Netzfundstücke (117) – Appell, Vorne, Rausch

»Die Freiheit der Bürger ist unsere rote Linie.«

»Unse­re Par­tei begrüßt die Pro­test­be­we­gun­gen, egal wo sie in Erschei­nung tre­ten. Ihr Anlie­gen ist dring­lich, ihr Pro­test ist not­wen­dig, ihr gewalt­frei­er, zivi­ler Unge­hor­sam ist ihr gutes Recht«, ver­laut­ba­ren die AfD-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den »Ost« selbst­be­wußt in ihrem am 16. Febru­ar ver­ab­schie­de­ten Erfur­ter Freiheitsappell.

Die mit­tel­deut­schen AfD-Lan­des­ver­bän­de schrei­ten zum wie­der­hol­ten Mal vor­an. Wäh­rend ande­re in der Par­tei zögern, mit sich selbst hadern und/oder über die eige­ne Ver­an­ke­rung im Volk unsi­cher sind (sie­he dazu hier mei­ne letz­ten Netz­fund­stü­cke 116), steht man in den neu­en Bun­des­län­dern fes­ter auf bei­den Füßen.

Zusam­men mit den bis­he­ri­gen »real­po­li­ti­schen« Erfol­gen der Par­tei, die gera­de bei den »fun­da­men­tal­op­po­si­tio­nel­len« »Ost«-Fraktionen zu fin­den sind, ist der Appell ein erneu­ter Beweis dafür.

»Die Frei­heits­pro­tes­te sind par­tei­über­grei­fend«, heißt es wei­ter, »aber der Blick in die Par­la­men­te zeigt: Die Alter­na­ti­ve für Deutsch­land ist die ein­zi­ge Oppo­si­ti­on, die gegen den Block der Alt­par­tei­en argu­men­tiert und die exis­ten­ti­el­len Sor­gen der pro­tes­tie­ren­den Bür­ger in den Par­la­men­ten zu Gehör bringt.«

Und wesent­lich, man ist in die­sen Frak­tio­nen dazu fähig, das gro­ße poli­ti­sche Lage­bild zu erkennen:

[…] unse­re Par­tei wei­tet den Blick auf die grö­ße­ren Zusam­men­hän­ge und betrach­tet das Gesell­schafts­expe­ri­ment der Coro­na-Maß­nah­men nicht iso­liert. Selbst dann, wenn Mas­ken- und Impf­pflicht, 2G und Kon­takt­ver­bo­te auf­ge­ho­ben wären, ist abseh­bar, daß die jetzt ein­ge­führ­te Kon­trol­le und Bevor­mun­dung der Bür­ger auf ande­re Fel­der über­tra­gen und sogar aus­ge­baut wird.

Mit vier offen­si­ven For­de­run­gen schließt man den Appell:

Wir, die Vor­sit­zen­den der Land­tags­frak­tio­nen der AfD in Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Bran­den­burg, Sach­sen-Anhalt, Sach­sen und Thü­rin­gen, stel­len des­halb vier For­de­run­gen auf:

  1. Wir for­dern eine sofor­ti­ge Abschaf­fung aller Coro­na-Maß­nah­men und der bereits getrof­fe­nen gesetz­li­chen Rege­lun­gen zur Ein­füh­rung einer Impfpflicht.
  2. Wir for­dern die Medi­en auf, zu einer offe­nen Debat­ten­kul­tur zurück­zu­keh­ren und die vor­han­de­ne Mei­nungs­viel­falt darzustellen.
  3. Wir for­dern die Ach­tung der Mei­nungs­frei­heit und ein Ende der Kri­mi­na­li­sie­rung der Bür­ger­pro­tes­te durch die Regie­rung und ihren Geheimdienst.
  4. Wir for­dern eine Auf­ar­bei­tung des will­kür­li­chen und unver­ant­wort­li­chen Regie­rungs­han­delns, wel­ches die Gesund­heit und die wirt­schaft­li­che Wohl­fahrt unse­res Vol­kes aufs Spiel setzt und die Gesell­schaft tief spal­tet. Wir for­dern auch die Auf­ar­bei­tung des Han­delns des RKI, des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, der Ver­fas­sungs­schutz­be­hör­den und der öffent­lich-recht­li­chen Medien.

Hier geht es zum gesam­ten Erfur­ter Frei­heit­ap­pell, womit der Par­tei – zumin­dest in Mit­tel­deutsch­land – ein wei­te­rer Schritt in Rich­tung nach­hal­ti­ge Kon­so­li­die­rung gelun­gen ist.


Sezes­si­on-Lite­ra­tur­re­dak­teu­rin Ellen Kositza hat Britt­a­ny Sell­ners zwei­tes poli­ti­sches Buch Patri­ots not wel­co­me für den Ver­lag Antai­os über­setzt. Aus den aus­ge­sto­ße­nen Patrio­ten wur­de An vor­ders­ter Front.

Selbst­re­dend stellt Kositza die Neu­erschei­nung in ihrer Lite­ra­tur­rei­he auf dem kanal schnell­ro­da selbst vor: Ein page tur­ner, der vor allem die Geschich­te einer poli­ti­schen Rei­fe­wer­dung dar­stellt. Sell­ner, damals noch Pet­ti­bo­ne, gerät als unbe­darf­tes katho­li­sches Mäd­chen aus US-ame­ri­ka­ni­schen Mit­tel­stands­ver­hält­nis­sen in den Stru­del einer Nati­on, die inmit­ten einer schwer­wie­gen­den Sinn­kri­se steckt.

MAGA, Alt-Right, Alt-Lite, Meme Wars: Sell­ners Kar­rie­re inner­halb die­ser Melan­ge ist in gewis­ser Wei­se auch Aus­druck eines sich wan­deln­den US-Kon­ser­va­tis­mus, des­sen Selbst­fin­dungs­pro­zeß bis heu­te noch nicht abge­schlos­sen ist.

Dahin­ge­hend wird man An vor­ders­ter Front in ein paar Jahr­zehn­ten als poli­ti­schen Zeit­zeu­gen­be­richt lesen kön­nen; als Bericht über eine Zeit, in der die Din­ge in Bewe­gung gerieten:

An vor­ders­ter Front kön­nen Sie direkt hier, bei Antai­os, dem größ­ten kon­ser­va­ti­ven Ver­sand­buch­han­del, bestellen.


Im Som­mer letz­ten Jah­res spra­chen Vol­ker Zier­ke, Autor von Ins Blaue, und Keh­re-Schrei­ber­ling Jörg Dit­tus hier im Jun­g­eu­ro­pa-Pod­cast über den däni­schen Film Der Rausch. Vier aus­ge­brann­te Leh­rer haben im Film die glor­rei­che Idee, ihr Leben über »Pegel­trin­ken« wie­der auf­zu­hel­len. Schließ­lich kom­me der Mensch nach dem nor­we­gi­schen Psych­ia­ter Finn Skår­de­rud mit ‑0,5 Pro­mil­le auf die Welt.

Aus dem Trin­ken wird schnell ein Sau­fen und was das Leben im ers­ten Moment  wie­der lebens­wer­ter zu machen schien, kippt ins Gegen­teil – die Kon­stan­te aus­ufern­den mensch­li­chen Dro­gen­kon­sums. Die Dro­ge als Kon­stan­te des mensch­li­chen Seins.

Eine Kon­stan­te, die der Mensch sich zunut­ze mach­te. Und so gibt es eine Dimen­si­on des Dro­gen­kon­sums, die außer­halb des indi­vi­du­el­len Rausch­erleb­nis­ses steht. Ähn­lich wie Rolf Peter Sie­fer­le die Geschich­te der Moder­ne als Geschich­te der Koh­le rekon­stru­ier­te oder wie es in der Umwelt­ge­schich­te üblich ist, dies fer­ner für das Öl vor­zu­neh­men, las­sen sich auch die Dro­gen aus solch einer Per­spek­ti­ve betrachten.

Denn zusätz­lich zur öko­no­mi­schen und geo­po­li­ti­schen Dimen­si­on des Öls exis­tiert eine öko­no­mi­sche und geo­po­li­ti­sche Dimen­si­on der Dro­ge. Und wer den Opi­um­spu­ren folgt, der wird erstaun­li­che Ent­de­ckun­gen machen.

Einen zeit­geis­ti­gen, deut­schen Blick dar­auf fin­det man in der Heft­rei­he Aus Poli­tik und Zeit­ge­schich­te der Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung: »Rausch und Dro­gen«. Die US-ame­ri­ka­ni­sche Per­spek­ti­ve, die auf­grund ihrer geo­po­li­ti­schen Ver­stri­ckun­gen, dem Coca-Anbau in Süd­ame­ri­ka und dem War on Drugs ein­deu­tig mehr zu bie­ten hat, kommt aus der Feder des US-His­to­ri­kers David T. Courtwright.

Wer vor eng­li­schen Publi­ka­tio­nen nicht zurück­schreckt, soll­te zu Court­wrights Forces of Habit: Drugs and the Making of the Modern World grei­fen. Die noch Unent­schie­de­nen und the­ma­tisch Unbe­fleck­ten soll­ten zual­ler­erst einen Blick auf die fran­zö­si­sche Doku­rei­he His­toire du Tra­fic de dro­gue – Der gro­ße Rausch wer­fen, in der auch Court­wright zu Wort kommt:

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Kommentare (4)

RMH

21. Februar 2022 21:02

Der Film "Histoire du Trafic de drogue – Der große Rausch" ist für alle, die kein Youtube Konto haben und daher wegen einer Altersschranke den 3-Teiler nicht sehen können, aktuell auch noch direkt auf www.arte.de zu finden. Wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte als Minimum den Anfang des ersten Teils sich ansehen - wer noch nicht weiß, woher das dauerhaft zerrüttete Verhältnis zwischen China und dem Westen kommt und das Bedürfnis Chinas, hier auch noch nach 180 Jahren etwas wieder gerade zu rücken, der erfährt hier den Grund. Vielen Dank an Groß Britannien! In Punkto Drogen und Rausch sollte man es wie Ernst Jünger halten, der schrieb in der Einleitung seines gleichnamigen Werks in Punkto:

"In dieser Hinsicht sollte es von einem gewissen, etwa vom pensionsfähigen Alter ab keine Beschränkungen mehr geben – denn für den, der sich dem Grenzenlosen nähert, müssen die Grenzen weit gesteckt werden."

PS: Der Alt-Hippie Dr. Christian Rätsch ist bei Fragen der "Psychonautik" auch immer wieder unterhaltend und interessant. Insbesondere seine schamanisch -naturheilkundlichen Erfahrungen mit Ayahuasca.

tearjerker

21. Februar 2022 22:17

@RMH: Sehr schönes Jünger-Zitat. Bis es soweit ist, können andere Massnahmen greifen.

Franz Bettinger

22. Februar 2022 08:42

Bravo, AfD „Ost"! Endlich die Erkenntnis und endlich Klartext.

Laurenz

22. Februar 2022 15:38

@RMH

Absolut korrekt. Die Japaner werden zwar in Asien nicht geliebt, aber man ist stolz auf sie, weil sie sich als erste asiatische Macht Anfang des 20. Jahrhunderts gegen die russische Marine durchsetzen konnten.

Allerdings spielt auch die ARTE-Redaktion mit gezinkten Karten.

Wenn ich mich recht erinnere, gab es auch 2 deutsche Handelshäuser, die mit Sklaven handelten, aber im wesentlichen war der Sklavenhandel in jüdischer Hand. Da sich letzterer in Britannien nicht mehr durchsetzen ließ & die Royal Navy ab 1803 Jagd auf Sklavenschiffe machte, ging man als Ersatzgeschäft in den Opiumhandel. Beim Vorgehen der East India Company in China unterschlägt die ARTE-Redaktion die Sassoons & die Dents.

Obwohl die Deutschen vor dem I. Krieg noch beim Westen dabei waren, hatten die Deutschen das beste Verhältnis von allen zu China, vielleicht weil auch dort die deutschen Missionare die besten waren, weiß ich aber nicht. Die Chinesen hatten des Wechsel des III. Reichs zu den Japanern nicht verstanden.

https://en.wikipedia.org/wiki/East_India_Company