Wiedervorlage (1): Chancenlos in Afghanistan

Nach dem Einzug der Taliban in Kabul und dem Abzug der Nato-Streitkräfte aus Afghanistan stellt sich eine Frage: Was ist da schief gelaufen?

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Die Ant­wort: So ziem­lich alles. Und, das macht die Ant­wort bit­ter, die­ses Ende war nicht zu ver­hin­dern, es muß­te so kom­men. Die Grün­de haben für die Ent­schei­dung, dort unten unse­re Sol­da­ten zu opfern, nie eine Rol­le gespielt, weil sie nicht in das uni­ver­sa­lis­ti­sche Welt­bild pas­sen. Wem das zu all­ge­mein ist, mag einen Blick in den fol­gen­den Text aus unse­rem Archiv wer­fen. Er erschien im April 2012, neun Jah­re bevor sich die Nato auf einen Trup­pen­ab­zug einigte.

– – –

“War­um wir in Afgha­ni­stan nicht gewin­nen können”

von Tho­mas Bar­gatz­ky, Sezes­si­on 47/ April 2012

Die Neu­ori­en­tie­rung der deut­schen Sicher­heits- und Ver­tei­di­gungs­po­li­tik seit dem Ende des Kal­ten Krie­ges hat zur »Trans­for­ma­ti­on der Bun­des­wehr« als per­so­nell redu­zier­te Ein­greif­ar­mee für den Ein­satz an exo­ti­schen Schau­plät­zen geführt. Die neue Auf­ga­be wur­de von dem dama­li­gen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Peter Struck im Dezem­ber 2002 mit der Losung »Deutsch­land wird auch am Hin­du­kusch ver­tei­digt« auf den Punkt gebracht.

Die damit ver­bun­de­ne asym­me­tri­sche Krieg­füh­rung zeigt dem Staat jedoch die Gren­zen mili­tä­ri­scher Inter­ven­tio­nen auf. Am Fall Afgha­ni­stan wird der illu­sio­nä­re Cha­rak­ter von Aus­lands­ein­sät­zen deut­lich: Dort kann der Wes­ten nicht gewin­nen, weil er drei Irr­tü­mern auf­sitzt: Ers­tens, Afgha­ni­stan wird als kul­tu­rel­les und his­to­ri­sches Iso­lat betrach­tet. Man glaubt, dort nati­on-buil­ding als Teil des welt­wei­ten Kamp­fes gegen den Ter­ro­ris­mus durch­ex­er­zie­ren zu kön­nen. Nati­on-buil­ding ist aber die zivi­le Kehr­sei­te der bewaff­ne­ten Auf­stands­be­kämp­fung (coun­ter­insur­gen­cy) und pro­vo­ziert Wider­stand. Zwei­tens, Stam­mes­struk­tu­ren wer­den als zu über­win­den­de »mit­tel­al­ter­li­che« Relik­te abge­tan. Damit unter­läuft dem Wes­ten eine fata­le Fehl­ein­schät­zung. Drit­tens, man unter­schätzt die iden­ti­täts­bil­den­de Kraft des Islam.

Afgha­ni­stan im regio­na­len Zusammenhang

Das von einer Viel­zahl klei­ne­rer und grö­ße­rer eth­ni­scher Grup­pen besie­del­te Ter­ri­to­ri­um namens Afgha­ni­stan ist Teil einer gro­ßen Fließ­zo­ne kul­tu­rel­ler, eth­ni­scher, sprach­li­cher und reli­giö­ser Gemenge­la­gen ohne deut­li­che Abgren­zun­gen von­ein­an­der. Die­ses Kon­ti­nu­um setzt sich nach Wes­ten im Iran, nach Nor­den in den zen­tral­asia­ti­schen Staa­ten und im Wes­ten und Süd­wes­ten auf dem indi­schen Sub­kon­ti­nent fort. Die ein­zi­gen Gren­zen, die in der Ver­gan­gen­heit eine Bedeu­tung hat­ten, waren die sich stän­dig wan­deln­den Gren­zen wech­seln­der dynas­ti­scher Herrschaften.

Afgha­ni­stan war seit jeher ein Durch­gangs­raum zwi­schen Ost und West, Nord und Süd mit flie­ßen­den eth­ni­schen und kul­tu­rel­len Über­gangs­zo­nen. Immer wie­der fie­len unter­schied­li­che Völ­ker aus Zen­tral­asi­en hier ein und dräng­ten wei­ter in Rich­tung Indi­en, oder wur­den von nach­rü­cken­den Völ­kern dort­hin abge­drängt. Im Zuge der ara­bi­schen Erobe­run­gen seit dem 7. Jahr­hun­dert ver­brei­te­ten sich mit dem Islam ara­bi­sche Spra­che und Schrift in der gesam­ten Regi­on. Mus­li­mi­sche Inva­sio­nen bedroh­ten seit­her immer wie­der auch den indi­schen Subkontinent.

Afgha­ni­stan war bis 1747 Teil umfas­sen­de­rer Herr­schafts­ge­bie­te unter wech­seln­den, mal afgha­ni­schen, mal nicht­af­gha­ni­schen Dynas­tien. Die­se Kon­stel­la­ti­on zog sich bis zu dem Gre­at Game genann­ten macht­po­li­ti­schen »Spiel« um die Vor­macht­stel­lung in Asi­en im 19. Jahr­hun­dert, das zwi­schen Groß­bri­tan­ni­en, dem Zaren­reich und Per­si­en aus­ge­tra­gen wur­de. Auch in der Gegen­wart sug­ge­rie­ren die Gren­zen auf der Land­kar­te eine kul­tu­rel­le und staat­li­che Ein­heit und Sou­ve­rä­ni­tät, die so nicht besteht. Inter­ve­niert man dort, sind auch ande­re Län­der betrof­fen, ins­be­son­de­re Pakistan.

Das Zeit­ge­mä­ße der Stammesstruktur

In einem Land wie Afgha­ni­stan nati­on-buil­ding betrei­ben zu wol­len, nach Maß­ga­be moder­ner euro­päi­scher Staats- und Rechts­ord­nun­gen mit ihren Kor­re­la­ten Zivil­ge­sell­schaft, Par­tei­en­plu­ra­lis­mus, Säku­la­ri­sie­rung, Indi­vi­dua­lis­mus und Men­schen­rech­ten, kommt dem Ver­such gleich, den sprich­wört­li­chen Pud­ding an die Wand zu nageln. Der­glei­chen setzt eine spe­zi­fisch euro­päi­sche Ent­wick­lung vor­aus, die im Lehns­we­sen und sei­ner Auf­lö­sung ihren Aus­druck fand, wodurch die aus den alten Bin­dun­gen »frei­ge­setz­ten« Indi­vi­du­en sich unter kapi­ta­lis­ti­schem Vor­zei­chen in Bür­ger­tum und Arbei­ter­schaft neu for­mier­ten. Der säku­la­re, lai­zis­ti­sche moder­ne Rechts­staat trat an die Stel­le der reli­gi­ös legi­ti­mier­ten alten Feu­dal­ord­nung und lie­fer­te als Natio­nal­staat auf der Grund­la­ge einer als je eigen­stän­dig wahr­ge­nom­me­nen und geför­der­ten Kul­tur eine neue ideel­le Klam­mer für die – unter­schied­li­chen Inter­es­sen ver­pflich­te­ten – Bürger.

Kei­ne die­ser Bedin­gun­gen liegt in Afgha­ni­stan vor, in dem grenz­über­schrei­ten­de, auf Ver­wandt­schafts- und Clan­strukturen basie­ren­de Stam­mes­kon­fö­de­ra­tio­nen das Sagen haben, wie sie im zen­tral­asia­ti­schen Raum seit jeher geschichts­be­stim­mend waren. Dabei han­delt es sich nicht um feu­da­le Gebil­de, son­dern um durch Reli­gi­on und Brauch­tum inte­grier­te Rechts- und Loya­li­täts­ge­mein­schaf­ten. Die ein­zel­nen Seg­men­te die­ser Stäm­me schlie­ßen sich auf­grund von Stamm­baum­be­zie­hun­gen bei gege­be­ner Inter­es­sen­la­ge zeit­wei­lig gegen unge­fähr gleich gro­ße Grup­pen inner­halb des Stam­mes zu grö­ße­ren Ver­bän­den zusam­men, zer­fal­len aber eben­so schnell wie­der in ihre Kom­po­nen­ten. Die­se »kom­ple­men­tä­re Oppo­si­ti­on« mani­fes­tiert sich in ers­ter Linie bei Rechts­strei­tig­kei­ten und den häu­fig damit zusam­men­hän­gen­den krie­ge­ri­schen Kon­flik­ten, aber auch in ande­ren poli­ti­schen Situa­tio­nen wie bei der Beset­zung vakan­ter Füh­rungs­äm­ter. Dadurch wird ein grup­pen­wei­se orga­ni­sier­tes Auf­ge­bot mög­lich. Grup­pen­zie­le las­sen sich auf Kos­ten ande­rer Grup­pen durch­set­zen, mit denen man aber bei geän­der­ten Ver­hält­nis­sen wie­der zusam­men­geht. Man könn­te sol­chen Grup­pen das Mot­to unter­stel­len: »Der Feind mei­nes Fein­des ist auch mein Feind.«

Die heu­te etwa 40 Mil­lio­nen Pasch­tu­nen besit­zen solch eine seg­men­tä­re Orga­ni­sa­ti­on. Sie gel­ten als größ­te Stam­mes­ge­sell­schaft der Welt. Sie füh­ren sich auf einen gemein­sa­men Stamm­va­ter zurück, Qais Abdur Rasch­id. Exak­te Zah­len sind schwer zu bekom­men, aber als Faust­re­gel kann man von zwölf Mil­lio­nen in Afgha­ni­stan (40 Pro­zent der Gesamt­be­völ­ke­rung) und 25 bis 27 Mil­lio­nen in Paki­stan (ca. 15 Pro­zent der Gesamt­be­völ­ke­rung) aus­ge­hen. Die bei­den gro­ßen pasch­tu­ni­schen Stam­mes­kon­fö­de­ra­tio­nen der Ghil­zai und Abda­li spie­len bis heu­te eine über­ra­gen­de Rol­le. Mal gin­gen sie gegen einen gemein­sa­men Geg­ner vor, um dann wie­der gegeneinanderzustehen.

Der bewaff­ne­te Wider­stand gegen die Ver­su­che Groß­bri­tan­ni­ens, Afgha­ni­stan im 19. Jahr­hun­dert im Zuge des Gre­at Game unter direk­te Kon­trol­le zu brin­gen, wur­de maß­geb­lich von den Ghil­zai getra­gen. Das Mus­ter stän­dig wech­seln­der Alli­an­zen sogar inner­halb eines Stam­mes nach dem Prin­zip der kom­ple­men­tä­ren Oppo­si­ti­on liegt auch gegen­wär­ti­gen Kon­flikt­la­gen zugrun­de. Drei der pro­kom­mu­nis­ti­schen Prä­si­den­ten Afgha­ni­stans waren Ghil­zai-Pasch­tu­nen (Muham­mad Tara­ki, Hafi­zul­lah Amin, Muham­mad Nad­schi­bull­ah), aber auch die Tali­ban rekru­tier­ten sich vor­nehm­lich aus den Rei­hen der Ghil­zai. Der heu­ti­ge Prä­si­dent Afgha­ni­stans, Hamid Kar­zai, gehört dage­gen dem Dur­ra­ni-Unter­clan der Popal­zai an und ist ein Nach­fah­re von Ach­mad Schah Durrani.

Es wäre ein fata­ler Irr­tum, sol­che Stam­mes­struk­tu­ren als »mit­tel­al­ter­lich« abzu­tun, denn damit ist ja die Vor­stel­lung der Rück­stän­dig­keit ver­bun­den und die Über­zeu­gung, die­se Struk­tu­ren im Zuge der »Moder­ni­sie­rung« durch nati­on-buil­ding über­win­den zu kön­nen. Stam­mes­struk­tu­ren sind viel­mehr in der Moder­ne ange­kom­men. In Karat­schi leben heu­te rund ein­ein­halb Mil­lio­nen Pasch­tu­nen, die das pri­va­te Trans­port­we­sen beherr­schen. Pasch­tu­nen sind welt­weit online ver­netzt (www.pashtunforums.com).

Die trans­na­tio­na­len Stam­mes­netz­wer­ke geben den Stam­mes­ge­nos­sen Vor­tei­le, die kei­ne natio­na­le Zuge­hö­rig­keit bie­ten könn­te. Daher resü­miert der Ori­en­ta­list Oli­vi­er Roy: »Die Stäm­me sind zur Welt hin offen. Das Stam­mes­sys­tem ver­schwin­det nicht, es paßt sich der Glo­ba­li­sie­rung und den supra­na­tio­na­len Ideo­lo­gien an. Der Stamm exis­tiert wei­ter und greift auf die gan­ze Welt über, was oft mit wirt­schaft­li­cher Glo­ba­li­sie­rung ein­her­geht (Betei­li­gung am Dro­gen­han­del, an Schmug­gel, an Arbeits­mi­gra­ti­on)«. Die Tali­ban nut­zen jeden­falls die Ver­net­zung der Stam­mes­struk­tu­ren gewinn­brin­gend zur Erhe­bung von Zöl­len bei Dro­gen­an­bau und Schmuggel.

Isla­mi­sche Solidarität

Der Islam stif­te­te bereits in der Zeit vor den euro­päi­schen Inter­ven­tio­nen den Zusam­men­halt ver­fein­de­ter pasch­tu­ni­scher Stäm­me beim Wider­stand gegen die Herr­schaft der Moguln in der zwei­ten Hälf­te des 16. Jahr­hun­derts. Der Mecha­nis­mus der kom­ple­men­tä­ren Oppo­si­ti­on, durch das eini­gen­de Band des Islam ver­stärkt, könn­te eine grenz­über­grei­fen­de Soli­da­ri­sie­rung der Völ­ker Afgha­ni­stans und teil­wei­se Paki­stans gegen den Wes­ten zustan­de brin­gen. Die schwer zu über­wa­chen­de afgha­nisch-paki­sta­ni­sche Staa­ten­gren­ze (Durand-Linie) geht mit­ten durch das Gebiet der Pasch­tu­nen, von denen sie nicht aner­kannt wird. Ghil­zai-Noma­den kön­nen sie unge­hin­dert über­que­ren. Sie wur­de 1893 auf bri­ti­schen Druck hin gezo­gen, um die Pasch­tu­nen zu schwä­chen und Bri­tisch-Indi­en bes­ser zu schüt­zen. Das Prin­zip der Staats­gren­ze wird durch die Stam­mes­struk­tu­ren auf bei­den Sei­ten und die gemein­sa­me isla­mi­sche Basis aus­ge­höhlt. Es ist nicht ver­wun­der­lich, daß bei­spiels­wei­se der paki­sta­ni­sche Geheim­dienst Inter-Ser­vices Intel­li­gence (ISI) im Macht­po­ker zwi­schen Paki­stan und Indi­en um regio­na­len Ein­fluß und Zugriff auf die Roh­stoff­vor­kom­men Zen­tral­asi­ens eine Dop­pel­rol­le spielt – einer­seits wer­den die Tali­ban ver­deckt unter­stützt, ande­rer­seits stellt sich Paki­stan an die Sei­te der USA im Kampf gegen den inter­na­tio­na­len Ter­ro­ris­mus. Ver­wun­der­lich ist viel­mehr, daß sich Poli­ti­ker und Jour­na­lis­ten dar­über immer noch wundern.

Wem nützt der Ein­satz in Afghanistan?

Wah­rend der Zeit des Gre­at Game fürch­te­te Groß­bri­tan­ni­en um sei­ne Herr­schaft in Bri­tisch-Indi­en. Mit dem ang­lo-rus­si­schen Abkom­men von 1907 wur­de ein Inter­es­sen­ab­gleich in Zen­tral­asi­en ver­ein­bart, der aber schon 1918 mit Lenins Auf­ruf an die Mas­sen Asi­ens, dem bol­sche­wis­ti­schen Bei­spiel zu fol­gen, wie­der auf­ge­kün­digt wur­de. Nach dem Zwei­ten Welt­krieg schied Groß­bri­tan­ni­en end­gül­tig als »Spie­ler« aus. Die Neu­auf­la­ge des Gre­at Game seit der Zeit um die Jahr­tau­send­wen­de steht im Zei­chen der Brze­zinski-Dok­trin, der Siche­rung der welt­po­li­ti­schen Vor­macht­stel­lung der USA auch durch Kon­trol­le der poli­ti­schen Lage in Zen­tral­asi­en. Chi­na, Indi­en und Ruß­land sind die Gegen­spie­ler der USA und ihrer Verbündeten.

Die wah­re Auf­ga­be der von der poli­ti­schen Klas­se zweck­ent­frem­de­ten Bun­des­wehr in Afgha­ni­stan ist es, dort den Inter­es­sen der USA zu die­nen. Den Kol­la­te­ral­nut­zen haben fer­ner die Staa­ten der Shang­hai­er Orga­ni­sa­ti­on für Zusam­men­ar­beit (Chi­na, Ruß­land, Usbe­ki­stan, Kasach­stan, Kir­gi­stan und Tadschi­ki­stan), die die Gefahr isla­mis­ti­scher Auf­stän­de in ihren Ter­ri­to­ri­en fürch­ten. Peter Scholl-Latour hat auf die­sen, in den Medi­en kaum beach­te­ten Aspekt hin­ge­wie­sen: »Durch die Prä­senz der Bun­des­wehr in Afgha­ni­stan wird nicht Deutsch­land am Hin­du­kusch ver­tei­digt, son­dern die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on und ihre Kli­en­ten … ein Ver­sa­cken der NATO in Afgha­ni­stan ent­spricht den objek­ti­ven Inter­es­sen Mos­kaus. An die Adres­se der unbe­lehr­ba­ren Stra­te­gen des Wes­tens rich­te­te ein enger Bera­ter Putins die gro­be Auf­for­de­rung: ›You’ll have to eat your own shit‹«.

– – –

pdf der Druck­fas­sung aus Sezes­si­on 47 / April 2012

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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Kommentare (17)

Mitleser2

14. September 2021 17:40

Welch eine Weitsicht in 2012!

Die Frage heute ist, ist die nahezu alleinige weltpolitischen Vormachtstellung der USA wirklich am Verschwinden, und wird das in Washington irgendwie akzeptiert, oder schlägt der Deep State jetzt erst recht wild um sich.

Der_Juergen

14. September 2021 17:54

Danke für diese vorzügliche Analyse von Thomas Bargatzky. Ich war 2012 noch kein Leser von "Sezession", und es ist wertvoll, sich solche alten Beiträge nachträglich noch zu Gemüte führen zu können.

Andreas Walter

14. September 2021 21:13

Afghanistan war ein sehr teures Entwicklungshilfeprojekt.

Ja, auch die Militärindustrie mehrerer westlicher Nationen wurde dadurch unterstützt.

Bleiben wird auch erstmal die große Ringstraße, diverse neue Schulen, dann eben für Jungs, Brunnen, sonstige Infrastruktur, die in den letzten Jahren gebaut wurde.

Zudem hat man Afghanistan jetzt auch militärisch ein ganzes Stück wieder weiter nach vorne gebracht so wie einstmals auch Saddam Hussein.

https://www.nzz.ch/article8PD77-1.222358?reduced=true

Völlig umsonst war daher alles nicht, und die, die es geplant haben, haben es ja nicht bezahlt. Bezahlt haben es hauptsächlich die Steuerzahler, der Mittelstand und die kleinen Leute im Westen. Die Planer dagegen besitzen möglichst viele Aktien diverser Rüstungskonzerne und Militärlogistikunternehmen.

https://www.produktion.de/wirtschaft/das-sind-die-10-umsatzstaerksten-ruestungsunternehmen-der-welt-127.html

https://de.linkedin.com/pulse/opiumbauern-islamisten-rüstungskonzerne-die-gewinner-des-steingart?trk=pulse-article_more-articles_related-content-card

Laurenz

14. September 2021 21:48

@EL

So geil der Artikel auch ist, er kommt zu spät.

Im Zuge des Wahlkampfs ist Afghanistan medial schon längst abgehakt. 

Die Russen haben bis zu jetzigen Sekunde die Sehnsucht nach einem Südmeerzugang. 

Die Drogen-Nummer der Taliban stimmt nur zum Teil, es wurden auch schon mal alle Mohnfelder eingestampft. 

Vor der islamischen Eroberung gab es in Afghanistan anteilig wohl mehr Christen als bei uns.

Die Russen haben der Nato in Syrien asymmetrischen Krieg vorgemacht, aber die Nato hat wohl nicht wirklich daraus gelernt. Die Qualität des russischen Einsatzes basiert wohl auf den bitteren Erfahrungen im Tschetschenien-Krieg zu Beginn von Putins Machtübernahme.

Andreas Walter

14. September 2021 22:08

Hier noch mal eine Quelle ohne Bezahl- oder Anmeldesperre. Mir ging es vor allem um den Anteil der VSA am weltweiten Waffenhandel:

https://www.welt.de/wirtschaft/article149919642/Das-sind-die-100-groessten-Waffenfirmen-der-Welt.html

Das Land mit dem höchsten Anteil pro Kopf an Rüstungseinnahmen ist übrigens Israel:

https://www.gsoa.ch/press_release/schweizer-waffenexporte-erreichen-rekordhoch/

(Grafik öffnen, "herunterladen")

Export, wohlgemerkt, nicht Eigenbedarf. Wobei Der auch der Höchste der Welt ist, pro Kopf.

Koek Boeri

15. September 2021 03:35

Auch im Westen ist die Zeit der Nationalstaaten vorbei. Es werden andere Strukturen vorherrschen, die auch wenn nicht familien- und clanorientiert, doch viel mehr regional sein werden. Das ist bei amerikanischen Wissenschaftlern Martin van Creveld und William Lind gut beschrieben. Auch die Theorie der Vierten Generation des Krieges (the Fourth- Generation Warfare) von William Lind ist zu den Ereignissen in Afghanistan anwendbar. Die Beschreibung in amerikanischer Wikipedia ist richtig. (Fourth-generation warfare (4GW) is conflict characterized by a blurring of the lines between war and politics, combatants and civilians.) 

RMH

15. September 2021 07:19

"Afghanistan war ein sehr teures Entwicklungshilfeprojekt."

Bitte den Artikel genau lesen: "Nation-building ist aber die zivile Kehrseite der bewaffneten Aufstandsbekämpfung (counterinsurgency)".

Bestätigt meine These aus einem anderen Debattenstrang zu Afghanistan, in dem ich geäußert hatte, dass Demokratie auch nur einer von vielen möglichen Modi der Besatzung ist.

Daher sollte man nicht das beschönigende Wort von der Entwicklungshilfe unbedacht verwenden. Entwicklungshilfe war noch nie uneigennützig.

"höchsten Anteil pro Kopf an Rüstungseinnahmen ist übrigens Israel:"

Ein Land, welches auch kein Problem damit hat, High-Tech an islamische Länder zu liefern, wie man Eindrucksvoll im letzten Armenien-Aserbaidschan Berg Karabach Krieg sehen konnte.

Karabach-Konflikt: Israels sonderbarer Bettgenosse Aserbaidschan (nzz.ch)

Das sollte manchem schwarz-weiß Maler, bspw. bei pi, ein bisschen zu denken gehen. Bei Interessenpolitik gibt es kein schwarz-weiß. Da gibt es nur eigene Interessen und es wird auch über Bande, manchmal sogar mehrfach, gespielt.

Laurenz

15. September 2021 09:07

@RMH

Stimme Ihrem Beitrag ausdrücklich zu.

Hier ganz aktuell

https://www.tichyseinblick.de/interviews/nicolas-scheidtweiler-afghanistan/

Man hatte die Ortskräfte gekauft, mit dem 8-fachen afghanischen Durchschnittseinkommen. Der Westen ist dumm geboren und hat bis heute nie was dazu gelernt. Die Chinesen werden Afghanistan kassieren, alleine schon, um die Inder in die Zange zu nehmen.

Andreas Walter

15. September 2021 11:57

@RMH

Ich dachte man erkennt das satirisch Gemeinte an dem Satz auch ohne Anführungszeichen.

“Entwicklungshilfeprojekt“

Die Bergjuden von Aserbaidschan und ihre zum Teil wundersamen Karrieren nach dem Fall der Sowjetunion. Doch warum sollte mich das wundern wenn ich doch weiß, wer diese Leute sind.

“Bergjuden“, “wundersamen“

Ich glaube ich habe mittlerweile ein recht klares Bild auch von dieser Truppe, auch wenn es nicht so schmeichelhaft ist, wie sie es gerne hätte. Wo viel Licht eben auch viel Schatten.

 

Max

15. September 2021 18:26

Zum Artikel:
"bevor sich die Nato auf einen Truppenabzug einigte."

Bevor sich die USA zu einem Truppenabzug entschloss und das dann irgendwann mal auch den anderen NATO-Staaten mitteilte.

Ich habe gehört, die Briten hätten was dagegen gehabt, und sich als Antwort eingefangen, es stehe ihnen natürlich frei, auch weiter dort zu bleiben.  

@Laurenz 
"Die Qualität des russischen Einsatzes basiert wohl auf den bitteren Erfahrungen im Tschetschenien-Krieg zu Beginn von Putins Machtübernahme."

Wirklich bitter waren die Erfahrungen des ersten Tschetschenien-Kriegs unter Jelzin.  Den hatte Russland richtig verloren.  Beim zweiten hatte man schon aus dem ersten einiges gelernt, und den hatte man auch gewonnen. Politisch war der Schlüssel das Bündnis mit moderaten Tschetschenen (Kadyrow) denen der wahabitische Extremismus nicht gefiel, und die zum Schluss gekommen waren, dass sie als Teil Russlands viel eher all das tun können, was sie selbst wollen. 

Dass die Russen auch weiter aus ihren Fehlern gelernt haben ist auch richtig. Haben sie auch aus dem Krieg gegen Georgien - eine Woche und voller Sieg, aber sie haben trotzdem noch eine Menge Fehler gefunden.

Max

15. September 2021 19:21

@Quarz, Laurenz 
"Man kann ohne weiteres eigene Normen für objektiv gültig und in anderen Kulturen wirkmächtige Normen für objektiv falsch halten"

"Nein, Quarz, das kann man nicht."

Doch, kann man. Ist sogar höchst natürlich. Wichtig ist nur, dass die Moral auch Elemente enthält, die es nicht gestatten, auf dieser Basis Angriffskriege zu führen.  

Und das geht recht einfach, wenn man als grundlegendsten ethischen Wert die Souveränität akzeptiert. Souveränität heißt ja auch das Recht, Fehler zu machen und die Folgen dann selbst ausbaden zu müssen.

"Und desweiteren frage ich Sie, wie Sie dazu kommen, Menschen irgendeine Objektivität zu unterstellen?"

Man "unterstellt" natürlich jedem Wahrheitssucher erstmal, bis zum Beweis des Gegenteils, dass er die Wahrheit sucht. Klar wird er Fehler machen, klar wird er irgendwann meinen, die Wahrheit gefunden zu haben, auch ohne dies beweisen zu können weil man das nun einmal nicht kann. 

"Wie stellt man denn Objektivität fest?"

Ethische Regeln kann man utilitaristisch als Klugheitsregeln begründen. Klugheitsregeln gehen von gegebenen Interessen aus und finden, mit Hilfe wissenschaftlicher Theorien, optimale Strategien, diese so gut es geht durchzusetzen.  

Selbst physikalische Theorien bleiben prinzipiell aber immer Theorien, Hypothesen, sie sind nicht beweisbar. 

Laurenz

17. September 2021 09:57

@Max @Quarz & L.

"Wichtig ist nur, dass die Moral auch Elemente enthält, die es nicht gestatten, auf dieser Basis Angriffskriege zu führen"

Das ist eine unmenschliche Aussage, denn laut Clausewitz ist der Krieg die Fortsetzung der Politik mit andern Mitteln. Sie, Max, beziehen Sich hier mehr oder weniger auf Ganser & Co. Und Das ist bei der guten Arbeit Gansers Sein größtes Mißverständnis, ein falsches Menschenbild. Krieg läßt sich nur durch die Verkleinerung des politischen Zwecks beim Gegner verhindern, die durch die Vergrößerung des militärischen Risikos beim Gegner selbst erzeugt wird.

"Ethische Regeln"

sind vollkommen subjektiv. Und Ihre Wahrheit, Max, Ihre Ethik, ist gerade in Afghanistan gescheitert. Damit haben wir objektiv Unrecht. Dieser völlig subjektive Konflikt kommt überall zum Tragen, auch im Corona-Krieg.

dreamingplanet7

17. September 2021 14:10

Wer Afghanistan und den notwendigen Umgang mit seinen Bewohnern halbwegs verstehen moechte, dem sei "Einundvierzig Jahre in Indien" von Feldmarschall Lord Roberts empfohlen. Sind zwei Baende...

Keine Ahnung ob es die noch anders als antiquarisch gibt, wenn es jemand herausfindet dann die Autoren und Leser hier...

Auch: Haette man die Russen mal machen lassen dort, was waere erspart geblieben, seufz...

Laurenz

17. September 2021 17:20

@dreamingplanet7

"Hätte man die Russen mal machen lassen dort"

Das funktioniert schon nicht! seit Peter dem Großen.

Warum mußte (aus Sicht der seefahrenden Mächte) dieser Arsch auch eine Flotte bauen?

Aber solch politische Haltungen wechseln desöfteren so häufig, wie wir unsere Unterwäsche wechseln.

Sidney Smith, einer der beiden größten britischen Seeleute (neben Cochrane), mußte sich nach dem Unabhängigkeitskrieg, als viele britische Offiziere auf Halbsold waren & im Ausland dienten, vor der britischen Öffentlichkeit rechtfertigen, weil er (zum schwedischen Ritter geschlagen) den Schweden zum Sieg im schwedisch-russischen Krieg verhalf & auf russischer Seite deswegen einige britische Offiziere gefallen waren. Den Briten wäre natürlich am liebsten gewesen, keiner von beiden Kontrahenten hätte den Krieg gewonnen.

Aber der oberste Tenor westlicher Außenpolitik, den ich bezüglich Peters des Großen genannt hatte, ist bis zum heutigen Tage gegenüber Rußland gültig. Und natürlich interessiert das die Russen einen Scheiß'. Das ist geo-strategische Politik. Und "hätte" kommt da nicht vor, weil es grundsätzlich die eigene Blödheit offensichtlich machte, wie jetzt unsere in Afghanistan. Uns nimmt doch nicht mal Liechtenstein ernst & wir sind ständig erpeßbar deswegen.

Laurenz

19. September 2021 17:14

"Uboote & Impfstoff"

https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/514629/Wie-Frankreichs-geplatzter-U-Boot-Deal-mit-der-Sabotage-des-BioNTech-Impfstoffs-zusammenhaengt

 

Schwarzseher

19. September 2021 19:25

Was soll da schief gelaufen sein? Welches Ende war nicht zu Verhindern? Sollte der Bunderswehreinsatz dort noch etwas länger laufen? Galuben sie es ginge beim "Nationbuilding" um Demokratie und Schulen mit Brunnen und ähnlichen Quatsch??

Natürlich dient die Bundeswehr ausschließlich US Interessen, dazu wurde sie ja gegründet und aufgebaut. Etwas verwirrend ist die Behauptung den Kolleteralnutzen hätte Russland und China, die die Gefahr islamistischer Aufstände in ihren Territorien fürchten. Welchen Kolleteralnutzen meinen Sie hier Herr Lehnert? Wollen sie andeuten die Bundeswehr und die USA würden den Terrorismus bekämpfen?? Das Zitat von Sholl Latour bezieht sich auf einen "Nutzen" durch das "Vrsacken" der USA bzw NATO in Afgabistan. Was eigendlich nicht mehr als eine Floskel ist, und zu diskutieren wäre. Sholl Latour und Vietnam eben. Und welcher enger Putinberater drückt sich so aus? Hat der Mann keinen Namen? Ivan oder Rasputin? Ist das die russische Position zu dem Thema? Fäkaliensprache?

 

Laurenz

20. September 2021 00:42

@Schwarzseher

Die Russen führten Krieg gegen Muslime im eigenen Land. Putin hat sich mit Ihnen geeinigt.

Die Nato band viele muslimische Kampfgruppen in Afghanistan. Auch für muslimische Feindbilder war die Okkupation des Westens hilfreich & lenkte ab.

Und hier für Sie ein Vortrag von Peter Scholl-Latour aus dem Jahr 2009 "Siegen in Afghanistan?"

Und was glauben Sie, was Putin dazu bewegt hatte, der Nato zu helfen? Denken Sie Putin ist ein Idiot? Hier Putin aus 2012.

https://youtu.be/5tg-EoGwBDY

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