In dieser Heftigkeit geschieht das einem Verlag nicht mit jedem Buch. In Abstimmung mit den Autoren legen wir drei Leserrezensionen vor und beginnen mit der von Gustav Grambauer. Exemplare dieses wichtigen Briefwechsels, der eine besondere und bestürzende Spur durch der Misere unserer Zeit zieht, sind hier noch zu haben.
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Leserrezension 1 – von Gustav Grambauer
Einleitend sei dem Rezensenten, obwohl nur Leser, gestattet, Martin Barkhoff zu seinem Mut zu gratulieren, eine Veröffentlichung im Verlag der “Superspreader” einzugehen. Als ebenso mutig ist der Vorstoß aus der Binnensicht des rechten Spektrums zu schätzen, dabei nicht zuletzt das verlegerische Wagnis unter Public-Relations-Gesichtspunkten gesehen.
Dieser Leserbeitrag wird sich zunächst auf die ganze Majestät des zugrundeliegenden Themas beziehen und dann auf die Publikation eingehen. Also zunächst zum zugrundeliegenden Thema.
Der Briefwechsel behandelt die Schicksalsfragen des deutschen Volkes in einer Tiefe und Höhe, in der man dazu wohl noch nie im rechten politischen Spektrum des deutschsprachigen Raumes gelesen hat. Dabei baut er auf der Spiritualität des Abendlandes auf, und zwar davon ausgehend, daß das esoterische Christentum als Kern der anthroposophischen Geisteswissenschaft deren Achse bildet – zu denen die Briefe im selben Zuge, soweit in diesem Format möglich, eine beiläufige und selbstverständlich nur lückenhafte erste Einführung bieten. Dem humanistisch gebildeten Leser sollte es entgegenkommen, daß somit die anstehenden Herausforderungen für die Deutschen aus dem Kulturstrom seit der Antike heraus aufgeworfen und erörtert werden. Wie bereits mit dem Titel “Volkstod – Volksauferstehung …” angedeutet, wird dies allerdings mit einer Lebenshaltung vertieft, die in den äußeren Ereignissen oder Herausforderungen konsequent das Abbild des Mysteriums von Golgatha sucht.
Ein Zufallsfund beim Googeln zu den Stichworten “liebknecht + golgathaweg” ergab, daß im Volksbildungswesen der DDR die Frage erörtert wurde, ob die Ermordung Liebknechts und Luxemburgs eigentlich – aus der Sicht der Arbeiterbewegung – ’sinnvoll’ war, und dies vor dem Hintergrund der letzten öffentlichen Worte Liebknechts (in der “Roten Fahne”) vor seiner Ermordung, in der er der deutschen Arbeiterklasse den, ausdrücklich, ‘Golgathaweg’ zur ‘Erlösung’ gewiesen hatte (im Original allerdings wiederum mit dem Ziel der “Beherrschung der erlösten Welt durch unser Programm”). D. h. wenn die gesottensten dialektischen und historischen Materialisten durchdringender als so mancher landläufige Christ das Christus-Prinzip als ein Prinzip (eben: das Prinzip von Tod und Auferstehung) erfassen und es mit aufgeknöpfter Brust begrüßen, “vom Gipfel in die Tiefe geschleudert zu werden” (Liebknecht), dann sollten doch auch die Rechten, ob konfessionell-christlich eingestellt oder nicht, in der Lage sein, sich auf das “Stirb-und-Werde” einzulassen.
Dem Rezensenten ist zu Ohren gekommen, daß die in Schnellroda eingegangenen Rückmeldungen auf das Buch teilweise empörter Art waren. Sofern diese möglicherweise von Christen kamen – hatten die Betreffenden eigentlich angenommen, das deutsche Volk als solches würde nicht, so wie jeder einzelne Christ, sein Kreuz aufnehmen müssen (Matth. 16, 24) bzw., noch umfänglicher formuliert, hätte nicht durch das Mysterium von Golgatha inklusive Höllenfahrt hindurchzugehen?! Oder hatten sie angenommen, Stalingrad hätte auch nur das geringste mit dem Vollzug dieses Mysteriums zu tun gehabt bzw. nach Stalingrad bestünde diese Notwendigkeit etwa nicht mehr?
Oder falls die empörten Rückmeldungen von Literaturkennern kamen – hatten die Betreffenden etwa angenommen, Parzival sei kein Archetypus, sondern einfach ein literaturhistorisch interessanter Vesromanheld, der in der heutigen Zeit gar keine Bedeutung mehr und mit ihnen selbst gar nichts zu tun hätte?
Caroline Sommerfeld weist dahingehend in einem der Briefe (Seite 70) auf den Monomythos der Heldenreise hin. Zum Stichwort ‘heldenreise’, d. h. für den deutschsprachigen Raum, bekommt man bei Google etwa 320.000 Treffer, zu ‘kanye + west + trump + hero’s + journey’ sogar weit mehr als vier Millionen Treffer (West war der Promotor dieses Monomythos, absichtsvoll wegweisend für die Patrioten in den USA). D. h. das Grundprinzip ist längst massenhaft bekannt und wird auch längst massenhaft be- bzw. verarbeitet, wenn auch großteils nicht auf dem hohen Niveau der Anthroposophie, respektive nicht auf dem hohen Niveau des hier in Rede stehenden Briefwechsels. Während also in Nordamerika Tom, Dick & Harry und im deutschsprachigen Raum Max und Erika Mustermann längst in Seminaren und Therapien schmerzhaft durch die ‘dunkle Reise der Seele’ hindurchgehen, mehr oder weniger in dem Bewußtsein, dies auch für ihr Volk zu tun, bekommt man mit der Suchfunktion bei www.sezession.de zu ‘heldenreise’ exakt null Treffer. So muß leider offenbar das Fazit gezogen werden, daß die deutsche Rechte noch nicht über die Stufe 1 des Heldenreise-Zyklus nach Vogler hinausgekommen ist:
“Ausgangspunkt ist die gewohnte, langweilige oder unzureichende Welt des Helden (‘gewohnte Welt’)”.
Gut, daß die Anregung für den nächsten Schritt also jetzt kommt.
Nun etwas zum Briefwechsel selbst.
Zunächst eine Warnung. Es sollte vorausgeschickt werden, daß er mit der ganzen Verve des Denkens-Fühlens-Wollens verfaßt ist, und, soll der Leser nicht daran verzweifeln, mit mehr als nur dem Verstandesapparat aufgenommen werden muß. Kein Stoff für verkopfte, rigide Etepetetes aus dem Habermasschen Diskurskollektiv! Hier wird ernsthaft und vertieft im wohlverstandenen Sinne geistig gearbeitet, hier kratzt die Feder wie es auch dem Verlagskonzept
entspricht; kein Stoff also auch für die Spindoktoren der trickreichen Massenmanipulation, kein Stoff für diejenigen, die gern die Perspektive der Rechten in deren massentauglichem Aufbrezeln sehen wollen, kein Stoff für die Jünger der Vernunftreligion, kein Stoff für die Ein-Thema-Leute mit Sprung in der Schallplattenrille. Es ist also z. B. kein Stoff für die Larmoyierer aus der “Demographie”-Schmollecke (wobei auch schon vor der Publikation des Briefwechsels vielfach ja das Hochpflanzen anstatt des Fortpflanzens anempfohlen worden war), aber ebensowenig ein Stoff für die Klosterfrau-Melissengeist-Fraktion – und dies gilt auch für diejenigen, denen zwar die Anthroposophie bekannt ist, die aber deren Erneuerungsdimension ausblenden wollen.
An den Gedankenführungen der beiden Autoren fällt auf, wie wenig vom eigentlichen Gegenstand, Deutschland bzw. dem deutschen Volk, die Rede ist. Dennoch wird das Thema vollumfänglich ausgeschöpft. Die Methode, bewußt gewählt oder nicht, erinnert an die Autobiographie Rudolf Steiners, in der dieser seinen Lebensgang so wenig wie möglich von sich selbst ausgehend, und dafür so weit wie möglich gespiegelt durch seine Mitmenschen darstellt.
Kritisch anzumerken ist so manches, ein Großteil davon geht sehr ins Persönliche – deshalb soll öffentlich nur die folgende Empfindung eines Mankos dargelegt werden:
So wie Steiner im Volksselenzyklus (GA 121, Ausgabe 2001) die Niederlande in ihrer Abspaltung vom Deutschtum (Seite 55) oder Portugal in seiner Abspaltung vom Spaniertum (Seite 64) charakterisiert, hätte aus Rezensentensicht die deutsche Teilung schwerpunktmäßiger bearbeitet werden können, zumal die psychologische Teilung (mit der Eigenart des Ost-Volksseelen-Aspekts) offenbar perspektivischer Natur ist, also vorerst bleibend sein wird, und wobei möglicherweise auch eine erneute politische Teilung Deutschlands abzusehen ist, u. a. vor dem Hintergrund des Scheiterns der Einhegung Deutschlands mit der Europäischen Union, woraufhin für einen erneuten Versuch der Einhegung eine erneute Teilung nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit sein dürfte. Bereits war es die – vor der Öffentlichkeit freilich auf das Sorgsamste verheimlichte – Prämisse der BRD-Bundesregierung unter Kohl, daß aus der deutschen Teilung sogar zwei ganz verschiedene deutsche Völker hervorgegangen wären; Kohl damals zu Gorbatschow:
… wirtschaftlich werde man die ‘Deutsche Einheit’ schnell meistern, aber – Zitat – “Michail Sergejewitsch, wir sind da drüben im Osten einem fremden Volk begegnet. Die sind ganz anders als wir. (zitiert nach Egon Krenz, “Rotfuchs” / Dezember 2021)
Noch ein Gedanke zur Abrundung. Das Rittertum hat sich seinerzeit in der höfischen Kultur und dabei bspw. in seinem Verhältnis zum weiblichen Pol, wie manchmal gesagt wird, ‘völlig neu selbst erfunden’, sich gleichsam selbst metamorphosiert, und dies mit einem ziemlichen Überraschungsmoment. Der Rezensent geht davon aus, daß ein Sich-völlig-neu-selbst-Erfinden früher oder später in ähnlicher Weise auch für die heutige Rechte ansteht – und daß der vorliegende Briefwechsel dafür bereits eine erste Arbeitsbasis bieten kann. Abschließend sei denjenigen, die das Thema auf die Anthroposophie selbst bezogen vertiefen wollen und dazu auch ein gewisses Grundlagenwissen mitbringen, noch das Buch Kulmination, Grab und goldene Zeit der Anthroposophie von Martin Barkhoff empfohlen.
Der Gehenkte
Da ich vor einiger Zeit mein Erstaunen über diesen Text auf dieser Seite kund getan habe, fühle ich mich jetzt natürlich in der Pflicht, zu reagieren. Allerdings nur, um mitzuteilen, daß ich im Moment aus arbeitstechnischen und privaten Ursachen nicht reagieren kann, mir dies aber für später vorbehalte - wenn nicht hier, dann andernorts.
GGs Besprechung ist insofern nützlich, als sie uns darüber belehrt, für wen der Text alles nicht geeignet ist ... und das ist eine Menge, zieht man die Rhetorik ab. Umgekehrt macht er mit der Ausschließung auch deutlich, was der Text in seinem Wesen - vom Inhalt unabhängig - ist, nämlich eine argumentative und sprachliche Selbsteinschließung in höhere, von Steiner erleuchtete Sphären, mit anderen Worten: anthroposophische Esoterik. Das gilt um so mehr für die fortführende Lektüre der "Kulmination". Das alles bedeutet natürlich nicht, daß der BW nicht auch bahnbrechende Gedanken enthält ...
Zugegeben: der das sagt, hat keine Ahnung - auch wenn er die Anthroposophie in Schlüsseltexten studiert hat, ist ihm die Erleuchtung versagt geblieben.