Ob LGTBQ-Problematik, Schutz der Familien oder Wirtschaftsprotektionismus: Es gibt einige Themenbereiche, in denen der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán den entsprechenden Medien als personifiziertes Ärgernis gilt.
So auch im aktuellen Fall im Streit um nationale Ansprüche auf nationale Güter. Daniel Imwinkelried berichtet für die NZZ (v. 30.7.2021) und ihre weltmarktfreundlichen Leser entsprechend meinungsstark: »Orban hat es auf ausländischen Besitz abgesehen«.
Worum geht’s? Um den Flughafen in Budapest, um »Ungarns Regierung, (die) ausländische Investoren aus dem Land drängen und deren Besitz nationalisieren will«:
Um in den Besitz des Flughafens zu gelangen, hat Ungarns Regierungschef Viktor Orban ein regelrechtes Powerplay aufgezogen. Und die Episode zeigt, dass sich ausländische Investoren derzeit auf Überraschungen gefasst machen müssen,
was wohl auch daran liegen dürfte, daß Orbán gewisse Entwicklungen seiner früheren Ägide korrigieren möchte. Denn
Budapests Flughafen befindet sich seit 2011 ganz in ausländischem Besitz, wobei Orban bereits an der Macht war, als in jenem Jahr die letzte Aktientranche von 25% an die privaten Investoren veräussert wurde,
was aus damaliger Sicht pragmatisch notwendig gewesen sein mag, nun aber auf der Agenda des souveränistischen Politikers steht, zumal Orbáns verstärkt in Ungarn agierender Partner – die Volksrepublik China – den Umsatz der rund um den Flughafen agierenden Firmen erheblich potenziert hat.
Dies erscheint um so relevanter,
seitdem eine Kooperation mit der chinesischen Henan Airport Group besteht. Der Flughafen sei ein Tor («Gateway») in Zentral- und Osteuropa und eröffne Firmen Geschäftschancen, etwa der Alibaba Group,
also einer der chinesischen Musterkonzernfamilien.
Ungarn lernt in diesem Kontext offenkundig von China, das bekannt ist für seine ökonomischen Mixturen aus staatlichen, halbstaatlichen und privaten Unternehmensformen:
Vor rund einem Jahr meldete daher ein teils privates, teils staatliches Konsortium sein Interesse am Flughafen an. Zu den Investoren zählten das Immobilienunternehmen Indotek des Unternehmers Daniel Jellinek, das Mineralölunternehmen MOL und der Staat selbst. Die Eigentümer zeigten den Interessenten aber die kalte Schulter. Der Staat jedoch liess nicht locker und gab diesen Monat erneut ein unverbindliches Kaufangebot ab. Offenbar strebt er jetzt eine Mehrheitsbeteiligung an,
Ausgang: offen.
Nun geht es aber nicht nur um den Flughafen als solches, so zentral seine Bedeutung auch für Ungarns Wirtschaftszweige ist. Es geht um mehr: Um die Rückerlangung nationaler Bestände, die in den diversen Privatisierungsphasen nach der liberalen Wende von 1989/90 – oft in ökonomischen Zwangssituationen – an Nichtungarn veräußert wurden.
Es ist dies kein rein ungarisches Thema, im übrigen, denn das große
Gewicht ausländischer Investoren ist in vielen osteuropäischen Ländern ein Thema. Tatsächlich sind diese in gewissen Sektoren in einem Ausmass präsent, das auch in manchem westeuropäischen Land für Kontroversen sorgen würde. Marktführer im ungarischen Versicherungsmarkt beispielsweise ist die deutsche Allianz vor Generali; der grösste einheimische Anbieter liegt bloss auf Platz sieben. (…) Das Unbehagen im Osten über gewisse «neokoloniale» Erscheinungen kann man somit mit viel gutem Willen teilweise nachvollziehen.
Gerade die ungarische Regierung macht ausländische Investoren aber mürbe, indem sie zweifelhafte Methoden anwendet. Als der Budapester Flughafen im Mai 2020 bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung beispielsweise ein kurzfristiges Darlehen beantragte, um auf dem Höhepunkt der Pandemie die Liquidität sicherzustellen, stellte sich die Exekutive quer. Das nährt den Verdacht, dass sie versucht, die ausländischen Eigentümer zu schwächen, um leichter an die Beute zu gelangen,
wobei »Beute« ein wenig pejorativ erscheinen mag, wenn es um Besitzstände eines Volkes und zentrale Infrastrukturbausteine einer Nation geht, die dem globalen Markt an sich überhaupt nicht zur freien Verfügung stehen sollten.
Nicht verschwiegen werden kann dabei natürlich der Umstand, daß Orbán bei den Nationalisierungsstrategien auf seine eigenen Vertrauten setzt: Ihm nahestehende Wirtschaftskreise profitieren von den Rückholaktionen in relevantem Umfang; Kritiker wie der – allerdings stark Orbán-gegnerische – Istvan Janos Toth sprechen seit längerem von »Günstlingswirtschaft« (Crony capitalism).
Indes
hat das Tauziehen um den Flughafen und das Ungarn-Geschäft von Aegon noch keine hohen Wellen geschlagen. Diese Auseinandersetzungen standen im Schatten der Empörung, die Orban mit seinem Gesetz gegen die Darstellung gleichgeschlechtlicher Beziehungen ausgelöst hat,
womit einmal mehr die Zeittendenz vergegenständlicht wird, wonach postmaterielle, ideologische Befindlichkeiten materielle Fragen in der politmedialen Rezeption überlagern.
Allmählich, die Fußballeuropameisterschaft mit ihren Empörungsritualen wider Ungarn ist längst passé, kommt jedoch Bewegung in die Sache – es kursiert ein … Brief! Und zwar vom CDU-Bundestagsabgeordneten Gunther Krichbaum. Er sandte ihn der EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen.
Darin heißt es:
Wir wollen wissen, ob das Vorgehen Ungarns mit den Regeln des Binnenmarkts vereinbar ist,
wie die NZZ Krichbaums Büroleiter zitiert.
Der nächste Konflikt Ungarns mit der EU scheint programmiert zu sein,
was einmal mehr das Faktum unterstreicht, daß die EU kein »Europa« im eigentlichen Sinne verkörpert, sondern seine Depravation als marktkonforme, marktdevote Interessensgemeinschaft mit einem stetig wachsenden politisch-administrativen Wasserkopf an ihrer Spitze.
Doch nicht in jedem Politikbereich agiert Viktor Orbán aus rechter Sicht inspirierend: Seine Coronamaßnahmenpolitik ist beispielsweise deutlich strenger als jene, die man hierzulande bisweilen als aufziehende »Corona-Diktatur« verwirft. In Ungarn ist die Impfquote höher (was die vollen Stadien bei der EM erklärte), der Druck, den Maßnahmen Folge zu leisten, ohnehin, und scharfe Kritik an Lockdown- und Impfgeschehen ist seit März 2020 sogar strafbar – der staatliche Kampf gegen das Virus ist gewissermaßen juristisch abgesichert worden.
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So weit sind wir in Deutschland noch nicht, aber auch hier spitzt sich die Lage nach einer kurzen Sommerpause wieder zu.
Zwar ist das Bundesland mit der weitreichendsten »Freiheit« samt Abschaffung der Maskenpflicht vor einigen Wochen – Sachsen – zugleich das Land mit der geringsten »Inzidenz«, und zwar ist auch der deutschsprachigen Öffentlichkeit bekannt, daß die Briten mit fallenden Zahlen gesegnet sind, obwohl (oder weil?) sie fast alle gesetzlichen Corona-Restriktionen verwarfen (vgl. Leitartikel NZZ v. 29.7.2021), aber trotzdem plant man seitens der Bundesregierung bereits neue Einschränkungen strengster Natur – vor allem für Ungeimpfte (ein Bericht bspw. hier).
In der Welt (v. 4.8.2021) kommentiert Chefredakteur Ulf Poschardt dabei einen Aspekt der Verschärfungspolitik – die drohende »Corona-Schleierfahndung« – und vermeldet: »Auf dem Weg in den autoritären Staat fällt das nächste Tabu«.
Von Zeit zu Zeit findet man in der – ansonsten: establishmentloyalen – Springer-Presse korrekte Ansagen an die (schrumpfende, daher zu beruhigende) Leserschaft, so auch diesmal, als Poschardt für Welt-Relationen fulminant einleitet:
2015, in der Flüchtlingskrise, hat man den Bürgern erklärt, die Grenzen seien sowieso nicht wirksam zu kontrollieren. Nun müssen sich dieselben Bürger nach dem Urlaub Personenkontrollen gefallen lassen, zur Durchsetzung der Corona-Testpflicht. Das Gefühl von Willkür wächst.
Das liegt am Instrument der sogenannten Schleierfahndung, um die wieder verschärften Testpflichtregeln für Rückkehrer aus dem Ausland zu gewährleisten. Poschardt ohne Umschweife:
Es wirkt weniger wie die Vorschau auf die Dystopie eines Polizeistaates als vielmehr wie ein Einblick in die gigantische Unbeholfenheit der politisch Verantwortlichen, wenn nun eine Methode der Terrorbekämpfung auf unbescholtene Familien angewendet wird. Um von einer Kaskade politischer Fehlentscheidungen – von den unverantwortlichen Schulschließungen bis zur verkorksten Impfstoffbeschaffung – abzulenken, wird die Schuld stets bei den Bürgern vermutet.
Die Kritik bleibt in diesem Ton gehalten, und ein entscheidender Aspekt wird anschließend berührt:
Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um mit immer größerem Misstrauen auf fallende Tabus zu blicken, die allesamt in einem autoritären Staatsapparat kulminieren.
Ein Beispiel akzentuiert die Argumentation:
Besonders grotesk wirkt das Instrument der Schleierfahndung gegen fünfköpfige Familien im Dieselkombi, die vom Badeurlaub am Gardasee zurückkommen, wenn man denselben Bürgern vor Jahren erklärt hat, dass dieselben Grenzen angesichts von hunderttausenden illegal einreisenden Flüchtlingen nicht zu schützen seien,
wogegen rein gar nichts einzuwenden wäre, würde Poschardt nicht den üblichen Move hinlegen, um auf den einflußlosen, aber als Ablenkziel omnipräsenten Paria der Nation einzuprügeln:
Wäre die AfD nicht so ein unappetitlich rechtsradikaler Haufen, die Umfragen sähen wohl anders aus,
was man wie folgt korrigieren muß:
Wäre die AfD nicht so ein unappetitlich zerstrittener Haufen, die Umfragen sähen wohl anders aus.
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Das kann man an verschiedenen Beispielen festmachen. Gewiß: Der seit Jahren wahrnehmbare Niedergang der AfD in Bremen hätte sich angesichts weniger Zehntausend Stimmen in der Hansestadt kaum auf das Gesamtergebnis bei der Bundestagswahl ausgewirkt – und wurde heute sogar abgewendet. Und auch so etwas wie das totale Auftrittsverbot für Andreas Kalbitz samt Drohung an alle Kreis- und Landesverbände, die dieses umgehen, gestern übrigens ohne Gegenstimme (bei einer Enthaltung) durch den Bundesvorstand der AfD beschlossen, macht das Kraut nicht fett.
Problematischer wird es, wenn ganze Landesverbände im Hader zur Höchstform auflaufen, sich nicht gewählte Kandidaten mit ihren erfolgreichen Kontrahenten gegenseitig als Feindzeugen belasten, das Gespräch nicht intern, sondern über Anwälte oder, wie bedauerlicherweise immer häufiger, über die Mainstreampresse suchen – in der naiven, absurden, gänzlich apolitischen Hoffnung, von den Protagonisten ebenjener Medien »verschont« oder zumindest besser dargestellt zu werden als der jeweilige Gegenspieler innerhalb der Partei.
Man kann das recht plastisch am Fall »Helferich« in NRW verdeutlichen. Hier ist die Welt wieder ganz bei sich, in ihrer obligatorischen Anti-AfD-Haltung, die sich auf frappierende Art und Weise mit der Lesart der Meuthen-Anhänger im Bundesvorstand deckt.
Matthias Kamann und Wigbert Löer titeln in der Ausgabe vom 3. August: »Der “Neo-Flügel” verschärft die AfD-Krise«, was man sich dann doch näher anschauen sollte.
Es geht um Matthias Helferich, der im notorisch zerstrittenen Landesverband Nordrhein-Westfalen zu der Gruppe der »Zentristen« um den Landesvorsitzenden Rüdiger Lucassen (MdB) zu rechnen ist, also weder den Kreisen der Alternativen Mitte (AM) noch dem aufgelösten »Flügel« angehört, der in NRW keine prominenten Akteure hervorbrachte.
Dieser
Matthias Helferich steht auf dem sicheren Platz sieben der AfD-Landesliste in Nordrhein-Westfalen. Aber seine Parteiämter soll der NRW-Landesvize verlieren: Der AfD-Bundesvorstand beschloss am Montag einstimmig, Helferich mit einer zweijährigen Ämtersperre zu belegen.
Hintergrund der Maßnahmen sei
unter anderem, dass Helferich im März 2017 einem Parteifreund per Facebook-Messenger ein Video schickte. Es zeigte Roland Freisler, den Präsidenten des Volksgerichtshofs, der im Nationalsozialismus den Tod von rund 2600 Menschen verantwortete. Nach dem Video schrieb Helferich im Chat dem Parteifreund mit Blick auf eine JA-Veranstaltung, “ich wollte den ‘demokratischen Freisler’ geben beim Landeskongress”.
Was davon zu halten ist und was Helferich selbst zu sagen hat, kann man hier einsehen (auch ohne Facebook-Account); es bedarf keines weiteren Kommentars.
Was kommentiert werden muß, ist die offene Kumpanei von AfD-Aktiven mit der durchaus dezidiert gegnerischen Presse. Michael Schild, der bei der Listenaufstellung zur Bundestagswahl krachend gegen Helferich verlor (300 vs. 66 Stimmen), äußerte sich ausgerechnet gegenüber Correctiv (!).
Die Hertener Allgemeine gibt das wie folgt wieder:
Michael Schild, wie Helferich stellvertretender AfD-Landessprecher in NRW, äußert sich nach dem Beschluss auf CORRECTIV-Anfrage kritisch: „Ich bin der Meinung, dass die Sanktionen Amtsenthebung und Ämtersperre viel zu sanft sind. Ich rechne mit negativen Auswirkungen für die AfD in ganz NRW, nicht nur in SPD-Hochburgen.“
Abgesehen davon, daß der Normalbürger von derlei Intrigen innerhalb der West-AfD gar nichts mitbekommen würde, wenn solche Probleme intern gelöst würden anstatt der gegnerischen Presse Material zu liefern, ist das natürlich in hohem Maße übertrieben: Negative Auswirkungen für die AfD haben vor allem fehlende Einigkeit, mangelnde Festigkeit der Standpunkte (die doch eigentlich in Kalkar und Dresden von der Basis mehrheitlich begrüßt wurden) und ein Bundesvorstand im Selbstzerstörungsmodus.
Just in diesem Kontext hat Lucassen einen entscheidenden Punkt getroffen. Gegenüber der Welt formulierte er,
dass die Partei bei einem Parteiausschluss Helferichs mit einer “Gesinnungsprüfung dem Denunziantentum Tür und Tor” öffne,
was nicht von der Hand zu weisen ist. Würde durch Mitschnitte von Gesprächen, Interpretationen alter Chats oder auch Mutmaßungen Parteiausschlußverfahren zur »erfolgreichen« Normalität, würden sich die Widersacher um so stärker dieser Mittel bedienen. Die Partei würde weiter zersetzt. Aber zunächst eine beruhigende Nachricht:
Indes scheiterte am Montag im Bundesvorstand ein von den Mitgliedern Sylvia Limmer und Christian Waldheim sowie Meuthen eingebrachter Antrag für ein Parteiausschlussverfahren. Beschlossen wurde die Ämtersperre. Helferich selbst kommentierte dies danach so, dass er “keinen Groll gegen den Bundesvorstand” hege,
womit man das Kapitel nun schließen könnte – wenn da nicht das für die Causa Helferich eminent wichtige Thema »Parteivorfeld« wäre.
Denn auffallend bei den Schlagzeilen um Helferich war und ist, daß es vor allem die Junge Alternative (JA) und das metapolitische Umfeld waren, die dem 32jährigen Juristen eine Stütze waren. Roger Beckamp (MdL) sagte gegenüber Philip Stein im EinProzent-Stream über Helferich:
Ein guter Mann, unser bester.
Auch darüber berichtet die Welt, denn Beckamp und Helferich eint das Bewußtsein für ein arbeitsteiliges Mosaik auf der politischen Rechten, und Beckamp prescht sogar vor, indem er Stipendien für junge Patrioten offeriert:
Auf die Idee solch einer Förderung, sagt Beckamp, habe ihn Helferich gebracht. Man müsse das “Vorfeld” der AfD unterstützen. Helferich werde “das auch machen, sobald er im Bundestag ist”. Beckamp weiter über ihn: “Von dem wird man noch viel hören”,
was in diesem Fall eine gute Aussicht ist.
Apropos EinProzent-Stream: Mit Nils Hartwig (JA NRW), Volker Zierke und Philip Stein diskutierten vergangene Woche drei junge Akteure der politischen Rechten über die Flutkatastrophe, die politischen Konsequenzen und, vor allem, über die Lage der AfD kurz vor der Bundestagswahl 2021. Ich stieß später recht spontan dazu; man kann sich die kurzweilige Sendung hier bei Frei3 ansehen. (Bei YouTube fiel EinProzent bedauerlicherweise der Zensur zu Opfer.)
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Nicht nur bei YouTube löschte man das patriotische Bürgernetzwerk – auch bei Facebook entschied man sich für diesen Schritt. Derartiges könnte derweil in Zukunft erschwert werden.
Die NZZ (v. 31.7.2021) berichtet: »Rechte der Nutzer von Facebook gestärkt. Geschäftsbedingungen für unwirksam erklärt«. Das betrifft vor allem rechte Nutzer aller Art, denn sie sind es ja, die man mit dem Vorwand der »Haßrede« von der monopolartigen Plattform entfernt, und Haßrede kann eben alles sein, auch Kritik an Massenmigration oder Gender Mainstreaming.
Was ändert sich nun?
Zwar darf der Quasimonopolist Facebook weiterhin Beiträge löschen, die er nach seinen eigenen Standards als Hassrede einstuft – selbst dann, wenn sie nach deutschem Recht nicht strafbar und von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Er muss den Nutzer allerdings «vor der beabsichtigten Sperrung seines Nutzerkontos vorab informieren, ihm den Grund dafür mitteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäusserung mit anschliessender Neubescheidung» einräumen, so das Gericht. Dasselbe Verfahren muss Facebook künftig einhalten, wenn es einzelne Beiträge von Usern gemäss seiner Standards entfernt – allerdings anders als bei der Kontosperrung erst nachträglich. Der BGH will mit seiner Entscheidung die von ihm festgestellte Kollision der Grundrechte Meinungsäusserungsfreiheit und Berufsausübungsfreiheit in Ausgleich bringen.
Grund für die Rechtsstreitigkeiten waren Beiträge, die gelöscht wurden. Eine Klägerin wehrte sich und plädierte auf Meinungsfreiheit. Tatsächlich folgte der BGH dieser Argumentation. Ihre von Facebook inkriminierte Aussage lautete:
Deutsche Menschen werden kriminalisiert, weil sie eben eine andere Ansicht von ihrem Heimatland haben als das Regime. Migranten können hier morden und vergewaltigen, und keinen interessiert’s! Da würde ich mir mal ein Durchgreifen des Verfassungsschutzes wünschen.
Ein zweiter Kläger äußerte im Sommer 2018 im Hinblick auf einen renitenten Nichteuropäer, der eine allfällige Kontrolle durch eine Polizistin verweigerte:
Die werden sich hier nie integrieren und werden auf ewig dem Steuerzahler auf der Tasche liegen . . . Diese Goldstücke können nur eines: morden . . . klauen . . . randalieren . . . Und ganz wichtig . . . nie arbeiten.
Die NZZ vermeldet dazu lapidar:
Beide Posts muss Facebook nun wieder freischalten und darf sie nicht erneut löschen, stellte der BGH fest.
«Der Bundesgerichtshof hat nachvollziehbar die Rechte der von Löschungen betroffenen Nutzer gestärkt.» Wo private Unternehmen aufgrund ihrer Markt- und Meinungsmacht wesentliche Bedeutung für die Ausübung von Kommunikationsfreiheiten hätten, müssten ein Mindeststandard an Information und die Möglichkeit zur Gegenäusserung gegeben sein, so Paal.
Die offene Frage bleibt: Wird dies EinProzent und Co. noch nützen oder kommt der Entscheid zu spät?
Aussenseiter
Das Corona-Regime zeigt doch überdeutlich: dieser Staat kann sehr wohl "Härte zeigen", wenn er nur will - und wenn diese Härte gegen die dem polit-medialen Komplex genehmen Gegner (oder inzwischen wohl schon "Feinde") wie den sog. "Querdenkern" geht. Die ca 500 000 mit letztinstanzlich abschlägigem Asylbescheid könnten abgeschoben werden, wenn die Buntenrepublik es wollte - dies ist nur ein Beispiel von vielen.