Wenn einem nichts einfällt: immer Hitler

Humor, Witz und Satire haben heute in Deutschland einen schweren Stand, denn die Zügel des Mainstreams sind kurz. Oder, Moment:

War es viel­leicht umge­kehrt nie leich­ter, sich lus­tig zu machen? Unser Autor Jörg Sei­del befragt “den Ossi” Bernd Zel­ler, Chef­re­dak­teur der Zel­ler Zei­tung und Autor unter ande­rem sei­nes neu­es­ten Buches Furcht und Elend des Grü­nen Rei­ches  zum neu­en deut­schen Humor.

– – –

SEIDEL: Kom­men wir gleich zur Sache! Sie sind 1966 in Gera gebo­ren, heu­te ein Ort der Reni­tenz, wie so vie­le Städ­te in Sach­sen, Thü­rin­gen und im Rest des Ostens. Wie viel DDR steckt in Ihren Arbeiten?

ZELLER: Nein, DDR steckt gar nicht drin, ich trach­te viel­leicht etwas mehr als West­hu­mo­ris­ten danach, dass das so bleibt, wobei auch hier „West­hu­mo­rist“ eine men­ta­le Ange­le­gen­heit ist und kei­ne geo­gra­phi­sche. Wie mir scheint, ist die Wahr­schein­lich­keit, dass jemand mit einer Abnei­gung gegen Tota­li­ta­ris­mus ost­deutsch ist, grö­ßer als fünf­zig Pro­zent, also über­pro­por­tio­nal, weil man da eben wis­sen kann, wie es funk­tio­niert, und es wie­der­erken­nen kann. Wenn man das will.

SEIDEL: Sie haben sowohl im Eulen­spie­gel als auch in der Tita­nic und in vie­len ande­ren Pro­jek­ten gear­bei­tet, Wiki­pe­dia belehrt uns dar­über, daß Sie sogar bei Harald Schmidt als „unser Ossi“ auf­ge­tre­ten sei­en. Sehen Sie eine Humor­mau­er im Kopf der Ost- und der West­deut­schen? Unter­schei­den sich die Iro­nie­ver­ständ­nis­se? Lacht oder ärgert man sich ver­schie­den, je nach Sozia­li­sa­ti­on? Und wie?

ZELLER: Danach, was in Wiki­pe­dia steht, kann ich mich nun wirk­lich nicht rich­ten. Damals bei den Ossi-Auf­trit­ten hielt ich die gan­ze Ossi-Wes­si-Sache eigent­lich für erle­digt und nur noch als Come­dy­stoff zu verwenden.

Dass ich bei Tita­nic Redak­teur war, ist auch schon fast so lan­ge her, das war damals der größ­te Adels­ti­tel, den man in die­ser Bran­che erwer­ben konn­te, Bernd Zel­ler von Tita­nic. Ich kam dort­hin als Fan der Tita­nic-Grün­der, Trax­ler, Waech­ter, der Neu­en Frank­fur­ter Schu­le, und traf auf Leu­te, die Fan sind von sich. Son­ne­born, der Wes­si, hat die Tra­di­ti­on der Neu­en Frank­fur­ter Schu­le abge­schafft, und ich, der Ossi, woll­te das nicht mit anse­hen. Es muss also wirk­lich einen Unter­schied geben.

SEIDEL: Mit der Nen­nung die­ser Namen machen Sie gleich meh­re­re gro­ße Fäs­ser auf und brin­gen auch mein Kon­zept durch­ein­an­der. Aber ich las­se mich gern ver­füh­ren … Man kann aus künst­le­ri­scher Sicht von Waech­ter und Trax­ler oder von Bern­stein, Gern­hardt, Hen­scheid wohl nur mit größ­tem Respekt spre­chen. Sie haben das sati­ri­sche Geis­tes­le­ben der Bon­ner Repu­blik geprägt und gezeigt, daß die Ador­no-Schu­le kon­struk­ti­ves Poten­ti­al besaß. Bei Ihnen klingt nun Ent­täu­schung an. Was haben sie Ihnen bedeu­tet, was haben Sie von die­sen – man kann fast sagen: Klas­si­kern – gelernt? Leben sie in Ihren Arbei­ten fort? Und hat Ihre ange­deu­te­te Kri­tik sys­te­mi­schen oder „nur“ cha­rak­ter­li­chen Charakter?

ZELLER: Als Sati­ri­ker muss ich natür­lich gro­ße Eisen in hei­ße Fäs­ser legen. Ich kann ein Trax­ler-Buch auf­schla­gen, und es wirkt nicht nur amü­sant, son­dern für die Arbeit anre­gend, genau­so Man­fred Deix, auch Hein­rich Zil­le. Ich will aber gar nicht mich selbst ver­glei­chen mit den Leit­ster­nen; man folgt dem Leit­stern, unten am Boden.

Son­ne­born ist was ande­res, ein lin­ker Mora­list. Das ist kei­ne Beschimp­fung von mir, so bezich­tigt er sich selbst. Der ist Par­tei, und mit Par­tei kriegt man alles geschrot­tet. Er hat nur die Rei­hen­fol­ge ver­än­dert, erst den Mythos Tita­nic her­un­ter­ge­nu­delt, statt ihn zu pfle­gen, und dann for­mal eine Par­tei gegrün­det. Man könn­te sagen, er hat aus der Sati­re die Ador­no-Schu­le gemacht, aber ich weiß gar nicht, ob ich jetzt so früh am Mor­gen schon so gif­tig sein will.

Ich rede hier von den frü­hen Zwei­tau­sen­der­jah­ren, die aktu­el­len Tita­nic-Hef­te sind mir unbe­kannt. Das Ver­hee­ren­de ist noch etwas ande­res. Wie ein wei­te­rer gro­ßer Name, Lori­ot, mal im Inter­view gesagt hat, habe ein Jour­na­list zwi­schen den Stüh­len zu sit­zen. Gilt für den Sati­ri­ker erst recht. Wenn das Sati­re­ma­ga­zin nicht zwi­schen oder über den Stüh­len steht, son­dern poli­tisch gepolt ist, ent­fällt der Cha­rak­ter des, man mag es gar nicht aus­spre­chen, Kor­rek­tivs. Dann wer­den die ande­ren Jour­na­lis­ten und Poli­ti­ker noch unge­nier­ter, als es ihrem Berufs­bild ohne­hin schon ent­spricht. Sie kön­nen sich lächer­lich machen, weil nie­mand da ist, der sagt, wie lächer­lich sie sind. Wohin das führt, sehen wir.

Übri­gens ist bei Die Par­tei das Par­odis­ti­sche, die Par­tei­en­per­si­fla­ge, gar nicht so schlecht, es macht nur einen gerin­gen Anteil aus. Wenn es ein Sati­ri­ker machen wür­de und kein lin­ker Mora­list, hät­te das doch Humor­po­ten­zi­al. Der grö­ße­re Flü­gel ist aber der kryp­to­kom­mu­nis­ti­sche, mit dem wird die Basis angezogen.

SEIDEL: Zuge­ge­ben, Son­ne­born ist auch ein Phä­no­men – ein nega­ti­ves. Unlus­ti­ger geht kaum noch und Die Par­tei – wenn man es kon­se­quent zu Ende denkt – ist doch das Ende, das eine Ende zumin­dest, des demo­kra­ti­schen Par­la­men­ta­ris­mus. Sie bezeich­nen Son­ne­born seit lan­gem als „Sati­re­hit­ler“. Vie­le ver­ste­hen das als Reak­ti­on auf jün­ge­re Aus­wüch­se, aber die Geschich­te ist wohl alt. Was steckt im Kern dahinter?

ZELLER: Dabei han­delt es sich um eine humo­ris­ti­sche Anspie­lung dar­auf, dass bei Tita­nic immer Hit­ler ist, wenn einem nichts einfällt.

SEIDEL: „Immer Hit­ler“ – das klingt ver­traut. Nicht nur der all­ge­gen­wär­ti­gen his­to­ri­schen Eng­füh­rung wegen, son­dern auch als per­ma­nen­ter Vor­wurf an den poli­ti­schen Geg­ner. Auch Ihr neu­es Buch Furcht und Elend des Grü­nen Rei­ches spielt mit dem Motiv. Der Hit­ler steckt also in jenen, die ihn über­all sehen wol­len und stän­dig vor ihm warnen?

ZELLER: Mei­ne per­sön­li­che Bezie­hung zu Hit­ler beschränkt sich dar­auf, dass ich mal einen Tag in sei­nem Gag­au­toren­team gear­bei­tet habe.

Wer in den meis­ten Leu­ten steckt, ist eher nicht der Füh­rer, son­dern der Geführ­te, ver­bun­den mit dem Wunsch, die noch Tie­fe­ren zu füh­ren, sich über die Mas­se zu erhe­ben. Und jeman­den zu haben, der noch schlim­mer ist als man selbst. Das kann ein schlech­ter Sati­ri­ker sein oder Hit­ler, wenn der eben der Nächst­schlim­me­re ist.

SEIDEL: Das ist ja eines Ihrer Mar­ken­zei­chen: Sie sind – glau­be ich – ein kathar­ti­scher Künst­ler in einer Zeit der Belie­big­keit. Es gelingt Ihnen in Wort und Bild das Ver­dreh­te in der Welt, die uns umgibt, durch eige­ne Ver­dre­hun­gen schlag­ar­tig fass­bar zu machen. Der Leser geht lachend, erleich­tert und mit selbst gewon­ne­ner Ein­sicht von dan­nen. Ist das eine natür­li­che Gabe bei Ihnen oder Trai­ning oder har­te Arbeit? Wird gefeilt? Dür­fen wir mal in die Werk­statt lun­zen und funzeln?

ZELLER: An das mit der Kathar­sis glau­be ich nicht so recht. Genau­ge­nom­men gar nicht. Wie es über­haupt ein fal­scher Ansatz wäre, auf so eine Art von Wir­kung zu zielen.

Bei Zel­lerzei­tung kann man mir zugu­cken, wie ich mich über den Jour­na­lis­mus lus­tig mache, das ist eine Zei­tungs­par­odie. Kann nicht so popu­lär sein wie eine pure Spaß­sei­te. Was aber wir­ken kann, ist, dass man dann, wenn man mit Unsinn in den Medi­en kon­fron­tiert wird, einen iro­ni­schen Abstand schon hat. Wie wenn man denkt: das ist ja ein Typ wie von Ger­hard Polt gespielt oder eine Situa­ti­on wie bei den Simpsons. Also eine Ent­las­tung, ja, das wäre ein Ziel, wenn ich ver­su­che, auf den Wahn­sinn noch etwas draufzusetzen.

SEIDEL: Ihr Werk ist aber deut­lich umfäng­li­cher, auch wenn die meis­ten Sie aus der ZZ ken­nen. Sie arbei­ten für meh­re­re Medi­en, geben die Thü­rin­ger Senio­ren­zei­tung her­aus, haben eine gro­ße Zahl an Büchern ver­öf­fent­licht – eini­ge sind auf ZZ her­un­ter­zu­la­den –, Sie zeich­nen und malen, sogar einen täg­li­chen Vlog haben Sie. Wo kommt die Ener­gie her? Was treibt Sie an? Auf SiN schrieb einer: „Ein mög­li­cher Weg durch den Wahn­sinn zu schwim­men. Der Kern: Es ist Selbst­schutz.“ Ist es das? Oder etwas anderes?

ZELLER: Ja, es sieht so aus, als ob ich viel mache. Ich gebe mir alle Mühe, die­sen Ein­druck zu erwecken.Ich kom­me auf eine 35-Stun­den-Woche, die Arbeits­zeit ist gleich­mä­ßig über die Woche ver­teilt, Urlaub und Fei­er­ta­ge sind antei­lig drin. Ich bin tat­säch­lich sehr froh, dass ich das so machen kann. Das bedeu­tet aber auch, dass ich nicht viel ande­res mache. Was man nor­ma­ler­wei­se so macht, tue ich nur, soweit es nicht das Schaf­fen behin­dert. Ich nut­ze die Zeit, gera­de im Wis­sen um die Begrenztheit.

Das mit dem Selbst­schutz funk­tio­niert so, dass ich nicht zum Kampf­sport muss. Heu­te hör­te ich in den Radio­nach­rich­ten, der Thü­rin­ger Innen­mi­nis­ter sagt, die Mon­tags­de­mons­tran­ten hät­ten gar kein Inter­es­se dar­an, sich an Geset­ze zu hal­ten. Nach­dem ich eine Fra­ge an sei­ne Pres­se­spre­che­rei geschickt habe, auf wel­che Erkennt­nis­se der Herr Minis­ter sei­nen Befund stüt­ze und ob er das Inter­es­se der Gegen­de­mons­tran­ten, sich an Geset­ze zu hal­ten, höher oder nied­ri­ger schätzt, ließ mei­ne Wut etwas nach. Zwei Car­toons hat er damit auch noch ver­ur­sacht. Ich sta­bi­li­sie­re das Sys­tem, das muss ich mir vor­wer­fen lassen.

Ich woll­te nie in die Humor­ver­wal­tung, die meis­tens ange­streb­ten Kar­rie­ren sind so was wie Chef­au­tor oder For­ma­t­ent­wick­ler oder irgend­ein Chef­re­dak­teur, gar Dozent, das hat für mich alles wenig Reiz, ich woll­te immer der Macher sein und kann das dank Inter­net so aus­üben, ohne Redak­teu­re und Gre­mi­en. Auch das ist zeit­lich befris­tet, das geht nur, solan­ge das Inter­net noch nicht durch­re­gu­liert ist. Und weil ich das seit über drei­ßig Jah­ren prak­ti­zie­re, habe ich den nöti­gen Vor­lauf, aus dem ich schöpfe.

SEIDEL: Sie haben für ganz unter­schied­li­che Medi­en gear­bei­tet, auch wenn Sie heu­te vor­nehm­lich im kon­ser­va­ti­ven Milieu wahr­ge­nom­men wer­den. Ihre Fähig­keit, das Absur­de zu sehen und in sei­ner Ver­dreht­heit sicht­bar zu machen, ist ver­mut­lich par­tei­über­grei­fend. Zuletzt hat es zwei­mal das „Grü­ne Reich“ getrof­fen. Aber auch in der Oppo­si­ti­on gibt es zuhauf par­odie­wür­di­ge Para­do­xe. Zudem ist Lachen über sich selbst noch immer eine poten­te Medi­zin. Darf man hof­fen? Und wie könn­te z.B. ein Büch­lein über die AfD oder die Quer­den­ker aussehen?

ZELLER: Wie Bücher über die aus­se­hen wer­den, kann ich abschät­zen, sobald sie die Macht an sich geris­sen haben. Wenn wir alle quer­den­ken müs­sen, wer­den wir aus der Pres­se erfah­ren, dass das in einer plu­ra­lis­ti­schen Demo­kra­tie dazu­ge­hört und nicht geleug­net wer­den darf.

Das mit dem „kon­ser­va­ti­ven Milieu“ hal­te ich für ein Gerücht, ich ken­ne kein sol­ches Milieu. Für Sati­re über die Oppo­si­ti­on ist die heu­te-Show zuständig.

SEIDEL: Vie­len Dank! Viel­leicht eine letz­te Bit­te, dies­mal nicht um ein Wort: Sie haben zusam­men mit Chris­tia­ne Pfohl­mann unter dem Titel „Der Riß durch Deutsch­land“ ein Heil­buch, einen „Dia­log in Car­toon und Text“ ver­faßt. Wie wür­de – wenn Sie die­ses Gespräch Revue pas­sie­ren las­sen – dazu die pas­sen­de Kari­ka­tur aussehen?

ZELLER: Hier bitte.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (112)

Gelddrucker

27. Januar 2022 22:34

Was hat das Establishment noch zu bieten als immer wieder Hitler und die Nazis?

Was im Westen vor sich geht ist nicht zu rechtfertigen.

Diese Erklärung wurde mal von M. Sellner auf Telegram gepostet, hat da jemand vielleicht eine seriöse Quelle dazu?

„Jedwede Praxis oder Politik, die das Ziel oder den Effekt hat, die demographische Zusammensetzung einer Region in der eine nationale, ethnische, sprachliche oder andere Minderheit oder eine autochthone Bevölkerung ansässig ist, zu ändern, sei es durch Vertreibung, Umsiedlung und/oder durch die Seßhaftmachung von Siedlern oder eine Kombination davon, ist rechtswidrig.“ UN Erklärung 1997

Die Sachlage ist klar. Wir sind im Recht.

Phil

28. Januar 2022 01:38

Genialer Typ, der Zeller :)

RMH

28. Januar 2022 09:14

1.

Aus der ersten unzeitgemäßen Betrachtung von Nietzsche:

Denn alles, was mit der öffentlichen Meinung meint, hat sich die Augen verbunden und die Ohren verstopft – jener Kontrast soll nun einmal nicht dasein. Wie ist dies möglich? Welche Kraft ist so mächtig, ein solches »soll nicht« vorzuschreiben? Welche Gattung von Menschen muß in Deutschland zur Herrschaft gekommen sein, um so starke und einfache Gefühle verbieten oder doch ihren Ausdruck verhindern zu können? Diese Macht, diese Gattung von Menschen will ich bei Namen nennen – es sind die Bildungsphilister. Das Wort Philister ist bekanntlich dem Studentenleben entnommen und bezeichnet in seinem weiteren, doch ganz populären Sinne den Gegensatz des Musensohnes, des Künstlers, des echten Kulturmenschen.

RMH

28. Januar 2022 09:16

2.
Der Bildungsphilister aber … unterscheidet sich von der allgemeinen Idee der Gattung »Philister« durch einen Aberglauben: er wähnt selber Musensohn und Kulturmensch zu sein; ein unbegreiflicher Wahn, aus dem hervorgeht, daß er gar nicht weiß, was der Philister und was sein Gegensatz ist: weshalb wir uns nicht wundern werden, wenn er meistens es feierlich verschwört, Philister zu sein. Er fühlt sich, bei diesem Mangel jeder Selbsterkenntnis, fest überzeugt, daß seine »Bildung« gerade der satte Ausdruck der rechten deutschen Kultur sei: und da er überall Gebildete seiner Art vorfindet und alle öffentlichen Institutionen, Schul-, Bildungs- und Kunstanstalten gemäß seiner Gebildetheit und nach seinen Bedürfnissen eingerichtet findet, so trägt er auch überallhin das siegreiche Gefühl mit sich herum, der würdige Vertreter der jetzigen deutschen Kultur zu sein, und macht dementsprechend seine Forderungen und Ansprüche.  …. Konvention über viele Dinge, besonders in betreff der Religions- und der Kunstangelegenheiten: diese imponierende Gleichartigkeit, dieses nicht befohlene und doch sofort losbrechende tutti unisono verführt ihn zu dem Glauben, daß hier eine Kultur walten möge. Aber die systematische und zur Herrschaft gebrachte Philisterei ist deshalb, weil sie System hat, noch nicht Kultur und nicht einmal schlechte Kultur, sondern immer nur das Gegenstück derselben, nämlich dauerhaft begründete Barbarei. (Nietzsche)

Maiordomus

28. Januar 2022 09:36

@RMH. Beeindruckende Zitate von Nietzsche , die früher durchaus noch auf ein national gesinntes Bildungsphilistertum zielten, beim späten Nietzsche auch auf den Antisemitismus. . Aber nach dem Erhaltungsgesetz der Dummheit, vor einem Halbjahrhundert von Jacques Maritain formuliert, wechselt die Dummheit jeweils  das Lager und weiss es sich in ihrem jeweiligen Milieu in der Mehrheit einzurichten. Ja, es gab auch schon eine Zeit, da, falls man es überhaupt so bezeichnen darf, rechte, zumindest nicht gerade konservative Dummheit vor ihrem explosionsartigen Zusammenbruch Urstände feierte, so etwa bei Reichsbauernführer Darré. Sein unvergesslicher Satz zur Agrarwissenschaft betr. Fleischproduktion und - Konsum: "Der Jude hat das Schwein nie verstanden." Dieser Satz ist erst vor kurzem endlich wieder erreicht worden mit der Dementierung des Penis als männliches Geschlechtsorgan, selbstverständlich sagt ein Penis gar nichts aus, ob es sich beim entsprechenden Träger um ein männliches Wesen handle. Kann es leider im Gegensatz zu DarréZitat nicht gleich wörtlich zitierten, vgl. aber Weltwoche-online. Ob es möglich ist, den Wahnsinn durch Aussseuchung zu überwinden.? 

Gustav Grambauer

28. Januar 2022 09:46

RMH

Herrlich, danke!

Und Welche Redakteure und Kommentatoren im SIN-Forum stehen Ihnen bei Nietzsches Worten als Philister vor Augen?! (Es wimmelt hier ...)

Eines von meinen Kriterien dafür, ob jemand ein Philister ist: derjenige, der sich selbst noch nie gefragt hat (und das merkt man einem Menschen an), ob er vielleicht einer sein könnte, ist ganz sicher einer.

- G. G.

Maiordomus

28. Januar 2022 10:21

Zur Philister-Debatte: Es gibt natürlich Schlimmeres denn als Philister bezeichnet zu werden. So wie man sich im religiösen Bereich die Bezeichnung "Pharisäer" erst verdienen muss. Es waren ehrlich gesagt die stärksten Kritiker Jesu, denen er im Grunde nahe stand. Und klar, hat Philister immer mit dem zu tun, was der Franzose "juste milieu" nannte, was im Einzelfall, siehe Molière, der sich auf dieses Juste Milieu noch verlassen konnte, nicht immer nur negativ sein muss, jedoch mit Gefahr der Verspiesserung, bei der man dann selber zum Tartüffe wird. Trotzdem: Nietzsches Kritik an einer Gymnasialbildung, deren Schüler dann eine Kopie ihrer nicht gerade mit Vitalität und Mut gesegneten Lehrer werden, war damals und heute ernst zu nehmen. Der Gymnasiallehrertyp z.B. Bosselmann, der "noch" vieles gelernt hat, was heute unter dem Tisch ist, ist auf jeden Fall kein Philister; und im Gegensatz zu früher braucht es heute Mut und Nonkonformismus, sich für gymnasiale Spitzenbildung in Sprachen, auch alte, und Naturwissenschaft sowie Mathematik u. Logik zu verwenden.

Der Gehenkte

28. Januar 2022 11:10

Ja, klassisch diese Diskussion! Einer wirft einen Nietzsche ein und plötzlich delektieren sich alles an ihren privaten Nietzsche-Exegesen. Das Thema ist jedoch: Zeller! Oder Satire in unseren Zeiten ... Konzentration!

Gotlandfahrer

28. Januar 2022 11:17

An das mit der Katharsis glaube ich nicht so recht. … Wie es überhaupt ein falscher Ansatz wäre, auf so eine Art von Wirkung zu zielen.

Korrekt.

Man lacht entweder, weil man sich über andere erhoben fühlt und dies bestätigen will.  Das ist plumper „Humor“.  So wie man über den „hässlichen Deutschen“ lacht, der man selbst nicht sein will.  Das ist nach unten treten.  Heute Show. Oder man lacht als Selbstheilung über die, die auf einen treten.  Das ist Galgenhumor.  Solange man noch nicht am Galgen baumelt, ist dieser Humor immer feinsinnig, denn nur dann ist er nicht selbst von den Geringsten denunzierbar.  Politischer Humor, Satire, ist stets Ausdruck der Machtverhältnisse.  Deshalb kann man mit Feinsinnigkeit niemanden „überzeugen“, das geht nur mit Macht, nicht mit Wahrheit.  Der nackte Kaiser und das Kind ist Wunschdenken.  Feinsinnigkeit ist der Indikator, der Menschen unbelustigt Abstand halten lässt.  Ich sehe dies an den Null-Reaktionen der Menschen, die ich auf die ZZ hinweise.  Sie mögen es schon kapieren, aber sie wollen es nicht sehen müssen.  Sie sehen, dass dieser Humor feinsinnig, also vorsichtig, ist. Aus Höflichkeit ignorieren sie bestenfalls mein Untensein, das sich durch meine Zustimmung zeigt.

Ganz anders das Lächerlichmachen. Je plumper, je unvorsichtiger, desto wirkungsvoller.  Das Lächerlichmachen ist Nichtanerkennen von Macht.  Darauf reagieren Menschen, da sie sehen, dass sich die Hierarchie bewegt.

links ist wo der daumen rechts ist

28. Januar 2022 11:18

Nichts darunter. Vom Wabern und Wallen

 

Einige Überlegungen zu den Figuren Bernd Zellers.

Zellers Figuren haben nicht das grotesk-entlarvende derjenigen eines Grosz oder Deix.

Sie wirken eigentlich wie Helmut-Kohl-Physiognomien, die irgendwann im „Grünen Reich“ ankamen; damit wird die „geistig moralische Wende“, gesteigert zum grün-liberalen Hypermoralismus, als das entlarvt, was sie von Anfang an war: die Phrase einer ängstlichen Selbstvergewisserung.

Und da ist dieses Wabernde und zugleich Ungeschlachte. So gemütlich und leutselig wie borniert.

Saturiert, aber ungestillt. Riesenbabys.

Wallende Gewänder, darunter das große Einerlei.

Männer- und Frauenkörper in ihren jeweiligen Geschlechtsumwandlungen. Transhumanismus von der gemütlichen Seite.

In den viel zu großen Gesichtern wirken Augen, Nase, Mund irgendwie zusammengezogen, als wären die drei Sinne zu einer großen Hundeschnauze komprimiert. Nassforsche Hyperempfindlichkeit.

Wabernd und ungeschlacht auch die Sprache.

Das Pendant dazu unsere raunenden Forums-Plandemisten (nichts dagegen, einige meiner besten Freunde …), die – einmalige Chuzpe – sogar ein Scheitern des Großen Plans als Teil desselben ausgeben müssen.

Es muß weiterwabern und wallen. Offenkundiges Versagen unserer Politmarionetten ist nichts gegen die Lust an eingehüllten Geheimnissen. Funktioniert ja auch mit dem ewigen Hitler.

tearjerker

28. Januar 2022 13:30

Auf Linkstwitter trendete diese Woche der Hashtag Auschwitz. Von Twitter in die Kategorie ‚Fun‘ eingeordnet. Schmunzeln.

RMH

28. Januar 2022 13:53

Nietzsche formulierte die oben zitierten Sätze in seiner ersten unzeitgemäßen Betrachtung zwar vor einem anderem Hintergrund, nämlich der Siegestrunkenheit Deutschlands nach 1871, dennoch halte ich sie für die heutige Zeit gleichfalls mehr als passend. Was anderes als solche Philister sind Leute wie Sonneborn, das Zentrum für politische Schönheit und wie sich all die Gratismutigen in diesem Land sonst noch nennen? Die Philisterisierung der öffentlichen Meinung, die "trust the science"- Plapperer, die Bräsigkeit und Selbstgefälligkeit unseres Juste Milieu, die in eine neue, erdrückende Spießigkeit mündete - wo ist noch der Mut, zu suchen? Man meint, bereits alles gefunden zu haben und in Händen zu halten.

Wenn hier ein Zeichner wie Zeller den Spiegel vorhält, dann ist das ein notwendiger Akt der Gegenwehr. Herr Zeller, scheuen Sie sich nicht, auch dem rechten Milieu ab und an eine "mitzugeben"  - eine Zeichnung, bei der man nicht sofort lacht und am Ende gar über sich selber lachen darf, ist in jedem Falle echte Kunst und hilft im besten Falle sogar, dass man nicht selber in eine philisterhafte Selbstgefälligkeit verfällt.

Monika

28. Januar 2022 14:47

Wie würde Zeller das Kommentariat von SiN zeichnen ? Ein Tisch mit älteren, verschrobenen Herren in Zigarrenqualm. Einer liefert ein Stichwort, z. B. „NIETZSCHE“ und dann trägt jeder mit seinem Spezialwissen  zur geistigen Onanie bei...😂😱

Von Waechter gibt es eine super Zeichnung: Ein großes Schwein öffnet den Schweinestall, aber die Schweine gucken nur dumm und hauen nicht ab. Text: „Wenn ihr Schiss habt vor der Freiheit, geht zurück in euren Stinkstall und lasst euch verwursten“.

 In diesem Sinne, Loriot und Gerhard Polt lassen grüßen. 

 

Monika

28. Januar 2022 14:58

Frage : Warum kann man die meisten linken, aber auch rechten Männer vergessen ? 

Antwort:

„Am liebsten erinnern sich die Frauen an Männer, mit denen sie lachen konnten.“

( Anton Tschechow)

...ich werde mich nur an Raskolnikow erinnern....

URN

28. Januar 2022 15:21

Warum "Ein Tisch mit älteren, verschrobenen Herren....."? Sie, Monika, und Frau Zeitschnur beteiligen sich doch auch an der "geistigen Onanie.

Der Gehenkte

28. Januar 2022 15:34

Ich finde Zellers Antworten hochgradig überraschend. Das geht schon mit der DDR-Leugnung los. Als etwa Gleichaltriger und nur unweit seiner Heimat Aufgewachsener spüre ich mein Herkommen in jeder Faser, vor allem im Kontakt zu den meisten Reedukatisierten. Auch Zellers Unangepaßtheit und Sensibilität für Freiheitsverluste hätte ich - natürlich nicht ausschließlich - in der Sozialisation vermutet.

Auch die Katharsis-Frage kann ich ihm nicht recht abnehmen - sie abzulehnen ist sooo Mainstream und postmodern. Daß heutzutage die Karikatur oft politisch moralisieren will, spricht nicht dagegen. Zeller ist aus meiner Sicht nicht als Lachproduzent interessant, sondern aus erkenntnistheoretischer. Der Einfluß durch die Neue Frankfurter Schule deutlich sichtbar und an der Intelligenz eines Waechter geschult. Der Stift möglicherweise wie "...daumen" sagt.

Maiordomus

28. Januar 2022 15:36

@Monika. Ob Ihnen ausgerechnet jetzt, im Zusammenhang mit Meuthen, gerade das Richtige eingefallen ist betr. die "geistige Onanie"? Hier findet bei nicht nur fiktiven Meinungsverschiedenheiten eine in den Hauptsachen der Orientierung oft nicht überflüssige geistige Auseinandersetzung statt, zu der Sie selber beitragen. Dass Meuthen in der Corona-Frage und im Widerstand gegen den totalitären drohenden Impfzwang den Totalitarismus entdeckt, zeigt, dass man den an und für sich klugen Mann ähnlich wie Weissmann  überschätzt hat. Dabei bin ich weit entfernt von Impf-Fundamentalismus und würde auch den Begriff "Verbrecher" für in dieser Sache vielfach so oder so in politische Verlegenheit Gebrachte weniger pauschal verwenden als Eiferer hier. Das Totalitarismus-Problem existiert in Deutschland gewiss, aber wohl nicht so, dass Herr Meuthen mit Partei-Austritt am "Auschwitz"-Tag sich einbildet, er könne sich so auf spezielle Weise reinwaschen. Vgl. diesbezügliche Aussagen von H.R. Broder, der dieses Problem konkreter kennt. Schäbig die Aussage Meuthens über M. Otte, der seine BP-Kandidatur besser zurückziehen würde; es sei denn, er bringt sich als Meuthens Nachfolger in Stellung. 

RMH

28. Januar 2022 15:59

"zur geistigen Onanie bei.."

Solange man dabei irgendwann zum Abschluss kommt, kann auch das befriedigend sein.

Spaß beiseite, der Zeller ist im wesentlichen ein guter Beobachter.

Monika

28. Januar 2022 16:01

Ich hab ja nichts gegen ältere Männer am politischen Stammtisch . Manchmal geht halt die Orientierung verloren. Da muss man das Boot mal treiben lassen. Ob mit oder ohne Meuthen und Otte. So weltbewegend ist das alles nicht, nach drei, vier Bierchen. Und überhaupt: 

...Täter werden nie den Himmel zwingen...passt doch, das Sonett von Reinhold Schneider

 

kikl

28. Januar 2022 16:03

@monika

Ich habe vermutlich ihren Post überinterpretiert. Mit dem heutigen Austritt von Herrn Meuthen aus der AFD hat sich das bewahrheitet, was wir vorausgesehen haben.

À Propos Opposition. Viele sind vermutlich allein deshalb konservativ, weil sie das System und die Regierung kritisieren. Damit wird man automatisch zum Nazi erklärt.

Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass die Intelligenz in diesem Lande rechts steht. Intelligenz hat auch zur Folge, dass man Nazi wird.

In diesem Interview mit Gunnar Kaiser wird das Phänomen der rechten Intellektuellen angesprochen, ab Minute 17:00:

https://www.youtube.com/watch?v=RIYzkd6prtw

Maiordomus

28. Januar 2022 16:48

@kiki. "Intelligenz hat auch zur Folge, dass man Nazi wird." Wie meinen Sie das? Natürlich gab es bei denen auch über Speer und andere hinaus ein paar Intelligente, nicht zuletzt technisch sehr tüchtige, aber die Mehrheit aus der deutschen Intelligenz hat sich aus einem gewissen bis hin zum reinen Opportunismus angeschlossen, vielfach diejenigen, die dann später schon immer dagegen gewesen sein wollten. An Hochschulen konnte man in der richtigen Nische indes durchaus noch relativ ungestör und auf hohem Niveau arbeiten. In grosser Zahl aber gab es politische Naziversteher bis zum Überdruss, so Carl Schmitt, der eher von der Diktatur schwärmte als von der NS-"Weltanschauung". Auch in Sein und Zeit findet man keine Zeile Nationalsozialismus, war ja Edmund Husserl gewidmet. Jünger schliesslich war der NS nicht "rechts" genug, was analog zu den Ketzern des Stalinismus betr. "links" nicht selten zu registrieren war. So wie Orwell links von den linkstotalitären  Kämpen des spanischen Bürgerkriegs positioniert war. 

Laurenz

28. Januar 2022 18:01

Ich stelle mir den Beruf des

Herrn Zeller

extrem schwierig vor. Humorist & Karikaturist zu sein, fordert permanente Kreativität ein, über Jahrzehnte. Da reichen 1 oder 2 Weltschlager nicht aus, um über die Runden zu kommen. Und wer will schon jede 2te Woche über Hitler schreiben? Das langweilt doch total mit dem Eingeständnis, daß Flaute im Hirn herrscht.

Was den IQ der Nationalsozialisten angeht, so läßt sich an den Beiträgen hier feststellen, daß diejenigen die über den IQ der Nationalsozialsten schreiben, letztere wohl nicht verstanden haben. Die Nationalsozialisten macht nicht umsonst die Inkarnation der Intelligenz zu ihrem Erbfeind. Man gab der Gefolgschaft einen äußeren Feind um den inneren Feind zu bekämpfen.

Auch wenn es natürlich bei den Nationalsozialisten schon einige Holzköpfe gab, so muß man auch da relativieren. Selbst seinerzeit der dümmste Nazi schaffte es nicht an die Blödheit unserer heutigen NomenKlatura heranzukommen.

Umlautkombinat

28. Januar 2022 18:29

> Das geht schon mit der DDR-Leugnung los.

Ich glaube, das kann man anders lesen. Bin auch gestolpert, eber der zweite Halbsatz:

> ich trachte vielleicht etwas mehr als Westhumoristen danach, dass das so bleibt

ergibt eigentlich nur einen Sinn, wenn er die speziellen Teile DDR meint, die mancher westliche Linksdreher in seiner Unbedarftheit heute so von sich gibt. Denn der hat ja keine Vergangenheit dort, sondern projiziert sein geschoentes Sozialismus-Bild davon hinein. Und speziell dieses Bild meint wohl Zeller, welches er ja aus ganz erster Erfahrung nicht hat. Er ist im Gegensatz also sensibilisiert und passt da auch auf sich selbst auf. Das ist zumindest meine Interpretation.

Achterndiek

28. Januar 2022 18:32

@ Maiordomus

28. Januar 2022 16:48

@kiki. "Intelligenz hat auch zur Folge, dass man Nazi wird." Wie meinen Sie das? Natürlich gab es bei denen auch über Speer und andere hinaus ein paar Intelligente, nicht zuletzt technisch sehr tüchtige, aber die Mehrheit aus der deutschen Intelligenz hat sich aus einem gewissen bis hin zum reinen Opportunismus angeschlossen, vielfach diejenigen, die dann später schon immer dagegen gewesen sein wollten.

Wissen allein hilft gar nichts, wenn man sich einen Subtext erschließen will. Empathie ist da schon weitaus dienlicher.

Imagine

28. Januar 2022 18:56

1/2

Meuthen und Otte sind politisch irrelevante Medienfiguren, sie haben politisch nichts bewegt und werden auch nichts bewegen.

Es hat große politische Veränderungen in Form von geschichtsmächtigen Weichenstellungen in der BRD gegen. Das geschah logischerweise immer im Zusammenspiel mit den Siegermächten, nie gegen die Interessen der USA und keine dieser großen Weichenstellungen war wirklich im Interesse des deutschen Volkes.

Häufig lief ein falsches Spiel ab mit verdeckter Kollusion zwischen CDU/CSU und SPD.

Man denke an die Notstandgesetzte, die neue Ostpolitik (eine raffinierte Verschuldungsstrategie gegen die kommunistischen Staaten), den Radikalenerlass, die sog. Nachrüstung (mit Erreichen von Erstschlagkapazität), den Angriffskrieg gegen Jugoslawien, die neoliberale Wende („New Labour“), die „Bankenrettung“, die Massenimmigrationspolitik, das Pandemieszenario etc.

Immer gab es bei diesen großen Weichenstellungen eine Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD, mal offen, mal verdeckt.

Imagine

28. Januar 2022 18:57

2/2

Mit der AfD wurde ein falsches Spiel gemacht. Von Anfang an war die AfD gelenkte Pseudo-Opposition und fungierte als eine politische Reserve; falls die CDU/CSU eine Mehrheitsbeschafferin benötigen würde.

Die AfD wurde jedoch in dem Moment überflüssig, als die Grünen ihre Bereitschaft zeigten, an der Politik der Volksverarmung, der Massenimmigration und multikulturellen Umwandlung mitzuwirken und mit den „Schwarzen“ Koalitionen zu bilden.

Die neoliberale und globalistische Merkel-Politik ging zu Lasten der Mitte und die AfD musste – um Protest- und Oppositionswähler zu rekrutieren - immer mehr nach „rechts“ und „nationalkonservativ“ orientieren.

Die neoliberalen Gründer der Partei – Lucke & Co. – verließen die AfD, später wirtschaftsliberale Frauke Petry und nun wirtschaftsliberale Meuthen. Andere aus dem wirtschaftsliberalen Flügel werden ihm folgen.

Meuthen kassiert noch bis 2024 als EU-Abgeordneter. Dann ist er 63, hat vermutlich ausgesorgt und muss nicht mehr arbeiten.

Amos

28. Januar 2022 19:50

Zum eigentlichen Thema der Kommentarspalte: Der Professor, ein Verlust -und wird bürgerliche Wähler kosten, so meine Gedanken. Nach kurzem Blick in sein Interview in der Welt muss ich zugeben, es ist nicht die politische Gesäßarithmetik, die diesen Fall entscheidet, sondern der Charakter. Ein Verzweifelter, der in dieser Partie auch nur einen Strohhalm gesehen haben mag, nicht für sich, sondern für sein Land, zieht sich zurück in Schweigen. Aber Verrat ist Verrat. Die tiefste Hölle bei Dante, sagen die Belesenen, ist die der Verräter. 

Mitleser2

28. Januar 2022 20:28

@Imagine: "Von Anfang an war die AfD gelenkte Pseudo-Opposition und fungierte als eine politische Reserve; falls die CDU/CSU eine Mehrheitsbeschafferin benötigen würde"

und "Die AfD wurde jedoch in dem Moment überflüssig, als die Grünen ihre Bereitschaft zeigten, ... mit den „Schwarzen“ Koalitionen zu bilden."

Für die CDU/CSU ist das aber doch gerade schiefgegangen. Die Grünen brauchten die Schwarzen nicht, sondern es reichte mit SPD/FDP. Was also wollen Sie uns sagen?

quarz

28. Januar 2022 20:32

@Geldrucker

"hat da jemand vielleicht eine seriöse Quelle dazu?"

Artikel 6 der Entschließung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen vom 17.4.1998.

Imagine

28. Januar 2022 22:15

@Mitleser2  28. Januar 2022 20:28
Für die CDU/CSU ist das aber doch gerade schiefgegangen. Die Grünen brauchten die Schwarzen nicht, sondern es reichte mit SPD/FDP. Was also wollen Sie uns sagen?“

Warten Sie es ab. Die Politik verläuft raffinierter, als es sich Otto Normalo vorstellen kann.
Politiker sind nur Schauspieler. Denen geht es um eigenen Aufstieg und Selbstbereicherung. Die wirkliche Macht liegt woanders.

Lucke, Petry und Meuthen haben die AfD nicht auf den Kurs gebracht, welchen die Initiatoren und Finanziers der AfD wollten.

Wie in allen Parteien, kommt dem Parteivolk und den Aktivisten nur die Funktion als useful idiots zu. So wie bei den Kirchen.

Maiordomus

28. Januar 2022 22:27

@¦imagine. Was Sie über die beiden schreiben und ihren politischen Gehalt, scheint mir einer Ihrer Volltreffer. Unterdessen, @Monika, ist Erika Steinbach spontan der Partei beigetreten, von der Glaubwürdigkeit her ein Gewinn und in Sachen geistiger Orientierung mehr als die angeblich hier in intellektuellen Debatten getriebene Onanie. Dabei zeigt die obige Debatte wieder mal, dass es in der Tat, aber nicht wie Meuthen bei den Impfskeptikern unterstellt, eine Neigung zur Sektiererei gibt, freilich in Verbindung mit geistiger und politischer Inkompetenz jenseits eines jeden brauchbaren politischen Instinkts, was die Gefährlichkeit in Grenzen hält. Totalitarismus kündigt sich gefährlich in der Orwellschen Umkehrung des Freiheitsbegriffs an, wie von  Lauterbach und der Innenministerin auf einem Niveau praktiziert, wie man es zumindest in der Geschichte der Bundesrepublik nie so krass konstatierte. In Vorarlberg verwechselt sogar der ehemalige Abt von Einsiedeln die Impfpflicht als Förderung der Verantwortung in abgelegenen Berggebieten, wo man es nicht gern freiwillig mache. Eigentlich die Gegenden, in denen es noch Gläubige gibt. 

Maiordomus

28. Januar 2022 23:17

PS- @Amos. Dass hier Dante zitiert wird, erscheint mir schon fast als ein Lichtblick. In der von ihm beschriebenen Hölle wimmelt es freilich von Prälaten bis hinauf zu Päpsten, natürlich auch jeder Sorte von Politikern. Vergleichsweise am liebsten beteiligte ich mich an der Shakespeare-Diskussion. Was man bei jenem Meister lernen kann, hat nichts mit politischer Onanie zu tun, selbst wenn einem dies oder jenes dabei selbst gar zur persönlichen Erkenntnis-Befriedigung einfällt. Grosse Literatur, das fiel Ernst Jünger schon in den Schützengräben des 1. Weltkrieges auf, wo er Fontane las, hilft einem über versch.... Tage hinweg und bleibt sogar nachhaltiger in Erinnerung, wie der Meister sinngemäss schrieb. 

Der Gehenkte

29. Januar 2022 00:05

@ Umlautkombinat

Sie haben vermutlich recht.

Laurenz

29. Januar 2022 02:00

@Imagine & Maiordomus

Imagines scheinbare Treffer auf die 12 zeigen doch nur auf, daß Sie Beide von der AfD so viel Plan haben, wie der Seeelefant vom Wüstenfuchs.

Es gab die mehrgleisige AfD von Anfang an. Man nahm das in Kauf, weil sich nur so genügend Masse etablierte, um die 5%-Hürden-Schlagkraft zu entwickeln. Man scheiterte 2013 nur sehr knapp.

Das Scheitern Meuthens hat mehr oder weniger denselben Hintergrund, wie jenes von Lucke oder Petry & zwar den Größenwahn. Die Partei mag es gar nicht, wenn man das innere Gleichgewicht zerstören, wie zu viel singuläre Macht akkumulieren will.

Was bei Meuthen erschwerend hinzukam, war die nicht mehr weg zu lügende Offensichtlichkeit der Wählergunst. Der AfD-Wähler will keine 2te FDP, die 50 Grenzschutzbeamte mehr einstellt. Auch dem liberalen Weichspül-Mandatsträger wurde bei der letzten Bundestagswahl klar, daß das lukrative Mandat weg ist, wenn Meuthen sich weiter durchsetzt. Meuthen ist das, was man eine Totgeburt nennt.

Desweiteren wird bei Ihren Beiträgen offensichtlich, daß Sie, wie viele andere auch, den Hintergrund aller medialen Anfeindungen gegen die solidarischen Patrioten in der AfD nicht verorten können, die nicht in irgendeiner Sachlichkeit begründet sind, sondern im tatsächlichen politischen Angebot einer Alternative für Deutschland.

kikl

29. Januar 2022 07:08

@Achterndiek

Ich habe den Begriff "Nazi" in dem Sinne des Mainstreams als Bezeichnung für Andersdenkende verwendet. Da alle Andersdenkenden den sogenannten "Nazis" zugeordnet werden, wandelt sich der Begriff Nazi zu einer Bezeichnung für selbständig Denkende. Dafür hat der Mainstream nämlich nur Verachtung übrig.

Die Folge ist auch, dass es unter den "Nazis" eine geistige Vielfalt gibt, die im Mainstream nicht anzutreffen ist. Die bunte Gesellschaft ist also genau dort anzutreffen, wo der Mainstream sie als letztes vermutet.

Die Folge ist, dass die Intelligenz nicht mehr links sondern rechts (=Nazi) ist. Denn Intelligenz setzt selbständiges Denken voraus.

Maiordomus

29. Januar 2022 08:14

PS. Was ich noch vergessen habe anzumerken: Die Lektüre der "Zeller Zeitung" war schlicht ein Genuss. Besonders vergnüglich im Rahmen des oben genannten Orwellismus: "Der Auflagenschwund ist ein Zeichen für wachsendes Vertrauen in die Presse". Ein wichtiger, zwar unfreiwilliger  Hinweis auf die schweizerische Abstimmung über das "Medienförderungsgesetz" vom 13. Februar. Es wird ausnahmsweise wieder mal ein Resultat geben, bei dem unbeschadet von der für die direkte Demokratie katastrophalen Masseneinschüchterung im Namen von "Gesundheitspolitik" der Bürger mit gesundem Menschenverstand endlich wieder mal Dampf ablassen kann und hoffentlich wird! Das ist leider in Zellers Heimat nicht möglich.

Es ist indes schwer, über Humor gross intellektuell zu diskutieren. Er sitzt oder dann eben nicht!

 

Achterndiek

29. Januar 2022 08:54

@ kikl

29. Januar 2022 07:08

"Ich habe den Begriff "Nazi" in dem Sinne des Mainstreams als Bezeichnung für Andersdenkende verwendet. Da alle Andersdenkenden den sogenannten "Nazis" zugeordnet werden, wandelt sich der Begriff Nazi zu einer Bezeichnung für selbständig Denkende."

 

Ganz genauso so habe ich das auch sofort verstanden. Nicht verstehen tue ich, wie man so eine klare Aussage mißverstehen kann. 

Frei nach Karl Kraus: Die sprachliche Verständigung zwischen den Menschen ist ein schwieriges Unterfangen. Besonders in der Sprache.

Nicolas Gomez Davila unkte gar: "Unnütz, jemandem einen Gedanken erklären zu wollen, dem eine Anspielung nicht genügt."

Mitleser2

29. Januar 2022 08:59

@Laurenz: +1

Wenn man Imagine folgt, werden also Chrupalla, Höcke, Weidel, etc. die nächsten sein, die die AfD auf den "richtigen" Kurs für die Hintermänner bringen.

Maiordomus

29. Januar 2022 09:23

@Achterndiek. Glaubte Sie zwar mit der in uneigentlicher Bedeutung verwendeten "Nazi"-Nomenklatur verstanden zu haben, abgesehen davon, dass sich dies ironisch in der gegenwärtigen Kommunikationssituation schlecht eignet, zumal in einem Forum, wo aus tendenziöser Aussensicht dank VS jeder auf Vorrat oder auch nur wegen Kontaktschuld ein "Nazi" ist. Sich selber so bezeichnen, bringt schlechtestmögliche Ghettoisierung. Ich würde mich trotz Fachkenntnissen auch nicht "Satanisten" nennen, wobei es immer noch kulturell unproblematischer wäre als "Nazi". Diese Bezeichnung ersetzt im heutigen Mainstreamweltbild  den Teufel, das undiskutabel Böse. Dabei gilt für einstigen PGs dasselbe wie z.B. für Muslime, auch Kommunisten, Feministinnen (für die Tötung  realer Menschen, sofern sie noch nicht geboren sind, nicht nur kein Gewissensproblem ist, sondern ein Menschenrecht),  Kolonialisten, @imagine Kapitalisten, Priester: bis zum Beweis des Gegenteils ist jeder mutmasslich eine anständige Person.

Maiordomus

29. Januar 2022 09:35

@Laurenz. Dass es um die blosse Existenz einer Alternative geht, was mit "Nazi" bezeichnet wurde und wird, war schon beim ersten Auftreten von Lucke u. Co. klar. Erst recht, als Petry, die intellektuell immer schwach war, den Begriff "völkisch" unschlau verwendete, das war ein gefundenes Fressen. Dass der Begriff auf den ehrenwerten Goethe-Freund Herder zurückgeht, in der Sprache von Goethe, Fichte, Brüder Grimm eine wertungsfreie Normalität darstellt, wobei kulturell aber positiv konnotiert, kann man bei der heutigen Bildungslage mal wirklich nicht voraussetzen. Und natürlich hat der NS gewissen Begriffen ihre "Unschuld" genommen. was aber nicht mit Denkverboten gleichgesetzt werden sollte. Und Meuthen muss wissen: Er wird für die Linke bis zu  seinem Tode und darüber hinaus ein "Nazi" bleiben, auch wenn allfällige fiese Eigenschaften von ihm garantiert auf einem anderen Gebiet zu orten sind. 

Achterndiek

29. Januar 2022 10:02

@ Maiordomus

29. Januar 2022 09:23

"Sich selber so bezeichnen, bringt schlechtestmögliche Ghettoisierung. Ich würde mich trotz Fachkenntnissen auch nicht "Satanisten" nennen, wobei es immer noch kulturell unproblematischer wäre als "Nazi"."

 

Beim Heiligen Strohmann, hat irgendjemand hier sich selber so bezeichnet? Wenn jemand mitteilt, man hätte ihn so bezeichnet, ist das doch etwas gänzlich anderes als eine Selbstbezeichnung. 

Der Gehenkte

29. Januar 2022 10:18

@ Maiordomus

"Es ist indes schwer, über Humor gross intellektuell zu diskutieren. Er sitzt oder dann eben nicht!"

Ein solcher Satz aus Ihrem Munde? Nun muß ich mal den Maierdomus mimen: Was meinen Sie denn, weshalb Freud, Bergson, Joachim Ritter, Plessner, Blumenberg, Lhotzky, Chesterton, Eco, Friedrich Georg Jünger, Odo Marquard, Sloterdijk und zuletzt sogar unser Freund Frank Lisson - um nur ein paar zu nennen, die mir gerade ad hoc einfallen - dem Lachen, dem Humor, der Ironie, dem Komischen so intensiv Aufmerksamkeit zollten? Weil es ein zutiefst philosophisches und anthropologisches Thema ist.

Ich empfehle Ihnen Carl Julius Webers "Demokritos - hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen" in acht Bänden (1832) - eine Schatzgrube!. Um nicht von Lukian, Rabelais, Boccaccio, S. Brant, Erasmus, Voltaire, Wieland, Wezel, Nietzsche und all den großen Autoren zu sprechen, die das Lachen werkintern philosophisch thematisierten.

Nein: Es wäre an der Zeit gerade auch in konservativen Kreisen, das Lachen - wie übrigens auch das Spiel - explizit zu thematisieren, um Otto F. Bests These, die Deutschen seien ein "Volk ohne Witz" zu widerlegen.  

 

Laurenz

29. Januar 2022 10:36

@Maiordomus @L.

Die Provokation ist ein legitimes Mittel in einem privatrechtlich organisierten Sozialismus, so, wie er heute vorherrscht, denn mediale Reichweite ist alles. Sie, Maiordomus, argumentieren, wie Meuthen, ein fundamentaler Fehler. Die Zeiten des Konformismus sind einfach vorbei. Nicht umsonst posten Achgut jede Woche die Ausgetoßenen der Woche & zeigen auf, wer denn nun aus dem Framing gefallen ist. 

https://www.achgut.com/artikel/ausgestossene_der_woche_shadowban_fuer_somuncu

Sukzessive verändern sich so Mehrheiten.

Bis auf die Partei Die Linke, war in der Berliner Republik schon jeder mal am Ruder. Keine Partei aus der Einheitsfront 2.0 schaffte das Reichskonkordat Adolf Hitlers ab. Man scheint sich in Berlin mit der Nazi-Gesetzgebung doch ganz wohl zu fühlen.

Wir werden es hoffentlich bald überall lesen: "Kauft nicht bei Ungeimpften".

Laurenz

29. Januar 2022 10:48

@Mitleser2 @L.

Frau Weidel & Herr Chrupalla scheinen doch gemeinsam recht gut klar zu kommen. Beide sind nicht fehlerlos, aber wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.

Was Imagine, als Synonym für viele politisch Interessierte, entbehrt, ist der Bezug zur Realpolitik. Realpolitik bezieht sich rein auf das Machbare & nicht auf das Sonntagswunschkonzert.

Insofern können wir auf der SiN gerne trefflich "Wünsch-Dir-was" debattieren, aber mit Realitäten hat das nur sehr bedingt zu tun. 

Das ist auch der Grund, warum man hier manchmal keine Antworten von @Imagine oder @Der_Jürgen bekommt, wenn Beide die AfD im Vergleich zu Kickl in den Senkel stellen. Kickl verfügt über eine Partei, die seit 1986 von Haider geführt wurde. Das war 27 Jahre vor der AfD-Gründung.

Wer mir nicht glauben will, setzt sich einfach mal in die nächste öffentliche Gemeinderatssitzung bei sich vor Ort.

Laurenz

29. Januar 2022 10:57

@Maiordomus @L. (2)

"Petry, die intellektuell immer schwach war"

Hören Sie bitte auf mit Ihren intellektuellen Anforderungen. In Deutschland kann man Außenministerin werden, obwohl man gerade so am Analphabetentum vorbeischrammt & kaum des Redens mächtig ist.

Ihre Welt, Maiordomus, ist ein schöner Luxus, erinnert mich aber immer an diesen Vortrag der Physikerin Sabine Hossenfelder. Physiker wollen die schöne Lösung. Gibt's aber nur im Glauben.

https://youtu.be/99hVAu1k6G8

kikl

29. Januar 2022 11:00

@maiordomus

"Sich selber so bezeichnen, bringt schlechtestmögliche Ghettoisierung."

Das sehe ich nicht so. Die Frechheit zu besitzen, selber zu denken und abweichende Meinungen vom Mainstream zu artikulieren, führt zur "Ghettoisierung".

Ich glaube, es wäre ein Fehler, uns dem Sprachdiktat des Mainstreams zu beugen. Kein Wort darf unaussprechbar sein.

Die aktuelle Furcht vor dem "Nazi" gleicht ja der mittelalterlichen Furcht vor dem "Teufel". Anstatt mit Furcht sollten wir mit Spott auf diesen religiösen Fanatismus reagieren.

Erstaunlich ist, was sich in den alternativen Medien tut. Der Rücktritt Meuthens wird auf Reitschuster auf eine Weise kritisiert, die eine gewisse Form von Sympathie mit den Leidensgenossen von der AFD erkennen lässt. Reitschuster weiß, wie es sich anfühlt, als Unberührbarer behandelt zu werden. Die Millionen Ungeimpften wissen es nun auch.

https://reitschuster.de/post/joerg-meuthen-abtritt/

Der VS kann schon mal sein Tätigkeitsfeld ausweiten und seine Mitarbeiterzahl vervielfachen. Wohin man auch blickt, überall Nazis!?

Monika

29. Januar 2022 11:10

Ich wollte niemandem zu nahe treten. Aber ich finde es ärgerlich, wenn man nicht auf den Ausgangstext eingeht, sondern ein Stichwort ( hier: Nietzsche) benutzt und völlig vom Thema weg diskutiert. Das hat was von Loriot, der das meisterlich in Herrenrunden beobachtet hat. Die Damen waren währenddessen in der Küche. Natürlich wühlt die causa Otte und Meuthen das Forum auf. Da gibt es sicher demnächst einen gesonderten Beitrag. Und wenn schon Nietzsche, dann passt: „was fällt, das soll man auch noch treten“...

Ein schönes Wochenende 😀

zeitschnur

29. Januar 2022 11:30

Ich finde diesen "Humor" Zellers verklemmt, gewollt und viel zu schwerfällig. Für mich sieht es sich so an, als wolle einer einen Witz erzählen, kriegt ihn aber just bei der Pointe nicht mehr zusammen. Es fehlt das Tiefgründige, das Leichte. Als Einzelperson fühle ich mich von den Pluralformen nicht angesprochen und diskriminiert, lässt Z eine seiner Figuren sagen, und ein Gähnen überfällt mich: sehr witzig, echt entlastend, kathartisch (warum muss ich an das 19. Jh und sein Tremolo denken?)...

Der Interviewer erhält entsprechende Antworten von Z, zB die: An das mit der Katharsis glaube ich nicht so recht. Genaugenommen gar nicht. Wie es überhaupt ein falscher Ansatz wäre, auf so eine Art von Wirkung zu zielen. Bravo Z, 1:0, das sitzt.

Es ist maschinen-langweilig und eine Eselei, über die Peripetie der grauen Verblödung zu lachen.

Es taugt nun mal nicht jedes literarische Mittel für alles.

Der Gehenkte

29. Januar 2022 11:33

@ Maiordomus

Warum aber ist das Lachen ein eminentes philosophisches Problem?

Weil es

1. Ein Außen schafft und ultimative Sprengkraft darstellt

2. Unbezwingbar ist und damit die gesamte Freiheitsfrage einschließt

3. Sowohl affirmativ als auch destruktiv wirken, also sowohl aufbauend als auch zerstörend genutzt werden kann.

Lachen kann Waffe sein und Zeller zieht manchmal schneller als sein Schatten.

Maiordomus

29. Januar 2022 11:53

@Kiki. Wenn es Ihnen Spass macht, bezeichnen Sie sich also ruhig weiterhin  als "Nazi", zum Beweis, dass Sie sich keinem Sprachdiktat beugen. Zum Ausgleich firmiere ich dafür als "Pädophiler". Musste mal den Vorwurf einstecken, für einen solchen in einer Publikation zu viel Verständnis gezeigt zu haben. Es ging um Kategorie Literatur in der Art von "Tod in Venedig" von Thomas Mann. Der vielgerühmte pädagogische Eros hat bei Platon nun mal eine Schnittmenge mit pädophiler Neigung, was sich auch aus dem Traumleben des heiliggesprochenen Jugendseelsorgers Don Bosco ablesen lässt. Mit solchen Analysen, welche akute Gefahren keineswegs ausblenden, bin ich so wenig ein Pädophiler oder Pädophilenfreund wie wenn ich z.B. einen deutschen Armeerichter 1945 nicht verurteile, weil er ähnliche Urteile fällte wie damals Schweizer Richter gegen Landesverräter. Insofern Deutschland 1945 genau so wie Russland 1941 jeweils mit einer verbrecherischen Regierung einen Verteidigungskrieg führte. Das festzustellen, ist nicht "Nazi".

Der Gehenkte

29. Januar 2022 12:03

@ zeitschnur

Um Sie, Ihren Humor, besser verstehen zu können - was halten Sie von Helge Schneider? Ich meine den Schneider der 90er Jahre.

Worüber können Sie lachen? Als ich las: "Es ist maschinen-langweilig und eine Eselei, über die Peripetie der grauen Verblödung zu lachen." kam mir unvermittelt Jorge von Burgos in den Sinn ...

RMH

29. Januar 2022 12:08

"Aber ich finde es ärgerlich, wenn man nicht auf den Ausgangstext eingeht, sondern ein Stichwort ( hier: Nietzsche) benutzt und völlig vom Thema weg diskutiert."

@Monika,

gerade auch für Sie habe ich weiter oben, wenn auch noch vor ihrem Beitrag, noch einmal erläutert, warum die Nietzsche Zitate sehr gut zu dem Thema des Satirikers passen. Gerade er stichelt gegen die Philister. Aber wenn man selber seinen festen Kanon hat, die Stelle nicht lesen will, dann kommt man mit der abgedroschenen Floskel von der geistigen Onanie daher. Kein Wunder, dass Nietzsche am Ende ein gedroschenes Pferd, welches als Kutschenpferd sicher Scheuklappen trug, umarmte. Aber auch das veränderte den Blickwinkel des armen Pferdes vermutlich nicht mehr.

Maiordomus

29. Januar 2022 12:18

PS. Es ist verantwortungslos und politisch jenseits von Zurechnungsfähigkeit, mit dem Begriff "Nazi" leichtfertig umzugehen, wiewohl dieser, um beim Thema Zeller zu bleiben, satirefähig ist. So Kolumne von William Schlamm in der "Welt": "Wenn Exnazis Exnazis Exnazis nennen": typische Situation in der BRD vor 50 Jahren.

Ich glaube, nicht jeder hier ist noch Hans Filbinger (1970/71) persönlich begegnet. Dass er sich um das Andenken des von @Monika oben zitierten Reinhold Schneider bemühte, hatte sicher etwas mit eigener Reinwaschung zu tun. Einige Jahre später wollte man von ihm auch in Freiburg nichts mehr wissen, weil nämlich Rolf Hochhuth 1978 auf seine Tätigkeit als Marinerichter hingewiesen hat, wobei er immerhin in einem Fall eine Hinrichtung verhindert hat. Als alter Mann erledigt, erlebte er aber nicht mehr, wie seine eigene Tochter ihn posthum als "Anwalt des funktionierenden Systems Wehrmacht" denunzierte, um sich genügend bequeme Distanz zu verschaffen. Falls Filbinger in Dantes Hölle schmort, für seine Tochter wäre dort auch Platz.  

Monika

29. Januar 2022 12:31

@ RMH 

Ich bitte um Verzeihung, manchmal überfliege ich Beiträge . Wer hat im Alter keinen festen Kanon ? Ich werde mich bemühen, genauer hinzugucken. Aber im Moment gibt es viele bewegende Themen, da kommt man nicht mehr nach. Selbst der Humor ist anstrengend geworden...😂

links ist wo der daumen rechts ist

29. Januar 2022 12:42

Die DDR, der Witz und der Nazi 1

 

Zum Thema DDR-Sozialisation hat Zeller im Interview das Wesentliche gesagt:

Wie mir scheint, ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand mit einer Abneigung gegen Totalitarismus ostdeutsch ist, größer als fünfzig Prozent, also überproportional, weil man da eben wissen kann, wie es funktioniert, und es wiedererkennen kann. Wenn man das will.

Er ist halt für jede Art von Ostalgie nicht zu haben, wirkt abgeklärt und „geläutert“. Daneben gibt es dann Typen wie Klonovsky in einer Mischung aus Aufsässigkeit (seine Zeit als Lagerarbeiter hat er den Bonzen nie verziehen) und Hedonismus; mit seiner Sozialismus-Schelte meint er nur den Neid des Pöbels auf seinen Anywhere-Lifestyle: Anzug, Maßschuhe, klassische Hausmusik, Rotweinkennerschaft, Weitgereistheit.

In ihrer Biographie gebrochene Typen, wie ich sie im Fühmann-Strang erwähnt habe, also etwa Bräunig, Hilbig, Jirgl u.a.m. gibt es kaum noch, Randständige wie Gundermann auf der einen und Grenzgänger wie Huchel, Hacks und Heiner Müller auf der anderen Seite schon lange nicht mehr. Der Rest ist eh verwestlicht.

Aber dort, wo Ostalgie ihre Berechtigung hätte (bis hin zur kontrafaktischen Geschichte eines mitteldeutschen Staates 1990), hören sich ironische Vereinnahmungen eines Begriffs wie „Nazi“ auf. Aktuell geistern ja wieder die neuen Abkürzungsschlüssel durch die Corona-kritischen Gruppen: N wie neugierig usw. Geschenkt.

ff

Maiordomus

29. Januar 2022 13:00

PS II: @ Meuthen, Baden/Württemberg, welches Land vor 70 Jahren zusammengelegt wurde, was Reinhold Schneider der für ihn unwählbaren CDU bis zu seinem Tode (1958) übel nahm. Was Filbinger betrifft, war ich in nichtöffentlichem Autorengespräch in Zürich mit Rolf Hochhuth so etwas wie sein Pflichtverteidiger, wobei H. in Sachen Niveau in keiner Weise mit heutigen "Antifaschisten" zu vergleichen war. Nicht nur über Irving, auch über Jünger konnte man mit ihm ressentimentfrei diskutieren. Was mir generell nicht passte, war die sehr nachträgliche und meist schlecht informierte mediale Ruf-Abschlachtung Filbingers, wiewohl ich nie in dessen Lage hätte sein wollen und können. Aber eines, weil Meuthen und Baden-Württemberg jetzt ein Thema ist: Meuten und F. gehen mit wenig Berechtigung als "Nazi" in die Geschichte ein. Nur dass Meuthen maximal 3% der historischen Bedeutung von MP Filbinger für sich beanspruchen darf. Zu seinen und MP Teufels schlimmsten Taten zählte nach Arnold Stadler die Ba-Wü Gemeindereform. 

links ist wo der daumen rechts ist

29. Januar 2022 13:02

Die DDR, der Witz und der Nazi 2

 

Was eine ironische Selbstzuschreibung des Begriffs „Nazi“ zusätzlich erschwert, ist der gegenseitige Vorwurf eines Geschichtsrelativismus, wie es gerade in Ö während der C-Demos durchdekliniert wurde. Die C-Maßnahmen-Befürworter denunzieren die Demo-Teilnehmer schlechterdings als Rechtsextreme und „Nazis“ (und relativieren damit streng genommen den NS), während sie den C-Skeptikern gleichzeitig deren NS-Opfernarrativ („wehret den Anfängen“) um die Ohren hauen. Und auf diese – ohnehin schizophrene – Nazi-Keule soll man jetzt mit dem Nazi-Florett antworten. Na viel Spaß.

In der aktuellen Situation bezeichne ich mich da lieber als „rechtsextremen Esoteriker“.

Wie humorlos sind denn eigentlich die Deutschen (ein in Ö beliebtes Gesellschaftsspiel)?

Mit Loriot (der Deutschen liebster geistiger Besitz) oder Max Goldt kann man mich jagen, das ist mir zu piefkinesisch didaktisch. Bei Polt hingegen kann ich Tränen lachen (allein, wenn er eine Gemeinderatssitzung nacherzählt oder den Begriff „Toleranz“ erklärt).

Und die Nazis (die echten), hatten die Humor?

Brigitte Hamann hatte diese Frage verneint.

Witzigerweise findet sich aber in ihrem Hitler-Bayreuth-Buch eine Szene, in der H. inmitten der Wagner-Kinder den Wunsch von Verena, Politikerin zu werden, als eine Art Clara Zetkin parodiert: Hört, hört…

Da mußte sogar ich lachen.

zeitschnur

29. Januar 2022 13:13

@ Der Gehenkte

Das kann ich Ihnen so natürlich nicht beantworten. Lachen ist spontan, wenn es echtes Lachen ist. Die inszenierte Clownerie am Hofe hatte schon immer etwas Schales.

Die Öde all der Humorbändchen im rororo-Format, die meine Kindheit begleiteten, konnten mir kein Lachen entlocken, denn ich lache nicht gerne auf Kommando, schon gar nicht, wenn das Kommando Buchform hat oder in Zeitungen abgedruckt wird.

Ich lache in Gesellschaft. Wenn der Humor mitschwingt, nicht das Tragende selbst sein will.

Die Realsatire der deutschen Ödnis und Geistlosigkeit muss man wirklich nicht auch noch federwackelnd karikieren. Die gewollte Satire der unfreiwilligen Satire -  Hilfe.

Ansonsten: Den schärfsten und tiefgründigsten Witz hatte Jesus, und es ist bezeichnend, dass kaum jemand auf dieser Welt das begriffen hat. Er arbeitet mit dem Grotesken, der Überzeichnung, mit dem Schrägen und das oft elliptisch, dabei bilderreich, von einer enormen Leichtigkeit getragen und einschlagend wie ein Felsen. Und er wollte bestimmt nicht witzig sein, er WAR es einfach, weil er liebte. Und: Humor muss Moralismus überwinden.

zeitschnur

29. Januar 2022 13:17

@ Gehenkter

Mit Helge Schneider habe ich mich zu wenig befasst. Daher muss ich passen, zumindest derzeit.

links ist wo der daumen rechts ist

29. Januar 2022 13:43

Die DDR, der Witz und der Nazi 1

 

Zum Thema DDR-Sozialisation hat Zeller im Interview das Wesentliche gesagt:

Wie mir scheint, ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand mit einer Abneigung gegen Totalitarismus ostdeutsch ist, größer als fünfzig Prozent, also überproportional, weil man da eben wissen kann, wie es funktioniert, und es wiedererkennen kann. Wenn man das will.

Er ist halt für jede Art von Ostalgie nicht zu haben, wirkt abgeklärt und „geläutert“. Daneben gibt es dann Typen wie Klonovsky in einer Mischung aus Aufsässigkeit (seine Zeit als Lagerarbeiter hat er den Bonzen nie verziehen) und Hedonismus; mit seiner Sozialismus-Schelte meint er nur den Neid des Pöbels auf seinen Anywhere-Lifestyle: Anzug, Maßschuhe, klassische Hausmusik, Rotweinkennerschaft, Weitgereistheit.

In ihrer Biographie gebrochene Typen, wie ich sie im Fühmann-Strang erwähnt habe, also etwa Bräunig, Hilbig, Jirgl u.a.m. gibt es kaum noch, Randständige wie Gundermann auf der einen und Grenzgänger wie Huchel, Hacks und Heiner Müller auf der anderen Seite schon lange nicht mehr. Der Rest ist eh verwestlicht.

Aber dort, wo Ostalgie ihre Berechtigung hätte (bis hin zur kontrafaktischen Geschichte eines mitteldeutschen Staates 1990), hören sich ironische Vereinnahmungen eines Begriffs wie „Nazi“ auf. Aktuell geistern ja wieder die neuen Abkürzungsschlüssel durch die Corona-kritischen Gruppen: N wie neugierig usw. Geschenkt.

ff

Gracchus

29. Januar 2022 15:03

Komisch - bei mir erscheinen alle Kommentare im Fettdruck. 

Schönes Interview. Schön, dass Zeller seine Vorbilder aufzählt. Ich würde noch Bernd Pfarr nennen. Zeller hat verstanden, dass man als Satiriker nicht ignorieren kann, wenn sich die Machtverhältnisse und ideologische Diskurshoheit gedreht haben. Es hat sich aber noch was gedreht, wenn Böhmermann und Welke, denen ja alles Subversive abgeht, als Komiker durchgehen. Das ist so schlimm, wie Karnevals-Büttenreden.

Dabei ist es ein Vorurteil, die Deutschen kennten keinen Humor. Für die Literatur trifft das nicht zu, wobei es sich vielleicht wie so oft um Kompensation handelt - ich denke an den unvergleichlichen Jean Paul, auch an Hebel und die Aphorismen Lichtenbergs. Bei Kafka und Walser, also Robert, findet sich viel Komik, und erst recht, wenn man nach Wien schaut ...

 

Der Gehenkte

29. Januar 2022 15:59

@ Zeitschnur

"Den schärfsten und tiefgründigsten Witz hatte Jesus, und es ist bezeichnend, dass kaum jemand auf dieser Welt das begriffen hat"

Das ist ein schöner Gedanke, allein er ist durch Ecos "Der Name der Rose" zig-Millionen Lesern und hunderten von Millionen Sehern durchaus geläufig, denn die Romanfigur W.v.Baskerville vertrat sie dort vehement und hat sie in mehreren Dialogen auch recht breit verteidigt. Alle seine dortigen Beweise jedoch beruhen aus Indizien und scholastischen Feinfindigkeiten, denn das NT gibt einen lachenden Jesus einfach nicht her. Methodisch ähnlich wurde ja auch seine fleischliche Liebe zu/mit den Frauen nachzuweisen versucht. Wie also will man den "scharfen und tiefgründigen Witz" beweisen? Viele Gläubige würden eine solche Aussage fast schon für Blasphemie halten.

Ihr mitschwingendes Lachen in der Gemeinschaft ist sicherlich eine der höchsten Formen - aber eben nur eine. Das Lachen ist unendlich vielfältig und oftmals ja auch ein Lachen über. Wer lacht, lacht über andere und sollte dann auch Lachen anderer über sich ertragen können. Nun die Frage: Darf man auch über Jesus lachen? Darf man ihn lächerlich finden? Das sind Fragen eines lachenden Scholastikers im Sinne Carl Julius Webers. Lachen ist spontan, ergo ja.

Der Gehenkte

29. Januar 2022 16:14

@ links ist wo der daumen rechts ist

Wenn ich hier im Kommentar runter scrolle und nach lesenswerten Beiträgern suche, dann halte ich bei Ihnen immer an und meist berechtigterweise. Das war mir seit Ihren Ausführungen zu Lethen von vor drei Jahren klar, daß sie originelle Gedanken haben.

Daß Sie hier die Frage nach der DDR als Ostalgie abbügeln, ist allerdings vollkommen untypisch. Es ist vielleicht ein wenig wie bei zeitschnurs Glauben: wer nicht drinsteckt, kanns nicht fassen. Diese spezifische Sozialisation steckt ja nicht nur in "Wiedererkennen" oder in der Totalitarismuserfahrung - die die meisten gar nicht gemacht haben dürften, sondern erst retrospektiv einsahen - sondern zuvörderst im zwischenmenschlichen Umgang und damit auch im Umgang mit Humor. Vielleicht bin ich nostalgisch, aber das Leben in der DDR war eines von permanentem Witz begleitetes. Das Lachen war ein Modus des Umgangs mit realsozialistischen Absurditäten, so wie Zellers Arbeit mit den bundesdeutschen. Dennoch erinnere ich es als ganz anderes, befreienderes und weniger bitteres Lachen. Es ist komplex, aber das bescheidene und verhuschte Leben im Osten erinnere ich oft als weniger bedrückend als das in der alles erdrückenden Freiheit. 

Zeller hat sich etwas von dieser Leichtigkeit bewahrt, auch wenn er hier das etwas ausgeleierte Total.-argument bringt. Sein Witz ist für mich ganz stark DDR-Schule im affirmativen Sinne.

Maiordomus

29. Januar 2022 16:52

@Der Gehenkte. Über das Zeller-Witzblatt musste ich lachen oder schmunzeln, wie man mal dank gelungenen Tageskarikaturen locker lachen mag; da musste ich nicht mit "Le rire" von Bergson kommen, im Ansatz eine Deutung des Molièrschen Humors, über den man nach 400 Jahren noch lachen kann. Andererseits galt Lachen an Höfen des Mittelalters als unköniglich, im Gegensatz zu Weinen; und in Benediktinerregel gibt's 6 Stellen gegen das Lachen; es wäre aber im Sinne von @Monika Loriot-Realsatire, würde man das um Zellers willen noch nach Kants Definition des Komischen kommentieren.

@Laurenz. Doch, für Petry war nun mal die Art, wie Baerbock sich blamiert, nicht machbar. Und wenn man ein Thema wie "völkisch" ins TV bringt, geht's nicht ohne möglichst fehlerfreie intellektuelle Vorbereitung, sonst gibt's ein Penalty-Schiessen aufs eigene Tor. Stellen Sie sich vor, einer wie Sie müsste solche Fragen für DE-Stiftung oder eine Partei am Fernsehen erläutern. Dies schliesst nicht aus, dass Sie hier dann und wann sehen, welcher Kaiser keine Kleider trägt.   

 

Der Gehenkte

29. Januar 2022 17:21

@ Lachen DDR

wenn ich es recht entsinne, hatte Kubitschek im Oktober 20 im Kasus Maron dreiteilig Ähnliches festgehalten

https://sezession.de/63520/monika-maron-3-lesen-mit-dem-stock-im-hintern?hilite=Monika+Maron

https://sezession.de/63510/monika-maron-2-stellungnahmen?hilite=Monika+Maron

https://sezession.de/63517/monika-maron-1-zwischen-den-zeilen?hilite=Monika+Maron

Gracchus

29. Januar 2022 17:51

@Der Gehenkte: Ich bin bei Ihnen, dass es sich über das Thema zu philosophieren lohnt; am besten, wie der von Ihnen erwähnte Odo Marquardt, also mit Witz und Humor. Ich würde unterscheiden zwischen Humor, Komik, Ironie, Satire, Witz. Was natürlich hier in der Kommentarspalte nicht zu leisten ist. 

Humor entspringt oder strebt nach einer Haltung heiterer Gelassenheit. Deshalb wird man ihn bei ideologischen Fanatikern jedweder Couleur praktisch nie finden, und das Grüne Corona-Reich wird eine humorbefreite Zone sein. Den Leuten geht auch völlig ihre unfreiwillige Komik ab, die Klonovsky (@links) oft sehr gut trifft. 

Gracchus

29. Januar 2022 18:08

@Der Gehenkte

Mit Helge Schneider konnte ich in den 90ern und kann ich heute noch viel anfangen. Auch weil sein Humor nicht auf Pointe gestrickt war und dadurch in der TV-Landschaft subversiv war.

Die 90er scheinen mir rückblickend von postmoderner Dauerironie und Witzelsucht geprägt, was einem auch auf die Nerven gehen konnte; man trieb im Delta der Geschichte dahin. (Umso schlimmer, wenn jemand wie Scobel Gerd "Ironie is over" ausrief, oder war das erst in den Nullern?) Der Mangel, ernst sein zu können, hat vielleicht die Ideologien des Ernstfalls hervorgerufen.  

 

Laurenz

29. Januar 2022 18:14

@Maiordomus @L

"Petry"

litt nicht an zu wenig Intelligenz. Der Vorteil Weidels ist mehr Volksnähe zu Parteifreunden & die Kunst, die Füße auf dem Boden zu halten. Petry erschien wie ein Weltstern zu Parteiveranstaltungen, ohne persönliche Zuwendung zum Parteivolk, kam, hielt eine Rede & verschwand wieder. Wer also isoliert lebt, wie Petry, weiß eben nicht, was mit dem Zeitgeist ist. 

@Redaktion

Jehova, Jehova, Jehova

Maiordomus

29. Januar 2022 18:43

Abschliessend zu Meuthen: Muss es zwingend sein, wie @Monika annimmt, dass es über denselben noch einen extra Beitrag geben muss? Das ist der Bademeisterei natürlich unbenommen. Aber wie oben angedeutet angemerkt, ist der Mann bei durchaus zu anerkennenden und anerkannten Leistungsausweis ähnlich wie Otte nicht gerade ein politisches Schwergewicht, vgl. oben @imagines polemische Abqualifikation der beiden "Medienfiguren", welcher Eindruck mir leider treffend scheint, wiewohl ich die Richtung nicht so pauschal ablehne. Es ist aber wohl so, dass Meuthen auch im Vergleich zu anderen umstrittenen Figuren, ich führte eine oben kurz aus, eine eher kleine Fussnote der deutschen Geschichte ist. Es braucht fürwahr einen längeren Atem als er aufbrachte, und @Laurenz Bemerkung über seine Reden im Europaparlament vor leeren Rängen zeigt, dass dies nun mal fürwahr wenig Bedeutung hatte.   

KlausD.

29. Januar 2022 18:50

@Der Gehenkte  29. Januar 2022 17:22

"Lachen DDR"

Apropos - in der DDR habe ich (gefühlt) jeden Tag mindestens einmal lauthals und unbekümmert gelacht - und jetzt, kann mich gar nicht erinnern ....

Dazu kommt (hat aber mit Lachen nichts zu tun): habe in der DDR jede Nacht durchgeschlafen bis der Wecker klingelte - kenne ich jetzt auch nicht mehr ....

zeitschnur

29. Januar 2022 19:00

@ Gehenkter

Das Lachen, das man erzeugt, iS des Hofnarren oder des Zirkusclowns, hat mit Humor nicht das geringste zu tun. Jedes gezielt erzeugte Lachen ist unecht und Instrument der Spießerei und der eiskalten Macht. Und wenn es gar kathartisch "entlasten" soll, ist es schales Manipulationswerkzeug. Wer heute noch in Massen-Medien Karikaturen veröffentlichen darf, ist nichts weiter als Manipulationshandlanger, denn die Leute lachen, um hinterher genau das weiterzumachen wie eine dumme Herde, worüber sie eben gelacht hatten. Volker Pispers hat sich dazu einmal fast verbittert geäußert.

An einem solchen, volkspädagogischen Humor-Irrtum hat sich Jesus selbstverständlich nicht abgearbeitet ... Jesus hat nicht "über" andere gelacht und wollte nicht moralisieren. Er nimmt einen mit hinein in sein Lachen, und das erfasst nur, wer ihm folgt, pardon. Humor ist innen, immer mit dem anderen, nicht außen oder womöglich drüber. Und deshalb ist es sehr plump, an nichts anderes zu denken, als die Frage, ob man dann auch über Jesus lachen darf. Das ist Kindergarten. Diese Rückfrage ist enttäuschend. Es gibt nur ein Mit-ihm oder ein Ohne-ihn. Und die, auf die letzteres zutrifft, haben nichts zu lachen, das sie vom  Zähneknirschen befreien würde. Tut mir leid.

Laurenz

29. Januar 2022 19:23

@Zeitschnur

Zitieren Sie uns doch bitte mal so ein spontane Humoreske aus dem antiken Kapital?

zeitschnur

29. Januar 2022 19:54

@ Laurenz

Selbst ist der Mann - tolle, lege!

Maiordomus

29. Januar 2022 21:18

@Ich habe nie gesagt, Petry sei "nicht intelligent", schon als Lehrer waren mir solche Qualifikationen zuwider. Aber sie war intellektuell mittelmässig, das ist was anderes. Um ein hier schon diskutiertes Beispiel zu machen: Herr Bosselmann ist ein Intellektueller, desgleichen z.B. Lichtmesz oder die sich hier äussernde anthroposophisch orientierte Philosophin. Sellner hingegen ist ein Polit-Aktivist, was keineswegs bedeutet, dass er "dümmer" sei als die Intellektuellen. Das war und ist  auch Donald Trump nicht, den ich zwar nie mit Sellner verwechseln würde. Ständig hörte ich von Intellektuellen, auch solchen, die es weder beruflich noch geistig zu was gebracht haben, wie "dumm" Trump sei; war er nun mal nicht: ,seiner politischen Konkurrentin sowie seinem Nachfolger als "animal politique" überlegen. Petry war aber weder das eine noch das andere, aber zweifelsohne nicht "dumm". Schülerinnen ihres Typs schreiben Spitzennoten. Grosse Intellektuelle haben da in ihrer Inkubationszeit oft eher Probleme, schon weil s i e  ihre Lehrer überfordern. So sah es z.B. der junge Brecht. 

Der Gehenkte

29. Januar 2022 21:55

@ zeitschnur

Ihre Begriffe scheinen mir sehr verengt zu sein und aus Ihren Worten spricht eine Rigorosität, die beängstigend ist. Außerdem lesen Sie in meine Frage Dinge hinein, die nicht intendiert waren. Wer etwa sagt, daß mit dieser Frage "an nichts anderes gedacht wird"? Zudem haben Sie die eigentliche Frage nach den Quellen des Lachens Jesu nicht beantwortet, sondern sich in eine unhinterfragbare Innerlichkeit zurückgezogen. Damit ist Ihre Position dem Gespräch mit anderen entzogen - sie verlangt das innere Bekenntnis aber keine rationalen Argumente. Vielleicht war mein inneres Bild von Jorge falsch und hätte eher durch Bernardo Gui ersetzt werden sollen?

Die Bedeutung des Hofnarren - deren Nachfolger in gewissem Sinne auch noch heutige Komiker sind - verkennen Sie. Sie dienten als Korrektiv, dem Karneval vergleichbar, eine Art erlaubte Opposition, deren Schalk und Zynismus durch die unterstellte Irrationalität legitimiert war - siehe Shakespeare. Der Narr agiert an der Grenze des Noch-Sagbaren und vereint damit systemstabilisierende und systemdestabilisierende Elemente. Hier auch die Nähe zum Spiel. Freilich, es gibt heute nur noch wenige dieses Typs - aber Zeller ist noch einer, der an der Kante agiert.

Der Gehenkte

29. Januar 2022 22:06

@ Gracchus

Sie haben recht - der Differenzierungen bedürfte es hier. Sloterdijk ist übrigens auch einer, der sehr ironisch philosophieren kann, nicht ganz so offensichtlich wie der geniale Wortverdreher Marquard. Zur heiteren Gelassenheit ... was zu beweisen war.

H. Schneider habe ich deswegen ins Spiel gebracht, weil er ein Unikum ist, ein Phänomen erster Güte nach obigem Verständnis. In den 90ern war das eine Offenbarung, die bis Mitte der 90er anhielt. Auch seine ersten beiden Filme und die Autobiographie. Kann man heute vielleicht gar nicht mehr nachvollziehen. Er hat auch den Gernhardt/Henscheid-Humor beendet. In diese "Stimmung" gehört auch die "Kritik der zynischen Vernunft" - Schneider ist ein postmoderner Kyniker, wohl eher instinktiv als reflexiv, mit einem untrüglichen Gespür dafür, alle Erwartungen zu unterlaufen. Leider sind die Zeiten heute andere, weshalb er jetzt anachronistisch wirkt. Es ist aber kein Zufall, daß sich Schneiders auch die Philosophie angenommen hat, oder auch Alexander Kluge ...

Laurenz

29. Januar 2022 22:51

@Maiordomus

"Intellekt"

Das ist Ihre Welt & ich kenne keinen, der sie Ihnen nehmen wollte. Nur in der Bewertung dieser, haben wir eine unterschiedliche Auffassung. Die meisten europäischen Politiker in der gesamten Nachkriegszeit zeichneten sich nicht! durch übermäßige Intelligenz aus. Was sie auszeichnete, ist ihr Macht-Instinkt. Sie tun oft automatisch das Richtige, um nach oben gespült zu werden. Dabei spielt auch Bildung keine Rolle mehr, zur Not konstruiert man eine Vita. Und wo betrogen wird, wie bei Frau Giffey, wird man trotzdem gewählt.

Wo Sie richtig liegen, ist die unterschiedliche Bewertung von konformen - & echten Oppositionspolitikern.

Daß Gauland sich für Chrupalla entschied, wird mit dessen menschlichen Eigenschaften zu tun haben. Um einen historischen, geo-politischen Überblick zu haben, wird Herr Chrupalla in seinem Leben zu viel gearbeitet haben, wie wir an der etwas schief gelaufenen Moskau-Reise feststellen konnten. Aber dafür hat Er ja nun Frau Weidel. Die beiden wirken doch recht harmonisch, konstruktiv.

Simplicius Teutsch

30. Januar 2022 00:35

@ Maiordomus, stimmt, „dumm“ war die Frauke Petry ganz gewiss NICHT. Oft hat man ja als Rechter gewisse Bedenken, wenn mal ein/e AfD-Politiker/in im Fernsehen zu Wort kommt und wie üblich in die Mangel genommen wird, ob er/sie sich einigermaßen gut aus der Affäre zieht. Bei Petry hatte ich da keine Bedenken. Sie war hellwach und nicht aufs Maul gefallen. Auf mich wirkte sie ein bisschen wie eine gefährliche Giftschlange. Andererseits, das machte sie mir auch sympathisch, war sie eine, anscheinend nicht überforderte, Mutter von schließlich 6 kleinen Kindern.

links ist wo der daumen rechts ist

30. Januar 2022 00:44

@ Der Gehenkte

Gebe das Kompliment fast beschämt gerne mehrfach zurück, leider bin ich auf Ihrem Blog (für mich die schönste Mischung aus Tagebuch und Essay) viel zu selten, sodaß ich immer relativ viel nachlesen muß…

Ich glaube, es geht im Kern darum, daß jemand wie Zeller (und in viel stärkerem Maß Klonovsky) ein affirmatives Verhältnis zur DDR-Sozialisation nie zugegen würde; sehr wahrscheinlich wirkt aber eine Art unbewußtes Überlegenheitsgefühl (ironisch bis sarkastisch als Selbstdistanzierung in Szene gesetzt) „dem Westen“ gegenüber nach.

Der Begriff Ostalgie ist für mich übrigens, wenn auch pauschalierend, positiv besetzt. Bei der Kontrastierung zu einem affirmativen Nazi-Begriff (Sachen gibt's) bin ich aber wahrscheinlich zu rasant um die Kurve gewetzt.

Dieses Sensorium für Zwischentöne hat, glaube ich, Christoph Hein einmal – affirmativ – als Sklavensprache bezeichnet und dann irgendwie den Bogen gespannt zu den Sprachspielen in „Alice im Wunderland“. Obwohl Hein selber natürlich eher kein Meister der befreienden Zwischentöne war, sondern in den 80ern im Westen als einer DER Autoren eines (gesamtdeutschen?) Überdruß-Existentialismus galt.

Unabhängig davon frage ich mich aber (als Österreicher), ob eine Humor-Trennlinie – regimeübergreifend - nicht eher zwischen Nord und Süd als Ost und West verläuft; also zwischen Spökenkiekern und „Südländern“…

Maiordomus

30. Januar 2022 08:01

@links Daumen und der Gehenkte: Ich glaube, dass Sie das mit dem nordischen und südlichen Humor nicht bloss treffliche sehen, es geht auch in die Tiefe, siehe noch den im Molière-Jahr derzeit nach Bergson zu analysierende französische Humor. Nicht zu vergessen den italienischen und seit der Antike den griechischen, sozusagen sokratischen Humor. Absolut grandios fand ich schon immer den jüdischen Witz, der nun mal doch nicht dasselbe ist wie der deutsche jeanpauleske leicht bierische Witz.

Was ist nun da aber die Pointe? Einen Unterschied zwischen nordeutschem und südduetschem Witz gibt es und wird es nur geben, wenn der sog. Volkscharakter einigermassen erhalten bleibt, was übrigens die Juden auf ihre Weise bei allen ihren gewaltigen internen Differenzen und Differenzierungen geschafft haben, was ich übrigens nicht mit positivem "Rassismus" gleichgesetzt haben möchte. Mit anderen Worten: Es ist scbon keine Kleinigkeit, dass "Miar san Miar" auf seine Weise erhalten bleibt und die Ethnien nicht einfach beliebig ersetzt bzw. vermasst werden. 

 

Laurenz

30. Januar 2022 08:45

@Links ist, wo der Daumen rechts ist @Der Gehenkte

Erachte es als recht interessant, die Interviews mit Rammstein zu hören, die doch der DDR-Punk-Kultur entstammend, ein entspanntes Verhältnis zur DDR einnehmen. Im Grunde haben sich die Rammstein-Buben ihre Autonomie von damals bewahrt & gehen heute noch immer über die Grenze des Sagbaren, um damit Reichweite zu provozieren. 

Hier 2 x Flake Lorenz

https://youtu.be/jDQXaDOkhw8

https://youtu.be/5JIFmAYBsYE

Deswegen verstehe ich nicht ganz, wie man mit seiner DDR-Vergangenheit ein Problem haben kann.

zeitschnur

30. Januar 2022 10:56

@ Gehenkter

Warum werden Sie persönlich? Verengte Begriffe? Das ist ähnlich wohlfeil wie die "geistige Onanie", die oben jemand meinte einführen zu müssen. Auch Ihre Dämonisierung der "Rigorosität" ist derart abgedroschen, dass sich eine Antwort darauf eigentlich erübrigt. Die vermeintliche Rigorosität ist schlicht und einfach eine gewisse Bestimmtheit und Konsequenz, was allerdings den unsicheren, aber ehrgeizigen Geist zwangsläufig verärgern oder auch in Panik versetzen muss. Was könnte ich Ihnen denn Böses antun mit meiner bestimmten Überzeugung? Richtig: nichts, gar nichts. Und wie gewöhnlich sieht ein solcher in Panik Versetzter kaum, dass der Balken im eigenen Auge steckt. Ehrgeiz erzeugt Neid, und Neid erzeugt wiederum Angst.

Das vom Splitter und vom Balken ist übrigens ein Gleichnis Jesu. Die groteske Metaphorik, die kunstvoll verschobene Dialektik des Bildes zielt weit über die Menschen hinaus, die sich in gegenseitiger Anklage befinden, das Lachen trifft den eigentlichen Ankläger des Menschen. Wie soll man einem, der noch nie geliebt hat, erklären, was Liebe ist? Es ist ein einfaches Faktum, dass man hier nur "mit" oder "ohne" sein kann.

Kositza: Ungebeten mag ich meinen Senf dazugeben. Logisch darf man hier "persönlich" werden, warum denn nicht? Auch davon lebt dieses Forum. Nur bitte eben zivilisiert. Als Außenstehende (Ihres Dialogs mit Gehenktem) nehme ich Sie, Frau Zeitschnur, als oft leicht eingeschnappt wahr: dem Gegenüber wird gleich "Neid, Angst, Panik" attestiert. Nichts gg. Rigorisität - wer sie aber für sich zugunsten der Ambivalenz ablehnt - der eine so, der andere so.

Der Gehenkte

30. Januar 2022 10:57

@ links ist wo der daumen rechts ist

Lustig: Hein und Christa Wolf waren hier im Haus gerade Gesprächsthema und der Sache nach ging es auch um Überdruß an der Lektüre dieser Autoren.

Die Nord-Süd-Kluft durchdringt selbstverständlich - wie Wellenmuster - die Ost-West-Differenz, übrigens auch innerhalb der DDR-Fläche, wenn auch weniger ausgeprägt als im Westen. Wir hatten eben keine Bayern und Schwaben. Sie ist aber mental und dialektal zu erklären, die horizontale eher politisch und edukativ. Ein wunderbares Bsp. ist der Neapolitanismus mit ganz eigenem Humor und eigener Kultur. Interessant wäre, ob es da übergreifende Muster gibt: der Neapolitaner als Bayer usw. 

Freilich, das stirbt alles aus. Wenn ich heute Abiturienten auf dem sächsischen Dorf begegne, dann sprechen die vollkommen konturlos; dann studieren sie noch in Hannover oder Freiburg und sind für alles Heimatliche verloren, mehr noch, sie beginnen sich ihrer Sippschaft zu schämen ...

Der Strang trudelt hier aus ... vielleicht paßt das Thema nochmal irgendwo rein. Ich erinnere an Deleuze' Nietzsche: "Wer Nietzsche liest, ohne zu lachen, ohne viel zu lachen, ohne oft und manchmal wie verrückt zu lachen, für den ist es, als ob er Nietzsche nicht läse". Das gilt noch mehr für Kant oder Luhmann ...

PS: Die Schach-Geschichte war übrigens durch Ihren Gedanken der Unverfügbarkeit der Geschichte inspiriert.

zeitschnur

30. Januar 2022 11:17

@ Gehenkter

Selbstverständlich ist mir bekannt, was im Lexikon über die Funktion des Hofnarren steht. Über das Stadium des Was ich schwarz auf weiß besitz, kann ich getrost nach Hause tragen bin ich hinaus. Ich muss niemandem mehr meine Bildung beweisen und denke inzwischen selbständig ohne den Rollator irgendwelcher kanonischer Größen, hinter denen ich mich verschanzen müsste.

Wer die abgeschmackten Büttenreden oder irgendwelche alemannischen Zoten-Sprüche mit Humor verwechseln sollte, ist für mich fast schon nicht mehr satisfaktionsfähig. Ich lebe hier im Herzland der alemannischen Fasnet und weiß sehr gut, wovon ich spreche. Ich bin überrascht darüber, dass Sie sich diese Meinung unhinterfragt zu eigen machen: Der Narr agiert an der Grenze des Noch-Sagbaren und vereint damit systemstabilisierende und systemdestabilisierende Elemente. Es ist einfach nur biederer Mief.

Da wird überhaupt nichts destabilisiert, wenn Sie mich fragen, sondern suggeriert, es gäbe Sagbares und Unsagbares. Panem et circenses, auch hier. Ich habe keine Lust, über kontrollierte Komiker zu lachen, die einfach nur Mitarbeiter einer Abteilung im Brain Washing-Ministerium sind. Für die gehobene Bildungsschicht muss die Suggestion geschaffen werden, man bewege sich an der Grenze zum Unsagbaren.

Wahr ist dagegen, dass alles, was ist, auch sagbar ist. Man muss es nur tun und der ganze Systemspuk ist am Ende.

zeitschnur

30. Januar 2022 11:54

Generell finde ich es problematisch, wenn man sagt: Jetzt lach doch mal! Denn das ist letztendlich der Appell an die "Rechten" oder überhaupt das Land, es solle doch wieder mehr lachen und sich für entsprechende literarische Formen öffnen. Wohin soll das führen? Wie in dem Witz, in dem ein Typ vor dem Fotografen steht und brüllt: Damn it all - I'm looking friendly!

Verkrampftes Lachensollen - manche machen Lachyoga, das ist ungefähr genauso  paradox und erinnert mich wiederum an Loriots Jodel-Diplom.

Vielmehr muss man das fehlende Lachenkönnen ernstnehmen. Es ist ein Zeichen für tiefste Unfreiheit. Gelenkte Komik ist dann der Freigang auf dem Gefängnishof.

Ja: auch das künstlich erzeugte Osterlachen gehört in diese Kategorie der ultimativen Verklemmung und Entmenschung.

Die Frage der Fragen: Warum und seit wann genau ist uns eigentlich das Lachen (das echte meine ich) vergangen?

zeitschnur

30. Januar 2022 12:16

Kann man eine Vergewaltigung humorvoll verarbeiten?

Was löst es aus, wenn man über ein Vernichtungslager eine Satire schreibt?

War das witzig, als einige unterm Kreuz Jesu spazieren gingen und lästerten: Steig doch herab, wenn du Gottes Sohn bist!

Kann man in einer Welt totalitärer Lügen wirklich mit öffentlichem Lachen noch etwas ausrichten?

_________________

Das Nichtlachenkönnen der Deutschen in der letzten Zeit könnte auch von diesen Fragen her beleuchtet werden.

Zeller kommt ganz offensichtlich gegen das, was real ist, mit diesem Genre nicht an.

zeitschnur

30. Januar 2022 12:29

@ EK

Na, dann hat der Gehenkte ja Schützenhilfe, braucht er die wirklich? Ob Sie ihm damit einen Gefallen erwiesen haben?

Erinnert mich an die Kindheit: Dieser eine Bub, wenn er raufte mit einem anderen Bub, und Mami hinterm Vorhang befürchtete, er könnte verlieren ... das Fenster flog irgendwann auf und zeigte dem bösen andern den Zeigefinger. Dem Sohn wars peinlich.

Diese Messe ist noch nicht gelesen. Lassen Sie den Gehenkten sich selbst verteidigen, bitte.

Umlautkombinat

30. Januar 2022 13:12

Wissen Sie @zeitschnur

"verengte Begriffe" kann man ja vielleicht auch einmal woertlich nehmen und etwas daraus mitnehmen.

"sieht ein solcher in Panik Versetzter kaum, dass der Balken im eigenen Auge steckt. Ehrgeiz erzeugt Neid, und Neid erzeugt wiederum Angst."

ist dagegen eine reine Abwertung unter jeder Guertellinie. Sieht aus wie Projektion.

Sie teilen ordentlich aus, aber Sie koennen nichts einstecken.

 

Der Gehenkte

30. Januar 2022 13:25

@ zeitschnur

Was gibt es hier zu verteidigen? Ich schrieb: "Ihre Begriffe scheinen mir sehr verengt" - "scheinen","ihre Begriffe" (und nicht Sie). "aus Ihren Worten" (nicht aus Ihnen) was ist da persönlich? Wenn Sie bereit wären, zu lesen, dann müßten Sie die Differenz bemerken. Beängstigend werden solche Positionen dann, wenn sie irgendwann mal Macht bekämen - das war durch den Gui ausreichend verständlich gemacht. Wer Ohren hat ...

Natürlich will ich mich nicht mit Ihrem selbständigen Wissen messen, stelle auch keinen Originalitätsanspruch. Mir scheint nur, daß Ihre Produktion ein gutes Beispiel dafür ist, wie gefährlich das sich von allem unabhängig machende und freie Denken sein kann, denn es führt sehr oft in den Irrtum oder in die Selbstabkapselung, wenn es auf Korrektive verzichtet. Ich hatte das ja schon einmal kritisiert - diese Kritik haben Sie mit großer Geste einfach beiseite gewischt, als Ihrer nicht würdig. Deswegen habe ich auch auf neuere innerkönigliche verzichtet, denn Sie signalisieren immer wieder Kritikresistenz. Für mich ein Zeichen des Ausstieges aus der Kommunikationsgemeinschaft - um Habermas zu zitieren. Bedauerlich finde ich das, weil an Ihrer außergewöhnlichen Intelligenz natürlich nicht zu zweifeln ist.

Das alles tut aber nichts zur Sache und geht eigentlich auch niemanden was an.

Gracchus

30. Januar 2022 14:45

@Maiordomus

Was soll denn der "deutsche jeanpauleske, leicht bierische Witz" heißen bzw. sein? Ist das mehr als eine Anspielung darauf, dass Jean Paul gerne Bier getrunken hat?

Der Gehenkte

30. Januar 2022 17:38

@ zeitschnur

1.

Ich will noch einmal versuchen, Ihnen zu erläutern, wie ich Ihre Art zu argumentieren verstehe und kritisiere. Ich hatte das in besagtem Beitrag schon einmal getan, erwarte daher von Ihnen kein Verständnis und ich kann auch irren.

Damals hatte ich das als "Pokern" beschrieben und das machen Sie hier wieder. Sie subsumieren alle massenmediale Komik unter "Hofnarren und Zirkusclowns", die letztlich alle Systemlinge (mein Wort) sind. Weißt man Sie auf die soziale Funktion des Narren hin, wird der Hinweis als "Lexikonwissen" abgetan, was er auch ist, denn das ist der Stand des derzeitigen Wissens und das kann man mit Roger Caillois oder Foucault oder Walter Nigg, also mit ganz verschiedenen Ansätzen erfahren.

Nun tun Sie zweierlei: zum einen diskreditieren Sie dieses Wissen als "schwarz auf weiß", also als nur angelesenes, jedermann verfügbares und deuten damit an, daß Sie ein höheres oder tieferes Wissen/Verständnis haben - was ja vielleicht der Fall ist. Damit insinuieren Sie, daß alles was "Wikipedia" ist oder "Lexikon" Unsinn oder doch ungenügend sei, statt zu sehen, daß es meist der Stand der Dinge ist, auch wenn diese Medien natürlich manipulationsanfällig sind. Zum anderen behaupten Sie, ohne "Rollator" zu denken und suggerieren erneut, weiter als andere blicken zu können - was möglich ist.
 

Der Gehenkte

30. Januar 2022 17:39

@ zeitschnur

2.

Sie haben also gepokert. Wir haben alle den Eindruck, daß zeitschnur ein Bombenblatt in der Hand hat, daß sie Dinge weiß, die wir nicht wissen, daß sie durchschaut, was uns undurchschaubar ist ... Und wir warten auf die Offenlegung des Blattes. Allein, diese erfolgt nie. Fordert man sie ein, wird stattdessen noch höher gepokert, der Einsatz erhöht und das Spiel beginnt von Neuem: der Kritiker wird angegangen und als unwürdiger Mitspieler markiert, der Eindruck eines noch höheren Wissens erzeugt ... Am Ende kommt dann: Ich kann es euch nicht sagen, denn ihr versteht es sowieso nicht. Das Geheimnis bleibt das Ihre, es ist nur in der "Innerlichkeit" erfahrbar ...

So funktionieren - so verstehe ich als am Rollator gehender sie zumindest - Ihre Bücher (das kann jeder nachprüfen, der das Geld ausgeben möchte) und so funktioniert ein gewisser Teil Ihrer Wortmeldungen hier. So funktioniert auch Ihr Versuch, uns einen lachenden Jesus vorzuführen - den es gegeben haben mag, den man vll. auch nachweisen kann, W.v.Baskerville tat das - Sie aber tun's nicht.

Ich gebe zu, das hat einen gewissen Sog, denn wer will schon nicht in höhere Geheimnisse eingeweiht werden oder an tieferem Wissen teilhaben? Sogar hochintelligente Menschen ziehen Sie hinein in diese Denke, Klügere als ich es bin ... aber vielleicht verführbarere. Wahrscheinlich hat Zeller mit seinem ersten Satz doch recht.

links ist wo der daumen rechts ist

30. Januar 2022 20:11

Verlorene Siege

 

@ Der Gehenkte

Bei Ihren Schachspiel-Überlegungen mußte ich natürlich u.a. auch an die Unverfügbarkeit von Geschichte denken, hätte aber nie meinen Anstoß dazu vermutet.

Und um gleich auf den Kern der aktuellen Debatte im Kommentarstrang zu kommen: Ich zähle mich zu denen, die gern Strategen wären (da hat man immer recht – auch im Nachhinein: vgl. Mansteins „Verlorene Siege“), werde aber zeitlebens ein Taktiker bleiben, der irrt, Fehler macht, sich ärgert, darüber nachsinnt und Anlaß zu Spott gibt; Selbstironie und Altersmilde helfen dann ein bißchen.

Die lebenslangen Strategen könnte man auch Hegelianer nennen, ob in ihrer säkularisierten Form, indem man die Gesetze der Weltgeschichte kennt, oder in ihrer religiösen Variante, indem man das Böse externalisiert und seit Nimrods Zeiten bekämpft.

Die Behausungen sind kahl wie evangelische Kirchen und im Gepäck hat man das ganze Neue Testament; als Parodie sehe ich dazu immer den Toten Vater in Donald Barthelmes gleichnamiger Erzählung, in der einige Männern mit einer Ausgeburt unserer schlimmsten transhumanistischen Alpträume im Schlepptau, einem Wesen, halb Mensch, halb Maschine, halb tot, halb lebendig, das ständig herummäkelt, unbeirrt über die Lande ziehen.

Maiordomus

30. Januar 2022 20:22

@Zeitschnur. Betrifft: Lachen. Lesen Sie Dürrenmatt, die rund 50 Bände der Gesamtausgabe sind süffig und gehen ausschliesslich vom jeweils schlimmstmöglichen Fall aus. Es gab bedeutende Menschen, etwa Thomas Morus oder Sokrates, denen konnte nicht mal ein Todesurteil den Humor austreiben. Sogar bei Auschwitz-Recherchen kann man auf Komisches stossen, da muss man nicht mal auf den einschlägigen Film angewiesen sein. Die ganz grosse Komik hat mit dem katastrophalen Zustand der Welt zu tun. Aber klar, konnte man in Auschwitz eher lachen denn als Embryo kurz vor der Abtreibung. 

links ist wo der daumen rechts ist

30. Januar 2022 20:39

Lüge oder Lücke 1

 

Wo bleibt der Witz als die „Lücke, die der Teufel läßt“ bei Feststellungen wie diesen:

Die Frage der Fragen: Warum und seit wann genau ist uns eigentlich das Lachen (das echte meine ich) vergangen?

Kann man in einer Welt totalitärer Lügen wirklich mit öffentlichem Lachen noch etwas ausrichten?

Ist das nicht bloß die Umkehrung des herrschaftlich-zynischen „Dir wird das Lachen noch vergehen!“ in eine Frage, während der kynische Überlebenskünstler weiterlacht und so seine Souveränität – auch angesichts des Henkers – wahrt?

An dieser Stelle könnte man jetzt auch die berühmt-berüchtigten Worte Hannah Arendts zum Entstehungsprozeß ihres Eichmann-Buches anführen, daß sie angesichts der Absurdität des ganzen manchmal in lautes Lachen ausbrechen mußte.

links ist wo der daumen rechts ist

30. Januar 2022 20:41

Lüge oder Lücke 2

 

Und natürlich bleibt die Ambivalenz eines Einverständnis-Gelächters mit einem aufbegehrenden Lachen. Über jüdische Witze kann so oder so gelacht werden. Zoten oder Altherrenwitze lassen sich als Zitat „veredeln“, Pointen können auch in ihrer Zerstörung witzig werden.

Die grundlegende Doppelbödigkeit des Lachens in seiner anthropologischen Lesart wäre ein eigenes Thema. Canetti hat dazu in „Masse und Macht“ Wesentliches gesagt. Das Entblößen der Zähne bedeutet einen Impuls des Verschlingenwollens. Lese ich aber dieses Buch des „Menschenfressers“ Canetti auf einer Metaebene (sein Animismus, wie fließend er die Übergänge zwischen Tier- und Menschwelt gestaltet, ist faszinierend), hat das ganze wieder einen Witz.

Wie auch immer. Das Lachen bleibt eine Einbruchstelle, auf welcher Seite man dabei steht, zeigt dann wie so oft der geschichtliche Verlauf.

Gracchus

30. Januar 2022 21:39

@Der Gehenkte, links, zeitschnur

Also mir ist die scholastische Diskussion, ob Jesus gelacht hat, unverständlich; es steht ja auch nirgends, dass Jesus defäktiert hat - vermutlich gab es darüber auch schon theologische Diskussion -, aber ich gehe mal stark von aus. 

Ansonsten: Entweder findet man die Sachen von Zeller komisch - ich: ja - oder nicht. Wenn ich darüber lache, dann doch spontan - und nicht auf Kommando, und ich frage mich nicht, ob das systemstabilisierend ist. Ist alles systemstabilisierend, was mich davon abhält, den Strick zu nehmen?

Bei Böhmermann und Welke fühle ich mich schäbig, wenn ich mitlache - deren Witzelei ist oft ein Runtermachen von Leuten, die sowieso schon unten sind. 

zeitschnur

31. Januar 2022 10:06

@ Umlautkombinat

Sie sind parteiisch. Ich provoziere und stecke sehr viel ein, dies aber nicht kampflos, ich bin kein Weichei und fechte eine Position so lange aus, so lange ich sie halten kann. Müsste Euch Rechten doch eigentlich gefallen, so was. Woher EK wissen will, dass ich "eingeschnappt" sei, ist kaum rational aufzuzeigen. Das etwa ist für mich eher eine Kindergarten-Projektion. Ich duelliere mich aber gerne. Wenn der Gehenkte mich angreift, und das hat er wiederholt getan, muss er eine Reaktion aushalten können. Er war es, der von Anfang gegen meine Positionen, sogar ohne dass ich es mitbekam, heftigst ausgeteilt hat. Woher diese Heftigkeit kommt, muss er selbst sich ehrlich eingestehen.

Grundsätzlich: Heißt für Sie "einstecken", dass man sich duckt, sobald einer draufdrischt? Oder dass man Standpunkte, die angegriffen werden, aufgeben muss? Dass man dem ein Sozial-Zuckerl hinhalten muss? Wieso sollte ich das, wenn mich eine Kritik nicht überzeugt oder einer, der kritisiert, offensichtlich blindlings agiert und nicht einmal entfernt versteht, wovon man spricht und alles in einen Hals bekommt, in dem man sich gar nicht bewegte? Ich erwarte das übrigens auch umgekehrt von niemanden: Auch der Gehenkte muss mir jetzt keine (sachlichen!) Zugeständnisse machen, nur um zu beweisen, dass er er NICHT kritikresistent ist.

Kositza: Doch, Ihr Eingeschapptsein empfinde ich nicht bloß als habituell, sondern sehr konkret.Sie fühlen sich oft "angegriffen", wenn man Ihre Argumenation hinterfragt; sie sind in Ihrer Gegenrede null elastisch und völlig unlocker. Daher meine "eingeschnappt"-Diagnose. Und dann weichen Sie natürlich aus, was DER Gehnkte als "Pokern" bezeichnet hat. Sie berufen sich auf ein numinoses "höheres Wissen", das uns Normalsterblichen nicht zugänglich sei. (Alles, was sie stört, als "Kindergarten" zu bezeichnen ist langsam auch ein alter Hut.)

zeitschnur

31. Januar 2022 10:18

@ Gehenkter

Sie greifen mich seit langem immer wieder an. Ihr Pose ist dabei die eines Oberlehrers, der auf der Metaebene beurteilt, ob ich die rechte Haltung habe. Sie verweigern eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung. Das alleine ist schon nicht satiskfaktionsfähig. Warum sollte ich mich auf einen solchen Übergriff einlassen? Ist es für Sie untragbar, dass ein ander Ihnen nicht rechtgibt, wenn Sie ihn angreifen? Ist er dann "kritikresistent"? Was schon wieder die nächste anmaßende Beurteilung wäre? Ob einer "verengte Begriffe" hat - nehmen wir mal das raus: Das ist eine in sich absurde Benennung, wenn wir mal kurz innehalten und wieder anfangen rational zu argumentieren. Begriffe sind immer notwendig, um eine Position überhaupt auszudrücken. Dabei findet grundsätzlich eine Reduktion statt. Es ist reine Polemik und Manipulation, dann ohne weiteres Argument von einer "Verengung" zu sprechen. Jeder Denker nimmt solche Verengungen vor, muss es sogar tun, um zu präzisieren, was er meint. Da Sie sich gegenüber der Begriffsbildung auf meiner Seite verweigern, können Sie mich auch nur missverstehen. Und weil ich nicht Kotau mache, bin ich dann "gefährlich"? Womit die nächste übergriffige Oberlehrer-Eskalationsstufe erreicht wäre.

Darf ich Sie fragen, um was es Ihnen sachlich geht, ob es überhaupt um etwas Sachbezogenes geht?!

Kositza: Hab mir vorsichtshalber noch mal die Beiträge des Gehenkten durchgelesen. Er bleibt doch völlig ruhig und spricht zur Sache. SIE flippen doch aus. Aber gut - ich kann mich sehr gut über Zellers Zeichnungen amüsieren, aber oft genug auch über´s Kommentariat. Hauptsache, das Lachen geht uns nicht aus!

Umlautkombinat

31. Januar 2022 11:08

@zeitschnur

> Sie sind parteiisch.

Geht ja gut los. Ist aber irgendwie eine Nullaussage, wenn man drueber nachdenkt, oder? Partei fuer einen fairen Umgang zu ergreifen, ist komplett OK. Eine Antwort mit dem Versuch zu beginnen, das als eingeschraenkte Wahrnehmung des Gegenueber zu verkaufen ist es allerdings nicht.

> Müsste Euch Rechten doch eigentlich gefallen, so was

Mmhh, aber ich bin gar nicht rechts... Allerdings auch nicht links, das Spektrum hat schon mehr Dimensionen als eine Linie oder gar nur zwei singulaere Punkte.

> Grundsätzlich: Heißt für Sie "einstecken", dass man sich duckt, sobald einer draufdrischt?

Warum sollte es? Ich sehe gar kein Dreschen. Sie offensichtlich schon. Was aber der Punkt dabei ist, Sie kommen gar nicht auf den Gedanken, dass sie falsch liegen koennen.

 

zeitschnur

31. Januar 2022 11:22

@ Maiordomus

Da gebe ich Ihnen grundsätzlich schon recht, aber Sie haben die Nuance nicht aufgegriffen: Ich selber mag vieles mit Humor parieren, wenn es mir gegeben ist. Deutlich wird das auch am Film Das Leben ist schön, aber der Satirker oder Humorist oder Witzereißer vom Dienst lacht in aller Regel niemals über seine eigene Situation oder sich selbst.

Ich wollte sagen, dass manchen Menschen das Lachen vergehen kann angesichts der monströsen Umstände. Ich denke nicht, dass eine Mutter, die die Nachricht erhielt, dass ihr 20jähriger Sohn im Krieg gefallen ist, darauf mit Humor reagieren kann. Verstehen Sie das? Der Häftling mag die groteske Idiotie der Schergen in Auschwitz mit Humor nehmen, aber nicht seine eigenen Folterqualen oder die Todesangst derer, die zur morgendlichen selektion antreten mussten. Mir ging es um eine feine Unterscheidung.

zeitschnur

31. Januar 2022 11:44

Zu Ihren restlichen persönlichen Anwürfen, @ Gehenkter - schade, dass Sie zu keinem Zeitpunkt die Sachebene erreichen. Sie dämonisieren mich förmlich und merken nicht, dass Sie die Methoden anwenden, mit denen man derzeit selbständig denkende Menschen framed. Das ist beinharter Maoismus, wo einem Selbstkritik aufgenötigt wird, deren Inhalt von außen bestimmt wird. Ist das ein Zeichen geistiger Weite? Meine Gedanken bleiben frei, damit werden Sie leben müssen. Dass jeder sich jederzeit irren kann, ist banal, das muss man nicht beteuern. Aber ohne klare Überzeugungen wird man nicht erkennen, wann man irrt. Mit dieser Paradoxie müssen wir leben.

Symptomatisch ist Ihr Verweis auf Habermas, der sich gerade kürzlich als knallharter totalitärer Geist geoutet hat, der alles, nur keinen herrschaftsfreien Diskurs erträgt: Er diktiert, wer wann was sagen darf oder andernfalls exkommuniziert wird. Das, Gehenkter, das ist politisch gefährlich, nicht das waghalsige und freizüngige Denken einer Zeitschnur, die keinerlei politische Ambitionen hat und außer einer spitzen Feder keinerlei Waffen trägt.

Solange Sie nicht nachvollziehen können, wovon ich der Sache nach in meinen Büchern und Artikeln schreibe, schweigen Sie doch einfach. Was arbeiten Sie sich daran so ab?!

Der Gehenkte

31. Januar 2022 12:07

@ zeitschnur

Wir sollten es hierbei belassen. Ich habe mehrfach versucht, rein analytisch an Ihre Texte heranzugehen. Ich habe sogar zwei Ihrer Bücher gelesen, die Sie veröffentlicht haben - und mit der Veröffentlichung gehen Sie automatisch einen Kritik-Pakt ein. Wo also ist Ihr Problem? Ich tue das, was man unter Intellektuellen seit Jahrtausenden tut. Gut möglich, daß meine Argumente schwach sind, gut möglich, daß ich gar nicht verstehe, was Sie wollen. Das ist immer das Risiko der Kritik. Wie sagte Hegel auf dem Sterbebett? "Keiner hat mich verstanden, nur einer und auch der nicht richtig."

Ich halte Teile Ihrer Positionen für kritikwürdig und spreche das aus. Usus wäre es nun, wenn Sie meine Argumente erstens zu verstehen versuchen wollten und zweitens darauf reagieren. Irre ich, widerlegen Sie mich - habe ich recht, ändern Sie Ihre Position. Alles ganz normal, kein Grund zur Erregung.

Ich schätze Sie als sehr kluge und kundige Person, aber Sie kommen zu Konklusionen die ich nicht teile und insofern für "gefährlich" halte, als sie zum einen nicht machttauglich sind und direkt in "problematische" Zustände führen würden, zweitens nicht kommunikabel sind, da sie Gefolgschaft und nicht Kritik und Abstand  voraussetzen und drittens vom Weg, den die Rechte m.E. gehen sollte - wenn sie wirksam sein will - ablenkt. Alles unter Irrtumsvorbehalt.

Da Sie aber nie - und zwar systemisch - auf derartige Fragen und Kritiken eingehen, erübrigt sich das weitere Gespräch im Grunde genommen.

zeitschnur

31. Januar 2022 12:13

Ich möchte noch etwas zu der Funktion des Humors sagen, was leider nicht missverstanden wurde:

Wenn ich eine Welt erschaffe, in der der Humor die Grenze des "Sagbaren" knapp überschreitet, dann ist es funktional nach mS der Humor vom Dienst, der überhaupt eine solche Grenze ziehen hilft. Deshalb habe ich natürlich nicht behauptet, dass der Humorist ein bewusster "Systemling" ist. Es mag sein, dass er seine Rolle nicht kritisch ansieht und in seinem Horizont glaubt, er tue etwas Subversives.

Bei Zeller stört mich zB, dass er das, was dem Volk per BrainWashing aufgezwungen wird, sehr häufig den gesichtslosen Typen des Volkes zur Last legt. Er entlastet damit die Mächtigen. Kann sein, dass das den meisten nicht auffällt. Seht Euch doch die Cartoons mal daraufhin an. Er lässt ein Huhn etwa sagen Ich bin ein Uhu und im falschen Körper. Das ist nicht witzig! Die Situation, dass politisch propagiert wird, Menschen meinten gesellschaftsrelevant häufig, sie seien im falschen Körper, kommt nun mal nicht von den Hühnern. Er wagt sich nicht an diejenigen heran, die diesen Unfug inszenieren. Brave Komik aber ist keine. Ich hab dabei ein schales Gefühl.

zeitschnur

31. Januar 2022 12:32

@ links

Ist das nicht bloß die Umkehrung des herrschaftlich-zynischen „Dir wird das Lachen noch vergehen!“ in eine Frage, während der kynische Überlebenskünstler weiterlacht und so seine Souveränität – auch angesichts des Henkers – wahrt?

Wenn Sie es so auffassen: ja. das wäre dann die bloße Umkehrung. Sie wollen zu recht darauf bestehen, dass man alles bis zum Ende mit Lachen quittieren kann. Darin stimme ich dem Impuls nach zu. Aber sobald ich anfange, genauer zu denken, kann ich es nicht aufrecht halten. Ich wünschte, es wäre so, wie Sie sagen.

Man muss ja nur sehen, wie es Leuten wie Lisa Fitz oder Lisa Eckhart geht ...

Generell dürfte gelten, dass ein Mensch, dem man große Schmerzen zufügt, nicht mehr lachen kann. Und ich bin überzeugt davon, dass die Schergen des Systems das längst in ihren Psycho-Experimenten erprobt haben, ab wann man Menschen so schwer traumatisiert, dass alleine schon die Persönlichkeitsspaltung, die dadurch erzeugt wurde, die Möglichkeit des Synthetischen, das jeder echte Witz erfordert, vernichtet hat. Kynismus funktioniert wohl nur in einer Komfortzone, die einem noch die Integrität lässt, aber genau das wird gezielt und zunehmend genommen.

zeitschnur

31. Januar 2022 12:40

@ Gehenkter & die Sekundantin EK

Es geht nicht um "höheres Wissen". Es geht um freies Denken. Mit dem Rollator meinte ich, dass ich nicht meine, ich müsste mich unbedingt auf etwas stützen, um selbst gehen zu können. Um Wissen geht es dabei schon gar nicht, es geht um Denken, auch um Erkennen. Alles, was ich schreibe, ist begrifflich vergleichsweise klar, auch wenns manchem nicht gefällt oder er es so nicht sehen will. Oder schlicht nicht versteht. Natürlich ist keiner zunächst im luftleeren Raum, jeder geht von etwas aus, ich auch. Aber es kommt der Tag, an dem man sich wiederum frei machen muss von dem, wovon man ausging, sobald der Erkenntnisprozess fortschreitet. Das mag auf Sie als Schweben im Nichts wirken, ist es aber nicht. Auch ist es nicht "esoterisch", es ist eine bekannte und legitime Möglichkeit des Geistes, bei der ein freies und fruchtbares Geistesleben überhaupt erst anfängt.

zeitschnur

31. Januar 2022 13:24

Okay, abschließend @ Gehenkter. Sie schreiben:

Usus wäre es nun, wenn Sie meine Argumente erstens zu verstehen versuchen wollten und zweitens darauf reagieren. Irre ich, widerlegen Sie mich - habe ich recht, ändern Sie Ihre Position.

Das, was Sie als Argumente ansehen, sind für meinen Geschmack Angriffe auf einer "Metaebene". Genau darauf lasse ich mich eben nicht ein. Wenn es zB drum geht, ob man den oder jenen Stand der Wissenschaft nicht hintergehen darf - das sind keine sachlichen Argumente, und sie verfehlen das, was ich schreibe. Hand aufs Herz: Sind Sie da nicht unbewusst sehr systemgläubig? Sie nehmen die "Wissenschaft" iS des "Trust science" bierernst, zumindest kann man das schließen. Ich pfeife darauf, was diese Ruine verfremdeten Erkennens, die inzwischen zur Konzernreligion aufgeblasen wird, meint. Es ist doch bekannt, dass schon seit Jahrhunderten jede abweichende Gelehrtenmeinung zu Verlust von Lehrstühlen etc. führte. Sehen Sie sich all die Geister an, die ausgegrenzt wurden, ob das Hölderlin war, Robert Walser oder wer immer. Sie werden mich auf der Ebene also nicht überzeugen können.

Wichtig zu sagen ist mir allerdings: Ich bin nicht im mindesten eingeschnappt oder dergleichen. Lassen Sie sich das nicht einreden. Ich bin eine Kämpfernatur und schlage mich, ohne dass der, mit dem ich kämpfe, der "Feind" ist. Ich bin eben kein Schmittianer. Ohne mit der Wimper zu zucken, würde ich nachher mit Ihnen einen Wein trinken gehen.

 

Der Gehenkte

31. Januar 2022 13:36

@ zeitschnur

"Ohne mit der Wimper zu zucken, würde ich nachher mit Ihnen einen Wein trinken gehen."

Darf ich das als Einladung verstehen? Ich werde Sie daran erinnern, sollten wir uns je begegnen.

heinrichbrueck

31. Januar 2022 14:00

Der Hofnarr kann dem König nicht gefährlich werden. Ein Hofnarr weiß einfach nicht, wie man führt. 

"Zellerfreiheit" bzw. Scheinfreiheit (meine Zeitschnurinterpretation), macht die Sache leider nicht besser. 

zeitschnur

31. Januar 2022 15:19

@ Gehenkter

Wenn ich dann als arme Künstlerin noch soviel Kohle habe: ja. Ist ne Einladung.

links ist wo der daumen rechts ist

31. Januar 2022 18:03

@ Der Gehenkte @ zeitschnur

Und ich proste euch aus dem „neutralen“ Österreich zu - und irgendwer (es muß nicht Bernd Zeller sein) zeichnet uns in unserer Restsouveränität...

Maiordomus

1. Februar 2022 14:34

@Zeitschnur. "Ich bin ein Uhu und im falschen Körper." Würde Zeller statt eine einfache Karikatur zu schaffen eine meisterliche Komödie im Niveau Kleist - Dürrenmatt bewerkstelligen oder gar ein Brecht-Theater, käme er im Zusammenhang mit der von Ihnen angesprochenen organisierten Suggestion nicht um eine differenzierte Stellungnahme herum. Die Karikatur ist aber nun mal meist eine schlicht tendenziöse Vereinfachung, deren Erfolg darin liegt, dass sie für den Betrachter sehr leicht nachvollziehbar ist.