Wie im ersten Teil dieses Beitrags dargestellt, wurde sie im März/April 2020 entwickelt. Zu diesem Zeitpunkt erschienen in der westlichen Presse etliche Artikel, die das Ansinnen entmutigten, Herdenimmunität auf “natürlichem” Wege anzustreben. Eine solche Strategie würde zu viele Kranke und Todesopfer fordern, weshalb man auf das hoffentlich baldige Eintreffen von Impfstoffen setzen müsse.
Ein Beispiel wäre dieses Stück des einflußreichen Magazins Healthline (Teil eines milliardenschweren Medienkonzerns) vom 2. April 2020:
Wissenschaftler arbeiten derzeit an einem Impfstoff für SARS-CoV‑2. Wenn wir einen Impfstoff haben, können wir in Zukunft vielleicht eine Herdenimmunität gegen dieses Virus entwickeln. Dies würde bedeuten, dass der SARS-CoV-2-Impfstoff in bestimmten Dosen verabreicht wird und dass der Großteil der Weltbevölkerung geimpft wird.
Fast alle gesunden Erwachsenen, Teenager und älteren Kinder müssten geimpft werden, um eine Herdenimmunität für Menschen zu schaffen, die nicht geimpft werden können oder zu krank sind, um auf natürlichem Wege immun zu werden.
Ähnliche Stücke erschienen zur selben Zeit in der New York Times (“Eine Herdenimmunität lässt sich ohne Impfung weder schnell noch schmerzlos erreichen”), im Time Magazine, auf CNN, usw. usw. Es war mit anderen Worten eine konzertierte Narrativ-Setzung, die selbstverständlich auch in Deutschland nachgebetet wurde (z.B. hier).
Während Bill Gates und andere bereits in universalistischen Menschheitskategorien dachten, standen die nationalen Gesundheitsbürokratien vor der Aufgabe, konkrete, überschaubare Bevölkerungen vor Corona zu schützen. Man berechnete die natürliche Infektionsquote, derer eine Bevölkerung bedarf, um Herdenimmunität zu erreichen und leitete daraus die anzustrebende künstliche Impfquote ab.
Die ebenfalls von Gates gesponserte “Impfallianz” Gavi nannte bereits am 26. März 2020 einen Herdenimmunitäts-Schwellenwert von 60% der Bevölkerung:
Das neue Coronavirus hat eine niedrigere Infektionsrate als Masern. Jede infizierte Person gibt es im Durchschnitt an zwei oder drei neue Personen weiter. Dies bedeutet, dass die Herdenimmunität erreicht sein sollte, wenn etwa 60 % der Bevölkerung immun gegen COVID-19 sind.
Auch dieser Artikel lehnte Herdenimmunität durch “unkontrollierte Infektion” (“unchecked infection”) mit den bereits genannten Argumenten ab und warb für Impfstoffe. Er bot folgende Definition für Herdenimmunität an:
Herdenimmunität ist der indirekte Schutz vor einer ansteckenden Infektionskrankheit, der eintritt, wenn eine Population entweder durch eine Impfung oder eine durch frühere Infektionen entwickelte Immunität immun ist.
Diese Formulierung wurde am 9. Juni 2020 wortwörtlich von der WHO übernommen, allerdings ohne Angaben zum erstrebten Schwellenwert zu machen:
Der Schwellenwert für den Aufbau einer Herdenimmunität gegen COVID-19 ist noch nicht klar.
Anfang Mai 2020 beriefen sich einflußreiche amerikanische Medien wie die New York Times auf eine Studie der Universität Minnesota, die zu dem Schluß gekommen war, daß die Seuche erst dann ein Ende finden würde, wenn 60–70% der Weltbevölkerung immun seien, was mindestens zwei Jahre dauern würde. Die Forscher empfahlen dabei, sich auf “ein Worst-Case-Szenario vorzubereiten, bei dem kein Impfstoff verfügbar ist und keine Herdenimmunität besteht.”
Mit düsteren Prognosen dieser Art konnte der Suspense des Wartens auf einen Impfstoff immens gesteigert und seine rekordzeitschnelle Entwicklung später als wundersame titanische Leistung hingestellt werden.
Am 28. August 2020 nannte auch Soumya Swaminathan, die leitende Wissenschaftlerin der WHO, die Zahl 60–70%, und plädierte dafür, Herdenimmunität von nun an vorrangig als eine Funktion von Impfstoffen zu betrachten. Erneut bekräftigte sie die Doktrin, die sich im März 2020 herausgebildet hatte:
Wir glauben, daß mindestens 60 bis 70 % der Bevölkerung immun sein müssen, um die Übertragungskette effektiv zu unterbrechen. Wenn man dies auf natürliche Weise geschehen lässt, wird es natürlich lange dauern, aber was noch wichtiger ist, es wird eine Menge Kollateralschäden verursachen. Wenn auch nur 1 % der Infizierten stirbt, kann sich dies zu einer riesigen Zahl von Menschen summieren, wenn wir die ganze Weltbevölkerung in Betracht ziehen. Deshalb glauben wir, daß man lieber nicht versuchen sollte, Herdenimmunität zu erreichen, indem man die Infektion einfach in der Bevölkerung wuchern und viele Menschen infizieren läßt. Wir denken, daß wir über Herdenimmunität im Zusammenhang mit einem Impfstoff sprechen sollten.
Diese Gewichtungsverschiebung zugunsten der Impfstrategie spiegelte sich auch in einer Neufassung der WHO-Definition von Herdenimmunität wieder, die am 13. November 2020 die Fassung vom 9. Juni ablöste. Das Konzept einer “natürlichen” Herdenimmunität wurde dabei völlig entsorgt. Nun stand auf derselben Seite unter der Frage “What is herd immunity?” zu lesen:
“Herdenimmunität”, auch bekannt als “Populationsimmunität”, ist ein Konzept, das für Impfungen verwendet wird, die eine Bevölkerung vor einem bestimmten Virus schützen können, sobald ein Schwellenwert für die Impfung erreicht wird.
Herdenimmunität wird erreicht, indem man Menschen vor einem Virus schützt, nicht, indem man sie ihm aussetzt.
“Herdenimmunität” liegt vor, wenn ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung geimpft ist. Dadurch können sich Infektionskrankheiten nur schwer ausbreiten, weil es nicht viele Menschen gibt, die sich anstecken können.
‘Herd immunity’, also known as ‘population immunity’, is a concept used for vaccination, in which a population can be protected from a certain virus if a threshold of vaccination is reached.
Herd immunity is achieved by protecting people from a virus, not by exposing them to it.
‘Herd immunity’ exists when a high percentage of the population is vaccinated, making it difficult for infectious diseases to spread, because there are not many people who can be infected.
Diese Stellungnahme wurde am 31. Dezember 2020 erneut verändert und an die ältere Definition angepaßt, aber die Katze war damit aus dem Sack.
Nur fünf Tage nach Veröffentlichung der impfzentrierten WHO-Neudefinition verkündete Pfizer, sein “mRNA-basierter COVID-19-Impfstoffkandidat BNT162b2” habe “nach Durchführung der abschließenden Wirksamkeitsanalyse in der laufenden Phase-3-Studie alle primären Wirksamkeitsendpunkte der Studie erreicht”. Die “primäre Wirksamkeitsanalyse” zeige, daß “BNT162b2 ab 28 Tagen nach der ersten Dosis zu 95 % gegen COVID-19 wirksam ist.”
Das Time Magazine bestätigte zwar am 20. November 2020 (zumindest in der Titelzeile) die 95prozentige Wirksamkeit des Impfstoffs (eine äußerst trügerische Zahl), warnte jedoch davor, zu früh Hoffnung zu schöpfen: Wenn man sich die Studien von Pfizer und Moderna genauer ansehe, werde klar, daß “geimpfte Personen nicht unbedingt immun gegen eine Infektion sind.” Impfungen steigern lediglich “die Wahrscheinlichkeit”, daß diese Persionen “weniger Symptome haben und weniger krank werden als ungeimpfte Personen.”
Ähnlich schilderte es zu diesem Zeitpunkt auch der Deutschlandfunk (22. 11. 2020), basierend auf einem Interview mit Leif Erik Sander von der Charitè Berlin:
In beiden Untersuchungen sei zwar eine Reduktion der Corona-Infektionen mit Symptomen um rund 95 Prozent berichtet worden. Aber: „Die Frage, ob tatsächlich asymptomatische Infektionen und noch viel wichtiger Infektiosität verhindert werden kann – das ist in diesen Studien nicht untersucht worden, und diese Ergebnisse werden wir nicht bekommen aus den Studien.”
Mehr wurde von den Herstellern niemals versprochen: Die Impfung kann allenfalls eine Verlaufsmilderung bewirken, von einer “Vollimmunisierung”, wie sie Medien und Politik bewerben, kann keine Rede sein.
Eine Symptomreduktion, fuhr der Time-Artikel fort, könnte zwar weniger Hospitalisierungen und somit eine Entlastung des Gesundheitssystems bedeuten, nicht aber das Ende von Maßnahmen wie Maskenpflicht und “social distancing”. Außerdem wisse man noch nicht, “ob geimpfte Personen, bei denen keine Symptome auftreten, die Krankheit dennoch auf andere übertragen können.”
Entscheidend für das Ende Pandemie und damit für das Ende der Maßnahmen sei also die Zahl der Geimpften:
Das bedeutet, daß das ultimative Ziel bei der Bekämpfung der Pandemie, die Herdenimmunität, wahrscheinlich erst im nächsten Jahr erreicht wird, wenn genügend Menschen geimpft sind und eine schwere Erkrankung abwehren können. “Erst wenn ein erheblicher Teil der Bevölkerung geimpft ist und die Zahl der Fälle auf ein sehr niedriges Niveau gesunken ist, werden wir (ohne Maske) aufatmen können”, sagt Emanuel Goldman, Professor für Mikrobiologie an der Rutgers University.
Immerhin legte dieser Artikel einen halbwegs vernünftigen Maßstab nahe: Demnach wäre der Pandemie der Stachel gezogen, wenn die Hospitalisierungen bzw. die klinischen Auswirkungen auf ein Minimum herabgesunken sind, was theoretisch der Fall wäre, wenn es nur noch milde Verläufe gibt.
Die laufende Pandemie-Politik hechelt jedoch den Inzidenz-Werten hinterher, also der Anzahl der Menschen, die in einem bestimmten Zeitraum durch einen „positiven“ PCR-Test als „infiziert“ bestimmt werden, wobei „infiziert“ in der medialen Kommunikation irreführenderweise mit „erkrankt“ gleichgesetzt oder zumindest suggestiv vermengt wird.
Da auch eine erhebliche Zahl von Geimpften “positiv getestet” wird, hat sich die Impfung als ungeeignetes Mittel erwiesen, um die Inzidenzwerte herabzudrücken. Um das Impfungs-Narrativ aufrechtzuerhalten, müßte man aufhören, Geimpfte zu testen (was Herr Spahn und offenbar auch die US-Seuchenbehörde CDC verstanden zu haben scheinen).
Das Beste freilich wäre überhaupt, die Massentestungen vollständig zu beenden, da die Pandemie ohnehin nur mehr ein Inzidenzwerte-Phantom mit aufgeblasenen Sterbezahlen ist (mithilfe des “an oder mit Corona”-Tricks).
Immerhin häufen sich die Anzeichen, daß die Regierenden sukzessive versuchen, “das Narrativ” zu ändern, vermutlich, um einen Ausstieg ohne Gesichtsverlust vorzubereiten.
Am 15. 9. meldete der österreichische Kurier, daß die Regierung einen tollen neuen “Stufenplan” ersonnen hat, um den Maßnahmenautomatismus in Kraft treten zu lassen. Nicht mehr Inzidenzwerte sollen ausschlaggebend sein, sondern die Auslastung der Krankenhausbetten.
Warum plötzlich dies? Der Kurier erklärt:
Bis vor Kurzem war die „Inzidenz“ das Maß aller Dinge. Dabei geht es um die Anzahl der neu auftretenden Erkrankungen innerhalb einer Personengruppe von bestimmter Größe während eines bestimmten Zeitraums – meistens die Zahl der Neuinfektionen im Schnitt der vergangenen sieben Tag pro 100.000 Einwohner.
Doch die Corona-Impfung hat die Situation, wie kritisch die Lage im Land eingeschätzt werden muss, grundlegend verändert. Die reinen Infektionszahlen sagen nach rund 10,5 Millionen in Österreich verabreichten Impfdosen immer weniger aus. Daher will die Regierung nun primär auf die Auslastung der Betten und Intensivbetten in den Krankenhäusern schauen.
Diese Rede von einer wundersamen “grundlegenden Veränderung” der Lage durch die Massenimpfung ist natürlich nur ein Alibi: Der primäre Fokus “auf die Auslastung der Betten und Intensivbetten in den Krankenhäusern”, statt “Fälle” zu suchen und zu zählen, wäre von Anfang an der einzige vernünftige metrische Maßstab gewesen, auch ohne die magische Impfung.
Tatsache ist, daß im letzten Jahr weder in Deutschland noch in Österreich jemals die ernsthafte Gefahr einer kritischen Überlastung oder gar eines Kollapses des Gesundheitssystems bestand. Zur Erinnerung:
Im April 2021 kam eine Untersuchung des Beirats des Gesundheitsministeriums zum Ergebnis, daß im Jahresdurchschnitt 2020 nur 4% der Intensivbetten mit Coronapatienten belegt waren. Als die Kliniken im Frühjahr und Sommer leer geblieben waren, bauten die meisten Bundesländer ihre Intensiv-Kapazitäten wieder ab, wodurch sie sich im Herbst wieder rascher „füllten“.
„Der vermeintliche Mangel an Intensivbetten kam dadurch zustande, daß einfach die freien Betten abgebaut wurden – und nicht durch die vermehrte Einlieferung von Covid-19-Patienten.“ (Boris Reitschuster). Dies hatte vermutlich finanzielle Gründe: die Krankenhäuser haben durch falsche Angaben Fördergelder in Milliardenhöhe abgestaubt. Darüberhinaus wurden seltsamerweise 2020 etliche Krankenhäuser geschlossen; “Kliniksterben in der Pandemie” titelte das Staatsfernsehen am 17. 2. 2021.
Ob diese Strategieänderung in Österreich – weg von den Inzidenzwerten, hin zu den Hospitalisierungen – tatsächlich zum Exit-Programm aus der Corona-Sackgasse wird, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Denkbar sind auch höhere Hospitalisierungsraten durch Impfschäden, die natürlich nicht als solche anerkannt werden. Interessant wird auch, ob die Regierung Auskunft geben wird, wie viele “positiv getestete” Hospitalisierte doppelt geimpft waren. Es ist außerdem zu vermuten, daß die Zahl der Corona-Patienten und ‑Toten weiterhin mit den üblichen Mitteln nach oben gedrückt werden wird.
Offen bleibt die Antwort auf die entscheidende Frage: Wie groß muß der geimpfte Anteil der Bevölkerung sein, um dieses Ziel zu erreichen? An welchen handfesten Daten können wir ablesen, daß wir endlich die Herdenimmunität erreicht haben? Die Tücke an der Sache ist, daß die Regierungen dies selbst nicht zu wissen scheinen.
Mehr dazu im nächsten Teil.
RMH
Danke für die historisch, chronologische Aufstellung. Man wusste also schon im November 2020 dass die sog. "Impfung" (ich halte die Bezeichnung für falsch - es ist bei den bei uns bislang zugelassenen Impfstoffen eher eine Gentherapie und keine Impfung im altbekannten, erprobten und bewährten Sinne) eigentlich nur den Eigenschutz der Geimpften vor schlimmeren Verläufen bewirken kann, aber keine sterile Immunität etc.
Seit Sommer 2021 dürfen wir nun erleben, wie Menschen, die sich nicht gleich in die Impfwilligen-Warteschlangen einreihten, sich als asozial bezeichnen lassen dürfen. Gleichzeitig nehmen die Repressionen gegen Ungeimpfte stetig zu - fast schon im Wochentakt.