjahre entfernt.

Ich verlinke mal das aktuelle Interview der NZZ mit Sahra Wagenknecht:

https://www.nzz.ch/international/deutschland/sahra-wagenknecht-identitaetspolitik-will-ungleichheit-ld.1611631

Maiordomus

16. April 2021 20:47

@Phil. Die Schweizer Neutralität war mit Ausnahme der Zeit des Wiener Kongresses schon immer relativ westorientiert, aber doch auf Eigenständigkeit pochend. Natürlich wurde der Schweiz ihre Neutralität im 2. Weltkrieg äusserst übel genommen, nicht zuletzt von den Amerikanern. Über die NZZ kann man sich im übrigen als Schweizer grün und blau ärgern, besonders bei konservativer und rechter Orientierung. Das war eigentlich nie die Linie jener Zeitung, die aber doch regelmässig überdurchschnittlich lesenwerte Artikel bringt, z.B. diese Woche über Dante. 

KlausD.

16. April 2021 21:18

Auf einer AfD-Demo Ende Oktober 2015 skandierten die Demonstranten "Lü-gen-Presse, Lü-gen-Presse, Lü-gen-Presse". Die Rednerin Frauke Petry hob beschwichtigend die Hände, bis die Leute verstummten, was ich damals nicht verstand. Naja, tatsächlich ist die deutsche Presse auch mehr Lücken- als Lügenpresse. Und genau diese Lücken füllt RT Deutsch. Bezüglich der Nachrichten ist RT Deutsch für mich das Westfernsehen zu DDR-Zeiten.

links ist wo der daumen rechts ist

16. April 2021 22:02

Die Frage ist doch, ob das was Frau Wagenknecht zum Besten gibt, überhaupt als politisches Programm gelten kann - oder nicht viel mehr als selbstverständlicher politischer Minimalkonsens.
Anders formuliert: wenn sich die beiden dicken Freunde Oskar Lafontaine und Peter Gauweiler über ihre politischen Ansichten verständigen, gibt es eine Schnittmenge, die unhintergehbar scheint für das Funktionieren eines politischen Gemeinwesens innerhalb bestimmter historisch gewachsener ethnischer Grenzen (die sich aber weiter verändern).

Das bedeutet für mich einerseits die Einbettung in eine unhinterfragte Identität betr. Herkunft, Heimat, Muttersprache, Kulturnation, Aussöhnung mit der Vergangenheit entlang der Familienbiographie, andererseits daraus resultierend die Forderung, daß das niemand mutwillig zerstören dürfe (die Wandlungen sind anstrengend genug), aber auch die Einsicht, daß eine Festschreibung dessen was sei, zu wenig ist. Stichwort Chancengleichheit: ein unbegabtes Bürgerkind (in Ö fast die Regel) darf gegenüber einem hochbegabten Bergbauernkind nicht "durchgetragen" werden.

Als Sakrileg natürlich jetzt die berühmte Losung von Marx: "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen." Konservativ reformuliert: Fordern und Fördern.
Das sind die beiden Unhintergehbarkeiten aus meiner Sicht.
Und ich kann weder die eine noch die andere Seite hypostasieren; also weder Menschheitsexperimente noch "Bejahung des Bestehenden".

Der_Juergen

16. April 2021 22:43

Wer die NZZ als "Westfernsehen der BRD " bezeichnet, tut ihr zuviel Ehre an. Sicher bringt sie, wie Majordomus richtig bemerkt, in unpolitischen Fragen manchmal gute bis sehr gute Artikel, aber politisch liegt sie voll auf der Linie der Einweltideologen und trägt deren Lügen mit. Die "Weltwoche" löckt hingegen in kardinalen Fragen wie Corona, Klimawandel und Immigration gegen den Stachel; freilich tut sie dies insofern im Rahmen des Systems, als sie die Hintergründe niemals aufdeckt und die verantwortlichen Politiker stets nur der "Unfähigkeit", "Mutlosigkeit", "Naivität" etc. bezichtigt. Auf einen Weltwoche-Artikel über den Great Reset wird man wohl noch lange warten müssen. Dennoch, ein halboppositionelles Blatt, das wenigstens in einigen Schlüsselfragen einen Teil der Wahrheit ausspricht, ist immerhin schon etwas. - Wirklich oppositionell ist nur die "Expresszeitung", die zwar in Basel herauskommt, aber grossenteils, wenn nicht hauptsächlich, von Deutschen geschrieben werden dürfte.

Zu Wagenknecht. Die Frau kann nicht über ihren Schatten springen; sie kann, oder will, die Bedeutung der nationalen Frage nicht begreifen und hat deswegen keine politische Zukunft. Was sie an Richtigem sagt, sagt der sozialpatriotische AFD-Flügel noch besser.

Eo

16. April 2021 23:19

@KlausD. 16. April 2021 21:18

"Naja, tatsächlich ist die deutsche Presse auch mehr Lücken- als Lügenpresse."

Ach was;
für mich sind das zwei Seiten einer Medaille. Und von dahero nenne ich die sogenannte Presse zusammen mit den Flimmerflitzen, also den Kollegen aus Rundfunk und Fernsehen, seit einiger Zeit folglich Lülü-Presse bzw. Lülü-Medien.

Ich finde nämlich,
die Journos haben es verdient, daß ma sie so nennt. Denn anders werden wir den verhunzten, vermurksten und uns immer weiter in die Scheiße reitenden Zeitgeist der linken Realitätsblind- und -blödheit, den diese den Leuten ins Gehirn tackern, einfach nicht los.

 

RMH

16. April 2021 23:51

So ganz neu ist das alles nicht, was Frau Wagenknecht-Lafontaine präsentiert.

Da steckt auch etliches an WASG und alter Gewerkschaftsschule, wie sie früher bspw. von der IG Metall vertreten wurde, drin. Das ist aber auch nicht überraschend, da Wagenknecht über die antikapitalistische Linke mit der WASG verbandelt war. Die Ehe mit dem Godfather of BRD-Populismus Lafontaine scheint ihr Übriges zu tun.

Man weiß halt nicht so recht, bei allen doch so deutlich öffentlich ausgetragenen Konflikten in der Linkspartei, ob die Linie Wagenknecht-Lafontaine insgeheim nicht Teil eines getrennt marschieren und vereint schlagen ist. Wagenknecht ist für das AfD Containment zuständig, die immer bourgeoiser und anywhere werdende, sich SPD-Grün anbiedernde Taz-Linke dann für das sog. "großstädtische" Publikum und am Ende wird bei einer Option auf r2g diese auch umgesetzt.

Die AfD sollte sich im sozialpatriotischen Teil als glaubwürdiger als Wagenknecht präsentieren und klar machen, dass man mit der Linken nicht Frau Wagenknecht wählt, sondern eben ganz andere Kräfte. Ob dafür Lob an Frau W. von der AfD und der Versuch der Vereinnahmung der richtige Weg sind? Ich kann es nicht einschätzen.

Fredy

17. April 2021 00:32

Kann nicht mitreden, hab keine Kinder. Hat sich leider nicht ergeben, so sehr man es wollte. Aber mit zunehmendem Alter ertappe ich mich immer öfter beim Gedanken, dass dies gut so ist. Wie wollte ich Kinder erziehen, wo ich schon nicht wüsste für was, für wen, warum. Wie Kinder motivieren, was ihnen versprechen und versichern? Sicher, Leben geht immer, setzt sich durch, findet den Weg, würde wohl vor allem auf einen gefestigten, sicheren Charakter setzen. Aber Wissen und Weisheit fehlt mir heutzutage.

Ansonsten sekundiere ich: Nie hinter Hegel; und Marx nicht folgen, aber manches bedenken.

Imagines Beiträge sind in letzter Zeit doch merklich wertvoller.

Laurenz

17. April 2021 02:57

Bürger, die lesen, & das sind bei weitem nicht alle, lesen das, was ihre Haltung bestätigt.

Die NZZ, Der Relotius zu Zürich statt in Hamburg, habe ich vor 2 oder 3 Jahren abbestellt, ein Relotius als transatlantische Feindaufklärung reicht. Nur weil einer ab & an einen guten Artikel schreibt, wird er nicht vom Saulus zum Paulus, wobei der Saulus jedem früheren Journalisten & heutigem Propagandisten wohl besser zu Gesicht stünde. Der einstige Beruf des Journalisten ist ausgestorben. Der letzte Mohikaner mag vielleicht Gerhard Wisnewski sein.

Alle, auch alternativen, Medienhäuser haben mindestens einen oder mehrere weltanschauliche Haken in der Druckmaschine, welche andere Haltungen automatisch zensiert. Die Russen zensieren genauso per Algorithmus oder per Hand, wie alle anderen auch, wenn jemand ein anderes Licht auf russisch-sowjetische Geschichte fallen läßt, als die vom FSB vorgegebene Beleuchtung es vorsieht.

Auf der SiN fällt alles flach, was in irgendeiner Weise mit dem "Mord im Orient-Express" zu tun hat. Hier finden wir auch den inneren Widerspruch in den sonst hervorragenden Artikeln von BK, die in keiner Weise den inneren Widersprüchen Wagenknechts nachstehen.

Nur selten, daß einer über seinen eigenen Schatten springen kann. Und besonders im schreibenden Gewerbe sind seit Entstehung der Schrift, Schatten besonders dunkel.

Laurenz

17. April 2021 03:15

In der Causa Wagenknecht gibt es nicht viel zu debattieren. Sahra, das persönliche Produkt Oskars, ist mit Oskar einfach über die Jahrzehnte da stehen geblieben, wo einst das Linke zuhause war. Das kann man ruhig noch in die Kaiser- & Weimarer Zeit verorten. Das, was heute als links verkauft wird, ist eben nicht viel mehr als privatisierter Bolschewismus. Der privatisierte Bolschewismus unterscheidet sich meist schlicht durch Verzicht auf Staatseigentum & oligarchisiert einfach das Eigentum nicht-tarifär, was auf dasselbe herauskommt. Die Neue Rechte hat sich vom freiheitlichen Gedanken des Liberalismus einfach dorthin bewegt, wo einst die Linke war, insofern sind natürlich Oskar & Sahra einstige Linke & Neue Rechte. Man könnte aber auch sagen, Sahra tritt für die Kranken & Schwachen ein, argumentiere also christlich ohne Gott, ohne das weiter auszuführen, während ihre Partei aber lieber für ca. 300 diverse Deutsche Staatsbürger, mehr sind es nicht, also quasi für niemanden, außer sich selbst, Politik macht.

Laurenz

17. April 2021 03:28

"Deutsche Geschichtsdeutung"

Der Begriff "deutsch" faßt eigentlich alles zusammen, was Europäisch ist, exklusive Südeuropa, aber aus Höflichkeit unterscheidet man national-staatlich.

Ursprünglich bilden sich ehemals deutsche Stämme aus dem, was die Edda als Wanen bezeichnet, in unserem Sinne sind hiermit Kelten gemeint und den Asen (Germanen), was wir heute als Skyto-Sarmaten bezeichnen würden, welche aus Osteuropa stammen. Laut Edda übernahmen die Asen in vor-christlicher Zeit die gesellschaftlich bestimmende Rolle & sind, ähnlich den Hebräern, "dem Golde erlegen". 

Insofern ist historisch das "Deutsch sein" eindeutig definiert. Hiervon ausnehmen können wir die finno-ukrischen Stämme, die einzigen weißen Nomaden, welche heute meist in Finnland & Ungarn leben, aber auch hier gibt es natürlich durch die Neuzeit, wie zB Habsburger k&k, Überschneidungen.

frdnkndr

17. April 2021 09:08

'Die Frage ist doch, ob das was Frau Wagenknecht zum Besten gibt, überhaupt als politisches Programm gelten kann - oder nicht viel mehr als selbstverständlicher politischer Minimalkonsens.'

Volle Zustimmung, @liwddri

Oder mit den Worten von @Leander:

'... einfach gesunder Menschenverstand...' 

Dass diese eigentlich völlig selbstverständlichen Fakten (!) nicht nur immer wieder klargestellt werden müssen, sondern in weiten Teilen der Bevölkerung aktuell Skepsis bis offene Ablehnung (mit eimerweise Hass und Hetze in Richtung der wohlmeinenden Boten) hervorrufen, verdeutlicht so stark wie wenig Anderes, WIE weit gesellschaftszersetzende Einstellungen mittlerweile etabliert sind. 

Marc_Aurel

17. April 2021 09:35

KlausD.
„Naja, tatsächlich ist die deutsche Presse auch mehr Lücken- als Lügenpresse.“

Meinen Sie, ich würde eher sagen, dass das Etikett „Lügenpresse“ nicht nur vollkommen gerechtfertig war/ist, sondern mittlerweile sogar eine Verharmlosung darstellt, da der Ton und die Art der Berichterstattung in den entsprechenden Medien in den letzten Jahren zunehmend aggressiver geworden sind und bisweilen in offene Hetze übergehen, die nicht mehr nur verleumden, was schlimm genug ist, sondern regelrecht vernichten möchte (vorerst verbal) , in dem sie Andersdenkende als unsozial, dumm, gefährlich, radikal, extrem, schädlich, als Unmenschen, Pack, Zusammenrottung usw. bezeichnet.

Ob die „Westpresse“ zu Zeiten des kalten Krieges tatsächlich soviel neutraler war, das müsste man einmal ernsthaft untersuchen, daran habe ich so meine Zweifel, denn das was wir heute haben, stellt ja die weiterentwickelte „Westpresse“ dar. Das die Lügen der „Ostpresse“ leichter zu erkennen waren, lag wohl vor allen Dingen daran, dass sie ständig für jederman offensichtlich von der Wirklichkeit konterkariert wurden (Mangelwirtschaft, Bausubstanz etc.)

Maiordomus

17. April 2021 10:36

Die heutige NZZ mokiert sich ziemlich spiessig über den halbwegs temperamentvollen Machtkampf zwischen Söder und Laschet, was Frank A. Meyer schon mit der Wiederauferstehung der Demokratie in Deutschland verwechselt. Es stimmt aber, dass fast in jeder Nummer der NZZ ein lesenswerter Artikel steht, das sieht ein kluger Vorredner sehr richtig. Es wäre übrigens keine Kleinigkeit, sich im Dante-Jahr mit Dante zu beschäftigen, wenigstens dann, wenn man als Alternative zu Brüssel-Europa sich noch ein langfristiges geistiges Europa vorstellen könnte. Dass Dante im übirgen fünf von sechs Päpsten in der Hölle platzierte, machte ihn zum echten Ghibellinen, bei welchen er im übrigen zur "Weissen Partei" gehörte, was ihm immerhin lebenslange Verbannung aus seiner Heimatstadt Florenz eintrug. Studiere regelmässig das 2 200 - Seiten-Lexkon "Encyplodia Dantesca" vom Schweizer Protestanten Scartazzetti, ca. 120 Jahre alt, aber mit faszinierendem verschüttetem Wissen und gesunder Distanz sowohl zu nationalistischer als auch kirchenfrömmlerischer Dante-Deutung. Nicht zu unterschätzen bleibt auch der Pandemie-Spezialist und Dantebiograph Boccaccio, der wohl bis heute bedeutendste Novellendichter Europas. Selbst Lessings Ringparabel, von B. vermittelt, bleibt da nur noch eine Fussnote der Literaturgeschichte. 

Laurenz

17. April 2021 11:31

@Marc_Aurel @KlausD.

Sie haben das richtig erfaßt, o Caesare.

Historisch gab es journalistisch deswegen mehr Freiraum in der Bonner Republik, weil man über Jahrzehnte die falsche! Unterstützung & Bekämpfung der politisch genehmen oder unangenehmen Diktatoren ausbügeln mußte. Wenn man offensichtliche Unfreiheit benutzt, um sie als politisches Kalkül zu benutzen, muß man wiederum Freiheit gewähren. Seit Stalin lief das so. Und man hat noch 37 Jahre nach Stalins Tod gebraucht, um Stalin endlich zu beseitigen. Ich kann Ihnen aber nicht sagen, warum Kennedy der Meinung war, den Sowjets Weizen liefern zu müssen. Irgendwer scheint auch damals ein Interesse daran gehabt zu haben, das Überleben der Sowjetunion zu prolongieren.

Jetzt ist der Warschauer Pakt futsch, & damit ist auch die Freiheit, sprich jeglicher Journalismus futsch. Was im Grunde in unseren Pseudo-Medien passiert, ist der Verdunkelung militärischer & geheimdienstlicher Unterwerfung des gesamten Planeten. Wir leben im Zeitalter des Neo-Kolonialismus. Unmenschlichkeit, um die Kobolde aus dem kongolesischen Boden zu holen, ist für die Pseudo-Grünen voll ok. Es dient ja dem höheren Zweck, selbst zu den Gralshütern zu gehören, giftige Batterien, kaputte Landschaften wurden eben zum Gral gekürt.

Gustav Grambauer

17. April 2021 11:32

Laurenz

I

"In der Causa Wagenknecht gibt es nicht viel zu debattieren. Sahra, das persönliche Produkt Oskars, ist mit Oskar einfach über die Jahrzehnte da stehen geblieben, wo einst das Linke zuhause war. Das kann man ruhig noch in die Kaiser- & Weimarer Zeit verorten."

Abgesehen davon, daß sie auch schon beachtenswert gewesen war bevor "Lafo" in ihr Leben trat und ich bei ihr trotz Bruches mit Stalin ihre Ziehmutter Ellen Brombacher immer noch viel stärker als z. B. ihn nachwirken sehe, ist sie m. E. im Hinblick auf die hier maßgeblichen Fragen am auffälligsten in den 30er Jahren verortet, und zwar steckt Frau Wagenknecht für mein Dafürhalten tief in der damaligen - hochkomplexen und vielschichtig-verwickelten - Ambivalenz zwischen Volks- und Einheitsfrontdenken und andererseits der Sozialfaschismusdoktrin fest. An der heutigen Metamorphose der Konstellation von, sagen wir, 1935 (bzw. an dem, was sie dafür hält) arbeitet sie sich doch geradezu ab, weit über die SPD hinaus erweitert in dem Sinne, in dem Sloterdijk von der Sozialdemokratisierung des gesamten Westens spricht!

Gustav Grambauer

17. April 2021 11:32

II

Die Frage für uns ist doch: was könnte die Rechte tun, um Frau Wagenknecht und ihre Traditionslinie aus diesem Knäuel herauszuholen? Antwort: wenn diese Traditionslinie ihr eigenes Knäuel nach 100 Jahren (seit Noske) nicht entwirren konnte (weil dem die Besessenheit vom Geist ihrer Toten entgegensteht), dann probieren wir doch mal, ob wir es entwirren können, wozu die jetzt heraufziehende neue Diktatur doch eine prima Gelegenheit ist. Soviel kann man jetzt schon sagen: die Entstalinisierung wäre im Vergleich damit ein laues Lüftchen gewesen. Wenn Frau Wagenknecht und die Ihren zum Beispiel das Wirken ihrer hochverehrten Toten einmal tiefer erfassen würden, dann würden bei ihnen ganze Loyalitäts-Kaskaden in sich zusammenbrechen.

Anknüpfen könnte man an ihrem Nachhängen am Ulbrichtianischen (hört, hört ...) "Denn-er-war-Unser", ergo man müßte sie mal mit der Frage konfrontieren, wie sich ihr geliebter Goethe z. B. zu Rosa Luxemburg positioniert hätte.

- G. G.

Laurenz

17. April 2021 11:44

@Marc_Aurel @KlausD. (2)

Die hier oft angesprochene Angst des Bevölkerung vor Veränderung ist quasi der biblischen Erbsünde geschuldet. Uns steckt noch in den Knochen, daß wir relativ häufig in den letzten 200 Jahren vor allem unangenehme, leidvolle Veränderungen erfahren mußten. Deswegen wird der Streit, Söder oder Laschet, nicht als Aufleben der Demokratie wahrgenommen, sondern, wie bei Seehofer & Merkel als Streit, welcher auf Veränderungen hindeutet, die wir, wie der Teufel das Weihwasser, scheuen. Die Migranten-Invasion etc. ist überhaupt gar kein Problem, solange sich für den Wähler persönlich nichts verändert.

Wer hier tatsächlich politische Veränderung wünscht, muß willentlich die Lebensumstände mehrheitlich verschlechtern & dafür dem politischen Gegner die Schuld in die Schuhe schieben.

Politik ist immer opportun. Auch die Mandats-Träger der Linken wissen, ohne BK gelesen zu haben, daß es für die nächste Wahl nicht gut aussieht. Um die eigenen Pöstchen zu retten, hat der Landesverband der Linken in NRW nicht umsonst Sahra Wagenknecht auf den Listenplatz 1 gehievt. Auch Dr. Neu, einer der wenigen klugen Köpfe bei Die Linke, hält aktuell die Klappe, was NATO etc. angeht, um koalitionsfähig zu werden. Alles dient nur dem eigenen Lebensmodell.

Gracchus

17. April 2021 12:06

M. E. ist das, was Wagenknecht sagt, einfach vernünftig. Was Höcke in dem Weltwoche-Interview sagt, ist m. E. auch vernünftig. Und nu? 

Rechts oder links? Wagenknecht erzählt, dass sie als Kind wegen ihres fremdländischen Aussehens gehänselt wurde. Sie war eine Aussenseiterin - das hat sie offenbar geprägt. Daraus ist wohl mit der Zeit ein gewisser Stolz erwachsen. Daher kann sie die Jammertiraden der Lifestyle-Linken, die ihr (vermeintliches) Anderssein letztlich nicht ertragen, nur schwer ertragen. Pasolini hat diese "Konformität des Andersseins" der Lifestyle-Linken in seinen Freibeuterschrift schon längst aufgespießt. Die kapitalistische Wirtschaftsweise verheert traditionelle Kulturen, überhaupt jede Kultur. Was übrig bleibt, ist Ethnokitsch. "Diversität" ist Fake. Die Simulation von Differenz im Immergleichen ... oh, jetzt bin ich abgeschweift ... 

Phil

17. April 2021 12:40

Eine gewisse Westorientierung der Schweiz ist einleuchtend, @Maiordomus; bei meiner Formulierung war mehr der Wunsch Vater des Gedankens: ich wünsche mir, was Nachrichten des Tages angeht, einen wirklich neutralen Journalismus. @Laurenz hat leider Recht, solch neutrale Berichterstattung gibt es nicht.

Seit 2015 boykottiere ich Zeitungen und Nachrichtensendungen komplett. Aber ich möchte doch (wieder) mitbekommen, was so passiert.

Was soll ich da lesen? Wo informiert ihr euch, Schreiber und Leser der Sezession?

Zur Weltwoche (die ja nun nicht tagesaktuell ist (und daher aus meiner Sicht nicht neutral sein muss)): Dort fehlt es an Kapitalismusskepsis und Umweltbewusstsein, oder? Sie kommt mir etwas neocon vor, wenngleich das köppelsche Gegen-den-Strich-Bürsten aller Ehren wert ist.

Laurenz

17. April 2021 13:12

@Gustav Grambauer @Laurenz

Will Ihrer historischen Ausweitung der Debatte gar nicht widersprechen, Sie haben Sich mit dem Schicksal Wagenknechts wohl mehr beschäftigt als meine Wenigkeit.

Ich kann Ihnen nur nahelegen, den Marxismus als Religion mit verschiedenen Fraktionen zu begreifen.

Und Sie werden deshalb Wagenknecht nicht zum Vortrag beim IfS bewegen können, weil es das innerste religiöse Selbstverständnis Wagenknechts zur Lebenslüge degradieren würde.

Und sich Lebenslügen einzugestehen, ist wohl das schwierigste Unterfangen vor allem für relativ intelligente Menschen. Bei nicht- oder wenig intelligenten Menschen gibt es nichts einzugestehen.

KlausD.

17. April 2021 13:15

@Eo und @Marc_Aurel

"mehr Lügen- als Lückenpresse"

Selbstverständlich gebe ich ihnen recht, am deutlichsten an der gegenwärtigen und alles überlagernden "Kriegspropaganda" gegen den gemeinsamen "Feind" Corona festzustellen. Mittlerweile habe ich es jedoch aufgegeben, mich über die Lügerei der deutschen Medien groß aufzuregen. Immerhin gibt es noch alternative Informationsquellen. Und eine davon ist RT Deutsch als sehr willkommener und dringend benötigter "Lückenfüller".

Imagine

17. April 2021 13:26

1/3

Wagenknecht und Höcke sind Retro-Politiker, sie wollen zurück in  längst untergegangene Zeiten, Wagenknecht ins sozialdemokratische, Höcke ins deutsch-nationale Zeitalter.

Beide Zeitalter sind gekennzeichnet durch ein bestimmtes gesellschaftliches Kräfteverhältnis.

Im sozialdemokratische Zeitalter gab es starke pro-sozialistische Massenorganisationen, Parteien und Gewerkschaften, die Klassenkompromisse mit der herrschendem Establishment erzwingen konnte. Der große historische Kompromiss waren die Bismarckschen Sozialreformen. Die herrschende Klasse bot den Sozialstaat an, die SPD-Mehrheit verzichtete auf Revolution.

Auch die untergegangene „Soziale Marktwirtschaft“ stellte einen Klassenkompromiss dar.

Aber die Sozialdemokratie ist keine starke „Partei der Arbeit“ mehr und die Gewerkschaften sind durch und durch korrumpiert. Die Gewerkschaftsführer sind zu Co-Managern des Kapitals geworden, ihr Platz ist oben in der Betriebshierarchie, ihr Job als „Arbeitsdirektoren“ ist es, an der Maximierung der Profitabilität des Betriebes mitzuwirken („Arbeitsplätze erhalten“, „Produktionsverlagerungen vermeiden“, daher Lohnverzicht akzeptieren), entsprechend hoch sind ihre Einkommen und Status. Man denke z.B. an Peter Hartz.

Am Deutlichsten wurde der Wandel der Sozialdemokratie in der Regierung Schröder mit der Wende zum Neoliberalismus, verbunden mit Deregulierung, Sozialabbau etc.

 

Imagine

17. April 2021 13:28

2/3

Die „Soziale Marktwirtschaft“ ist eine spätestens um die Jahrtausendwende irreversibel untergegangene Geschichtsepoche. No Way back, schon gar nicht im heutigen Entwicklungsstadium des Systems und seinen sozialen Kräfteverhältnissen.

Auch wenn Leute wie Albrecht Müller mit seinen NDS dieser Illusion anhängen.

Die Illusion der Möglichkeit einer Rückkehr zu Zeiten der Marktwirtschaft basiert auf irrationalem Wunschdenken und deren Anhängerschaft erinnert immer mehr an die Zeugen Jehovas.

Ob Wagenknecht wirklich daran glaubt, wage ich zu bezweifeln. Sie ist Berufspolitikerin und ihr Job ist es, Stimmen zu requirieren. Die Belohnung ist dann der Sitz im Bundestag mit all den damit verbundenen Privilegien, wie Spitzeneinkommen, bezahltes Personal, Fahrbereitschaft, Dauerplatz in den Talkshows etc.

Höcke phantasiert von einer Rückkehr zu Zeiten, als die Mehrheit der Deutschen noch deutsch-national fühlten und dachten. Doch diese Zeiten sind schon lange vorbei. Heute sind die nationalen Rechten ein Randgruppenphänomen. Höcke weiß, dass eine Partei der nationalen Rechten mit ihm als Führer bundesweit die Fünfprozenthürde nicht überwinden würde.

Imagine

17. April 2021 13:30

3/3

Höckes Politik ist daher adressiert an jenen Teil der Massen, die frustriert sind und über wenig politische Bildung und Macht verfügen. Die Intelligenzschichten hingegen kann Höcke mit seinem Wahlprogramm nicht erreichen. Denn die Forderung nach Austritt aus der EU ist politisch und ökonomisch Nonsens, die Forderung nach Verbot des Familiennachzugs für Migranten ist rechtswidrig und verfassungsfeindlich und appelliert an ausländerfeindliche Affekte.

Die Wahlparole „Deutschland. Aber normal.“ ist ein Eigentor. Weil jeder Mensch mit Restverstand weiß, dass eine Rückkehr zu jener Normalität „vor Corona“ unmöglich ist.

Wagenknecht und Höcke wollen zurück zu längst untergegangen Zeiten. Beide wollen einen Reformweg ohne Gewalt und ohne Revolution.

Weil beide keine Transformation des gesellschaftlichen Systems wollen, beschränken sie sich auf systemimmanente Parteipolitik, obwohl sie wissen, dass sie für ihre Ziele unter den herrschenden Machtverhältnissen niemals eine parlamentarische Mehrheit erreichen werden.

 

Laurenz

17. April 2021 13:32

@Phil

Lese den Relotius zur Feindaufklärung. Da steht alles Irre drin, was in vernünftigen Zeiten jeden in die Klapse bringen würde. Rudolf Augstein, würde er noch leben, hätte wohl die Redaktion längst eigenhändig erschossen. Früher las ich noch den Tagesspiegel & die NZZ zu demselben Zweck, bis ich merkte, daß ich mir das sparen kann. Vom konservativen Standpunkt aus, überfliege ich Tichys, JF (, die aber immer schlechter wird), Achgut & SiN, vom alt-linken Standpunkt aus, KenFM, Nachdenkseiten & Heise-Telepolis. Ein paarmal im Monat überfliege ich EpochTimes. Die Russen, Sputnik, RT & Russia beyond werden manchmal langweilig. Den ÖRR habe ich mittlerweile fast völlig ausgeblendet, diesen Wahnsinn kann man ab IQ85 nicht ertragen. Zur Unterhaltung gönne ich mir Tim Kellner oder "Die Macht um 8", welche den ÖRR zumindest amüsant aufbereiten.

Stauffacher

17. April 2021 13:45

Zur NZZ: Vor Jahren ist ruchbar geworden, dass der damalige Chefredaktor, Marc Spillmann, an einer Bilderberg-Konferenz teilgenommen hat. Wohl ist er daraufhin fristlos entlassen worden (ein einmaliger Vorgang in der bald 250-jährigen Geschichte dieser Zeitung), aber es wäre naïv zu glauben, dass Herr Spillmann ohne Wissen und Billigung des Verwaltungsrates (schweizerisches Pendant zum Aufsichtsrat in Deutschland) an dieser Konferenz teilgenommen hat. Damit ist der Ruf der journalistischen Unabhängigkeit der NZZ nachhaltig ramponiert ...

Stauffacher

17. April 2021 13:50

Roger Köppel hat den Vorteil, dass er sein eigener Verleger ist. Demzufolge braucht er in seiner journalistischen Arbeit auf keine Vorgesetzten Rücksicht zu nehmen. Nachdem er die WELTWOCHE übernommen hat, hat er sie nach dem Vorbild des britischen SPECTATOR (ehemaliger Herausgeber: Boris Johnson) umgemodelt.

Laurenz

17. April 2021 14:27

 

@Imagine

Sie liegen, wie meist, falsch.

Höcke & Wagenknecht (etwas weniger) treten ökonomisch im weiteren Sinne für das chinesische nationalstaatliche Model ein, ohne uns einem autoritären Regime ausliefern zu wollen. Das heißt quasi China mit Wahlrecht. Das ist auch die einzige Zukunftsperspektive, wenn die aktuellen Lutscher zu Berlin gescheitert sein werden, was auch für Sie abzusehen ist.

Maiordomus

17. April 2021 14:41

Es bleibt dabei, dass die Weltwoche ein viel breiteres Meinungsspektrum zulässt als praktisch alle Zeitungen und Zeitschriften in deutscher Sprache, sowohl nach links wie nach rechts, als die NZZ/ oder gar die elektronischen Medien der Staatsfunkanstalten in DE, CH. AU usw. Bei einem Durchhänger gibt es aber immer noch stets mindestens einen sehr gut recherchierten Artikel pro Nummer, nicht selten etwa vom Reporter Alex Baur. Interessanterweise kommen über Wagenknecht hinaus dort auch regelmässig Linke zum Wort, nicht ausgeschlossen ferner Kirchenkritiker oder wenigstens Kirchengegner, weil etwa bei Engeler und anderen das Format dazu nicht reicht. Verweise noch auf den relativ kritischen Nachruf auf Hans Küng in der neuesten Nummer mit Gesichtspunkten zu den Lebenslügen der sog. fortschrittlichen Theologie, angefangen von der Verwechslung des Tierreiches mit progressiven Vorstellungen von "Diversität" bis hin zu den Lügen bei Abdankungen, worauf seinerzeit via  "Leichenreden" der Küng in Sachen Tiefe übertreffende Kurt Marti schon aufmerksam gemacht hat. 

anatol broder

17. April 2021 14:44

@ phil 12:40

von den staatlich abhängigen medien lese ich nur die einkommens­steuer­erklärung eines ört­lichen steuer­beraters. am meisten schätze ich seinen witz, mit dem er die absurdesten berechnungen anstellt, nur um sie mit meinem namen zu über­schreiben. das sahne­häubchen ist der solidaritäts­zuschlag. ich sammele die ausgaben sogar.

Maiordomus

17. April 2021 14:53

Zur neuesten Nummer der NZZ: die brauchbaren Artikel betreffen nicht bloss das Unpolitische. Der Beitrag über den sog. Rassismus bei Kant, der in Deutschland bzw. in Berlin unterdessen Zivilreligion wird, kritisiert die Untersteller der These als Nichtleser Kants und mahnt auf alle Fälle Differenzierungen an, wiewohl immer noch vorsichtig genug. 

Der_Juergen

17. April 2021 15:25

@Phil

"Wie informiert ihr euch, Schreiber und Leser der Sezession?"

Ich kann naturgemäss nur für mich antworten; hier meine primären Informationsquellen:

Teil I

Abonniert habe ich "Sezession", "Compact", "Zuerst" und die "Expresszeitung". Die "Weltwoche" erhalte ich mit Verspätung von einer Freundin, die sie mir nach ihrer Lektüre überlässt. Im Netz lese ich neben "Sezssion" stets das "National Journal" und schaue ein- bis zweimal wöchentlich bei Michael Mannheimer und PI vorbei. Parallel dazu schaue ich mit meiner Frau regelmässig russische Sendungen in russ. Sprache, sowohl Putin-treue als auch mehr oder weniger deutlich oppositionelle. Natürlich sind wir uns bewusst, dass auch dort häufg Propaganda betrieben wird; bezüglich der Geschichte des 2. Weltkriegs gibt es nicht mehr Bemühungen um Objektivität als in den BRD-Qualitätsmedien, aber in Bezug auf die Gegenwartspolitik wird doch unvergleichlich weniger gelogen als im Westen. Wenn Sie sich für Namen interessieren, kann ich sie Ihnen nennen.

 

Der_Juergen

17. April 2021 15:26

@Phil

Teil 2

"Fox News" habe ich vor und unmittelbar nach den US-Wahlen verfolgt, jetzt nicht mehr. Auch Alex Jones schaue ich mir kaum noch an, da er Fakten und Fiktion allzu grosszügig vermischt. - Um rechtsintellektuelle US-Foren wie "Occidental Observer" zu besuchen, finde ich leider kaum noch Zeit. Desgleichen fehlt mir die Zeit, um Nachrichten in anderen Sprachen als deutsch, russisch und englisch zu verfolgen. Man muss halt eine Auswahl treffen.

Marc_Aurel

17. April 2021 15:47

@Imagine
Sie überschätzen die durchschnittliche politische Bildung der „Intelligenzschichten“ deutlich, außer ein paar wiedergekäuten Relotious-Denkmustern kommt da meistens nicht viel, leider, wenn auch wortreich serviert. Meines Erachtens liegt das daran, dass dieses Schichten im Durchschnitt deutlich mehr Leitmedien konsumieren und sich dadurch das Gift/die Propaganda direkt in die Venen spritzen, mit den entsprechenden Effekten, sicherlich in dem Glauben daran sich selbst etwas Gutes zu tun.

Die von Ihnen geschmähten „Teile der Masse mit wenig Macht“, die vielleicht weniger lesen, sind in ihren Einschätzungen der Vorgänge basierend auf Lebenserfahrung und Instinkt häufig deutlich treffsicherer als die Kopflastigen.

Warum sollte ein Austritt aus der EU nicht machbar sein? Natürlich nicht von Knall auf Fall und kopflos, aber mit einem durchdachtem Ausstiegskonzept sehe ich da keine unüberwindbaren Hürden.

Die bundesdeutsche Politik appelliert ständig an inländerfeindliche Affekte, stört Sie das auch?

Eine Rückkehr zur Normaliät mit/nach Corona könnte es doch durchaus geben, man müsste zunächst nur die Hysteriemaschinerie abschalten und dann daran gehen, die fatalen Folgen des ständigen Ausnahmezustandes Schritt für Schritt zu beseitigen, soweit möglich.

Wahrheitssucher

17. April 2021 17:16

@ Phil et al

“Was soll ich da lesen? Wo informiert ihr euch, Schreiber und Leser der Sezession?“

Lesenswert:

https://paz.de/  „Preußische Allgemeine“

https://www.dasgelbeforum.net/

Laurenz

17. April 2021 17:23

@Maiordomus & Der_Juergen & Phil

https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/ erachte ich auch als gute Quelle. Hier die Eigentümer & Redaktion http://deutsche-wirtschafts-nachrichten-unternehmen.de/ueber-uns

Natürlich wurde dieses Blatt, wegen unpassendem Meinungsspektrum auch durch den Kakao gezogen, und die Commerzbank sprang als Anzeigenschalter ab, was es auch diesem Verlag natürlich nicht einfacher macht.

Ich erachte vor allem den ökonomischen Blickwinkel des Blatts oft als aussagekräftiger als philosophische -.

@Anatol Broder

Ihr Schuppen, die Schopenhauer-Gesellschaft, ist ja ein global agierender Laden. Aktuell lebendes Ehren-Mitglied ist der Japaner, Prof. Dr. Kamata. Immerhin beträgt die Mitglieder-Zahl des Vereins etwa ein drittel der Jesuiten. Da bekommt man doch schon was mit. 

Die Romane für das Finanzamt braucht man nur 6 Jahre aufheben.

Jan

17. April 2021 18:56

Teil 1:

Problem ist, dass die politischen Vorstellungen Wagenknechts oder Höckes für gewisse mächtige Kreise aus Wirtschaft, Hochfinanz und Big Tech nicht interessant sind, sondern diesen sogar widerstreben. Also müssen solche Personen und ihre Ideen bekämpft werden, das erleben wir gerade. Diese Kreise suchen sich immer die für sie nützlichen politischen Strömungen und momentan sind das neben den üblichen etablierten Altparteien eben die Lifestyle-Linken. Deswegen, und nur deswegen weil sie nützlich im Sinne von ökonomischer Verwertung sind, setzen sich diese ganzen Diversity-Sachen so flächendeckend durch.

Ich halte eine bekannte Werbekampagne aus meiner Jugendzeit übrigens für die Mutter aller "woken" Diversity-Strategien: "United Colors Of Benetton". Habe diese Kampagne damals übrigens gar nicht verstanden und dachte immer, der Hersteller wollte damit nur auf die mannigfaltige Farbpalette seiner Textilien aufmerksam machen. Wie blöd von mir, aber die ethnische Buntheit spiegelte sich auf deutschen Straßen noch nicht so stark wider, dass ich diese geistige Verknüpfung hinkriegte. Letztendlich verpuffte das noch.   

 

Jan

17. April 2021 18:56

Teil 2:

Wenn man sich anschaut, wie mächtig der Gegner ist, ist es völlig naiv zu glauben, auf eine flächendeckende Graswurzelbewegung setzen zu können, die nicht mächtig von oben gegossen wird. Die Beherrschung des vorpolitischen Raumes durch grüne Ideen ist doch nur möglich, weil Milliarden in unzählige NGOs investiert werden, die in der Bevölkerung und in den Medien für die nötige Vorarbeit der Meinungsbildung sorgen. Auf den gesunden Menschenverstand der Massen würde ich nicht setzen, denn Massen sind vergesslich und hochgradig anfällig für Manipulationen.

Die Frage ist, für welche finanziell potenten Kreise könnten Wagenknechts oder Höckes Überlegungen interessant sein? Wen gibt es da oder gibt es da überhaupt jemanden? Solange diese Fragen nicht geklärt sind und zwar mit positivem Ergebnis, kommt da auch nichts ins Rollen, egal wieviel kluge Bücher und Artikel noch geschrieben werden. Es prallt an der Ignoranz der Masse leider ab.    

Laurenz

17. April 2021 23:05

@Jan

Umso extremer eine politische Stilisierung agiert, umso mehr stehen auf, um für Alternativen zu werben, da Polarisierung grundsätzlich & universal den Gegenpol erschafft, siehe Goethe.

Man versucht natürlich solche Gegen-Polarisierungen zu steuern, aber das verunfallt meist, wie die Beispiele Iran oder Vietnam zeigen. Intelligenz-Dienstleister leben selbst in mentalen Oasen & versagen öfter als man glauben mag oder kennen Sie jemanden, der an das NSU-Urteil glaubt?

Der Mittelstand und auch der BDI bekommen grad gewaltig auf die Fresse für ihre Jahrzehnte andauernde Regierungstreue. Die Vertreter dieser Verbände werden selbst nach neuen politischen Alternativen suchen, solange sie nicht verunfallen, wie Herr Ohoven.

Lotta Vorbeck

18. April 2021 06:16

@Gustav - 17. April 2021 - 05:31 PM

Der von Ihnen bereitgestellte Link für einen Blick in die nahe Zukunft funktioniert (anscheinend) nicht.

 

---

 

+ Blick in die Gegenwart №.1

LOS ANGELES POLICE DEPARTMENT STARTET DIE "OPERATION HOMEBOUND"

 

+ Blick in die Gegenwart №.2

Ludwigshafen OB Jutta Steinruck: "Es ist keine Zeit für Diskussionen, ob das alles notwendig ist."

 

+ Blick in die Gegenwart №.3

Düsseldorf, 17.04.2021

 

+ Blick in die Gegenwart №.4

Berlin, 17.04.2021 - Umgang mit einem Rollstuhlfahrer - Teil 1

Berlin, 17.04.2021 - Umgang mit einem Rollstuhlfahrer - Teil 2

 

Imagine

18. April 2021 11:08

@Laurenz  17. April 2021 14:27
„Höcke & Wagenknecht (etwas weniger) treten ökonomisch im weiteren Sinne für das chinesische nationalstaatliche Model ein, ohne uns einem autoritären Regime ausliefern zu wollen.“

Eine Behauptung, die lediglich Phantasieprodukt ist.

Wo sind Ihre Belege dafür?

Wo hat sich Wagenknecht zum chinesischen Modell geäußert?

Wagenknechts Wirtschaftsmodell orientiert sich am Ordoliberalismus. Was völlig realitätsfern ist, weil dieses einen klassenneutralen und gemeinwohlorientierten Staat voraussetzt, den es nirgendwo in der realen kapitalistischen Welt gibt. Sondern der Staat wird von Machtgruppen beherrscht, welche das Gegenteil von gemeinwohlorientiert sind.

Höcke ist Nationalromantiker, der Geschichte und Sport studiert hat. Politische Ökonomie und Weltentwicklung sind nicht sein Ding. Für ihn ist „solidarischer Patriotismus“ identisch mit sozialer Marktwirtschaft. Nur ist dieses Stadium kapitalistischer Entwicklung irreversibel Vergangenheit. No Way back.

 

Laurenz

18. April 2021 15:21

@Imagine @Laurenz

"Wagenknechts Wirtschaftsmodell orientiert sich am Ordoliberalismus. Was völlig realitätsfern ist, weil dieses einen klassenneutralen und gemeinwohlorientierten Staat voraussetzt, den es nirgendwo in der realen kapitalistischen Welt gibt."

China existiert. China ist, was wir hier bereits geklärt haben, nationalstaatlich autoritär regiert mit erlaubtem Privateigentum für Chinesen, also nationalsozialistisch.

Beiden Politikern, Höcke & Wagenknecht, unterstelle ich keine Perspektive auf autoritäre Regierungssysteme. Das zum einen. Zum anderen haben beide Politiker erkannt, daß es einen Sozialstaat nur in mehr oder weniger indigenen Staaten geben kann, was Wagenknecht in ihrer Partei Ärger bereitet, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Wobei man sich hier noch nicht einmal auf den üblen Rassisten Marx beziehen kann.

Können Sie auch hier im BK-Artikel nachlesen.

Desweiteren nehmen Sie einfach nur die falschen Quellen zur Hand. Ihre Ihnen politisch nahestehenden Freunde von Telepolis bringen exakt die Nachricht, der Sie ohne Beleg widersprechen. 

https://www.heise.de/tp/features/China-jetzt-ohne-extreme-Armut-6018707.html

Das ist tatsächlich eine in der Menschheitsgeschichte nie dagewesene Leistung. Einfach weniger von irgendwelchen Pseudo- & Möchtegern-Experten nachplappern, Imagine. Selbständig denken ist immer die bessere Wahl.

Gustav

18. April 2021 16:20

@ Lotta

"Der von Ihnen bereitgestellte Link für einen Blick in die nahe Zukunft funktioniert (anscheinend) nicht. "

Gerade noch mal probiert, keine Probleme!

Lotta Vorbeck

18. April 2021 17:06

@Gustav - 18. April 2021 - 04:20 PM

---> Stand 18. April 2021 - 05:00 PM:

Diese Seite funktioniert nicht

va.media.tumblr.com kann diese Anfrage momentan nicht verarbeiten.

HTTP ERROR 501

Imagine

18. April 2021 17:57

@Laurenz   18. April 2021 15:21
„China existiert. China ist, was wir hier bereits geklärt haben, nationalstaatlich autoritär regiert mit erlaubtem Privateigentum für Chinesen, also nationalsozialistisch.“

Haben Sie nun vollends den Verstand verloren, China als „nationalsozialistisch“ zu klassifizieren und zu behaupten, Höcke und Wagenknecht seien Anhänger des chinesischen Modells?

Auch Ihre Behauptung, dass „es einen Sozialstaat nur in mehr oder weniger indigenen Staaten geben kann“ ist falsch. Einen Sozialstaat mit Sozialversicherungssystem kann es unabhängig von Abstammung und Hautfarbe überall geben, vorausgesetzt, es existiert eine echte Solidarbeziehung auf Basis moralischer und kultureller Gemeinsamkeit und ökonomisch entsprechen die Versicherungsleistungen den Versicherungsbeiträgen.

Jan

18. April 2021 19:45

@ Imagine 

"Haben Sie nun vollends den Verstand verloren, China als „nationalsozialistisch“ zu klassifizieren (...)"

Ich würde es nicht explizit so nennen, weil der NS ein totes politisches System deutscher Prägung ist. Es gibt aber gewisse Parallelen zwischen dem deutschen NS und dem aktuellen chinesischen System: Zentralistischer Ein-Parteienstaat, kapitalistisch-marktwirtschaftlich ausgerichtete Wirtschaft unter staatlichem Einfluss, die auf die Versorgung und den materiellen Fortschritt der Volksgemeinschaft der Han-Chinesen ausgerichtet ist, Erlaubnis von Privateigentum. Dazu kommt noch die Unterdrückung von ethnischen Minderheiten, staatlich forcierte Umvolkung in Xinjiang sowie die Errichtung von Konzentrationslagern, euphemistisch "Umerziehungslager" genannt. Inwiefern Letzteres zwangsläufig sein muss und inwieweit sowas auch schon vor '89 existiert hat, kann man diskutieren. Wie immer man das chinesische System auch nennen mag, es ist auf jeden Fall kein klassischer kommunistischer Staat marxistisch-leninistischer oder maoistischer Prägung mehr. 

  

Gracchus

18. April 2021 20:09

@imagine, Laurenz 

Bitte mal, @imagine, das chinesische Modell und wie es auf hiesige Verhältnisse übertragbar ist, skizzieren. Wo ich @imagine zustimme: Sozialstaarlichkeit ist nicht auf indigene Staaten (m. E. kann ein Staat nicht "indigen" sein) beschränkt. 

Man sollte sehen, dass der Staat, insbesondere der Sozialstaat, zum Beutestaat geworden ist, was an den Parteien liegt. Vielleicht übertreibe ich, aber für diesen Augiasstall braucht es einen Herkules. Der Sozialstaat hat sich m. E. als ungeeignet erwiesen, den Kapitalismus einzudämmen. Wenn man weitere Verarmung verhindern und die Voraussetzungen für ein wirtschaftliches Gleichgewicht schaffen wollte, müsste man drastische Maßnahmen, wie zum Beispiel Enteignung von Immobiliengesellschaften, ergreifen.

Lotta Vorbeck

18. April 2021 22:55

@Jan - 18. April 2021 - 07:45 PM

"Dazu kommt noch die Unterdrückung von ethnischen Minderheiten, staatlich forcierte Umvolkung ..."

... sowie das Anrichten gigantischer, kaum jemals wieder zu behender Naturschäden in Xīzàng aka dem 1951 von Rotchina invadierten und einkassierten "Dach der Welt" Tibet.

Man schaue in die Geschichte, um zu sehen, an welche Mächte sich Tibet seinerzeit, die drohende Invasion und Annexion vor Augen, vergeblich um Hilfe und Unterstützung bittend wandte und wie sich dieselben Mächte aktuell, nicht nur China gegenüber, verhalten.

Laurenz

18. April 2021 23:50

@Jan @Imagine 

"Ich würde es nicht explizit so (nationalsozialistisch) nennen, weil der NS ein totes politisches System deutscher Prägung ist."

Sie täuschen Sich.

Das heutige China-System wurde vom intellektuellen Supermann Deng Xiaoping (1904-1997) implementiert. Diese Lebensspanne, das Studium in Paris & Moskau bot Ihm Einblicke, in die jeweiligen konkurrierenden Gesellschaftssysteme. Ende der 70er an die Macht gekommen, wählte Er exakt das deutsche Modell des Nationalsozialismus aus, weil dieses als einziges 2 Wirtschaftswunder erschaffen hatte (das 2. deutsche Wirtschaftswunder nennt man heute "Soziale Marktwirtschaft".). Und China brauchte dringend ein Wunder. Dengs Vorgaben gelten weitestgehend bis heute, also schon über 40 Jahre. Er ist der absolut größte Politiker der letzten 1.000 Jahre, weltweit, wenn nicht überhaupt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Deng_Xiaoping

Cugel

19. April 2021 00:09

@Imagine
"Einen Sozialstaat mit Sozialversicherungssystem kann es unabhängig von Abstammung und Hautfarbe überall geben, vorausgesetzt, es existiert eine echte Solidarbeziehung auf Basis moralischer und kultureller Gemeinsamkeit und ökonomisch entsprechen die Versicherungsleistungen den Versicherungsbeiträgen."

"Wenn meine Tante Eier hätte, wäre sie mein Onkel."
Edgar Bronfman

Gracchus

19. April 2021 10:07

@Jan: Danke. Das entspricht auch meinem Kenntnisstand. 

Es handelt sich bei China also um einen humanistischen Vorzeigestaat. Sonst würden Sie @imagine China ja nicht so anpreisen. Der Witz ist - nimmt man @Laurenz - dass China D kopiert hat, Sie @imagine das Modell D (soziale Marktwirtschaft) für überholt halten. 

@Laurenz: imagine hat überhaupt nicht von einem Multikulti-Staat gesprochen. Deutsche Kultur ist nicht so einheitlich wie Sie's gerne hätten. Höcke sagt übrigens in der Weltwoche: Die Heimatvertriebenen wurden nicht mit offenen Armen empfangen. 

Imagine

19. April 2021 11:07

1/2

Der Sozialstaat ist ein staatliches Sozialversicherungssystem. Es wurde welthistorisch erstmalig in Deutschland 1883 durch Reichskanzler Bismarck etabliert. Zuerst wurde die gesetzliche Krankenversicherung, dann die Unfallversicherung und schließlich die Rentenversicherung eingeführt.

„Mein Gedanke war, die arbeitenden Klassen zu gewinnen, oder soll ich sagen zu bestechen, den Staat als soziale Einrichtung anzusehen, die ihretwegen besteht und für ihr Wohl sorgen möchte“
Otto von Bismarck

Der Bismarcksche Sozialstaat war ein Kompromissangebot der herrschenden Klasse an die Lohnarbeiterklasse: Versorgung und soziale Sicherung durch den Staat und auf Seiten der Arbeiterklasse Verzicht auf Revolution.

Es war eine Systemreform, mit der die Herrschaftsverhältnisse sowie das kapitalistische System erhalten blieben und zugleich der Klassenspaltung und den Verelendungstendenzen in der Arbeiterklasse entgegengewirkt wurde.

So wurde der soziale Frieden erhalten und die SPD zu einer systemkonformen Partei, wobei revolutionäre Sozialisten wie Liebknecht und Luxemburg weiterhin am Ziel der Systemüberwindung festhielten. Diese revolutionären Sozialisten nannten sich später Kommunisten.

Ein Sozialstaat ist auch in einem Vielvölkerstaat mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen möglich. Das beste Beispiel dafür ist die Schweiz. Allerdings braucht es eine einheitliche Rechtskultur.

Imagine

19. April 2021 11:08

2/2

Mit einem Nebeneinander von unterschiedlichen und inkompatiblen Rechtskulturen ist kein gelingendes Gemeinschaftsleben möglich, man braucht folglich eine gemeinsame Verfassung und Wertorientierung als „Gesellschaftsvertrag“, also eine Verfassung, die allgemein akzeptiert und gelebt wird.

Am Fehlen dieser gemeinsamen rechtlichen und kulturellen Basis werden Deutschland und Europa scheitern, weil im Grunde die Klassengesellschaft und der Klassenkampf nie überwunden wurde und seit 100 Jahren ein latenter Bürgerkrieg herrscht, der inzwischen zu einer immer tiefer werdenden Klassenspaltung geführt hat.

Aber diese gesellschaftlichen Zusammenhänge hat das rechte Milieu bis auf wenige Ausnahmen bislang nicht begriffen.

Die Nationalsozialisten wollten die kapitalistische Eigentumsordnung und das Herrschaftssystem in Form eines Staatskapitalismus und eines rassistischen Regimes erhalten und sahen die Kommunisten und den Sozialismus als ihre Hauptfeinde an.

Völlig blödsinnig ist es daher, die Politik der chinesischen KP als „nationalsozialistisch“ und Höcke als Anhänger des „chinesischen Modells“ zu bezeichnen.

Phil

19. April 2021 12:38

Vor meinem radikalen Medienboykott habe ich täglich Zeitung gelesen – natürlich zwischen den Zeilen – und sogar den einen oder anderen (auch nationalen) Leserbrief abgedruckt bekommen (teilweise noch vor Sarrazin und AfD), was heute – zumindest bei dieser Zeitung – nicht mehr möglich wäre.

Transatlantische Einseitigkeit/Propaganda/Heuchelei sowie das nervige "Flüchtlingsthema" (meine Zeitung brachte sogar ein Willkommensposter, aber da las ich sie schon nicht mehr) wurden mir irgendwann zu viel; mein Boykott, aber damit auch mein Weg in die Ignoranz, begann nicht lange, bevor die Mainstreammedien versuchten, die sogenannte "Kölner Silvesternacht" zu vertuschen.

Meine Frage "Was soll ich lesen?" bezieht sich also nicht auf politische Blogs o.ä., sondern auf eine Informationsquelle für tagesaktuelles Geschehen, bei der ein journalistischer Ehrenkodex noch halbwegs eingehalten wird.

Danke für Tipps.

Lotta Vorbeck

19. April 2021 13:04

@Phil - 19. April 2021 - 12:38 PM

"Meine Frage "Was soll ich lesen?" bezieht sich also nicht auf politische Blogs o.ä., sondern auf eine Informationsquelle für tagesaktuelles Geschehen, bei der ein journalistischer Ehrenkodex noch halbwegs eingehalten wird."

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