Sammelstelle für Gedrucktes (33)

In der letzten »Sammelstelle« wurde bemängelt, daß der Wahlkampf der AfD mancherorts schwächelt; diesmal macht ein Gegenbeispiel den Aufschlag.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

In der NZZ (v. 27.8.2021) berich­tet Oli­ver Maksan aus einer spe­zi­el­len Regi­on: »Die AfD ist hier Volks­par­tei«. Gemeint ist Ost­sach­sen im all­ge­mei­nen, Gör­litz im besonderen.

Maksan wer­tet wenig, berich­tet viel, ver­schafft einen guten Ein­druck von den Ver­hält­nis­sen im nie­der­schle­si­schen Rest­zip­fel, der wei­ter­hin zu Deutsch­land gehört:

Um das Lebens­ge­fühl der Men­schen im Osten Sach­sens zu ver­ste­hen, ist eine Fahrt mit der Bahn von Dres­den nach Gör­litz hilf­reich. 110 Bahn­ki­lo­me­ter tren­nen Zen­trum und Peri­phe­rie des Frei­staats. Schnell wird es länd­lich. Doch an der vor­bei­zie­hen­den Gegend kön­nen sich vie­le Pend­ler nicht erfreu­en. «Anders als auf der pol­ni­schen Sei­te ist die Stre­cke auf unse­rer Sei­te immer noch nicht elek­tri­fi­ziert», meint ein Mit­rei­sen­der des die­sel­be­trie­be­nen Bähn­chens verärgert,

was jeder beson­ders nach­emp­fin­den wird kön­nen, der in den Genuß pol­ni­scher (oder auch tsche­chi­scher) Bahn­fahr­ten kommt – kein Ver­gleich zur bun­des­deut­schen Tris­tesse. Das dürf­te – unter ande­rem – auch an dem selt­sa­men Zwit­ter­zu­stand der Deut­schen Bahn (DB) lie­gen, die als füh­ren­der staats­na­her Kon­zern von der All­ge­mein­heit finan­ziert wird, aber dabei Markt­me­cha­nis­men unter­liegt. Die Kos­ten zahlt mit­hin jeder ein­zel­ne, die Gewin­ne kom­men dem ein­ge­setz­ten Manage­ment zugu­te (was auch eines der weni­gen kor­rek­ten Argu­men­te des ener­vie­ren­den GDL-Streiks sein dürfte).

Nun ist es aber in Deutsch­land, wie es ist, also zurück nach Gör­litz, des­sen Ost­teil als Zgor­zel­ec zu Polen gehört. Da die poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen so oft von Ver­stän­di­gung und EU-Euro­pa rau­nen, wäre es hier ange­bracht, tat­säch­lich etwas für eine kon­struk­ti­ve Ver­net­zung der mit­tel­eu­ro­päi­schen Län­der zu bie­ten, und dabei auch noch Gutes für die nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung der Regi­on und sogar der Umwelt zu gene­rie­ren, in dem etwa die pit­to­res­ke 55 000-Ein­woh­ner-Stadt zum bahn­tech­ni­schen Kno­ten­punkt aus­ge­baut wird.

Aber weit gefehlt:

Ger­ne wäre man in Gör­litz aber vor allem Tor für den Schie­nen­ver­kehr aus und nach Ost­eu­ro­pa. Spä­tes­tens 2038 endet schliess­lich der Braun­koh­le­ab­bau in der Lau­sitz. Mil­li­ar­den inves­tiert der Bund in Alter­na­ti­ven zur Koh­le. Aber für die Bahn­li­nie fiel im Som­mer wie­der nichts ab,

welch’ Über­ra­schung.

Der­ar­ti­ge BRD-typi­sche Eigen­hei­ten näh­ren im Wahl­volk Unmut, seit lan­gem. Doch da die Links­par­tei emi­nen­ter Teil des links­li­be­ra­len Ein­heits­blocks der bun­des­deut­schen Par­tei­en­welt ist und nicht mehr län­ger eine popu­lis­ti­sche Samm­lungs­par­tei des Pro­tests, des ost­deut­schen zumal, erfährt in Gör­litz und Umge­bung die Par­tei­far­be »blau« seit Jah­ren über­durch­schnitt­li­chen Zuspruch:

Bei der Bun­des­tags­wahl 2017 erziel­te die Par­tei im Wahl­kreis mit der Num­mer 157 noch deut­lich mehr Stim­men als der ohne­hin hohe Lan­des­durch­schnitt. Aus dem Stand ent­riss die damals zum ers­ten Mal mit einem Wahl­kreis­kan­di­da­ten ange­tre­te­ne Par­tei der CDU das Direkt­man­dat, das die­se seit der Wen­de qua­si gepach­tet hat­te. Nur knapp zwar; 32,4 zu 31,4 Pro­zent. Aber dass ein unbe­kann­ter Maler­meis­ter dem 2013 noch mit fast 50 Pro­zent gewähl­ten CDU-Lan­des­ge­ne­ral­se­kre­tär Micha­el Kret­schmer die­se Schmach antat, ist in Sach­sens CDU unvergessen,

und dürf­te auch ein Grund für die sat­tel­fes­te Posi­ti­on Tino Chrup­al­las in der gesam­ten Alter­na­ti­ve für Deutsch­land dar­stel­len: Immer­hin ist er Bun­des­chef und Spit­zen­kan­di­dat trotz jener nach wie vor im Par­tei­um­feld kur­sie­ren­den Anwür­fe, wonach es an Cha­ris­ma und welt­an­schau­li­cher Stand­punkt­fes­tig­keit man­geln soll.

In Ost­sach­sen ist er jeden­falls beliebt:

Von sei­nen Gör­lit­zer Wahl­pla­ka­ten lächelt er aber auch 2021 noch in Malerklei­dung her­ab. Einer von uns, soll wohl die Bot­schaft sein. Die AfD lebt in Gör­litz ganz wesent­lich vom Image der Bodenständigkeit,

was ein­mal mehr das A und O einer sich gras­wur­zel­ar­tig zu ver­an­kern­den Oppo­si­ti­ons­par­tei dar­stellt, die nah am Volk ist, weil ihre Ver­tre­ter im bes­ten Fal­le aus ihm stammen.

Das sieht offen­bar auch die säch­si­sche Unter­hal­tungs­iko­ne Uwe Steim­le so, wenn man sich die auf­ge­reg­te Twit­te­rei main­strea­mi­ger Jour­na­lis­ten aktu­ell vergegenwärtigt:

Die NZZ sucht der­weil noch ande­re Grün­de, Maksan fragt:

Wor­aus speist sich der Erfolg der AfD?,

und sucht Ant­wor­ten bei einem zuge­zo­ge­nen Kollegen:

Frank Sei­bel war lan­ge Gör­lit­zer Lokal­chef der «Säch­si­schen Zei­tung». Er emp­fiehlt den Blick in die jün­ge­re Geschich­te. «Als ich vor 25 Jah­ren in die Gegend kam, spür­te ich eine Grund­trau­rig­keit», erin­nert sich der gebür­ti­ge West­deut­sche. Kein Wun­der: Der Wen­de­schock war noch frisch. Tau­sen­de hat­ten ihre Arbeit im Gör­lit­zer Kraft­werk ver­lo­ren. Und Zehn­tau­sen­de ver­lies­sen die Regi­on in Rich­tung Wes­ten. Die Älte­ren blie­ben und sahen ihre Enkel nicht aufwachsen.

Doch die­se »Besieg­ten von 1990« (Text zur Wie­der­vor­la­ge als PDF) haben sich auf­ge­rap­pelt, Gör­litz lebt, trotz allem. Es muß also wei­te­re Argu­men­te für die AfD-Ergeb­nis­se geben, und tatsächlich

kom­men (für Sei­bel) zum Wen­de­trau­ma und zur Struk­tur­schwä­che noch ande­re Aspek­te hin­zu, um die Stär­ke der AfD zu erklä­ren. Er zitiert Umfra­gen, wonach zwei Drit­tel der Sach­sen eine Par­tei befür­wor­ten, die durch­re­giert. Und auch Frem­den­feind­lich­keit gebe es. «Ab der Flücht­lings­kri­se 2015 hat­te ich zuneh­mend das Gefühl, von mei­nen Lesern nicht mehr ver­stan­den zu wer­den», sagt der ehe­ma­li­ge Journalist,

der als Frank­fur­ter doch wis­sen könn­te, daß es hier ande­re, bes­se­re Bezeich­nun­gen als »Frem­den­feind­lich­keit« gibt, wenn sich die Gör­lit­zer gut demo­kra­tisch eben kei­ne Frank­fur­ter Ver­hält­nis­se her­bei wäh­len wol­len, etwa: den sprich­wört­li­chen »gesun­den Men­schen­ver­stand«, Rea­lis­mus, instink­ti­ves Unwohl­sein ob kip­pen­der Ver­hält­nis­se.

Sol­che Regun­gen aus der Bevöl­ke­rung nahm die eins­ti­ge »Staats­par­tei« CDU, die lan­ge Zeit zwi­schen Plau­en und Zit­tau fast so mäch­tig wie ihre Schwes­ter­par­tei in Bay­ern gewe­sen ist, nicht wahr; Wer­ner Pat­z­elts Rol­le ist es, so rou­ti­niert wie red­un­dant auf die­sen Umstand hinzuweisen:

Bei der Bun­des­tags­wahl vor vier Jah­ren habe die CDU dann einen Denk­zet­tel für den Links­ruck der Par­tei unter Mer­kel bekom­men, sagt Pat­z­elt und nennt als Stich­wort die Flücht­lings­po­li­tik. Auch habe die CDU nach der Grenz­öff­nung die Kri­mi­na­li­tät igno­riert, die aus Polen und Tsche­chi­en gekom­men sei. «Ins­ge­samt räch­te sich die Arro­ganz der CDU, die mein­te, ihr gehö­re das Land.»

Und was genau hat sich dar­an seit der letz­ten Bun­des­tags­wahl geän­dert? Eben, nicht viel, auch wenn man dies­mal kei­nen Polit­pro­mi wie Kret­schmer als Chrup­al­la-Her­aus­for­de­rer auf­stellt, son­dern einen Qua­si­neu­ling, des­sen durch­aus im Bereich des Mög­li­chen lie­gen­de Nie­der­la­ge kein Par­tei­erd­be­ben aus­lö­sen dürfte.

Ent­spre­chend tap­fer lächelt auch der christ­lich­de­mo­kra­ti­sche Bun­des­tags­kan­di­dat Flo­ri­an Oest von den Pla­ka­ten. Offen­siv lädt der 33 Jah­re jun­ge Kan­di­dat die Bür­ger zum Dia­log ein. Nach der Klat­sche von 2017 bemüht sich die CDU sicht­lich um das Image einer nah­ba­ren Küm­me­rer­par­tei. Ihr Pro­blem: Anders als Chrup­al­la ist Oest im Wahl­kreis nicht son­der­lich bekannt,

was eini­gen Grund zur Hoff­nung ver­schafft, daß Gör­litz (neben Baut­zen und Säch­si­sche Schweiz-Ost­erz­ge­bir­ge) die blaue Vor­zei­ge­bas­ti­on der Repu­blik blei­ben darf. Andern­orts wird die Direkt­man­dats­aus­beu­te der AfD, schenkt man ein­schlä­gi­gen Umfra­gen über­haupt Ver­trau­en, eher düs­ter aussehen.

– –

Wäh­rend Pat­z­elt also am 27. August einen sei­ner NZZ-Gast­auf­trit­te hat, ist es sei­nem eben­falls eme­ri­tier­tem Kol­le­gen Eck­hard Jes­se – auch er säch­si­scher Poli­tik­wis­sen­schaft­ler mit nach­ge­sag­ter Uni­ons­nä­he – vier Tage spä­ter (31.8.2021) vor­be­hal­ten, einen Ganz­sei­ter zur Lage beizusteuern.

Er sieht »Zwei deut­sche Par­tei­en in der Grau­zo­ne« und meint damit, klas­si­sche Huf­ei­sen­theo­re­me reka­pi­tu­lie­rend, Links­par­tei und AfD.

Bei­der Par­tei­his­to­ri­en refe­riert Jes­se kurz:

Aus der Sozia­lis­ti­schen Ein­heits­par­tei Deutsch­lands (SED) ging nach dem Zusam­men­bruch der kom­mu­nis­ti­schen DDR-Dik­ta­tur Ende 1989 die Par­tei des Demo­kra­ti­schen Sozia­lis­mus her­vor. Die­se wie­der­um fusio­nier­te mit der west­deut­schen Wahl­al­ter­na­ti­ve 2007 zur Par­tei Die Linke.

Die AfD ent­stand im Früh­jahr 2013, zunächst als euro- und euro­pa­skep­ti­sche Kraft, ehe sie zu einer gegen­über der Migra­ti­on skep­ti­schen, wenn nicht feind­li­chen Par­tei mutier­te. Die Lin­ke hat mit gut 60 000 Mit­glie­dern mehr als dop­pelt so vie­le wie die AfD, wobei die Zah­len jeweils rück­läu­fig sind,

was bei der Links­par­tei an der Über­al­te­rung ihrer Basis liegt, bei der AfD – quan­ta­tiv deut­lich weni­ger bedroh­lich – an inner­par­tei­li­chen Kursschwankungen.

Jes­ses Ver­gleich macht auch deut­lich, daß die Links­par­tei bis­wei­len Rich­ti­ges aus fal­schen Grün­den fordert:

Sie will den Ver­fas­sungs­schutz abschaffen,

was ja based ist, zeit­gleich das Kind aber mit dem Bade aus­schüt­ten und

ihn durch eine unab­hän­gi­ge «Beob­ach­tungs­stel­le Auto­ri­ta­ris­mus und grup­pen­be­zo­ge­ne Men­schen­feind­lich­keit» ersetzen,

was nichts ande­res bedeu­tet, als Anti­fa-Metho­den nun auch end­gül­tig in die Ver­fas­sungs­pra­xis der Bun­des­re­pu­blik einzuschreiben.

Jes­ses Unter­stüt­zung für die The­se, wonach sich die Lin­ke »ent­ra­di­ka­li­siert« und die AfD »radi­ka­li­siert« habe, ist im Anschluß auf zwei­er­lei Art und Wei­se zu begegnen:

Ers­tens hat sich die Links­par­tei kei­nes­wegs ihres Pro­jekts ent­le­digt, das Sys­tem umzu­ge­stal­ten. Jes­se selbst zitiert iro­ni­scher­wei­se nur weni­ge Zei­tungs­spal­ten vor­her, daß sei­tens der Par­tei ein »sozia­ler und öko­lo­gi­scher Sys­tem­wech­sel (!) in Euro­pa (!)« ange­strebt werde.

Das ist kei­ne Ent­ra­di­ka­li­sie­rung des Mar­ken­kerns, son­dern sei­ne radi­ka­le Erwei­te­rung um die öko­lo­gi­sche Dimen­si­on – bis­her war es nur ein »sozia­ler« For­de­rungs­ka­ta­log – und um die euro­päi­sche Ebe­ne. Einen Sys­tem­wech­sel auf euro­päi­scher Basis anzu­vi­sie­ren: Ist das nicht latent über­grif­fig gegen­über unse­ren Nach­barn und damit – erneut – eine Art soge­nann­ter Radikalisierung?

Zwei­tens hat sich die AfD nur inso­fern »radi­ka­li­siert«, als daß ihre Ver­ant­wor­tungs­trä­ger auch im Wes­ten zuneh­mend erken­nen, daß die Pro­ble­me, die sich in der deut­schen Poli­tik, Wirt­schaft und Gesell­schaft mate­ria­li­sie­ren, eben kei­nes­wegs ein­zig und allein der Kanz­le­rin Ange­la Mer­kel anzu­las­ten sind. Mer­kel war nur die logi­sche Kon­se­quenz der Uni­ons­po­li­tik, die Per­so­ni­fi­zie­rung einer sich zuspit­zen­den Lage, die zeit­ge­mäß adäqua­te Fort­schrei­bung bun­des­deut­scher Politik.

Die Pro­ble­me lie­gen nun­mal tie­fer, und so ist eine »Radi­ka­li­sie­rung« durch­aus gebo­ten, wenn man dar­un­ter nicht Pöbeln, Pol­tern, Por­zel­lan zer­schla­gen ver­steht, son­dern, im Wort­sin­ne (radix aka die Wur­zel), daß man nicht län­ger nur am »Sym­ptom Mer­kel« her­um­dok­tort, weil man die grund­le­gen­den Pro­ble­me ange­hen möch­te – als Alter­na­ti­ve zum fal­schen Gan­zen, nicht zur fal­schen Kanzlerin.

Ist Jes­se hier etwas ent­ge­gen­zu­hal­ten, trifft er her­nach einen wich­ti­gen Punkt. Es fehlt, so der Chem­nit­zer For­scher in aller Deutlichkeit,

an Äqui­di­stanz im Umgang mit den bei­den Rand­par­tei­en. Und zugleich an Libe­ra­li­tät, jeden­falls gegen­über der AfD.

Die­ses Ver­hal­ten sei Teil einer Alle-gegen-einen-Men­ta­li­tät, »die kei­ner ange­mes­se­nen Streit­kul­tur ent­spricht«, doch nicht nur das:

Es ist kein Ruh­mes­blatt für die eta­blier­ten Par­tei­en, dass die Abge­ord­ne­ten des Deut­schen Bun­des­ta­ges zwi­schen 2017 und 2021 sechs Kan­di­da­ten der AfD bei der Bewer­bung um das Amt des Vize­prä­si­den­ten jeweils drei­mal durch­fal­len lies­sen – ohne kon­kre­te Vor­wür­fe gegen­über der Per­son. Wer dies anpran­gert, muss den Vor­wurf hin­neh­men, die Sache der AfD zu ver­tre­ten. Tat­säch­lich geht es um Fair­ness, schlägt doch Abgren­zung viel­fach in Aus­gren­zung um.

Frei­lich: Auch Jes­se for­dert nicht offen die Eta­blie­rung einer neu­en poli­ti­schen Kul­tur, wel­che die AfD ein­schließt und zu Gel­tung kom­men läßt (und es wäre auch ein wenig bizarr, wenn die Statt­hal­ter des ver­hee­ren­den Sta­tus quo die Alter­na­ti­ve zu eben­die­sem auch noch gou­tie­ren würden).

Aber immer­hin legt der Grand­sei­gneur der deut­schen Par­tei­en- und Extre­mis­mus­for­schung coram publi­co den Fin­ger in die Wun­de eines sich zuneh­mend auf rigo­ro­sen Vul­gär­an­ti­fa­schis­mus ver­en­gen­den Meinungskorridors.

Die­ser ist, im par­tei­po­li­ti­schen Kon­text, im übri­gen das Ergeb­nis einer CDU-CSU-geführ­ten Bun­des­re­gie­rung, kei­ner lin­ken Alli­anz. Das soll­ten sich jene ver­ge­gen­wär­ti­gen, die gegen jede Ver­nunft und Erfah­rung der letz­ten Jahr­zehn­te schon wie­der von der Uni­on als »klei­ne­rem Übel« phan­ta­sie­ren, das man womög­lich doch mit Direkt- und/oder Zweit­stim­me vor der rot-grün-dun­kel­ro­ten Wel­le unter­stüt­zen sollte.

– –

Das nach­hal­tigs­te, effek­tivs­te, wich­tigs­te, sym­pa­thischs­te Mit­tel gegen Über­grif­fig­keit geg­ne­ri­scher Kom­ple­xe, mögen sie nun schwarz, rot, grün oder gelb ange­pin­selt sein, ist und bleibt ohne­hin die Stär­kung eige­ner, unab­hän­gi­ger Struk­tu­ren – los­ge­löst von Vier­jah­res­in­ter­val­len, Koali­tio­nen, Launen.

Das öster­rei­chi­sche Nach­rich­ten­ma­ga­zin Info-Direkt, bei unse­ren Nach­barn in über 100 »Tra­fi­ken« – Kios­ken und Bahn­hofs­buch­hand­lun­gen – erhält­lich, in der BRD eher über das preis­wer­te Abon­ne­ment zu bezie­hen, hat sich seit jeher die­sem Ansin­nen eines arbeits­tei­li­gen und gemein­schafts­ori­en­tier­ten Struk­tur­auf­baus ver­pflich­tet: Kürz­lich gab es eine För­de­rer­ver­an­stal­tung in Ober­ös­ter­reich, bei der nicht zuletzt über die Fra­ge des rech­ten Mosa­iks und dem Zusam­men­wir­ken sei­ner ein­zel­nen Stein­chen debat­tiert wurde.

Auch im aktu­el­len Heft (Nr. 38) der enga­gier­ten Mann­schaft um Micha­el Scharf­mül­ler ist die­ses The­ma prä­sent. Wie macht sich die FPÖ unter ihrem neu­en Chef Her­bert Kickl? Was treibt die oft­mals zer­strit­ten wir­ken­de AfD im süd­deut­schen Raum? Ein Inter­view (mit Richard Graup­ner, MdL in Bay­ern) ist eben­so ent­hal­ten wie ein Kom­men­tar Dirk Spa­ni­els (MdB aus Baden-Württemberg).

Die aktu­el­le Bericht­erstat­tung über ins­be­son­de­re baye­ri­sche und öster­rei­chi­sche Gescheh­nis­se – ob über Anti­fa-Ent­hül­lun­gen durch den AfD-MdL Chris­toph Mai­er oder akti­vis­ti­sche Neu­ig­kei­ten – wird ergänzt durch ideen­po­li­ti­sche Grund­la­gen­bei­trä­ge zu Fra­gen aus den The­men­be­rei­chen »Soli­da­ri­scher Patrio­tis­mus« in Theo­rie und Pra­xis, Big Tech und »Gre­at Reset«.

Für eini­ges Auf­se­hen über die lin­ke »Bubble« hin­aus sorg­te über­dies die Ana­ly­se »Von Chi­na ler­nen, aber rich­tig!« aus den Federn von Jan Richard Behr und Fabi­an Küb­le, zwei prä­gen­den Köp­fe in der Jun­gen Alter­na­ti­ve (JA) Sach­sen. Wer sich an die Pos­se um Mar­vin T. Neu­manns »Chi­na-Tweet« erin­nern kann (der Ent­wick­lun­gen aus­lös­te, die zu sei­nem Rück­tritt als JA-Bun­des­chef führ­ten), und ohne­hin Inter­es­se für die Chi­na-Kon­tro­ver­se hegt, fin­det hier sub­stan­ti­el­le Thesen.

Die aus­ge­wo­ge­ne, gleich­wohl zur Dis­kus­si­on her­aus­for­dern­de Betrach­tung fir­miert dabei unter einem Leit­mo­tiv: Jed­we­de Wirt­schafts­ord­nung habe sich prio­ri­tär an den stra­te­gi­schen natio­na­len Inter­es­sen zu ori­en­tie­ren und damit letzt­lich Volk und Staat zu die­nen; Chi­na zeigt, wie dies funk­tio­nie­ren kann.

Hin­zu­zu­fü­gen bleibt ledig­lich noch, daß sich die Autoren auch an »hei­ße Eisen« wie das Sozi­al­kre­dit­sys­tem wagen und die Gefahr all­ge­gen­wär­ti­ger Unfrei­heit – in Chi­na wie im »Wes­ten« – kontextualisieren.

Wer sich vor der Heft­be­stel­lung erst noch einen Ein­druck ver­schaf­fen möch­te, kann nach­fol­gend die Prä­sen­ta­ti­on durch Chef­re­dak­teur Scharf­mül­ler bei You­Tube ansehen.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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Kommentare (10)

Nordlicht

2. September 2021 18:21

Sehr stimmungsvoll, die Einführung mit der Bahnfahrt. Allerdings: Der Satz "Die Kosten zahlt mithin jeder einzelne, die Gewinne kommen dem eingesetzten Management zugute ..." führt ein wenig in die Irre.

Bahnbetrieb ist in Deutschland seit den 20er Jahren nicht mehr profitabel. Die Infrastrukturkosten trägt immer der gemeine Steuerzahler, der im Übrigen heute überwiegend den Schienenverkehr nicht benutzt. Aller Verkehr wird subventioniert, auch der Strassenverkehr. (Auch der Luftverkehr trägt mit den Landegebühren etc. seine Infrastukturkosten nicht.)

Diese Subventionitis hat volkswirstchaftliche Gründe, natürlich kann man das schönrechnen und das tut man auch im BMV. (Das tun sicher auch die für die Subvention von Theatern Zuständigen.)

Der Vorstandsvorsitzende der zu hundert Prozent staatseigenen DB AG, Lutz, bekommt ein fixes Jahresgehalt von €900.000 und zusätzlich Boni. (Wofür??) Die DB hat Schulden von über €30 Mrd.

Andreas Walter

3. September 2021 04:04

Die "Analyse von Jan Richard Behr und Fabian Küble"? Einfach nur peinlich.

Die sind entweder noch sehr jung und/oder sehr naiv, und dass Russland erst in den 1990er in eine Rezession gelangte ist auch Unsinn. Die begann schon Jahrzehnte davor, noch in der Sowjetunion.

OK, sehe gerade, die Beiden sind noch sehr jung. Wie sollen sie dann auch antichinesische Propaganda von der Wirklichkeit unterscheiden können. Obwohl sie sogar korrekt darauf hinweisen, dass es die gibt. Dazu braucht man nämlich auch viel Zeit, um zu lesen, sich zu informieren und dabei zu lernen, die eben junge Menschen naturgemäss noch nicht hatten.

China ist nicht totalitär, auch wenn selbst viele Ältere auch hier im Forum Germanum das glauben und mir jetzt sofort widersprechen werden.

China schützt lediglich sein Volk gegen die größten A., die die Welt bisher gesehen hat. Haben wir Deutschen auch versucht, oder die Japaner, sind aber gescheitert. Wie dutzende andere Nationen allerdings auch. Wir sind daher in bester Gesellschaft. In die sich China jedoch nicht einreihen möchte. Richtig. Ein großer Teil der Muslime übrigens auch nicht. Es sind aber nicht nur Marxisten, die auch in Lateinamerika gegen gewisse Strukturen rebellieren. Doch dazu gleich mehr.

 

Andreas Walter

3. September 2021 06:31

Deutsche Patrioten würden in Lateinamerika vor Freude wahrscheinlich ausflippen, denn dort sind meistens sogar 50% der Bevölkerung Patrioten. Ähnlich wie derzeit auch in den VSA. Tatsächlich sind es aber sogar fast 100%, denn patriotische "Marxisten" ("Patria o muerte") sind auch Patrioten. Das ist in den VSA (mittlerweile) tatsächlich anders.

Diesen seltsamen dritten Zustand, wegen dem sogar in Frankreich Patrioten nie groß über 30% hinauskommen, gibt es nämlich (bisher) nur in Europa. Über die Freude darüber muss ich daher immer schmunzeln, denn das ist, wie bereits geschrieben, nichts. Negligible. Das ist in etwa so, wie wenn Gefängnisinsassen glauben würden, der tägliche Freigang für ein paar Stunden im Hof wäre tatsächlich ein Ausflug in die Freiheit.

Weil aber die meisten Deutschen, auch die meisten deutschen Patrioten, heute bereits in Platons Höhle (Hölle) geboren wurden, kennen (und erkennen) sie nicht den Unterschied. Manche verwechseln ihn darum sogar mit der Zeit des Nationalsozialismus, doch echter Patriotismus lässt sich auch nicht erzwingen. Genauso wenig wie die Liebe. Patriotismus ist ja eine Form der Liebe. Heimatliebe. Wobei Heimat vieles sein kann, nicht nur Lederhosen. So eine hatte ich auch, als Kind, auf unserer damaligen Farm, in Mexiko. Zu meinen kleinen Cowboystiefeln und manchmal sogar nur die an. War halt warm, in den Tropen. Ja, einen Cowboyhut hatte ich auch. Als Kind war ich Maisblond und schon immer ein Trotzkopf. Eigensinnig. Das bringen seltsame Biografien so mit sich.

Der_Juergen

3. September 2021 09:54

@Andreas Walter

"China ist nicht totalitär".

Eine sehr diskutable Aussage. "Was ist denn das chinesische System des Vergebens von Bonuspunkten für konformes Verhalten, wenn nicht Ausdruck des Totalitarismus?", könnte man da fragen. Allerdings haben Sie insofern recht, als es in China längst keine staatlich vorgeschriebene Ideologie mehr gibt; der Marxismus wurde dort schon vor geraumer Zeit still und heimlich begraben, und niemand muss sich, um Karriere zu machen, zu ihm bekennen. In diesem Punkt ist der heutige Westen wesentlich totalitärer als China. Der hinterste Fussballklub muss sich ja zu "Diversität" und "Inklusivität" bekennen, um nicht auf die schwarze Liste der Lügenmedien zu geraten. Andererseits gilt: Die Meinungsäusserungsfreiheit ist in China sicher viel geringer als in der BRD. Dort können die Kubitscheks, Kositzas, und Elsässers vorderhand noch publizieren, ohne gleich verhaftet zu werden. In China wäre eine öffentlich operierende "Sezession" wohl undenkbar. Aber: "Von China lernen, heisst siegen lernen", scheint die Parole des Establishments in der BRD und anderswo im Westen zu lauten.

Andreas Walter

3. September 2021 18:17

https://www.welt.de/politik/ausland/plus233537998/Amerikaner-fragen-mich-Steht-Deutschland-an-unserer-Seite-wenn-China-Taiwan-ueberfaellt.html

?!

Muss ich gar nicht lesen (Bezahlsperre) um zu verstehen, was der Artikel soll.

Nach wirklich langer, nachdenklicher Pause:

So etwas nenne ich einen Rudolf-Heß-Moment. Als Deutscher ist man eben (auch) immer ein Spielball von Verrückten. Fällt mir schwer darum gerade nicht zu denken: Bloss weg hier, Andy! Diese Leute sind von allen guten Geistern verlassen, bringen die Deutschen in eine unmögliche Situation, in Lebensgefahr. Die Chinesen sagen nämlich auch Nie wieder, und meinen es auch so. Gerade uns Europäern können die mehr Schaden zufügen als den VSA. Obwohl sie das gar nicht wollen. Die wissen ganz genau, wer die halbe Welt, oder sogar 3/4, in seiner Gewalt hält. Als Kind habe ich die VSA geliebt, habe alle Urlaube dort zusammengerechnet 1 Jahr meines Lebens in diesem Land verbracht. Englisch gesprochen, bevor ich es überhaupt in der Schule hatte. Bin so traurig gerade, weil auch dieses Volk im Grunde nur missbraucht wird. Viele auch einfache Menschen, die deswegen auch leicht getäuscht werden können. Klar sind sie auch Mitläufer, aber eben auch Getäuschte.

Laurenz

4. September 2021 01:21

@Andreas Walter

"China & der Krieg"

Die Chinesen waren bisher in der Lage, alle ihre außenpolitischen Ziele mit nicht militärischen Mitteln zu erreichen. Warum sollten die Chinesen das kostbare Leben ihrer ausgebildeten Soldaten riskieren? Die Chinesen schafften es sogar riesige Mengen an ausländischem Kapital nach China zu locken, auch ohne einen einzigen Quadratmeter chinesischen Bodens an Ausländer zu verkaufen, also ganz anders als wir blöden Trottel.

China wird nur dann Krieg führen, wenn es angegriffen wird oder weiß, daß es den Krieg gewinnt. Der historische Anspruch Chinas auf Taiwan ist wage. 1705 war Taiwan das erste Mal in chinesischem Besitz. China wird einfach versuchen, über Strohmänner über die Jahrzehnte Taiwan aufzukaufen.

Die einzige Gefahr, der der Planet ausgesetzt ist, sind die US-Amerikaner. Es kann leicht passieren, daß beim ausweglosen Verlust us amerikanischer Vormachtstellung da jemandem die Sicherung durchbrennt.

Und ich teile Ihre Meinung über Ihre us amerikanischen Mitläufer in keiner Weise. Die Geschichte schreibt etwas anderes. Hier ist zB eine gute Quelle.  https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_zu_Wied-Neuwied

 

 

Andreas Walter

4. September 2021 13:09

@Laurenz

Ich werde mit Sicherheit nicht 500.000 beziehungsweise 300.000 Wörter lesen nur um herauszufinden, was Sie womöglich mit Ihrem Hinweis gemeint haben könnten.

Ich zumal vor 40 bis 50 Jahren in den VSA war - und nicht vor 190.

Dass die Bürger der VSA sogar zwei mal erst Kriegsreif gemacht werden mussten und von wem sollten Sie eigentlich wissen. Das dazu nötige Fachwissen kam aus Wien.

https://youtu.be/TFz9ToTJoTQ

 

Andreas Walter

4. September 2021 14:51

Das letzte mal, dass ich von so etwas gehört habe war Anfang der 80er in Mexiko-City. Kurz bevor wir damals von dort weggegangen sind. Um so erstaunter war ich darum eben gerade zu lesen, dass es mittlerweile auch in Deutschland so weit ist:

https://youtu.be/TFz9ToTJoTQ

Wir befinden uns jetzt also bereits in dem Zustand, in dem Mexiko schon vor 40 Jahren angekommen war. Als Beginn des Drogenkriegs mit mittlerweile 35.000 Morde pro Jahr gilt in Mexiko das Jahr 2006, also 25 Jahre später. In Schweden tobt er allerdings schon jetzt, noch allerdings mit "nur" 40 Morden im Jahr (bei nur 10 Millionen Einwohnern allerdings):

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2106091-Schweden-Von-der-Idylle-zum-Kriminalitaets-Hotspot.html

Noch ein Hinweis darum: Nicht aus dem Auto springen und die Diebe oder den Dieb verfolgen, denn sonst ist womöglich sogar das ganze Fahrzeug weg oder zumindest andere Sachen, die sich darin befanden. Den Trick gibt es nämlich auch.

Die Chinesen wissen daher, was sie tun (und was zu tun ist), im Gegensatz zu uns.

Andreas Walter

4. September 2021 17:36

Och, wie ist das denn passiert. Hier noch mal mit der richtigen ersten Verknüpfung:

Das letzte mal, dass ich von so etwas gehört habe war Anfang der 80er in Mexiko-City. Kurz bevor wir damals von dort weggegangen sind. Um so erstaunter war ich darum heute zu lesen, dass es mittlerweile auch in Deutschland so weit ist:

https://www.welt.de/vermischtes/article233585956/Vom-Handgelenk-Fussgaenger-klaut-Cabriofahrer-an-Ampel-Luxusuhr.html

Wir befinden uns jetzt also bereits in dem Zustand, in dem Mexiko schon vor 40 Jahren angekommen war. Als Beginn des Drogenkriegs mit mittlerweile 35.000 Morde pro Jahr gilt in Mexiko das Jahr 2006, also 25 Jahre später. In Schweden tobt er allerdings schon jetzt, noch allerdings mit "nur" 40 Morden im Jahr (bei nur 10 Millionen Einwohnern allerdings):

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2106091-Schweden-Von-der-Idylle-zum-Kriminalitaets-Hotspot.html

Noch ein Hinweis darum: Nicht aus dem Auto springen und die Diebe oder den Dieb verfolgen, denn sonst ist womöglich sogar das ganze Fahrzeug weg oder zumindest andere Sachen, die sich darin befanden. Den Trick gibt es nämlich auch.

Die Chinesen wissen daher, was sie tun (und was zu tun ist), im Gegensatz zu uns.

Laurenz

4. September 2021 18:07

@Andreas Walter @L.

Sie liegen absolut daneben. Krieg ist das Geschäftsmodell aller US Amerikaner. Und jeder lebt dort gut & gerne davon. Die USA sind die Nation, die am meisten Krieg führt & sich auch quasi permanent im Kriegszustand befindet. Ja, die ganze Nation basiert quasi auf Eroberungskrieg. 

Im meinem Link finden Sie kurze Erzählungen des Prinzen zum zwischenmenschlichen Umgang in den USA.

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